Rede von
Dr.
Viktoria
Steinbiß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Apothekenwesen stellt sich mir in einer etwas anderen Beleuchtung als meinem Vorredner Herrn Platner. Ich möchte in meinen kurzen Ausführungen die Frage erörtern, was wir von einem Apothekengesetz erwarten. Das Problem des Apothekenwesens ist grundsätzlich und überwiegend ein Problem des Gesundheitswesens und sollte auf keinen Fall primär vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen werden.
Wir denken zuerst an die Bevölkerung und haben
den Wunsch und den Willen, sie gut mit Arzneimitteln zu versorgen. Wir fordern darum auch vom
kommenden Apothekengesetz als erste und grundlegende Bedingung, daß dieses Gesetz der Bevölkerung eine einwandfreie Versorgung mit Arzneimitteln sichert. Wir glauben allerdings, daß diese Versorgung wie bisher auf die Dauer nur dann gesichert werden kann, wenn der Apotheker in der Höhe seines Wissens und Könnens nicht nachläßt und er zudem in seiner Existenz gesichert ist.
Zu dieser Existenzsicherung gehört auch, daß der Apotheker eine Möglichkeit erhält, früher oder später selbständig zu werden. Die einwandfreie Versorgung der Bevölkerung wird in Frage gestellt, wenn sich zu viele Apotheken um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln bemühen. Um existieren zu können, wird der Apotheker dann leicht in Versuchung geführt, den Käufer durch alle möglichen Mittel und Mittelchen anzulocken. Diesen Zustand der allzu stark vermehrten Apotheken kennen wir aus der amerikanischen Zone; wir bezeichnen ihn als Niederlassungsfreiheit. Vorher haben wir diesen Zustand in Deutschland nicht gekannt. Bei uns wird seit jeher vom Staat für eine Apotheke ein Einzugsgebiet von mindestens 7000 bis 8000 Seelen vorgesehen. Der Staat gewährt damit dem Apotheker einen Schutz und sichert ihn vor dem seine Unabhängigkeit gefährdenden Konkurrenzkampf, den das allgemeine Gewerbe sonst austragen muß.
Wenn wir diesen Grundsatz der Herausnahme der Apotheken aus dem sonstigen Gewerbe befürworten, so vor allen Dingen — das möchte ich noch einmal betonen — deshalb, weil wir vor das Eigen- interesse des Apothekers das Interesse der Bevölkerung setzen. Wir sagten schon, daß zu einer guten Arzneimittelversorgung der in seiner Existenz gesicherte Apotheker gehört, und wollten die Ermöglichung der Selbständigkeit dazu gerechnet wissen.
Nun wird diese Sicherheit von einigen Seiten darin gesehen, daß man alle Apotheken verkäuflich und vererblich macht. Man glaubt, daß der angestellte Apotheker auf solchem Wege schneller zur eigenen Apotheke kommt, als das bei dem jetzigen System der Fall ist. Diese Anschauung beruht aber auf einem Irrtum. Schon im vorigen Bundestag haben wir bei der Erörterung dieser Frage nach eingehender Beratung mit dem Bundesinnenministerium und dem Bundesarbeitsministerium und auf Grund des Urteils der Sachverständigen einstimmig festgestellt, daß die Altersschichtung der Apothekenbesitzer von der Art der Konzession unabhängig ist.
Bei dem Vererblich- und Verkäuflichmachen aller Apotheken muß auch folgendes gesehen werden. Es ist wahrscheinlich, daß heute noch 800 bis im Höchstfall 1000 Apotheken neu geschaffen werden können. Würden wir diese neu zu schaffenden Apotheken nach dem System der Niederlassungsfreiheit vergeben, so würden im Sättigungszustand, d. h. wenn diese 800 bis 1000 Apotheken eröffnet wären, sämtliche Apotheken verkäuflich und vererblich sein. Die Apotheke könnte nur noch durch Erbgang, Einheirat oder Verkauf in andere Hände übergehen, und die bestehenden Apotheken würden, da keine neuen mehr erstellt werden könnten, Liebhaberwerte erlangen. Beim jetzigen System, das ein gleichzeitiges Vorkommen von 40% vererblicher und 60 %personeller Konzessionen bedeutet, fallen auch im Sättigungszustand 60% in
streng geordneter Berechtigungsfolge an solche Bewerber, die nicht über die Geldmittel verfügen, käufliche Konzessionen zu erwerben, die auch nicht einheiraten und die nicht erben.
Es ist sicherlich richtig, daß das jetzige System, das auch im Regierungsentwurf vorgesehen ist, allerlei Mängel und Angriffsflächen zeigt, und hier muß die Arbeit des Gesundheitsausschusses reformierend einsetzen, z. B. bei der Frage der Lizenzen. Doch es hat den großen Vorteil, daß es den verschiedenen Strukturen des menschlichen Leistungsvermögens angepaßte Möglichkeiten zur Durchsetzung gibt. Wir kennen den mit der Tradition groß gewordenen Apotheker, wir kennen den bewährten Mitarbeiter, der in die Apotheke einheiratet, wir kennen auch den Käufer der Apotheke, der keineswegs immer nur der große Geldbesitzer, sondern oft der wagemutige, sich selbst vertrauende Mann ist. Und endlich kennen wir auch den Apotheker, der im geordneten Berechtigungsverfahren zur Personalkonzession kommt. Während also im Mischsystem dem Apothekerangestellten die Chance, ja die Gewißheit gegeben wird, früher oder später in den Besitz einer Apotheke zu gelangen, haben wir bei dem ersten Verfahren, wenn alle Apotheken verkäuflich und vererblich sind, die Tatsache, daß sich jetzt zwei Stände gegenüberstehen, nämlich der Stand des Apothekenbesitzers und der Stand des Apothekenangestellten, der aus der Stellung des Angestellten nicht mehr herauskommen kann.
Wir dürfen also den Schluß ziehen, daß man sich im Apothekenwesen nicht auf eine Einzelform festlegen sollte. Jede Einzelform bietet individuelle Vorteile und Nachteile. Monopolisiert man aber die Einzelform, so wachsen die Vor- und Nachteile alternativ ins Große. Eine Gleichzeitigkeit verschiedener Systeme aber gibt dem Guten des Einzelsystems die Möglichkeit, sich 'durchzusetzen. Die Nachteile treten weitgehend in den Hintergrund.
Ich möchte Sie bitten, den Antrag, der Ihnen vorgetragen worden ist, nämlich die Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Rechtswesen — federführend — sowie dem Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß — mitberatend — zu überweisen, abzulehnen, und beantrage im Namen meiner Freunde, die Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens — federführend — und dem Rechtsausschuß — mitbeteiligt — zu überweisen. Wir sind stolz auf die deutsche Apotheke, und wir wollen sie als eine gute Apotheke behalten.