Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.
Geiger München) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Spitze meiner Ausführungen den Hinweis auf die Tatsache stellen, daß gegenwärtig noch eine Anfechtungsklage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe läuft. Bekanntlich hat Bayern die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der Apothekengesetzgebung nicht anerkannt und infolgedessen schon, wenn ich mich recht erinnere, im März 1953 beim Bundesverfassungsgericht eine Anfechtungsklage eingereicht. Leider ist diese Klage noch nicht entschieden. Wenn sich der Bundestag nun mit der Materie befaßt, so besteht die Möglichkeit, daß die I ganze Mühe, die wir auf diesen Gesetzestext verwenden, umsonst sein wird. Das ist der Fall, wenn das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung trifft, daß die Gesetzgebung über das Apothekenwesen nicht Angelegenheit des Bundes, sondern Angelegenheit der Länder ist. Ich möchte mich auf die juristischen Erörterungen hier nicht einlassen. Das mögen die Verfassungsjuristen entscheiden. Wir werden die Entscheidung, wie sie auch ausfallen wird, anerkennen. Es wäre wohl zu überlegen, ob unter diesen Gesichtspunkten nicht die Erörterung im Bundestag über ein Bundesapothekengesetz überhaupt zurückzustellen ist, bis endgültige Klarheit besteht. Wenn wir trotzdem der Beratung zustimmen, so deshalb, weil unseres Erachtens gegenwärtig eine Regelung auf dem Gebiete des Apothekenwesens dringend nötig ist und weil doch damit gerechnet werden kann, daß bis zur dritten Lesung dieses Gesetzes eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts getroffen ist.
Nun möchte ich einen kleinen geschichtlichen Rückblick anstellen, um in großen Zügen einige Gesichtspunkte herauszustellen. Früher, bis etwa zum Jahre 1810, wurden die Apotheken ausschließlich als Privilegien verliehen. Dann kam die Einführung der sogenannten Personalkonzession, jedoch praktisch nur auf dem Papier, weil bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den einzelnen Bundesstaaten die zunächst als persönliche Konzession verliehenen Rechte an einen qualifizierten Nachfolger übergeben werden konnten. Dies bezeichnet man als das Präsentationsrecht. In Preußen wurde die Personalkonzession in wirklicher Ausprägung erst im Jahre 1894 eingeführt. In Bayern bestand, wenn auch rechtlich immer umstritten, praktisch
bis zum Jahre 1913 auch bei Personalkonzessionen in den meisten Fällen eine Art Präsentationsrecht. Erst von diesem Zeitpunkt an war auch in Bayern die reine Personalkonzession eingeführt, allerdings mit dem Recht, daß nach dem Tode des Apothekers die Witwe bis zu ihrer Wiederverheiratung oder bis zu ihrem Lebensende die Apotheke weiter betreiben konnte. Später ist dieses Recht dann noch abgewandelt worden.
In Hessen gab und gibt es, wie wir bereits gehört haben, Gemeindeapotheken. In Preußen blieben die Personalkonzessionen mit Präsentationsrecht als vererbliche und veräußerliche Apotheken bestehen. In Bayern hießen die Privilegien Realrechte. Kurz und gut, wir sehen hier ein buntes Durcheinander, so daß es nicht übertrieben erscheint, wenn man feststellt, daß im ehemaligen Reichsgebiet Dutzende von Apothekenbetriebsformen bestanden haben.
Diese Buntheit ist es auch, die es mit sich gebracht hat, daß alle Bestrebungen des Reichs, die Apothekergewerbefrage einheitlich für das Reichsgebiet zu regeln, fehlgeschlagen sind. Von Bismarck angefangen haben sich einige Kanzler des Reichs, verschiedene preußische und Reichsinnenminister vergeblich um die Einführung eines einheitlichen Apothekensystems bemüht. Nicht einmal im „Dritten Reich" ist es gelungen, eine Vereinheitlichung durchzuführen. Die Apothekenrechte in den einzelnen Bundesländern blieben grundsätzlich sehr unterschiedlich.
In solcher Unterschiedlichkeit befand sich das deutsche Apothekenwesen nach dem Zusammenbruch, wo praktisch die Länder die einzigen Staatsorgane waren, die einigermaßen intakt geblieben waren. In Wirklichkeit aber regierten in den Besatzungszonen die Besatzungsmächte, die gerade bezüglich der gewerblichen Betätigung völlig unterschiedliche Ansichten vertraten. Die Amerikaner vertraten die Idee der schrankenlosen Niederlassungsfreiheit, ein Grundsatz, der sich schließlich sogar auch bei den Apothekenbetrieben durchsetzte, freilich mit der kleinen Einschränkung, daß nicht jede x-beliebige Person eine Apotheke betreiben konnte, sondern nur ein Apotheker. Aber bezüglich der Zahl der zu errichtenden Apotheken, der Lage, wo eine Apotheke errichtet werden konnte, gab es kein Hemmnis. Die Prüfung der Bedürfnisfrage, die Rücksichtnahme auf die besonderen Verhältnisse der Apotheke, die wohl auch einen Gewerbetrieb, im wesentlichen jedoch ein Instrument des Gesundheitsdienstes, der Gesundheitsfürsorge darstellt, wurden völlig fallengelassen. So vollzog sich in der amerikanischen Besatzungszone eine bis dahin unvorstellbare Erhöhung der Zahl der Apothekenbetriebe. Ich darf einige Beispiele erwähnen. In Bayern z. B. ist die Zahl der Apotheken von 800 auf 1250 gestiegen, in Hessen hat sich die Zahl der Apothekenbetriebe von 1945 bis 1952 direkt verdoppelt, und in anderen Ländern der amerikanischen Besatzungszone, in Nordbaden und Nordwürttemberg sowie in Bremen, sind die Verhältnisse ziemlich ähnlich. Diese hemmungslose Vermehrung der Apotheken hat zu unangenehmen Folgen geführt, die freilich nicht so groß waren, wie man ursprünglich befürchtete. Immerhin erschien es den verantwortlichen Stellen in Bayern beispielsweise angebracht, die durch die amerikanische Besatzungsmacht dekretierten Bestimmungen der Niederlassungsfreiheit für Apotheken in gesetzlich geordnete Bahnen zu lenken.
So entstand das bayerische Apothekengesetz vom 16. Juni 1952, das von sämtlichen Parteien
des bayerischen Landtags einstimmig — meine Damen und Herren, das scheint mir sehr bemerkenswert zu sein — angenommen worden ist. Die Konzeption dieses bayerischen Apothekengesetzes entspricht den Vorstellungen und den Wünschen, wie sie die deutschen Apotheker wiederholt in Bekanntmachungen und Abstimmungen vorgetragen haben.
Die deutschen Apotheker wollen keine vom Staat verliehene hoheitliche Bewilligung zum Betrieb einer Apotheke, wie es vor 100 Jahren vielleicht als erstrebenswert erschienen sein mag. Die deutschen Apotheker wollen ihre eigene Apotheke, die sie selbst errichten, selbst aufbauen, selbst erweitern und betreiben und die sie schließlich, wenn sie nach erfolgreicher Laufbahn sich vom aktiven Dienst als Apotheker zurückziehen, an ihren Sohn oder an einen Rechtsnachfolger, wenn er qualifizierter Apotheker ist, übergeben können. Die deutschen Apotheker erstreben das Prinzip der vererblichen und veräußerlichen Apotheke und sind der Meinung — was ich bestätigen kann —, daß die Interessen der Allgemeinheit durch Erfüllung dieses Wunsches nicht geschädigt werden und daß eine geordnete Arzneiversorgung und geregelte Arzneipreise gleichfalls absolut gewährleistet sind.
Das bayerische Apothekengesetz hat diese Grundsätze verwirklicht. Die von den Apothekern und den Deutschen Apothekertagen immer wieder vorgebrachten Wünsche, die sogenannten Frankfurter Beschlüsse durchzusetzen, haben im bayerischen Apothekengesetz ihre Erfüllung gefunden. Niemand wird behaupten können, daß die Arzneimittelversorgung in Bayern etwa weniger gut wäre als in den übrigen Bundesländern, daß in Bayern etwa die Arzneipreise höher wären als in den Ländern, wo noch das Gesetz der preußischen Medizinalbürokratie, die Personalkonzession, herrschend ist. Niemand wird behaupten können, daß die Berufsaussichten der Mitarbeiter in den Apotheken in Bayern etwa schlechter wären als in den anderen Bundesländern.
Der Antrag Platner nun huldigt dem Prinzip der vererblichen und veräußerlichen Apotheke und koppelt mit dieser Forderung die Frage einer standesgemäßen Altersversorgung derjenigen Mitarbeiter, die unter dem Prinzip der gelenkten Niederlassungsfreiheit, wie Herr Kollege Platner sagte, nicht mehr zur Selbständigkeit gelangen können.
Wir können dem Platner-Entwurf in fast allen seinen Bestimmungen zustimmen, haben aber gerade aus der Erfahrung des bayerischen Apothekengesetzes gegen die jetzt vorliegende Fassung des Entwurfs Platner gewisse Bedenken. Wir müssen dafür sorgen, daß die Apotheken nicht einfach als ein Gewerbebetrieb wie jeder andere gewertet wird. Der Staat hat die Pflicht, der Apotheke ganz besondere Aufgaben zuzuweisen, muß von den Apothekern die Erfüllung bestimmter Verpflichtungen verlangen und kann infolgedessen auch diesem Instrument der Gesundheitsfürsorge, nämlich der Apotheke, einen gewissen Schutz vor hemmungslosem Wettbewerb angedeihen lassen.
Der § 3 des Platner-Entwurfs bannt die Gefahr einer schrankenlosen Niederlassungsfreiheit meines Erachtens nicht. Hier würde einem Regierungsbeamten eine Verpflichtung ,auferlegt, unter Umständen unter ungenügender Begründung die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zu versagen. Der Beamte hätte dann die Aufgabe, nachzuweisen, daß die neu zu errichtende Apotheke eine geordnete Arzneiversorgung auf die Dauer nicht durch-
führen kann. Kann man z. B. von einem verantwortungsbewußten Ministerialrat verlangen, eine solche Entscheidung zu fällen, wenn er immer das Gefühl haben muß, später für die Versagung der Entscheidung zur Rechenschaft, unter Umständen vielleicht sogar zum Schadensersatz herangezogen zu werden? Man kann eine solche Entscheidung meines Erachtens nicht verlangen. Der Ministerialrat wird also die Versagung nicht aussprechen, es werden Apothekenbetriebe an den Brennpunkten der Städte ,entstehen, ein vielleicht hemmungsloser Konkurrenzkampf wird sich entfalten, kurzum, die deutsche Apotheke als ein vom Staat beaufsichtigtes Instrument der Gesundheitsfürsorge wird voraussichtlich schwer leiden. Wir können dem Entwurf Platner infolgedessen nur dann unsere Zustimmung geben, wenn die Gefahren, die ich aufgezeichnet habe, durch den Einbau von entsprechenden regulierenden Bestimmungen ausgeräumt sind.
Der Regierungsentwurf verrät sicherlich eine fleißige Arbeit. Er würde bestimmt, wenn er vor 50 Jahren im Reichstag vorgelegt worden wäre, von einem Teil der Apotheker wie von den Reichstagsabgeordneten als ein großer Fortschritt bezeichnet worden sein. Einen solchen Regierungsentwurf im Jahre 1954 vorzulegen, scheint mir allerdings eine Art Anachronismus zu sein, ein Zurückschrauben einer Entwicklung, die sich in unserem gesamten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Leben vollzogen hat, ein Pochen auf die autoritäre Macht des Staates, ein staatlicher Dirigismus. Kurzum, dieser Regierungsentwurf ist für uns in der vorliegenden Fassung nicht diskutabel. Er ist schon einen Teil des parlamentarischen Weges gegangen und kann vielleicht als Grundlage für die Beratung der Ausschüsse dienen. Dann müssen aber diejenigen Paragraphen eine grundlegende Umgestaltung erfahren, die der jetzigen Zeit nicht mehr angepaßt sind. Es müssen einige ,Grundforderungen berücksichtigt werden, die — ich spreche aus der Erfahrung des bayerischen Apothekengesetzes — ich im folgenden feststellen möchte.
Erstens. Das Prinzip der sogenannten Personalkonzession erscheint mir als ein Übergang zur Staatsapotheke, als ein Instrument, das, weil es dem Prinzip der Verstaatlichung nahekommt, in vollem Umfange abzulehnen ist. Eine Personalkonzession bedingt eine negative Auswahl der Personen, die als Apothekenleiter in Betracht kommen. Das Dienstalter, das Berechtigungsalter allein schafft keine Kämpfer und richtigen Vertreter für ihren Beruf; im Gegenteil, der ganze Stand bleibt bei diesem System in der Entwicklung zurück.
Zweitens. Die Vererblichkeit und Veräußerlichkeit der Apotheke scheint mir der richtige Grundsatz zu sein. Wer eine Apotheke errichtet hat, gleichgültig ob sie aus eigener Initiative oder deshalb errichtet worden ist, weil die Aufsichtsbehörde für das Gesundheitswesen an einem bestimmten Ort die Errichtung einer weiteren Apotheke für richtig und notwendig hält, soll auch im Genuß des Besitzes bleiben, damit er weiß, daß seine Investitionen ihm und seiner Familie nicht verlorengehen. Er soll die Apotheke vererben und, wenn er will, an einen qualifizierten Apotheker veräußern und auf diese Weise die Früchte seiner eigenen Arbeit sicherstellen können.
Dritter Punkt. Die mitarbeitenden Apotheker müssen in irgendeiner Form, wenn sie nicht alle zur 'Selbständigkeit gelangen können, vor den Sorgen des Alters und der Invalidität geschützt werden, und zwar über das Maß der Angestelltenversicherung hinaus. Die Apotheker müßten von sich aus die Mittel aufbringen, um ein solches Versorgungswerk auf gesetzlicher oder tariflicher Basis ins Leben zu rufen.
Viertens eine letzte Forderung, die ich nun als bayerischer Bundestagsabgeordneter erhebe. Sie erscheint mir als unabdingbar. Durch das bayerische Apothekengesetz vom Jahre 1952 ist nämlich in Bayern der Einheitstyp der veräußerlichen und vererblichen Apotheke, gleichgültig ob die Apotheke in der ursprünglichen Rechtsform ein Privileg, also ein bayerisches Realrecht, oder eine Personalkonzession oder eine sogenannte Lizenzapotheke auf Grund der Niederlassungsfreiheit war, geschaffen worden. Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, daß die in Bayern befindlichen Apotheken von dem früheren Rechtsstatus abhängig und entweder auf Realrecht beruhen bleiben oder in den früheren Status der Personalkonzession zurückgeführt werden. Meine Damen und Herren, hier werden Grundrechte und Grundsätze berührt. Die CSU spricht sich dafür aus, daß in Bayern, überhaupt in der gesamten amerikanischen Besatzungszone, der Status quo, also für die dort bis jetzt bestehenden Apotheken das Recht der Vererblichkeit und Veräußerlichkeit, erhalten bleibt.
Wenn diese vier ,Grundsätze in den Regierungsentwurf eingearbeitet werden, mag auch dieser trotz aller Bedenken gegen die ganze Konzeption, die sich im Regierungsentwurf ausdrückt, unsere Billigung finden.