Rede:
ID0210000800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Mellies.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 100. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955 5579 100. Sitzung Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955. Beurlaubte Abgeordnete (Anlage) 5616 A Mitteilung über Aufnahme der Abg. Gräfin Finckenstein, Bender, Dr. Eckhardt, Haasler, Kraft, Dr. Dr. Oberländer, Samwer als Hospitanten in die Fraktion der CDU/CSU 5579 C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem Personalvertretungsgesetz (Drucksache 1605) . . 5579 C Sabel (CDU/CSU), Berichterstatter . . 5579 C Beschlußfassung . . . 5581 B Erklärung der Bundesregierung gemäß § 47 der Geschäftsordnung (Genfer Konferenz und Wiedervereinigung Deutschlands): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 5581 C Ollenhauer (SPD) 5581 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) (Drucksachen 1600, 1467) 5582 A Cillien (CDU/CSU) 5582 A Mellies (SPD) 5584 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5588 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 5588 D von Manteuffel (Neuß) (FDP) . . . 5590 C Feller (GB/BHE) 5591 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 5594 A Blachstein (SPD) 5597 D Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben 5603 A, 5612 C Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 5610 D Erler (SPD) 5611 B, 5612 C Euler (FDP) 5613 A Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . 5614 D Schlußabstimmung 5615 C Rückblick auf die Arbeiten des Bundestags, Wünsche für die Parlamentsferien: Vizepräsident Dr. Schmid 5615 C Nächste Sitzung 5616 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5616 A Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Pelster 10. September D. Dr. Gerstenmaier 15. August Dr. Höck 31. Juli Bauer (Würzburg) 30. Juli Dr. Blank (Oberhausen) 30. Juli Dr. Kreyssig 30. Juli Dr. Pohle (Düsseldorf) 30. Juli Schoettle 30. Juli Dr. Vogel 30. Juli Albers 23. Juli Dr. Graf Henckel 23. Juli Dr. Arndt 16. Juli Dr. Bartram 16. Juli Bauereisen 16. Juli Birkelbach 16. Juli Böhm (Düsseldorf) 16. Juli Caspers 16. Juli Dr. Czermak 16. Juli Donhauser 16. Juli Dr. Dresbach 16. Juli Ehren 16. Juli Günther 16. Juli Harnischfeger 16. Juli Koenen (Lippstadt) 16. Juli Frau Dr. Kuchtner 16. Juli Leibfried 16. Juli Lemmer 16. Juli Frau Dr. Maxsein 16. Juli Metzger 16. Juli Morgenthaler 16. Juli Neuburger 16. Juli Onnen 16. Juli Raestrup 16. Juli Dr. Starke 16. Juli Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 16. Juli Wiedeck 16. Juli Wullenhaupt 16. Juli Margulies 16. Juli Dr. Dr. h. c. Pünder 16. Juli Struve 16. Juli Dr. Eckhardt 16. Juli Dr. Schneider (Lollar) 16. Juli Dr. Keller 16. Juli b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß vom 18. Juli bis einschließlich 23. September.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Cillien


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wie jeder, der an dieses Pult tritt, so habe auch ich den dringenden Wunsch, daß ich mit meinen Ausführungen verstanden werde, und zwar nicht in dem flüchtigen Sinne stimmlicher Art, sondern auch hinsichtlich meiner Beweggründe. Ich habe nicht die Absicht, zu dem vorliegenden Freiwilligengesetz in der dritten Lesung noch im einzelnen ausführlich Stellung zu nehmen. Das ist ausführlich in den zwei Lesungen und in den Beratungen der Ausschüsse geschehen. Ich habe vielmehr die Absicht, in dieser sehr ernsten Schicksalsstunde des deutschen Volkes einige sehr grundlegende und besinnliche Ausführungen zu machen, wie sie nach meinem Dafürhalten der Verantwortung angemessen sind, die wir gemeinsam zu tragen haben. Ich habe nicht die Absicht, Stoff zu liefern zu einer Auseinandersetzung, sondern zu einer Verständigung.
    Aus diesem Grunde und nur zu diesem Zwecke darf ich mir die persönliche Bemerkung erlauben, daß ich den ersten Weltkrieg als Freiwilliger zugleich mit sechs Brüdern mitgemacht habe. Viele von uns erinnern sich gewiß noch daran, was in jenen Kriegsfreiwilligen an einer inneren Bereitschaft steckte, an einer Hingabe, an einer Treue zu dem, was man damals „vaterländisches Ideal" nannte. Selbst in der Bezeichnung „Kriegsmutwilliger", die ja die alten Leute der Kompanien und Schwadronen gerne benutzten, steckte doch immer noch ein Stück Hochachtung vor diesen jungen Menschen.
    Ich halte die Bestrebungen, unser Volk in irgendeiner Weise geschichtslos zu machen, ganz allgemein für bedenklich, und ich halte all die Versuche für verderblich und gefährlich, einzelne Perioden deutscher Geschichte irgendwie ausmerzen zu wollen. Die ganze deutsche Geschichte ist unser Schicksal, und wir haben uns mit ihr auseinanderzusetzen und sie zu tragen in ihren Höhepunkten und in ihren Tiefpunkten. Aus diesem Grunde liegt es mir nahe, hier das Wort von jenen Kriegsfreiwilligen doch einmal in diesem Augenblick zu gebrauchen, wo wir vor der Notwendigkeit stehen, ein neues erstes Soldatengesetz zu verabschieden. Wie kurz ist die Spanne Zeit seit jenen Jahren und wie tief und aufwühlend der Unterschied in der Beurteilung und in der Betrachtung jener Menschen und jener Ereignisse! Seit jenen Jahren ist das deutsche Soldatentum zweimal durch Schande und durch Schmach hindurchgegangen. Zweimal hat das deutsche Volk den starken Willen und den heißen Wunsch gehabt: „Nie wieder Krieg!", und weite Teile haben sich völlig abgewandt von jedem militärischen Denken. Es wäre gut und schön gewesen, wenn sich das erfüllt hätte, was 'wir gemeinsam erhofften und ersehnten. Aber vor einem möchte ich warnen und spreche es ganz offen aus: es wäre unverantwortlich, wenn wir uns bei dieser Arbeit, die jetzt vor uns liegt, und bei den Pflichten, die auf uns warten, abwenden wollten von jenen Werten echten, tapferen, hingebungsvollen Soldatentums, wie es in der deutschen Geschichte so oft hervorragend in Erscheinung getreten ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich würde eine solche Abwendung als einen Verzicht an Selbstachtung betrachten, ohne die eine Nation nicht in Ehren zu bestehen vermag.
    Es sei mir erlaubt, nun einige allgemeine Feststellungen zu machen. Wir sind uns im ganzen Hause, wir sind uns in allen Schichten unseres Volkes darin einig: wir hätten es gewünscht, daß wir ein solches Gesetz und seine Nachfolgegesetze niemals hätten zu beschließen brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber die geschichtliche Entwicklung seit dem Jahre 1945 ist anders gelaufen, als wir es uns gedacht und als manche es sich erträumt hatten, die sich niemals dazu veranlaßt sahen, mit den Realitäten und Wirklichkeiten des menschlichen Lebens und des Völkerlebens zu rechnen. Uns sind schwere Enttäuschungen bereitet worden. Aber diese Enttäuschungen entbinden uns nicht von der Verantwortung, für den Frieden und die Wohlfahrt unseres Volkes zu sorgen. Genauso wie wir in jenen chaotischen Zeiten vor zehn Jahren die Arme nicht haben sinken lassen, sondern darangegangen sind — unterstützt, und das unterstreiche ich mit aller Betonung, von allen Berufen, Klassen und Schichten unseres Volkes —, dennoch einen Aufbau zu wagen, haben wir auch jetzt die Verpflichtung, in keinem Augenblick die Sicherheit und den Frieden unseres Volkes aus den Augen zu lassen.
    Dabei verschweige ich nicht, daß auch wir — und damit meine ich jetzt einmal meine politischen Freunde — unter denselben Belastungen und vor schwerwiegenden Fragen stehen, die augenblicklich unser ganzes Volk bewegen. Wir nehmen an all der Ungesichertheit unserer Existenz teil und haben schwere Sorgen über das, was etwa an dem europäischen oder am Himmel der gesamten Völkerwelt heraufzieht.
    Ich greife aus den besonderen Fragen drei einzelne Fragen heraus, die ja landauf, landab erör-


    (Cillien)

    tert werden. Ist ein Verteidigungsbeitrag des deutschen Volkes in der Situation, in der wir stehen, angebracht? Könnte nicht darauf verzichtet werden, eben weil wir den Frieden und nichts als den Frieden wollen? Es hieße doch, sich einer gefährlichen Täuschung sowohl über die Natur des einzelnen Menschen wie über die Natur der Völker hingeben, wenn wir uns auf irgendwelche Versprechungen oder irgendwelche Worte hin der Sicherheit begeben wollten, die wir zu erstreben verpflichtet sind. Wir glauben - und das haben wir in diesen vergangenen Jahren unentwegt verfolgt —, daß das Mindestmaß an Sicherung für unser Volk am ehesten gewährleistet wird, wenn wir nicht wie in vergangenen Jahren deutscher Geschichte allein in der Weltgeschichte stehen, allein vertrauend auf unsere Kraft und unser Können, sondern wenn wir uns bemühen um Freunde und Genossen, wenn wir uns in die Gemeinschaft der freien Völker hineinstellen und wenn wir mit ihnen zusammenwirken für dieses große gemeinsame Ziel. Wer so eine Partnerschaft erstrebt, um ein hohes Ziel zu verwirklichen, kann sich dann allerdings nicht von den Pflichten, von den Opfern dispensieren, die in einer solchen Gemeinschaft gefordert werden müssen.

    (Abg. Dr. Krone: Sehr richtig!)

    Dazu gehört eben, daß auch wir den bescheidenen Verteidigungsbeitrag leisten, wie er unseren Kräften entspricht.
    Ebenso schwer, ebenso bedrohlich ist die andere Frage, ob es in einer Zeit einer atomaren Bedrohung des ganzen Weltgeschehens überhaupt noch sinnvoll ist, sich über einen Verteidigungsbeitrag zu unterhalten. Wir werden heute im Laufe des Tages noch einen besonderen Bericht über die Erfahrungen der letzten Manöver hören, die sich über dem Raum unseres Volkes abgespielt haben. Ich verstehe es menschlich durchaus, wenn der eine oder andere sagt: Was sollen solche kleinen Abwehrmittel bei einer solchen radikalen Bedrohung des ganzen Globus, auf dem wir leben? Ist es nicht einfach sinnlos, hier Geld und Kraft in ein Unternehmen zu vergeuden, das doch hoffnungslos ist? Meine Damen, meine Herren, ich streiche nichts ab von dem, was erfahrene Menschen über die Vernichtungskraft dessen zu sagen wissen, was auch menschlicher Geist erfunden hat. Aber ich wende mich sehr viel lieber auch den Dingen zu, die auch von Menschen unternommen werden und die dahin zielen, dieses Verderben von uns abzuwehren. Ich glaube, daß bei aller Bedrohung der Welt und bei aller Spannung auch die Bereitschaft der Völker, aufeinander zu hören und einander zu helfen, niemals so groß gewesen ist wie heute. Wir selbst haben es spüren dürfen, und die Verbindung untereinander ist so groß und so lebendig geworden, wie nie zuvor. Wir spüren, wie wir aufeinander angewiesen sind, und sind bereit, miteinander zu reden und nach den besten Möglichkeiten zu einer gemeinsamen Wohlfahrt der Welt zu suchen.
    Ich gehöre auch zu denen, die von dem Geschehen in Genf eine weitere Förderung dessen erwarten, was allen Menschen dieser krummen Erde am Herzen liegt. Sollte nicht gerade der letzte grausige Krieg und das, was wir von einem bevorstehenden etwa ahnen können, auch dazu dienen, daß der Krieg den Krieg verschlingt, ihn unmöglich macht?
    Ich möchte nicht, daß wir bei dieser wirklich nüchternen und notwendigen Betrachtung über all die Kräfte des Herzens, die auch lebendig sind,
    über die sittlichen, die moralischen, die geistigen
    und die geistlichen Kräfte einfach hinweggehen,
    die nicht nur in unserem Volk, sondern überall
    lebendig sind, um das Unheil von uns abzuwenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, es entspricht unserer gemeinsamen Überzeugung, daß es nicht nur irgendwie eine alte Gewohnheit ist, wenn die Menschheit aufgerufen worden ist, sich vor dieser Tagung in Genf in einem fürbittenden Gebet für den Weltfrieden einzusetzen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, daß diese geistigen und geistlichen
    Kräfte lebendig sind und stärker sind als die radikalen Ströme und Bewegungen der Vernichtung.
    Lassen Sie mich's an einem kleinen Beispiel deutlich machen, das mich vorgestern so bewegt hat. Eine Dame, die dabei ist, sich ein Haus zu bauen, erzählte mir, sie seien an dem weiteren Ausbau gehindert — ich dachte, sie würde sagen: weil das Geld oder die Materialien fehlten, nein: weil ein Rotschwänzchenpaar ein Nest in ihrem werdenden Bau gebaut hätte, und deshalb könne der Bau nicht vollendet werden. Das mag sentimental klingen; es ist mir ein Beweis dafür, daß die Kräfte des Mitleids und der Barmherzigkeit nicht ausgestorben sind

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß die Menschen bereit sind, Opfer an Zeit und Geld zu bringen, um die Brut eines Rotschwänzchenpaares am Leben zu erhalten. Wo solche Gedanken und solche starken Gefühle lebendig sind, da ist nach meinem Dafürhalten auch noch etwas anderes lebendig, was allerdings noch wichtiger und durchschlagender ist: da ist auch die Achtung vor dem Herrn des Lebens selber lebendig, der das Leben gegeben hat und erhalten wissen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es bewegt uns auch noch eine ganz andere Frage, die bei der Verwirklichung dieses Gesetzes in der Praxis von einer ganz großen und entscheidenden Bedeutung ist; sie lautet ganz einfach so: Wie wird unsere Jugend, von der dieses Opfer gefordert werden soll, dieses Gesetz hinnehmen? Ist sie bereit dazu? Hält sie eine Verteidigung dessen, was jetzt ihr Leben umschließt, für sinnvoll und wertvoll? Meine Damen, meine Herren, es gibt viele Fragen, letzte Fragen des menschlichen Lebens, die mit Hilfe solcher rationalen Erwägungen nicht beantwortet werden können. Deshalb liegt es mir auch völlig fern, in einer solchen Diskussion etwa darauf hinzuweisen, wieweit wir es gebracht haben seit dem Chaos und seit dem Zusammenbruch jener Jahre, was alles erreicht worden ist, wie auch für die Jugend gesorgt und wie sie wieder in ganz andere Lebensverhältnisse hineingebracht worden ist, als sie selber vielleicht damals ahnen konnte. Wir haben vieles erreicht; da ist gar kein Zweifel. Aber wo Opfer nur vom Materiellen her begründet werden, da handelt es sich nicht um echte Opfer und um echten Einsatz.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Erlauben Sie mir, daß ich das, was mich in diesem Augenblick bewegt, auch durch ein kleines Erlebnis zu verdeutlichen versuche.

    (Abg. Wehner: Diesmal mit einer Kohlmeise!)



    (Cillien)

    Ich habe vor einigen Jahren in einer Versammlung gesprochen, wie wir alle es tun, und habe dort versucht, ebenso wie wir es alle tun, mit Kräften des Verstandes und des Herzens zu reden über die Nöte und über die Schwierigkeiten unseres Volkes und über die Auswege, die wir planen, und die Taten, die wir vollbringen wollen. Daran schloß sich eine Aussprache an — und wieder sage ich: wie es uns meistens allen passiert — mit Fragen, die aus einem ganz kleinen und persönlichen Interesse herauskamen, Fragen, die einen etwas ernüchtern, wenn man an die großen Schicksalsfragen unseres Volkes dachte. Zum Schluß meldete sich dann noch ein junger Mensch, ein Heimkehrer. Ich muß gestehen, ich war etwas verdrießlich, daß nun noch solch ein ähnlicher Beitrag geleistet werden sollte. Am Schluß habe ich aussprechen dürfen — leider war es nur das einzige Mal —, daß den besten Beitrag dieses Abends jener junge Heimkehrer mit seinen kurzen Ausführungen geleistet hatte. Er war der einzige, der gesagt hatte: mein Volk, mein Vaterland. Das ist etwas, was uns weithin fehlt. Diese distanzierte Betrachtung unseres Schicksals, dieses Reden: Bonn, Bonn, wie wenn man auf dem Monde säße und nicht mit verpflichtet wäre, an dem Schicksal unseres Volkes Anteil zu nehmen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das kann nicht erreicht werden durch irgendwelche Gesetze und Vorschriften. Auch die Brut jener Rotschwänzchen — ich gebrauche das ruhig noch einmal, trotz dieses Zwischenrufes vorhin —,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    auch das Schicksal dieses Rotschwänzchenpaares kann nicht gesichert werden durch die Bestimmungen des Tierschutzvereins. Ebensowenig kann das, was wir hier wünschen, nämlich der Schutz, die Einheit, der Frieden für unser Volk durch solche Gesetze erreicht werden, die wir beschließen. Diese Dinge können nur geschützt und gefördert werden durch das lebendige Beispiel und durch das Vorbild, und das ist die Aufgabe ganz besonders eines Parlaments in einer repräsentativen Demokratie.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe es deshalb mit ganz besonderer Freude verfolgt, wie bei den Beratungen dieser Gesetze sich doch, insonderheit in den Ausschüssen, erfreuliche Ansätze für eine gemeinsame Zusammenarbeit, zum Tragen gemeinsamer Verantwortung gezeigt haben.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich stehe nicht an, all den Kollegen und Kolleginnnen zu danken, die bei aller Differenziertheit ihrer politischen Anschauungen ein großes gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Verantwortung für Deutschland gesehen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das bedeutet in keiner Weise eine Verflachung der politischen Auseinandersetzungen.
    Ich erinnere mich mit Dank daran, daß von dieser Stelle einmal einer meiner Kollegen gesagt hat: Es kann für eine politische Überzeugung, für eine politische Ansicht nicht Gültigkeit für jedermann verlangt werden. Die Richtigkeit politischer Anschauungen kann nicht bewiesen werden. Ich füge dem hinzu: Aber nur dort, wo eine hohe Achtung vor den Überzeugungen und den politischen Ansichten des andern besteht, ist auch der Boden für eine fruchtbare Aussprache bereitet.

    (Beifall in der Mitte.)

    Und wenn das als gemeinsame Verpflichtung unserem armen, geschlagenen Volke gegenüber stärker sichtbar würde, als wir es bislang erfahren durften, müßte das auch zum Brückenschlagen, zum Überbrücken der Gegensätze, die nun einmal da sind, beitragen. Wir werden auch in Zukunft Differenzen untereinander haben, und diese müssen ausgetragen werden. Aber ich habe, entschuldigen Sie, nachdem ich nun zehn Jahre im parlamentarischen Leben stehe, die Vorstellung, als wenn auch da Reformen durchaus möglich und nötig wären.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der Beitrag muß von allen gemeinsam geleistet werden. Nur so werden wir der jungen Generation, von der wir in besonderer Weise Opfer fordern, nahebringen können, daß es sich doch lohnt, für dieses Volk, für dieses Vaterland einzustehen, ohne zu fragen: „Was bringt es mir?", „Lohnt es sich?", „Komme ich damit weiter?".

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Aus all diesen Gründen, aus einer fest fundierten und immer wieder überprüften politischen Überzeugung sind meine Freunde bereit, diesem ersten Soldatengesetz ihre Zustimmung zu geben. Sie tun es gerade auch deshalb, weil in diesem Hause in seiner ganzen Breite Leitbilder für den künftigen deutschen Soldaten vorhanden sind, die uns mit Zuversicht erfüllen können. Wir sind alle gewillt, diesem deutschen Soldaten eine würdige und ehrenhafte Stellung in unserem bürgerlichen Leben zu gewähren.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wir sind alle entschlossen, dazu beizutragen, daß Überwucherungen, wie sie einmal vorhanden gewesen sind, nicht wieder einzutreten vermögen.
    Ziel bleibt für uns die Sicherung des Friedens, die Erhaltung unserer Freiheit. Wir glauben, daß wir gerade auf diesem Wege das verwirklichen, was uns zutiefst am Herzen liegt: die beiden getrennten Teile Deutschlands wieder zusammenzufügen zu einem gemeinsamen Vaterland.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wilhelm Mellies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der ersten Lesung dieses Gesetzes hat mein Freund Arndt seine Ausführungen mit den Worten eingeleitet: Nicht jetzt und nicht so! Auch nach den Ausschußberatungen und der zweiten Lesung im Plenum ist diese Formulierung für die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion bestimmend.
    „Nicht jetzt!": Wahrscheinlich wird in späteren Jahren niemand verstehen, daß das deutsche Volk gerade am Vorabend der Genfer Konferenz diesen Schritt getan hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Bundeskanzler wünscht diese Verabschiedung aus außenpolitischen Gründen. Er ist der Ansicht, daß man den Westen davon überzeugen müsse, daß Deutschland gewillt sei, die Verträge zu erfüllen.


    (Mellies)

    In der ersten Lesung des Gesetzes hat die sozialdemokratische Fraktion mehrfach darauf hingewiesen, daß auch sie die Tatsache anerkenne, daß durch die Pariser Verträge völkerrechtliche Bindungen für die Bundesrepublik geschaffen seien. Aber, meine Damen und Herren, bedeutet das gleichzeitig, daß man bei der Durchführung der vertraglichen Bestimmungen eine solche hektische Eile an den Tag legen muß? Bedeutet das angesichts der Genfer Konferenz nicht vielmehr für die Welt die Festlegung in einer bestimmten Richtung? Der Bundeskanzler hat in der letzten Woche noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das deutsche Volk hinsichtlich der außenpolitischen Entwicklung Geduld haben müsse. Wir wünschten nur, meine Damen und Herren, man hätte auch in dieser Frage etwas mehr Geduld gehabt.

    (Beifall bei der SPD.)

    In einem Punkt allerdings — das darf ich gleich hinzufügen — hätten wir der Politik der Bundesregierung viel mehr Ungeduld gewünscht, nämlich in der Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit.

    (Beifall bei der SPD. — Unruhe in der Mitte.)

    Wenn es richtig ist, daß politische Entwicklungen auch einmal mit Geduld betrachtet werden müssen, — in dieser wichtigen und für uns entscheidenden Frage muß die Welt davon überzeugt werden, daß das deutsche Volk und seine Regierung von einer solchen Ungeduld erfüllt sind, daß niemand an dieser Ungeduld vorübergehen kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Anstatt die Eile bei dieser Gesetzgebung an den Tag zu legen, hätte man sich nach unserer Auffassung lieber bemühen sollen, alle Kräfte zu fördern und zu stärken, die im Augenblick in starkem Maße für die Entspannung und friedliche Entwicklung in der Welt tätig sind.
    Wir bedauern es außerordentlich, daß der Bundeskanzler nicht alle Anstrengungen gemacht hat, den indischen Ministerpräsidenten Nehru zu einem Besuch der Bundesrepublik zu bewegen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier liegt eines der großen Versäumnisse der deutschen Außenpolitik in der Nachkriegszeit.

    (Unruhe in der Mitte. — Glocke des Präsidenten.)

    Wir können froh sein, meine Damen und Herren, daß Tausende von Deutschen durch die großartige Begrüßung Nehrus auf dem Düsseldorfer Flughafen dieses Versagen des Bundeskanzlers wieder wettgemacht haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    In Düsseldorf hat der indische Ministerpräsident durch die jubelnde Begrüßung der Tausende die wirkliche Stimmung des deutschen Volkes kennengelernt. Das deutsche Volk ist dem indischen Ministerpräsidenten außerordentlich dankbar dafür, daß er keine Mühen und Strapazen scheut, um durch Besuche in den wichtigsten Hauptstädten der Welt und durch eingehende Aussprache den hoffentlich erfolgreichen Versuch zu machen, einer Politik der Entspannung und der friedlichen Entwicklung den Weg zu ebnen. Wir sind ihm auch dafür zu tiefem Dank verpflichtet, daß er sich des wichtigsten Anliegens der deutschen Politik, der Wiederherstellung der deutschen Einheit, so angenommen hat.
    Der Herr Bundeskanzler ist der Auffassung, daß der jetzige Schritt notwendig sei, um das Vertrauen der Westmächte zu der deutschen Politik zu erhalten. Es wäre schon erstaunlich, meine Damen und Herren, wenn nach all dem, was in den letzten Jahren geschehen ist, ein solcher Schritt noch notwendig sein sollte. Aber — die Frage müssen wir hier aufwerfen — hat denn nicht der Herr Bundeskanzler selbst zu einem gewissen Teil dazu beigetragen, daß ein solches Mißtrauen, wenn es vorhanden sein sollte, noch besteht? Er hat — und Sie von den Regierungsparteien sind ihm darin fast immer gefolgt — in den verflossenen Jahren aus parteipolitischen Erwägungen immer wieder den Versuch gemacht, die deutsche Opposition, die Sozialdemokratische Partei als kommunistenanfällig hinzustellen.

    (Widerspruch in der Mitte.)

    Damit, meine Damen und Herren, ist nicht nur die innerpolitische Situation schwer belastet worden. Herr Kunze, wenn Sie auch noch so den Kopf schütteln, an dieser Tatsache können Sie nicht vorbeigehen. Selbstverständlich müssen solche dauernden Versuche auch ihre außenpolitische Auswirkungen haben. Aber offenbar geht der Bundeskanzler von der einfachen Formulierung aus: Wer nicht hundertprozentig für seine Politik ist, der ist eben anfällig für die kommunistische Politik.
    In der ersten Lesung hat mein Freund Ollenhauer davon gesprochen, wie gespenstisch die Debatte angesichts der Feststellungen anmutete, die im Anschluß an die Manöver Carte Blanche getroffen worden sind. Wir sollen ja nachher noch etwas über diese Frage hören, und mein Freund Blachstein wird dann dazu noch einiges sagen. Wir hoffen auch, meine Damen und Herren, daß der Herr Verteidigungsminister, der sich bei der ersten Lesung hier im Plenum über diese Frage ausgeschwiegen hat, dem Hause seine Auffassung über diese Dinge noch einmal darlegen wird.
    Aber heute kann man zu dieser Feststellung Ollenhauers doch nur hinzufügen, daß es einfach grotesk ist, wenn am Vorabend der Genfer Konferenz die ersten Schritte zur Aufstellung der deutschen Streitkräfte getan werden. In Genf soll über die Abrüstung und über die deutsche Wiedervereinigung verhandelt werden. Wir verabschieden heute, zwei Tage vor der Konferenz, ein Gesetz, das für die Bundesrepublik die Aufrüstung bringt. Durch diese Aufrüstung wird — darüber besteht doch bei niemandem ein Zweifel, meine Damen und Herren - die Wiederherstellung der deutschen Einheit in außerordentlichem Maße erschwert. Bundesregierung und Koalition werden wahrscheinlich nachher darauf hinweisen — und der Herr Kollege Jaeger hat das gestern in seinen Ausführungen auch schon getan —, daß ihre bisherige Politik die Genfer Konferenz erst ermöglicht habe und daß diese Politik deshalb fortgesetzt werden müsse.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, Sie sagen „Sehr richtig". Aber wie liegen denn die Dinge in Wirklichkeit? Die entscheidende Sprache für die Notwendigkeit einer Entspannung in der Welt und für eine friedliche Verständigung der Völker sprechen die Wasserstoffbomben mit dem Kobaltmantel, von


    (Mellies)

    denen jeder weiß, daß sie innerhalb kurzer Zeit alles Leben auf der Erde auslöschen können.
    Herr Cillien hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, wie stark unter Umständen menschliche Gefühle sein können, als er erzählte, wie ein Ehepaar den Hausbau einstellte, um den Nestbau eines Rotschwänzchenpaares nicht zu stören. Herr Cillien, solche Dinge haben wir doch zu allen Zeiten erlebt, und diese Dinge haben nicht verhindert, daß dann anschließend die grauenhaftesten Zerstörungen und Verwüstungen kamen.

    (Abg. Cillien: Das habe ich auch nicht behauptet!)

    — Nein, das haben Sie nicht behauptet. Aber, Herr Cillien, es ist doch notwendig, diese Dinge in ihrer ganzen Bedeutung und Schwere zu sehen. Erinnern wir uns denn nicht mehr an die entsetzliche Bewußtseinsspaltung, die z. B. während des „Dritten Reiches" bei Menschen vorhanden war, daran, daß die SS-Leute, die in den Konzentrationslagern die Menschen quälten und zu Tode brachten, nachher zu Hause die rührendsten Familienväter waren?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Ausgezeichnet! Sehr gut!)

    Ich habe das nur eingefügt, um darauf hinzuweisen, daß man diese Dinge auch in ihrem ganzen
    Gehalt und in ihrer ganzen Bedeutung sehen muß.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, die Umgestaltung, die das Gesetz in den Ausschüssen erfahren hat, zeigt, wie berechtigt die Worte meines Freundes Arndt waren, als er formulierte: Nicht so! Ich habe in der Erklärung meiner Fraktion zum Personalgutachterausschuß-Gesetz und bei meinen Darlegungen in der zweiten Lesung zu § 2 a dieses Gesetzes bereits darauf aufmerksam gemacht, wie schlecht dieses Gesetz von der Regierung vorbereitet war.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Bedeutung dieses Schrittes für die innerpolitische Entwicklung und Gefährdung hat man offenbar gar nicht gesehen. In der Ausschußberatung ist aus den Reihen der Koalition das Wort gefallen: Der Kanzler sieht die Dinge eben nur außenpolitisch. Aber die außenpolitische Auswirkung ist doch nur die eine Seite der Angelegenheit. Angesichts der Tatsache, daß die politischen Dinge in der Weit in außerordentlich starkem Maße in Fluß gekommen sind, ist diese außenpolitische Überlegung vielleicht morgen oder übermorgen schon überholt. Aber die innerpolitischen Auswirkungen, meine Damen und Herren, bestimmen das Geschick des deutschen Volkes und der deutschen Demokratie in den nächsten Jahrzehnten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb hätten die Überlegungen über die innerpolitischen Auswirkungen im Vordergrund stehen müssen.
    Ich höre dann von Ihnen den Hinweis auf den Primat der Außenpolitik. Nun ja, wir haben — und ich glaube, in diesem Fall muß man sagen: leider — in den verflossenen Jahren doch oft den Zustand erlebt, daß nicht nur von einem Primat der Außenpolitik gesprochen werden konnte, sondern daß die Außenpolitik eigentlich völlig das Feld beherrschte und die innerpolitische Entwicklung zu einer echten parlamentarischen Demokratie dabei Schaden litt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, wie kurzsichtig ist doch eine solche Politik! Eine gute Außenpolitik auf lange Sicht kann doch nur dann Erfolg haben, wenn sie von guten, festen innerpolitischen Fundamenten getragen wird. Das bedeutet für die Bundesrepublik, daß eine Außenpolitik nur tragfähig ist und bleibt, wenn sie sich auf das Fundament einer gesunden parlamentarischen Demokratie im Innern stützen kann. Ist diese parlamentarische Demokratie nicht gesichert oder ist sie sehr schwach, so werden die außenpolitischen Bemühungen an dieser Tatsache bald zerbrechen. Denn dann, Herr Bundeskanzler, wird das Mißtrauen uns gegenüber in der Welt nicht aufhören, sondern es wird sich verstärken.
    Wie dünn die Decke ist und wie gering das Vertrauen der Bevölkerung zu dieser Demokratie ist, haben wir doch vor einem Jahre alle erlebt. Das hat uns der Schock gezeigt, der bei dem Fall John durch die Bevölkerung ging. Ich glaube, wir sollten uns in diesem Augenblick auch einmal wieder an diese Vorgänge erinnern.
    Aber, meine Damen und Herren, wie schwach ist doch diese parlamentarische Demokratie auch noch in Deutschland, wenn man die Stellung der Regierung zum Parlament betrachtet. In der ersten Lesung ist dieser Gesetzentwurf von allen Fraktionen des Hauses so zerfetzt worden wie wohl noch nie eine Vorlage der Regierung.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wie reagierte die Regierung darauf? Sie schwieg im wesentlichen. Den Zornesausbruch des Bundeskanzlers kann man ja wohl nicht als eine echte Auseinandersetzung mit der kritischen Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion betrachten. Und die Ausführungen des Verteidigungsministers betrafen nur einen Punkt der Ausführungen meines Freundes Arndt.
    Es wird so viel von der Verantwortung der Mininister gegenüber dem Parlament geredet. Ich glaube aber, diese Verantwortung besteht doch nicht nur darin, daß die Minister durch ihre Anwesenheit bei der Beratung der Gesetze dem Parlament ihren Respekt bezeugen. Verantwortung heißt doch wohl auch, daß sich die Minister der Kritik des Parlaments stellen und daß sie die Vorlagen, die vom Kabinett gemacht worden sind, hier im Parlament, hier im Plenum auch verteidigen. Sollte dann die Regierung dabei den Eindruck gewinnen, daß diese Kritik an fast allen Punkten von allen Fraktionen berechtigt sei, bleibt doch nur ein Weg: dann die Vorlage zurückzuziehen und dem Parlament eine bessere zu unterbreiten. Aber das ist in diesem Falle nicht geschehen.
    Wir sollten diese Dinge nicht unterschätzen. Denn durch das konstruktive Mißtrauensvotum und durch die Tatsache, daß der Bundeskanzler sich bisher geweigert hat, dem Bundespräsidenten die Abberufung eines Ministers vorzuschlagen, auch wenn das ganze Parlament heftige Kritik an diesem Minister zu üben hatte, ist doch schon der Eindruck entstanden, daß die Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament nur auf dem Papier steht. Das konstruktive Mißtrauensvotum — meine Damen und Herren, darüber sollten sich alle Befürworter dieser Bestimmung des Grundgesetzes klar sein — ist doch nur zu halten, wenn sich die Minister hier im Parlament auch mit der Argumentation und der Kritik der Fraktionen auseinandersetzen.


    (Mellies)

    Als das hier bei der ersten Lesung im Plenum nicht geschehen war, hätte man mindestens annehmen sollen, daß das Kabinett sich nach dieser für die Vorlage vernichtenden Debatte zusammengesetzt hätte, um die notwendigen Folgerungen daraus zu ziehen und dann bei Beginn der Ausschußberatungen wenigstens entsprechende Erklärungen abzugeben. Aber auch das ist nicht geschehen. Auf meine Frage bei Beginn der Beratungen im Sicherheitsausschuß begegnete ich sogar einem großen Erstaunen und dem Hinweis, daß das doch bisher nicht üblich gewesen sei. Nun, meine Damen und Herren, es dürfte in einer guten parlamentarischen Demokratie auch nicht üblich sein, daß die Regierung auf eine solche Kritik einer ihrer Vorlagen im Parlamente nichts zu sagen weiß.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die völlige Umgestaltung der Vorlage beweist, wie schlecht der Entwurf der Regierung ausgearbeitet war. Es ist nicht zu verkennen, daß durch die Umgestaltung in den Ausschüssen eine Reihe der wichtigsten und entscheidendsten Mängel des Gesetzes beseitigt worden sind. Es ist außerordentlich zu begrüßen, daß Vertreter aller Fraktionen bemüht waren, eine entsprechende Umgestaltung zu erreichen. Allerdings bot die Regierung dabei wenig Hilfe, ja, in den entscheidenden Punkten legte sie sich sogar zunächst quer.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der 8. Juli dieses Jahres wird immer ein Tag von besonderer Bedeutung für dieses Parlament und für diese Auseinandersetzung bleiben. Es zeigte sich an diesem Tage die Möglichkeit, die ja inzwischen Wirklichkeit geworden ist, daß das Gesetz über den Personalgutachterausschuß von einer sehr großen Mehrheit des Hauses getragen werden würde. Der Herr Verteidigungsminister hatte die innerpolitische Bedeutung dieser Situation erkannt, und er erstattete sofort dem Kabinett Bericht. Was tat der Bundeskanzler, was tat das Kabinett, von denen wir hier immer so schöne Worte über die gemeinsame Arbeit hören? Sie sagten in diesem innerpolitisch entscheidenden Augenblick nein.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Und damit die Situation klar wurde, sagte man noch ein zweites Nein bei der anderen entscheidenden Frage, in der sich der Sicherheitsausschuß einig war, nämlich in der Frage des § 2 c — wir haben gestern darüber gesprochen —, der die Organisationsgesetze für das Ministerium und für die Spitzengliederung der Streitkräfte fordert. Hätten Kanzler und Regierung die Situation richtig erkannt, wäre das dann einsetzende tagelange Feilschen nicht notwendig gewesen. Leider hat die Regierung durch ihre Hartnäckigkeit und starre Haltung einen großen Teil des Gewinns für die Demokratie, der aus diesen Vorgängen entstanden war, wieder vertan.
    Die Regierung hat verfassungsmäßige Bedenken geltend gemacht. Das ist sicher ihr gutes Recht. Wir hätten aber nur gewünscht, meine Damen und Herren, das verfassungspolitische Gewissen der Regierung wäre in den verflossenen Jahren genau so empfindlich gewesen wie in den letzten Tagen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da es nun aber offenbar wach geworden ist, wollen wir hoffen, daß es immer so bleibt. Aber selbst wenn — ich setze das einmal voraus — die Verfassungsbedenken der Regierung zu Recht bestanden hätten, mußte sie mit dem Parlament Wege suchen, um Schwierigkeiten zu beseitigen. Angesichts der großen Mehrheit im Parlament in den beiden wichtigen und entscheidenden Fragen des Personalgutachterausschusses und der Organisationsgesetze hätte sie ihre Bedenken vortragen müssen, aber doch gleichzeitig erwägen müssen, ob man nicht, und sei es unter Umständen durch eine Verfassungsänderung, diese Dinge in Ordnung bringen könnte.
    Eine gesunde, lebensvolle und tatkräftige parlamentarische Demokratie kann sich nur entwickeln und das Vertrauen des Volkes gewinnen, wenn auch für die Regierung der Wille des Parlaments an erster Stelle steht und von Regierung und Parlament gemeinsam Anstrengungen gemacht werden, um diesen Willen zu verwirklichen. Ein großer und entscheidender Augenblick für die Demokratie ist in der vorigen Woche von der Regierung nicht genutzt worden.
    Um so erfreulicher war die Festigkeit des Parlaments in diesen Tagen. Es wird vom Gesichtspunkt der parlamentarischen Demokratie die entscheidendste Tatsache seit 1949 bleiben, daß das Parlament gegenüber der Regierung nicht nachgegeben hat. Wenn es für die gesunde Entwicklung unserer Demokratie einen Lichtblick gibt, dann ist es diese Tatsache. Das Parlament hat die entscheidende Stunde, die von der Regierung verpaßt wurde, genutzt. Wir wollen hoffen und wünschen, daß das ein gutes Omen auch für die zukünftige Entwicklung sein wird. Die Vorgänge der letzten Tage haben bei unzähligen Bewohnern der Bundesrepublik neue Hoffnungen auf eine gute Entwicklung der parlamentarischen Demokratie geweckt. Es müßte sich furchtbar auswirken, wenn sie enttäuscht würden.
    Meine Damen und Herren, gerade angesichts dieser Vorgänge bedauern wir es um so mehr, daß die Mehrheit des Hauses dem Wunsch der Regierung auf Verabschiedung dieses auch jetzt noch unzulänglichen Gesetzes entsprochen hat. Wenn das Parlament ebenso wie in den beiden genannten Fragen hart geblieben wäre in der Frage der Wehrverfassung, hart geblieben wäre in der Forderung, daß die wichtigsten Gesetze zunächst insgesamt dem Parlament vorliegen müßten, wären noch mehr Sorgen für die innerpolitische Entwicklung von uns genommen.
    In der Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion zum Gesetz über den Personalgutachterausschuß haben wir bereits gestern darauf hingewiesen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die außen- und innerpolitischen Voraussetzungen für den Aufbau von Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland nicht für gegeben hält. Zu dieser Frage brauche ich deshalb weitere Ausführungen nicht zu machen. Diese Auffassung ist der entscheidendste Gesichtspunkt für die Ablehnung dieses Gesetzes durch die sozialdemokratische Fraktion.
    Aber auch, meine Damen und Herren, wenn diese entscheidenden Gesichtspunkte nicht gegeben wären, könnten wir dem vorliegenden Gesetz nicht zustimmen. Die völlige Unzulänglichkeit und Unmöglichkeit der Regierungsvorlage ist zwar durch die Ausschußberatungen in weitgehendem Maße beseitigt. Aber auf dem von der Regierung und der Mehrheit des Hauses eingeschlagenen


    (Mellies)

    Wege kann man mit der Aufstellung von Streitkräften in der Bundesrepublik nicht beginnen, wenn man nicht große Gefahren für die Demokratie heraufbeschwören will. Um eine gute und weniger von Gefahren umwitterte Entwicklung zu erreichen, hätte zunächst die Wehrverfassung geschaffen und ordnungsmäßig in das Grundgesetz eingebaut werden müssen. Trotz aller Warnungen und Mahnungen haben Bundesregierung und Regierungsparteien diesen gefährlichen und unheilvollen Weg des Freiwilligengesetzes gewählt. Die sozialdemokratische Fraktion kann sich an den damit verbundenen Gefahren nicht mitschuldig machen. Zu der Ablehnung des Gesetzes aus den grundsätzlichen Erwägungen kommt die Ablehnung wegen der völligen Unzulänglichkeit der Regelung. Die sozialdemokratische Fraktion wird deshalb das Gesetz in der Schlußabstimmung ablehnen.

    (Beifall bei der SPD.)