Ich darf vielleicht zunächst eine kleine Bemerkung machen über die Form des
Verkehrs der Bundesregierung mit dem Bundestag. In unserem Antrag wird darum gebeten, der Bundestag möge über das Kommuniqué der französischen Regierung unterrichtet werden. Der Herr Bundeskanzler hat darauf erwidert, dieses Kommuniqué sei im Nachrichtenspiegel der Bundesregierung vom 5. März veröffentlicht worden, sei deshalb dem Bundestag bekannt. Herr Bundeskanzler, nein, so können Sie nicht mit uns verkehren. Mit dem Bundestag verkehren Sie,
indem Sie entweder eine Erklärung abgeben — also in diesem Fall den Inhalt des Kommuniqués zur Kenntnis bringen — oder an den Herrn Präsidenten des Bundestages einen Brief schreiben, den dieser den Abgeordneten des Hauses zur Kenntnis bringt.
Dann haben Sie mit dem Bundestag verkehrt, nicht aber, wenn Sie etwas irgendwo, irgendwann in einer Zeitung veröffentlichen. Bei der Gelegenheit muß das einmal gesagt werden. Allzusehr ist
das Ihre Gewohnheit, daß Sie dem Hause und
auch dem Auswärtigen Ausschuß Nachrichten geben, die man irgendwo in der Zeitung lesen kann, und daß Sie dann behaupten, Sie hätten das Haus und den Ausschuß unterrichtet.
— Sie meinen ja auch immer, Sie müßten Ihrer Regierung alles gestatten und es sei gleichgültig, wie das Parlament behandelt wird.
Die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler zu der neuen Situation in dem Geschehen um den Saarvertrag abgegeben hat, war doch eine Erklärung der totalen Verlegenheit, Herr Bundeskanzler.
Das Wort „total" ist hier schon verwendet worden.
Seit 10 Tagen, Herr Bundeskanzler, ist das Protokoll über die neuen Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Saargebiet und Frankreich bekannt, und in Ihren Ministerien studiert man immer noch daran. Man scheint noch nicht einmal so weit gekommen zu sein, daß Sie heute nach 10 Tagen dem Bundestag Ihre Meinung über dieses Protokoll geben könnten.
Da ist ein konkreter Fall und eine konkrete Gefahr: der Fall Röchling. Wann wird Röchling aus dem Saargebiet herausgeschmissen? Was sagen Sie dazu? Sie haben es nicht für nötig befunden, auch nur ein Wort zu dieser sehr, sehr ernsten, weil so symptomatischen Angelegenheit zu sagen.
Dann zu idem Brief! Herr Bundeskanzler, es ist mir im „Dritten Reich" passiert, in die Hände der Gestapo zu fallen, und ein Beamter der Gestapo hat mir gesagt: oh, man dürfe im „Dritten Reich" meinen, was man wolle, man dürfe sich nur nicht für diese andere Meinung betätigen. Das ist die Frage bei dem Saarstatut. Auch heute schon darf man an der Saar meinen, was man will. Man darf sich nur nicht politisch organisieren und betätigen
für diese andere von der französischen Ansicht abweichende Meinung. Darauf kommt es an. Und warum, Herr Bundeskanzler, haben Sie sich nicht jetzt endlich der Vorarbeiten bedient, die im Europarat zu dieser Frage geleistet worden sind? Wir hatten einen Text vereinbart, in dem jeder Zweifel klipp und klar ausgeschaltet wurde. Es wurde doch in dem Punkt C der Entschließung zur Frage der politischen Parteien in jenem NatersPlan gesagt, daß demokratische Parteien und Zeitungen nicht wieder verboten oder suspendiert werden könnten, solange sie sich an demokratische Spielregeln halten. Und das ist die Frage — Herr Bundeskanzler, können Sie die beantworten? —: Hat Herr Pinay Ihnen gesagt, daß die deutschen Parteien an der Saar und andere Organisationen, z. B. auch Gewerkschaften, in Zukunft in Zeitungen, in Flugblättern und in Versammlungen dafür eintreten dürfen, daß im Friedensvertrag das Saargebiet auch faktisch rückgegliedert wird? Dürfen Sie es, oder dürfen sie es nicht? Ich könnte Ihnen aus einer Rede Pinays im Senat beweisen, daß es so von der französischen Regierung eben nicht verstanden wird.
Um Ihnen den Geist zu charakterisieren, in dem man in Frankreich an die Durchführung des Statuts herangeht, darf ich Ihnen einen Satz aus der Rede Pinays gestern in der Assemblée Nationale zitieren. Er bezieht sich auf den anderen Punkt, in dem es auch um die Freiheit der Saarbevölkerung geht, auf den Art. IX, also jenes Referendum, das im Zuge der friedensvertraglichen Regelung stattfinden soll. Da heißt es — und es ist nötig, daß das hier in unserem Protokoll steht
Da die zweite Volksbefragung an der Saar erst nach dem Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland erfolgen solle, habe Frankreich die Möglichkeit, die Unterzeichnung des Friedensvertrages so lange hinauszuzögern, bis es die gewünschten Zusicherungen in der Saarfrage erhalten habe.
Sie sehen, wie man es mit der Freiheit der Saarbevölkerung halten will. Man will alle Mittel des politischen Druckes einsetzen, um diese Freiheit zu überspielen.
Meine Damen und Herren, es ist hier beantragt worden, unsere Anträge als erledigt zu erklären. Das ist völlig unmöglich, und, Herr Kopf, Sie sind sich sicher dessen selbst bewußt, daß diese Dinge nicht erledigt sind. Wir beantragen deshalb, daß unsere Anträge dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen und dort einer weiteren ernsthaften Prüfung unterzogen werden.