Rede von
Dr.
Willy
Reichstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir halten eine bundeseinheitliche Ordnung im Apothekenwesen für erforderlich. Die Kompetenz des Bundes ist nach un- serer Auffassung gegeben. Da es sich, wie Sie aus der Debatte schon ersehen haben werden, um eine außerordentlich schwierige Materie handelt, darf es nicht wundern, wenn die vorgelegten Gesetzentwürfe nicht von vornherein ungeteilte Zustimmung finden. Auch der Entwurf der Bundesregierung in seiner derzeitigen Form vermag unser e Zustimmung nicht zu finden. Wir haben dafür insbesondere rechtliche und sozialpolitische Gründe. Nach unserer Auffassung verstößt die Beibehaltung verschiedener Betriebsformen, das Mischsystem, wie es der Regierungsentwurf selbst nennt, gegen den Art. 3 des Grundgesetzes, die Pflicht des Gesetzgebers, Gleiches gleich zu behandeln. Auch die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers können uns von dieser Auffassung nicht abbringen.
Aus denselben Gründen, die insbesondere Herr Kollege Geiger schon erörtert hat, sehen auch wir keine erstrebenswerte Lösung in der besonderen Betonung des Personalkonzessionssystems als der einzigen Betriebsform für neu zu errichtende Apotheken.
Der Begründung der Bundesregierung vollends, die von ihr vorgeschlagene Lösung werde den soziologischen Forderungen unserer Zeit gerecht, können wir gar nicht folgen. Das Nebeneinander verschiedener Betriebsformen von verkäuflichen und unverkäuflichen Apotheken wird nach unserer Auffassung zweifellos zu einer Erhöhung der Kaufsumme führen. Die Personalkonzession, die vielleicht — vielleicht! — eine Ergänzung zu diesem System. eine Abschwächung dieser Übelstände darstellen könnte, ist es schon deshalb nicht, weil, wie die Erfahrung lehrt, das Konzessionsalter bei uns jedenfalls im Durchschnitt bei 60 Jahren liegt. Man kann hier nicht sagen, daran seien die Vertriebenen-Apotheker schuld, sondern es ist eine Tatsache, daß auch in den Ländern, die keine VertriebenenApotheker zu berücksichtigen haben, wie etwa Schweden, das Konzessionsalter von Jahr zu Jahr steigt, weil eben die Zahl derer, die sich um eine Apotheke bemühen, ebenfalls steigt.
Wir haben weiter die Befürchtung, daß der Regierungsentwurf, wenn er in der vorgelegten Form Gesetz würde, nicht dazu beitragen würde, die sehr verschiedene Häufung der Apotheken im Bundesgebiet, wie sie insbesondere durch die in der amerikanischen Zone in früheren Jahren geltende Gewerbefreiheit eingetreten ist, aufzulockern und dadurch die Situation zu verbessern.
Demgegenüber scheint uns der Initiativgesetzentwurf, der von Herrn Kollegen Platner und anderen vorgelegt wird, in Gestalt der einheitlichen Rechtsform, die er schafft, Vorteile zu haben. Er dehnt Rechte, die bisher einem kleinen Teil vorbehalten waren, auf alle aus und verstößt damit nach unserer Auffassung in keiner Weise gegen das im Grundgesetz geschützte Recht auf Eigentum. Wertminderungen, die zweifellos dadurch auftreten, müssen aus Gründen der Billigkeit selbstverständlich durch steuerliche Maßnahmen erfaßt werden. Trotzdem wird auch nach unserer Auffassung der Initiativentwurf von Herrn Platner und anderen noch zu schweren Auseinandersetzungen führen. Auch bei diesem Entwurf werden bei der Beratung große und schwerwiegende Probleme auftreten. Insbesondere werden bei der Frage, nach welchen Gesichtspunkten die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zu erteilen ist, sehr schwierige Probleme auftauchen: Sollen nur fachliche Gesichtspunkte maßgebend sein? Kann man etwa völlig freie Niederlassung durchführen? Muß man vor einer Erlaubnis die Sicherung der Existenz des einzelnen prüfen? Soll man das Bedürfnis zuvor prüfen? Soll man eine Verhältniszahl — eine Apotheke auf soundso viel tausend der Bevölkerung — einsetzen? Alle diese Fragen werden auch bei der Beratung des Entwurfs Platner eingehend zu untersuchen sein. Insbesondere aber werden die Ausschüsse, die sich mit dieser Materie zu befassen haben, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen haben, ob und welche Grenzen einem Gesetz über das Apothekenwesen durch die Pflicht des Staates zur Erhaltung der Gesundheit gezogen sind.