Man muß sich doch darüber klar sein, daß auch in
Ausschüssen — auf das Wort „Ausschuß" komme
ich hiermit zurück —, bei denen in der Regel einschließlich der Vertreter der Ministerien 40 bis 50
und mehr Personen versammelt sind, so schwierige
Angelegenheiten sich einfach nicht erörtern lassen.
— Also, meine Damen und Herren, ich bin ja gar nicht aufgelegt, mit Ihnen Streit anzufangen; warten Sie doch mal ruhig ab!
Dafür ist diese ganze Sache zu ernst.
Ich glaube, wir müssen — ähnlich wie wir das in einem früheren Stadium einer anderen Angelegenheit getan haben — gemeinsam einen Weg suchen, eine Verbindung zwischen dem Parlament und der Bundesregierung herzustellen.
Auf Frage 4 habe ich zu antworten: Die Bundesrepublik Deutschland hat die Pariser Verträge ratifiziert und ist Mitglied der Westeuropäischen Union geworden. Damit ist gemäß dem Londoner Protokoll vom 3. Oktober 1954 die vertragliche Verpflichtung der drei Westmächte in Kraft getreten, derzufolge „die Schaffung eines völlig freien und vereinten Deutschlands durch friedliche Mittel ein grundsätzliches Ziel ihrer Politik bleibt". Dieser Erklärung haben sich die übrigen Mitglieder des Nordatlantikpaktes angeschlossen. Daraus ergibt sich die vertragliche Verpflichtung dieser Mächte, keiner Regelung zuzustimmen, die die Beibehaltung der Spaltung Deutschlands festlegt oder voraussetzt. Die amerikanische, die britische und die französische Regierung haben sich in letzter Zeit wiederholt zu diesem Grundsatz bekannt. Auch die Bundesregierung hat diesen Standpunkt bei jeder sich bietenden Gelegenheit vertreten.
Zu Frage Nr. 5: Der Bundesregierung ist bekannt, daß Herr von Eckardt in seiner Rundfunkrede vom 20. April 1955 sich unter anderem wie folgt geäußert hat:
Welche Forderungen Sowjetrußlands sind aber wirklich unmöglich anzunehmen? Erstens: Weder die Bundesrepublik noch Gesamtdeutschland können die Wiedervereinigung mit der Herauslösung aus der Gemeinschaft der freien Völker bezahlen. Zweitens: Es geht dabei keineswegs nur um die 12 deutschen Divisionen, sondern genau wie im Falle Österreich sollen die Westmächte alle Stützpunkte in Deutschland aufgeben. Und drittens: Es dürfen keine militärischen Schutzverbindungen, deutlicher gesagt Schutzverträge oder Allianzen zwischen Deutschland und dem Westen bestehen.
Die Äußerung des Herrn von Eckardt steht im Einklang mit den Pariser Verträgen und mit der von der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hohen Hauses verfolgten Politik. Sie wird deshalb auch von uns gebilligt. Aber ich werde auf diesen Punkt noch im Laufe meiner Ausführungen zurückkommen.
Ich glaube, daß der Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit ein Recht auf die Darlegung des weiteren Verlaufs der außenpolitischen Verhandlungen und der außenpolitischen Lage im Hinblick auf die bevorstehende Viermächtekonferenz haben. Durch die Hinterlegung des Deutschlandvertrags seitens der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs erhielt die Bundesrepublik am
5. Mai ihre volle Souveränität wieder. Diese Souveränität — das lassen Sie mich hier nachdrücklich bemerken — ist nur so weit eingeschränkt, wie wir es im Hinblick auf Berlin und die Teilung Deutschlands im Einvernehmen mit unseren nunmehrigen westlichen Verbündeten für notwendig hielten und wie sie ferner bei den übrigen NATO-Staaten eingeschränkt ist. Bei der Überstürzung der Ereignisse ist es vielleicht nicht allen Deutschen klargeworden, was die Wiederherstellung der Souveränität für uns bedeutet.
Sie bedeutet für uns Freiheit der Gesetzgebung und der Verwaltung, die ja bis dahin durch das Besatzungsstatut beschränkt war,
und sie bedeutet für uns Freiheit in der außenpolitischen Betätigung. Ich bin überzeugt, daß die zukünftige Geschichtsschreibung der Nachkriegszeit diesen Tag als einen Markstein in der Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg bezeichnen wird.
Das wesentliche Kennzeichen der Pariser Konferenzen war, daß die Mächte, die in Paris zusammenkamen, diesmal aus der Phase der Planung in die Phase der Verwirklichung einer auf gemeinsamen Interessen und Idealen gegründeten Politik eintraten.
Ähnlich wie bei der Unterzeichnung des deutschalliierten Vertragswerkes in Paris in der Zeit vom 19. bis 23. Oktober 1954 haben auch diesmal in Paris mehrere Konferenzen mit verschiedenen Teilnehmerkreisen stattgefunden, die ich in dieser Reihenfolge behandeln möchte:
1. Die Gründung der Westeuropäischen Union in ihrer neuen Form, d. h. unter Mitgliedschaft Italiens und der Bundesrepublik Deutschland;
2. die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden deutsch-französischen Besprechungen über die Anwendung des Saarabkommens;
3. die Sitzung des Nordatlantikrats, auf der eingangs die Bundesrepublik feierlich in öffentlicher Sitzung in die NATO aufgenommen und sodann eine umfassende Prüfung der gegenwärtigen politischen Lage vorgenommen wurde.
4. Im engen sachlichen Zusammenhang mit den vom Nordatlantikrat erörterten Fragen fanden schließlich Besprechungen der Außenminister der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs
und der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung einer Konferenz mit der Sowjetunion statt. Dazu gehörte sachlich ein Bericht über die Tätigkeit der Londoner Arbeitsgruppe.
Lassen Sie mich zunächst einige Worte über die Westeuropäische Union sagen. Die Pariser Verhandlungen begannen mit der konstituierenden Sitzung des Rats der Westeuropäischen Union am 7. Mai 1955. Die Sitzung wurde eingeleitet durch herzliche Worte der Begrüßung, mit denen die Vertreter der bisherigen Brüsseler Paktstaaten
die beiden neuen Teilnehmerstaaten Italien und die Bundesrepublik Deutschland willkommen hießen. Alsdann erledigte der Rat sogleich eine Reihe von praktischen Fragen. Ich erwähne die Bildung eines Ständigen Rüstungsausschusses mit Sitz in Paris. Ferner wurden einige wichtige Personalbesetzungen vorgenommen. Zum Generalsekretär der Westeuropäischen Union wurde der Belgier Louis Goffin ernannt. Ihm beigeordnet wurden drei stellvertretende Generalsekretäre, und zwar der deutsche Gesandte von Etzdorf, der Engländer Fraser und der Franzose Christofini, der mit der Leitung des Sekretariats des Ständigen Rüstungsausschusses in Paris beauftragt wurde. Zum Direktor des Rüstungskontrollamtes der Westeuropäischen Union wurde der Italiener Admiral Ferreri ernannt.
— Meine Herren, ich würde Ihnen empfehlen, auch den Einzelheiten dieser Konstituierung der Westeuropäischen Union wenigstens eine gewisse Aufmerksamkeit zu widmen.
— Meine Damen und Herren, „Form von Schulunterricht" — ich fühle mich nicht als Lehrer.
— Meine Damen und Herren, in der Schule werden keine Zwischenrufe gemacht.
Schließlich — und das wird sicher auch Ihr Interesse finden — wurde beschlossen, die Versammlung der Westeuropäischen Union in Straßburg unmittelbar vor der nächsten Sitzung der Beratenden Versammlung des Europarats zu ihrer ersten konstituierenden Sitzung einzuberufen.
Im Rahmen der Sitzung des Rats der Westeuropäischen Union in Paris konnten auch aktuelle Saarfragen geregelt werden. Der Rat der Westeuropäischen Union hat einstimmig diejenigen Bestimmungen des Saarabkommens, die seiner Zustimmung bedurften, gebilligt und die in dem Abkommen für ihn vorgesehenen Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Pflichten übernommen. Damit ist das Statut, wie es im Abkommen vorgesehen ist, „in den Rahmen der Westeuropäischen Union gestellt" worden.
Dann wurden gewisse Lücken des. Saarstatuts ausgefüllt, die den Zeitraum bis zur Durchführung der Volksabstimmung und die Festsetzung der Aufgaben und Befugnisse des Europäischen Kommissars an der Saar betreffen. In diesen Fragen konnten die Bundesregierung und die französische Regierung auf Grund der Verhandlungen in Baden-Baden und Bonn dem Rat der Westeuropäischen Union in fast allen Punkten übereinstimmende Vorschläge unterbreiten.
Durch den vom Rat der Westeuropäischen Union gefaßten Beschluß werden die Vorbereitung und die Durchführung der Volksabstimmung an der Saar unter internationale Kontrolle gestellt. Unter der Verantwortlichkeit des Rates wird eine Fünfmächtekommission darüber wachen, daß die vorn Rat aufgestellten Grundsätze für die Durchführung eingehalten werden. Insbesondere ist von der Saarregierung die volle Freiheit der politischen Betätigung zu gewährleisten, alle Parteien müssen gleiche Rechte und Einwirkungsmöglichkeiten erhalten, und niemand darf wegen seines Verhaltens bei der Vorbereitung und Durchführung der Volksabstimmung schlechter gestellt werden.
Der Rat der Westeuropäischen Union wird dann auf Grund des zahlenmäßigen Ergebnisses und unter Berücksichtigung und Wertung des gesamten Verlaufs der Volksabstimmung feststellen, ob die Saarbevölkerung das Statut im Wege der Volksabstimmung gebilligt hat oder nicht.
Gewisse Schwierigkeiten bereitete die Frage der Abstimmungsberechtigung insbesondere der Ausgewiesenen. Über diesen Punkt war zwischen Deutschland und Frankreich keine Einigung erzielt worden. Vor allem die Saarregierung widersetzte sich der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelung. Der Rat der Westeuropäischen Union hat entschieden, daß grundsätzlich alle Personen, die aus politischen Gründen nach dem 8. Mai 1945 aus dem Saargebiet ausgewiesen worden sind, abstimmungsberechtigt sein sollen. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann die Fünfmächtekommission eine andere Entscheidung treffen.
In einem weiteren Beschluß hat der Rat die Aufgaben und Befugnisse des Kommissars festgelegt. Auch hier lagen im wesentlichen gemeinsame deutsch-französische Vorschläge vor, die insbesondere die Einrichtung eines gerichtlichen Rechtszuges gegenüber Verletzung der Grundrechte vorsehen. Nachträglich war jedoch auf die Vorstellungen der Saarregierung hin die Frage zwischen Frankreich und Deutschland strittig geworden, ob der Kommissar ein vorläufiges Eingriffsrecht gegenüber der Saarregierung erhalten solle. Der Rat hat dahin entschieden, daß der Kommissar in dringenden und schwerwiegenden Fällen die Saarregierung anweisen kann, sofort die Durchführung der angefochtenen Maßnahmen, auch von Gesetzen, auszusetzen; die letzte Entscheidung, ob die Aussetzung aufrechterhalten bleibt oder nicht, liegt dann beim Rat der Westeuropäischen Union. Darüber hinaus wurden die zwischen Herrn Außenminister Pinay und mir verabredeten Formulierungen über die politische Meinungsfreiheit übernommen.
Alle diese Fragen wurden in Paris im Geiste verständnisvollen Ausgleichs geklärt. Weitere Probleme der deutsch-französischen Verständigung und Zusammenarbeit, wie z. B. die Frage der Moselkanalisierung, wurden dabei nicht berührt.
Meine Damen und Herren! Ich komme zur Tagung des Nordatlantikrates. Es ist keineswegs eine
Übertreibung, wenn ich hier feststelle, daß seine Sitzung ihr Gepräge durch die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Nordatlantikpaktorganisation erhielt. Die erste öffentliche Sitzung des Ministerrats, in der die Aufnahme vollzogen wurde, zeigte in eindrucksvoller Weise, welche Bedeutung die im Nordatlantikpakt zusammengeschlossenen Mächte dieser Tatsache beimessen. Zunächst der derzeitige Präsident des Rats, der griechische Außenminister Stephanopoulos, und hierauf die Vertreter aller Mächte sprachen übereinstimmend ihre Genugtuung darüber aus, daß die Bundesrepublik Deutschland nunmehr ihre volle Souveränität erlangt hat und jetzt auch formell in die Gemeinschaft der freien Völker des Westens eingetreten ist, daß nunmehr auch die Bundesrepublik Streitkräfte zu ihrer eigenen Verteidigung und zur gemeinsamen Verteidigung Europas aufstellen wird und daß damit die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, daß in. Europa ein Gleichgewicht der militärischen Kräfte des Westens und des Ostens entstehen kann.
Ich habe meinerseits darauf hingewiesen, daß die rein defensiven Ziele der Nordatlantikpaktorganisation den natürlichen Interessen des deutschen Volkes entsprechen, das sich, wie kaum ein anderes Volk, nach Sicherheit und Frieden sehnt. Andererseits habe ich festgestellt, daß Deutschland in der Gemeinschaft der freien Völker ein zuverlässiger Partner sein werde, und ich habe in den weiteren Sitzungen des Nordatlantischen Rates keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Bundesregierung den Gedanken der Neutralisierung Deutschlands ablehnt.
Außer der Eröffnungssitzung waren alle Sitzungen des Atlantikrates geheim. Den Hauptgegenstand seiner Beratung bildete die Spannung zwischen Ost und West. Alle wichtigen Aspekte der politischen Lage innerhalb und außerhalb des Ver-. tragsgebietes des Paktes wurden eingehend geprüft. Diese Prüfung erstreckte sich unter anderem auf die Tendenzen der sowjetischen Politik, auf die Lage im Mittleren und Fernen Osten und auf den Verlauf der Konferenz von Bandung. In allen wesentlichen Fragen bestand zwischen den Vertretern der fünfzehn Regierungen völlige Einigkeit. Sie sind, wie das Schlußkommuniqué besagt, entschlossen, ihre bisherige Politik des Aufbaus und der Festigung der Kraft und der Einheit des Westens fortzusetzen..
Der Atlantische Rat hat sich schließlich auch eingehend mit den bevorstehenden Verhandlungen der Westmächte mit der Sowjetunion befaßt. Er hat einen Bericht über die bisherigen Beratungen der Regierungen der drei Westmächte und der Bundesregierung über dieses Thema entgegengenommen und die Initiative der drei Westmächte allgemein begrüßt.
Ich komme nunmehr zu den Ministerbesprechungen zur Vorbereitung der Viererkonferenz. Ich komme damit zu dem Thema, das unsere Interessen und unsere Gefühle stärker als jedes andere berührt, zu der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier mit einigen Worten auf Ausführungen des Herrn Kollegen Wehner eingehen. Ich weiß nicht, ob Sie aus allen seinen Ausführungen den Eindruck gewonnen haben, daß alle Parteien dieses Hauses gleichmäßig von dem Gefühl der Verantwortung dafür beseelt sind, so schnell wie möglich die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit herbeizuführen.
Aber ich freue mich doch, daß Herr Kollege Wehner im weiteren Verlauf seiner Ausführungen festgestellt hat, daß sich das ganze deutsche Volk in diesem Bestreben einig ist. Und das sind wir auch, meine Damen und Herren. Wir sind uns alle einig darin, daß wir die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit so schnell wie möglich herbeiführen müssen.
Ich bin erfreut, Ihnen sagen zu können, daß die vierzehn anderen Teilnehmer des Nordatlantikpakts und insbesondere die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich die Berechtigung und die Stärke dieses unseres Wunsches in vollem Maße erkennen und billigen.
Demzufolge hat diese Frage die in Paris anwesenden Außenminister stark beschäftigt. Sie bildete vor allem den Gegenstand von Besprechungen des amerikanischen, britischen, französischen und des deutschen Außenministers. Um die Pariser Besprechungen in den richtigen Zusammenhang zu stellen, darf ich die wichtigsten Vorgänge noch einmal in Ihr Gedächtnis zurückrufen.
Zwischen der amerikanischen, britischen, französischen und der deutschen Bundesregierung bestand seit langem Einverständnis darüber, daß alle nur irgendwie erfolgversprechenden Schritte unternommen werden müssen, um zu einer Entspannung zwischen Ost und West, zu einer Befriedung und Sicherung Europas und zur Lösung des wichtigsten europäischen Problems, der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit, zu gelangen. Es bestand gleichfalls Übereinstimmung darüber, daß erfolgversprechende Verhandlungen erst dann möglich seien, wenn die Pariser Verträge in Kraft getreten sind. Meine Damen und Herren, ich darf Sie an alle die Ausführungen erinnnern, die wir vom Osten her gehört haben, ehe die Pariser Verträge in Kraft getreten sind. Damals ist uns gesagt worden, dann würde überhaupt nicht mehr über die Frage Deutschland zu sprechen sein.
Ich bin der Auffassung und bleibe bei der Auffassung, daß man all diesen Reden, die vom Osten her kommen, nicht eine solch entscheidende Bedeutung beilegen sollte, wie das manchmal in Deutschland geschieht.
Wie kann man, meine Damen und Herren, wichtige und diffizile Verhandlungen mit Sowjetrußland führen, wenn man von vornherein auf jedes Wort, das in der „Prawda" steht, einen Eid leistet!
— Wer das tut? Meine Damen und Herren, das will ich hier nicht weiter ausführen.
Aber ich muß noch folgendes hier feststellen: daß die jetzige Viererkonferenz nach meiner Oberzeugung — und immerhin habe ich einen gewissen Einblick in die Dinge — niemals zustande gekommen wäre, wenn die Pariser Verträge nicht vorher in Kraft getreten wären.
Daher glaube ich, daß der erste Schritt, ein entscheidender Schritt auf dem vielleicht langen Wege, zur Wiedervereinigung Deutschlands zu kommen, durch das Inkrafttreten der Pariser Verträge getan worden ist.
Ich glaube, wenn die Wiedervereinigung dasein
wird — und sie wird eines Tages dasein —, dann
werden diejenigen, die den Pariser Verträgen zugestimmt haben, mit Recht darauf hinweisen, daß
sie diejenigen gewesen sind, die zuerst etwas
Wirkliches für die Wiedervereinigung getan haben.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, nochmals auf den Sachverständigenausschuß zurückzukommen, von dem ja auch in der Anfrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion die Rede war. Dieser Sachverständigenausschuß tagte von der zweiten Sitzung an unter Teilnahme der deutschen Delegation, die unter dem Vorsitz des Botschafters Blankenhorn stand. Sie hat in vollem Umfange an allen Beratungen dieses Sachverständigenausschusses teilgenommen. Der Sachverständigenausschuß hat vorzügliche Arbeit geleistet. Es ist deshalb — ich unterstreiche das nochmals — vorgesehen, daß er jederzeit wieder zusammentritt, wenn die politische Entwicklung das als zweckmäßig erscheinen läßt. Es war natürlich nicht die Aufgabe des Sachverständigenausschusses, den Außenministern fertige Vorschläge und ausgearbeitete Pläne zur Lösung der verschiedenen Probleme vorzulegen. Vielmehr sollte er alle Fragen, die möglicherweise den Gegenstand von Viererverhandlungen bilden können, zusammenstellen und analysieren. Er sollte damit eine Grundlage für die Entscheidung der Außenminister schaffen.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt wieder auf eine Ausführung des Herrn Kollegen Wehner eingehen. Herr Kollege Wehner hat von der Bundesregierung verlangt, sie solle in Zusammenarbeit mit dem Bundestag eine ganze Skala — er hat wörtlich diesen Ausdruck gebraucht —, eine ganze Skala von Vorschlägen zur Wiedervereinigung Deutschlands aufstellen. Meine Damen und Herren, ich kann nicht zugeben, daß ein solcher Vorschlag irgendwie richtig ist.
Wenn ich in Verhandlungen eintrete mit einem verhandlungsgewandten und sehr ernst zu nehmenden Gegner, dann kann ich doch unmöglich vorher eine Skala aufstellen. Skala, meine Herren, bedeutet eine Leiter, bei der offenbleibt, ob ich von der obersten Sprosse immer weiter heruntergehen will. Das ist doch völlig unmöglich! Wer von Ihnen einmal einer solchen Konferenz gefolgt ist, wenn auch nur am Radio oder an Hand der Zeitung, der weiß ganz genau, daß das letzte Wort von allen Beteiligten in der letzten Sitzung gesprochen wird, daß aber nicht vorher urbi et orbi mitgeteilt wird: „Das ist die Skala unserer Vorschläge."
Meine Damen und Herren, auf Grund des Berichts der Sachverständigen hatten die drei Westmächte in Paris über die Frage einer Viermächtekonferenz zunächst allein, dann unter Hinzuziehung des Vertreters der Bundesrepublik eingehend beraten. Als Ergebnis dieser Beratungen wurde, wie Ihnen bekannt ist, die Sowjetregierung zu einer Konferenz der Regierungschefs der Vier Mächte eingeladen.
Die Einladung an Sowjetrußland gibt kein bestimmtes Konferenzthema an. Die Konferenz soll der Lösung der großen offenstehenden Probleme dienen. Sie soll sich um die Beseitigung der noch bestehenden Konfliktsherde bemühen. Wie die Note der Westmächte ausführte, erfordert die Lösung dieser Probleme Zeit und Geduld; sie werden nicht auf einem kurzen Treffen gelöst werden können.
Auch hier möchte ich auf eine Ausführung des Herrn Kollegen Wehner eingehen, die ich, wie ich glaube, richtig verstanden habe. Ich glaube, er hat gesagt: Wenn man von einer Konferenzdauer von zwei Jahren spricht, dann heißt das einen Schleier darüber decken, daß man es in Wirklichkeit mit der Wiedervereinigung gar nicht eilig hat. Verehrter Herr Kollege Wehner, die Welt ist in wenigen Jahren kurz und klein geschlagen worden. Wenn es gelingt, in einer langen Konferenz von ein bis zwei Jahren die Welt wieder aufzubauen, dann werden unsere und die folgende Generation dankbar und glücklich darüber sein.
Ich möchte hier einschieben, daß ich ausdrücklich gefragt worden bin: Will die Bundesrepublik an der Beratung der die Wiedervereinigung Deutschlands betreffenden Fragen teilnehmen oder nicht? Ich habe die letzte Entscheidung zunächst zurückgestellt — und zwar aus wohlerwogenen Gründen, die Sie alle verstehen werden —, denn selbstverständlich würde Sowjetrußland sofort mit der Gegenforderung geantwortet haben, daß dann auch die Regierung in Pankow hieran teilnehmen müsse. Wir wollen die Entwicklung aller dieser Dinge abwarten. Aber das eine ist sichergestellt: Die deutsche Delegation wird nicht nur wie bei der Berliner Konferenz nach , sondern auch vor jeder Sitzung hinzugezogen, und es werden dann die auf der Sitzung zu erledigenden oder zu besprechenden Fragen, soweit sie das deutsche Interesse betreffen, mit ihr besprochen werden. Ich glaube, wir können davon überzeugt sein, daß das deutsche Interesse bei dieser Viererkonferenz auf jede Weise gewahrt werden wird.
Nun ist in der Zwischenzeit, wie Sie wissen, die Antwortnote Sowjetrußlands eingetroffen. Ich enthalte mich hier eines näheren Eingehens auf die Antwortnote, die mehrere Seiten umfaßt. Die Hauptsache ist: die Viererkonferenz, bei der die Frage Deutschland den Auftakt, den Anfang bilden wird, wird im Laufe dieses Sommers zusammentreten. Aber wenn sie auch in Anwesenheit der vier Regierungschefs zusammentritt, so wird sie doch, nachdem diese die Grundlagen festgestellt haben, in die Hände der Außenminister übergehen, und es werden Sachverständige zugezogen werden. Da doch nun einmal das ganze Gebiet angepackt und da doch einmal an die Frage herangegangen
werden muß, ob es denn nicht möglich ist, wieder Frieden auf der Welt herzustellen, wird dazu Geduld notwendig sein. Das kann ich nur immer wieder dem deutschen Volke sagen: Derartige Dinge, die für alle Beteiligten so schwerwiegend sind, lassen sich eben nicht im Handumdrehen erledigen, auch nicht durch mehr oder weniger schöne Reden,
sondern sie verlangen eine hingebende, gewissenhafte, sorgfältige Arbeit und Prüfung.
Aber, meine Damen und Herren, schon jetzt besteht zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Westmächte in einer Reihe von Fragen grundsätzlicher Art Übereinstimmung. Die drei Westmächte und wir sind darüber einig, daß die Wiedervereinigung Deutschlands einer der entscheidenden Schritte auf dem Wege der Befriedung und Sicherung Europas und der Welt ist. Die Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen bleibt nach wie vor der einzige Weg zur deutschen Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Vor der Bildung einer legitimen gesamtdeutschen Regierung können keine Verhandlungen über den Inhalt eines Friedensvertrages stattfinden. Eine Neutralisierung Deutschlands als Voraussetzung für die Wiedervereinigung ist nicht annehmbar. Weder kann Deutschland sich freiwillig oder besser: mehr oder weniger unfreiwillig den Status der Neutralität, wenn auch der bewaffneten, auferlegen noch sich neutralisieren lassen. Diese Frage ist hier im Hause so oft behandelt worden, daß ich mich sehr kurz hierzu fassen kann. Deutschland ist zu schwach, sich selbst wirksam zu verteidigen. Neutralisierung — oder, wie Herr Kollege Wehner gesagt hat: Gestattung einer Wehrkraft in bestimmtem Ausmaße — bedeutet dauernde Kontrolle Deutschlands und damit dauernde Unfreiheit.
Meine Damen und Herren, im Falle eines heißen Krieges zwischen den beiden Blocks wären wir Schlachtfeld.
— Also, meine Damen und Herren, durch Zwischenrufe schaffen Sie das nicht aus der Welt. Die Integration Europas wäre erledigt, und ebenso wäre der Atlantikpakt erledigt. Nach den immer wiederholten Erklärungen des jetzigen und der früheren Oberbefehlshaber von SHAPE wäre dann eine Verteidigung von Europa nicht mehr möglich. Welche Folgen die Ausdehnung der russischen Einflußsphäre auf Europa auf die ganze Weltlage, insbesondere auch auf die Vereinigten Staaten, haben würde, darauf komme ich im Laufe meiner Ausführungen noch zurück.
In den letzten Wochen, meine Damen und Herren, ist in der öffentlichen Meinung der Welt vielfach die Frage behandelt worden, ob man dadurch, daß man in Nord-, Ost- und Südeuropa einen Gürtel neutraler, bewaffneter Staaten schafft, eine Milderung der Gegensätze zwischen Ost und West herbeiführen könne, die dann im Laufe der Entwicklung weitere Entspannungen bringen würde. Der Gedanke ist von einem wenn auch kleinen
Teil der amerikanischen Öffentlichkeit begrüßt worden im Anschluß an eine, wie ich mit Nachdruck sagen kann, mißverstandene Äußerung des Präsidenten Eisenhower auf einer Pressekonferenz. Man wollte in diesen Gürtel einige Satellitenstaaten einbezogen wissen. Wenn auch die Erörterung über diesen Plan zur Zeit wieder abgeebbt ist, so scheint es mir doch notwendig, den Standpunkt der Bundesregierung zu diesen Gedanken vor dem Hohen Hause darzulegen.
In der französischen und in der italienischen Presse und Öffentlichkeit und in der Öffentlichkeit der Benelux-Staaten und Großbritanniens wurde der Gedanke von vornherein allgemein abgelehnt.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Schaffung eines solchen Gürtels ebenfalls von allen Fraktionssprechern abgelehnt. Ich schätze mich glücklich, feststellen zu können, daß alle mit der Bundesregierung in dieser Ablehnung übereinstimmen. Die Gründe der Fraktionen sind in einzelnen Punkten verschieden; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß sie sich in der Ablehnung des Gedankens einig sind.
Der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion hat die ablehnende Haltung damit begründet, daß dadurch eine Versteinerung der beiden Machtblocks herbeigeführt würde. Der Grundgedanke, daß die Bildung eines solchen Streifens jedenfalls einen Abbau der beiden einander gegenüberstehenden Blocks nicht begünstigt, ist richtig und bildet auch einen der Gründe für die Stellungnahme der Bundesregierung.
Man muß damit rechnen, daß der Gedanke in der Folge von neuem auftaucht. Vor einer so umfassenden Konferenz wie der Konferenz oder den Konferenzen, vor denen wir stehen, werden alle möglichen Projekte immer wieder in der Öffentlichkeit aufgeworfen werden. Ich möchte daher die Gründe darlegen, warum dieser Gedanke nicht zu dem gewünschten Ziele führen kann, sondern im Gegenteil Europa der Gefahr aussetzt, kommunistisch zu werden. Ich gehe in meinen Darlegungen davon aus, daß dieser neutrale Gürtel auch Länder jenseits des Eisernen Vorhangs umfassen soll, obgleich die „Prawda" und jetzt die Antwortnote Sowjetrußlands sich ja mit Empörung gegen den Gedanken gewendet haben, daß ein Land, das unter russischem Einfluß steht, in einen solchen neutralen Gürtel hineingebracht werden soll. Das Ergebnis der Gedanken, die da lautgeworden sind, würde sein, daß innerhalb dieses Gürtels, von Norden angefangen, Norwegen, Dänemark, Deutschland, die Benelux-Länder, eventuell auch Griechenland oder einige der kommunistisch regierten Satellitenstaaten liegen. Auf der westlichen Seite des Gürtels blieben von Europa übrig Italien, Frankreich, Spanien und England, während auf seiner östlichen Seite der sowjetrussisch-kommunistische Koloß liegen würde. Ich glaube, man braucht sich diese Situation nur auf dem Atlas anzusehen, man braucht sich nur dabei vor Augen zu halten, daß in Italien und Frankreich starke kommunistische Parteien sind. Man braucht sich nur vor Augen zu halten, daß die in dem Gürtel liegenden kommunistischen Staaten Gebilde sind, die ihren Bewohnern von Sowjetrußland mit Gewalt und Terror aufgepreßt worden sind, und daß Sowjetrußland seine Beauftragten in diesen Staaten nicht im Stich lassen wird und lassen kann, -um sich darüber klarzuwerden, daß bei Schaffung eines
solchen Gürtels in kurzer Zeit ganz oder fast ganz Europa in kommunistischer Hand sein würde.
— Ich, nehme doch an, Sie sind auch dagegen!
— Was glaubt keiner?
— Meine Damen und Herren, das ist ein sehr hartes Urteil — ich muß das zugeben —;
aber ich weiß nicht, ob das Urteil so vollkommen
richtig ist. Ich glaube, man glaubt mir doch etwas!
Nun, meine Damen und Herren, einen Schutz gegen einen heißen Krieg, wenn er kommen sollte, bildet ein solcher Gürtel bei dem Fortschritt der Technik der Kriegswaffen überhaupt nicht.
Keiner dieser neutralen Staaten wäre in der Lage, einem vom Osten her unter Verwendung von modernen Waffen vorgetragenen Angriff zu widerstehen.
— Folgen Sie meiner Politik, dann gehen Sie richtig!
Ganz offenbar handelt es sich bei diesem Gedanken um die Verwirklichung von zwei Zielen der sowjetrussischen Politik: Erstens sollen die amerikanischen Stützpunkte aus Europa entfernt werden, und zweitens handelt es sich um ein ähnliches Manöver, wie es Sowjetrußland im mittleren Osten vorhat: Schaffung schwacher Staaten, die sich dem russischen Einfluß einfach nicht entziehen können und somit die Einflußsphäre Sowjetrußlands vergrößern.
Ich möchte nochmals betonen, daß die Westeuropäische Union, daß jeder Zusammenschluß Europas und der Nordatlantikpakt' durch die Schaffung eines solchen Gürtels erledigt wären und daß dann das zur Zeit bestehende Gleichgewicht der Kräfte in der Welt zugunsten Sowjetrußlands zerstört wäre.
Meine Damen und Herren, ich bin nicht dazu berufen, der Bevölkerung der Vereinigten Staaten zu sagen, welche Gefahren ihr drohen würden; aber einige Bemerkungen möchte ich mir dazu doch erlauben.
Die Vereinigten Staaten wären infolge der Vermehrung des Kräftepotentials Sowjetrußlands in äußerster Gefahr, der sie vielleicht nur durch Aufwendung ihrer ganzen Kraft entgehen. könnten. Bei der Erörterung in dem — ich wiederhole — wenn auch kleinen Teil der öffentlichen Meinung
der Vereinigten Staaten hat vielleicht der Gedanke eine Rolle gespielt, daß die Vereinigten Staaten nicht nur eine atlantische Macht sind, sondern auch eine Macht sind, deren Gesicht nach dem Pazifik zu gerichtet ist. Das ist natürlich richtig. Aber ich glaube, auch die Vereinigten Staaten würden im Atlantik keine größere Sicherheit bekommen, wenn Sowjetrußland durch einen solchen neutralen Gürtel den Rücken in Europa frei bekäme.
Meine Damen und Herren, ich werde die Rede des Herrn Kollegen Wehner noch einmal nachlesen, insbesondere wegen eines Satzes, der darin enthalten ist. Er hat von einem europäischen Sicherheitssystem gesprochen. Es ist mir nicht klargeworden, ob er in dieses europäische Sicherheitssystem die Vereinigten Staaten mit einschließen will.
— Ja, ich habe doch Herrn Wehner gefragt, nicht Sie, Herr Schmid!