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ID0207701700

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    2. Deutscher Bundestag — 77. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955 4227 77. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4228 A, 4240 C Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . . 4293 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Pferdmenges 4228 B Mitteilung über Vorlage eines Berichts des Bundesministers der Finanzen betr. Mißstände auf dem Gebiet der Besatzungsbauten (Drucksache 1307) 4228 B Mitteilung über Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das Geschäftsjahr 1953/54 4228 B Mitteilung über Zurückziehung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einfuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) . . . . 4228 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Statut der Saar (Drucksache 1245) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Veröffentlichung des Schreibens von Bundeskanzler Dr. Adenauer an den französischen Außenminister Pinay (Drucksache 1293 [neu]) 4228 B Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 4228 C, 4236 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 4232 C, 4236 B Dr Kopf (CDU/CSU) 4233 A Dr. Arndt (SPD) 4234 D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 4238 A Dr. Krone (CDU/CSU) 4238 B Abstimmungen 4237 D, 4238 B Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik im Mündlichen Bericht über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Steigerungsbeträge für Zeiten der Arbeitslosigkeit (Drucksachen 1162, 973; Antrag Umdruck 292) 4238 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1158) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Höcherl, Stücklen, Seidl (Dorfen), Dr. Dollinger u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1253) und mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Dr. Böhm (Frankfurt), Dr. Dresbach, Ruf u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1269) . . . 4238 D Dr. Horlacher (CDU/CSU) 4239 A Dr. Reif (FDP) 4241 D Samwer (GB/BHE) 4244 D, 4280 B Illerhaus (CDU/CSU) 4246 A Dr. Elbrächter (DP) 4250 A Unterbrechung der Sitzung . . 4252 C Scheel (FDP) 4252 D Raestrup (CDU/CSU) 4256 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4260 B Bender (GB/BHE) 4260 D Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 4264 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 4266 A Dr. Schöne (SPD): zur Sache 4267 D zur Geschäftsordnung 4280 D Lenz (Brühl) (CDU/CSU) 4279 D Dr. Köhler (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 4280 C Ausschußüberweisungen . . . . 4280 B, 4281 A Änderungen der Tagesordnung . . 4263 D, 4281 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Erhöhung der Straßenbenutzungsgebühren in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (Drucksache 1316) . . . . 4263 D Beschlußfassung 4264 B Erste Beratung des von den Abg. Platner, Dr. Leiske u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1083) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1233) 4281 A Platner (CDU/CSU), Antragsteller . 4281 A, 4292 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 4283 B, 4292 C Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 4284 D Dr. Hammer (FDP) 4285 D Geiger (München) (CDU/CSU) . . 4286 C Stegner (Fraktionslos) 4288 D Becker (Hamburg) (DP) 4289 B Dr. Reichstein (GB/BHE) 4290 A Lange (Essen) (SPD) 4290 D Horn (CDU/CSU) 4291 D Samwer (GB/BHE) 4292 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 4292 D Ausschußüberweisungen 4293 A Beschlußunfähigkeit festgestellt und Weiterberatung vertagt 4293 C Nächste Sitzung 4293 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 4293 B, C, 4294 Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Wahl 14. Mai Stingl 14. Mai Feller 7. Mai Dr. Bucher 7. Mai Dr. Furler 7. Mai Dr. Rinke 7. Mai Neumann 7. Mai Heiland 7. Mai Dr. Lenz (Godesberg) 7. Mai Peters 23. April Pelster 23. April Kunze (Bethel) 23. April Dr. Maier (Stuttgart) 16. April Kühlthau 9. April Mißmahl 9. April Frau Lockmann 9. April Frau Kettig 2. April Dr. Pfleiderer 2. April Morgenthaler 2. April Dr. Kather 2. April Gedat 2. April Bauknecht 2. April Schuler 2. April Dr. Seffrin 2. April Frau Beyer (Frankfurt) 2. April Rademacher 2. April Dr. Jentzsch 2. April Euler 2. April Dr. Hesberg 2. April Kirchhoff 2. April Schrader 2. April Diedrichsen 2. April Frau Welter (Aachen) 2. April Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 1. April Ladebeck 1. April Frau Dr. Schwarzhaupt 1. April Feldmann 1. April Berendsen 1. April Hepp 31. März Dr. Baade 31. März Frau Nadig 31. März Dr. Wellhausen 31. März Naegel 31. März Frau Dr. Probst 31. März Hufnagel 31. März Brockmann (Rinkerode) 31. März Dr. Leverkuehn 31. März Even 31. März Seiboth 31. März Haasler 31. März Walz 31. März Paul 31. März Schütz 31. März Schneider (Bremerhaven) 31. März Neuburger 31. März Kalbitzer 31. März Jahn (Frankfurt) 31. März Dr. Kreyssig 31. März Dr. Schmid (Frankfurt) 31. März Brandt (Berlin) 31. März b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Becker (Hersfeld) 30. April Dr. Graf Henckel 30. April Kalbitzer vom 12. April bis zum 16. Mai Josten vom 4. April bis zum 20. Mai
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Kopf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge der Fraktion der SPD Drucksachen 1245 und 1293 [neu] verfolgen ein doppeltes Ziel. Es werden Auskünfte seitens der Bundesregierung über den Verlauf der Saarverhandlungen nach der Bundestagsdebatte vom 27. Februar dieses Jahres verlangt. Ferner wird die Bundesregierung im Antrag Drucksache 1245 beauftragt, die Ratifikation des Saarabkommens auszusetzen, bis die Gegensätzlichkeiten in der Auffassung der Vertragspartner über wesentliche Bestimmungen des Statuts ausgeräumt worden sind.
    Ein Teil der von der Fraktion der SPD geäußerten Wünsche auf Erteilung von Auskünften dürfte insofern heute überholt sein, als die angeforderten Auskünfte bereits in der Presse veröffentlicht worden sind. Das gilt beispielsweise für die Erklärung F des französischen Außenministeriums, die am 4. März dieses Jahresabgegeben worden ist und die sich auf Art. VI, auf die Frage des Friedensvertrages und auf die Frage der englisch-amerikanischen Garantien bezogen hat. Der Wortlaut dieser Erklärung ist bekannt. Es ist ebenso durch die Presse bekanntgeworden, daß die deutsche diplomatische Vertretung bereits am folgenden Tage, am 5. März, gegen die von französischer Seite gegebenen Auslegungen Vorstellungen in Paris erhoben hat.
    Es scheint uns aber von großer Wichtigkeit zu sein, daß im Laufe der weitergeführten Besprechungen über eine sehr wesentliche Frage des Vertrages, nämlich über Art. VI, die Frage der Freiheit der politischen Betätigung, eine gemeinsame Formulierung gefunden worden ist. Diese Formulierung ist vom Herrn Bundeskanzler bekanntgegeben worden. Diejenigen unter uns, weiche dem Saarabkommen ihre Zustimmung gegeben haben, haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie die Bestimmungen des Art. VI über die Freiheit der politischen Betätigung an der Saar nach Inkrafttreten des Statuts als unbefriedigend ansehen. Durch die jetzt gemeinsam ausgearbeitete Formulierung ist zum Ausdruck gebracht worden, daß während der Geltungsdauer des Statuts bis zum Friedensvertrag die Freiheit der politischen Meinung total sein soll. Diese totale Freiheit der politischen Meinung erleidet dann allerdings Einschränkungen. Wir sind uns bewußt, daß die Abgrenzungen, die in dieser Formulierung getroffen worden sind, auch in der Praxis nicht alle Schwierigkeiten ausschließen können.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber wichtiger scheint es uns zu sein, daß es unter Kontrolle des Ministerrats der Westeuropäischen Union eine Aufgabe des Europäischen Kommissars sein wird, darüber zu wachen, daß die beiden Grundsätze, einmal die totale Freiheit der politischen Meinungsäußerung und sodann die Begrenzungen, die in der Formulierung enthalten sind, beachtet werden.
    Die gefundene Formulierung schließt nicht aus, daß das zukünftige Schicksal der Saar beim Friedensvertrag frei erörtert werden kann. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten freier Meinungsäußerung, die nicht als politische Aktionen bezeichnet werden können, und es gibt andererseits mannigfaltige Formen von politischen Aktionen, die eine freie Meinungsäußerung zulassen, ohne das Prinzip des Statuts direkt oder indirekt zu beeinträchtigen. Wir dürfen der Hoffnung Ausdruck geben, daß der Europäische Kommissar des Saargebiets, der unter der Kontrolle des Ministerrats der Westeuropäischen Union seine Aufgabe erfüllen wird, bei der Überwachung des Statuts und bei der Anwendung des Art. VI, dessen Verdeutlichung nunmehr gemeinsam erarbeitet worden ist, dem Geiste des Abkommens auch so, wie wir es verstehen, gerecht zu werden vermag.
    Durch die Ausarbeitung dieser Formulierung scheint uns ein wesentlicher Punkt, über den Meinungsverschiedenheiten bestanden haben, geklärt worden zu sein. Am 27. März dieses Jahres ist in Paris ein Protokoll zwischen den Vertretern des Saargebiets und Frankreichs über die künftige Ausgestaltung einer saarländisch- französischen Wirtschaftskonvention niedergelegt worden. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß dieses Protokoll noch nicht die französisch-saarländische Wirtschaftskonvention darstellen soll, die in Art. XII des Saarabkommens vorgesehen ist. Das ergibt sich sowohl aus dem Protokoll selbst als auch aus den Erklärungen, die der französische Außenminister, Herr Pinay, im französischen Senat abgegeben hat. Dieses Protokoll soll allerdings Grundlagen für die künftige Ausarbeitung einer französisch-saarländischen Wirtschaftskonvention schaffen.
    Die Art des Zustandekommens und der Inhalt des Protokolls erfüllen uns mit einer gewissen Sorge,

    (Zuruf von der SPD: Also doch!?)

    und es scheint angebracht zu sein, schon im jetzigen Zeitpunkt Fragen zu stellen, deren Klärung erforderlich scheint. Hat nicht die Durchführung der französisch-saarländischen Wirtschaftsverhandlungen zur Voraussetzung, daß zunächst das Saarabkommen als solches ratifiziert und das Saarstatut in Kraft getreten ist? Hat in diesem Falle nicht auch der Europäische Kommissar mitzuwirken, dem die Domäne der Außenpolitik bezüglich des Saargebiets übertragen werden soll, und soll dieses zweiseitige Abkommen nicht verbunden werden mit dem Abschluß eines dreiseitigen Abkommens zwischen Frankreich, der Bundesrepublik und dem Saargebiet, wobei, wie es in Art. XII Abs. A des Saarabkommens heißt, den folgenden Bestimmungen, nämlich des Art. XII B ff., Rechnung zu tragen ist, den Bestimmungen, die gerade den künftigen Abschluß eines dreiseitigen Vertrages zwischen Frankreich, der Bundesrepublik und dem Saargebiet vorsehen?
    Eine weitere Frage: Wird durch den Abschluß des saarländisch-französischen Abkommens oder


    (Dr. Kopf)

    durch das Protokoll, das eine Grundlage für dieses künftige Abkommen legen soll, der Abschluß des in Art. XII vorgesehenen dreiseitigen Abkommens zwischen Frankreich, Deutschland und der Saar erleichtert, oder wird er erschwert?
    Und eine letzte Frage: Wenn Art. V des Saarabkommens vorsieht, daß in allen Angelegenheiten des Saargebiets, in denen der Europäische Kommissar nicht kompetent sein soll, die Organe der Saar die Zuständigkeit erhalten sollen, — wird die Zuständigkeit der Saarorgane für diese Fragen, die die saarländische Gesetzgebung und die saarländische Verwaltung angehen, in vollem Maße gewährleistet?
    Diese Fragen werden durch die Lektüre des inzwischen abgeschlossenen Wirtschaftsprotokolls aufgeworfen. Es sind Fragen, deren Beantwortung wir — nicht heute und nicht hier — von der Bundesregierung erwarten. Aber wir erwarten, daß die Bundesregierung sich bemüht, diese Fragen zu klären.
    Die Anträge der Fraktion der SPD verfolgen sodann ein zweites Ziel. Die Ratifikation des Saarabkommens, das vom Bundestag und vom Bundesrat angenommen und das inzwischen auch bereits im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist, soll ausgesetzt werden, bis die Gegensätzlichkeiten in der Auffassung der Vertragspartner über wesentliche Bestimmungen des Statuts ausgeräumt worden sind. Einer der wesentlichen Gegensätze, nämlich die Frage der Auslegung des Art. VI, hat seine Austragung gefunden durch die Schaffung einer gemeinsamen Formel. Damit ist ein Hauptpunkt verdeutlicht worden, und es sind Garantien dafür geschaffen worden, daß Zweifelsfälle, die künftig auftreten können, unter der Mitwirkung des Europäischen Kommissars bereinigt werden.
    Aber ist es wirklich Aufgabe des Bundestages, in diesem Stadium des Verfahrens, nachdem das Saarabkommen in Bundestag und Bundesrat nach langen Debatten abschließend behandelt worden ist, nachdem die Verkündung des Saarabkommens im Bundesgesetzblatt bereits erfolgt ist, nunmehr der letzten Instanz, dem Herrn Bundespräsidenten in die Arme zu greifen und die Bundesregierung zu beauftragen, die Ratifikation des Saarabkommens auszusetzen? Der Empfänger dieses Auftrags, die Bundesregierung, wäre ihrerseits nicht mehr zuständig; denn die Zeichnung und Gegenzeichnung des Saarabkommens durch den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Bundeswirtschaftsminister sind bereits erfolgt, und der letzte Akt der Ratifikation oder einer etwaigen Notifikation obliegt allein dem Herrn Bundespräsidenten.
    Dieses Parlament — und jedes Parlament, dem das Wohl seines Landes am Herzen liegt — hat bestimmt die Verpflichtung, mit allem Eifer seine Rechte zu wahren. Dieses Parlament - und jedes Parlament - soll und muß seine Privilegien verteidigen, und es soll seine Kompetenzen ausschöpfen. Aber wenn und insoweit es dies tut, muß es zugleich die Schranken respektieren, die das Grundgesetz ihm gesetzt hat. Kein Organ eines Staates, das im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Zuständigkeit gehandelt hat, darf einem anderen Organ in den Arm fallen, das wiederum nach den Bestimmungen der Verfassung zum Handeln bestimmt ist, es sei denn, daß das Grundgesetz diese Möglichkeiten einer Hemmung für das erste Organ vorsehen sollte. Dies aber ist nicht der Fall.
    Wenn Herr Abgeordneter Mommer auf die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen hat, dann möchte ich eine Äußerung zitieren, die lange zurückliegt und die am 30. November 1929 im alten Weimarer Reichstag vom damaligen Herrn Innenminister Se v e ring bei der Behandlung eines deutschnationalen Antrages auf ein Gesetz gemacht worden ist, das ein Volksbegehren vorsehen sollte:
    Was die grundsätzliche Seite der Sache angeht, — hat damals Herr Severing gesagt —
    so ist den Herren bekannt, daß sich der Staatsgerichtshof im Augenblick damit beschäftigt. Es ist aber nicht üblich, daß sich in einer derartigen Situation der Reichstag oder überhaupt eine Volksvertretung in die Verhandlungen einschaltet.
    Damals hat es sich darum gehandelt, daß das von der Deutschnationalen Partei eingebrachte Gesetz, das ein Volksbegehren vorsehen sollte, Bestimmungen enthielt, durch die eine Einwirkung auf Maßnahmen der Reichsregierung auf dem Gebiete der auswärtigen Politik erfolgen sollte. Es ist interessant, diese vergilbten Blätter nachzulesen, und man wird finden, daß nicht nur der damalige Minister des Innern Severing, sondern auch der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei, Herr Breitscheid, diesen Anträgen entgegengetreten sind, und zwar gerade deshalb, weil sie die Einwirkung des Parlaments auf Maßnahmen, die der Reichsregierung verfassungsmäßig zustehen, als unzulässig angesehen haben.
    Meine Damen und Herren, dieses Parlament hat zu den Fragen des Saarabkommens eingehend Stellung genommen. Es hat seine verfassungsmäßigen Obliegenheiten erfüllt genau wie der Bundesrat und genau wie der Bundeskanzler und der Bundeswirtschaftsminister, die inzwischen die Gegenzeichnung des Abkommens vorgenommen haben. Diese Organe haben das getan, was ihnen nach dem Grundgesetz zu tun zustand. Es bleibt ein letzter Akt zu vollziehen, nicht durch die Bundesregierung, sondern durch den Herrn Bundespräsidenten. Mag der Bundespräsident nach verantwortungsvoller und gründlicher Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen das Seinige tun.
    Namens der Koalitionsparteien beantrage ich, die beiden Anträge der SPD als durch die Erklärung der Bundesregierung erledigt zu erklären.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Hört! Hört! und Oh-Rufe bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat 'der Abgeordnete Dr. Arndt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, es sei zwischen deutscher und französischer Seite ein Einvernehmen über die Auslegung des Artikels VI des Saarabkommens erzielt worden. Auch der Herr Kollege Kopf hat soeben hinzugefügt, man habe eine gemeinsame Formulierung gefunden. Leider wissen wir nicht, Herr Bundeskanzler, ob das, was Sie uns hier gesagt haben, den gesamten Inhalt Ihres Briefes an den französischen Außenminister, Herrn Pinay, darstellt,

    (Sehr wahr! bei der SPD)



    (Dr. Arndt)

    denn man muß, um etwas beurteilen zu können, den ganzen Brief wissen, also auch den Zusammenhang, in dem eine Äußerung steht;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    denn so für sich alleine genommen ist diese Äußerung ja außerordentlich widerspruchsvoll und kann höchstens eine Einigung darüber sein, daß man sich nicht einig ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Denn es wird zunächst einmal gesagt: die Meinungsfreiheit ist total, und im nächsten Satz heißt es: sie unterliegt Einschränkungen. Nun, eine Totalität mit Einschränkungen ist eine neue Erfindung,

    (Beifall bei der SPD)

    mit der man wieder einmal die Grenzen der Wahrheit etwas erweitert hat.
    Also entweder hat man an der Saar die Meinungsfreiheit, oder man hat sie nicht, und dabei geht es doch um einen ganz konkreten Punkt, den weder Sie. Herr Bundeskanzler, angesprochen haben noch der Herr Kollege Dr. Kopf, nämlich um die konkrete Frage: Ist man an der Saar auch nach Ablauf der ersten drei Monate und der ersten sogenannten Volksabstimmung befugt, den Inhalt eines künftigen Friedensvertrages zu erörtern? Ist man befugt, diesen Friedensvertrag zu fordern, und 'ist man befugt, sich zu Deutschland zu bekennen und den Wunsch zu äußern, daß in dem Friedensvertrag die Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland bestätigt wird? Das ist die Frage, um die es geht,

    (Zustimmung bei der SPD)

    und da haben wir nichts dazu gehört, daß darüber mit den Franzosen Einverständnis erzielt sei; im Gegenteil, im Rat der Republik und in der französischhörigen saarländischen Presse ist Ihr Brief an Herrn Pinay so ausgelegt worden, als ob dadurch der französische Standpunkt bestätigt worden wäre, daß über diese Frage Grabesruhe zu herrschen habe. Und zwar warum? Weil ja doch nach der französischen Auffassung das Saarstatut eine Art Verfassung darstellt, eine Art Verfassung, der gegenüber man zur Treue verpflichtet ist, während nach unserer Auffassung die Saar nach wie vor zum Staate Deutschland gehört und auch das Saarstatut von der Treuepflicht Deutschland gegenüber nicht beurlauben kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist doch der eigentliche Punkt, und Ihr Brief ist, wenn er überhaupt eine gemeinsame Formulierung bedeuten kann, höchstens geeignet, den französischen Standpunkt zu stützen, aber nicht den deutschen,

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    und das bedauern wir auf das tiefste. — Nun, das ist das eine.
    Dann muß ich etwas zu dem sagen, was der Herr Kollege Kopf in Reminiszenzen an die Weimarer Zeit eben ausgeführt hat. Nun, die fallen Ihnen immer zum falschen Zeitpunkt ein,

    (Lachen bei der SPD)

    Herr Kollege Kopf. Denn das, was Sie da von Ausführungen Breitscheids und Severings zitiert haben, das haben wir 'während der Verhandlungen des EVG-Vertrages und der Pariser Verträge ja
    oft genug erörtert. Damals wollten Sie nichts davon hören. Was hat man nämlich in jener Zeit im Reichstag gesagt? Man hat gesagt, es sei nicht zulässig, in die Richtlinien der Politik, die damals wie heute, damals dem Reichskanzler, heute dem Bundeskanzler zustehen, einzugreifen durch ein Gesetz, etwas, was wir auch bei diesen Verhandlungen immer wieder gesagt haben, weshalb wir auch in den Pariser Verträgen es nicht für statthaft halten, auch alle künftigen Bundeskanzler auf eine gewisse Integrationspolitik festzulegen. Das ist damals von dem Reichsinnenminister Severing erklärt worden: es gehe nicht ,an, im Wege eines Gesetzes in die nach der Verfassung dem Reichskanzler zustehenden Richtlinien der Politik einzugreifen und durch Gesetz einen Reichskanzler auf eine bestimmte Politik festzulegen. Das hat aber überhaupt nichts mit den Fragen zu tun, die heute hier anstehen. Denn heute steht hier die Frage an, ob ein Parlament seinen politischen Willen dahin äußern kann und darf und muß, daß ein völkerrechtlicher Vertrag noch nicht notifiziert wird, daß man also noch davon absieht, eine völkerrechtliche Bindung eintreten zu lassen. Einen politischen Willen hierzu äußern kann selbstverständlich ein Parlament jederzeit.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Da sind Sie einfach mit dem Zitat in \\den falschen Zettelkasten gerutscht.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Sie haben aber etwas sehr richtiges anderes gesagt. Sie haben gesagt: Jedes Verfassungsorgan muß die Schranken respektieren, die ihm gesetzt sind,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und jedes Verfassungsorgan muß so handeln, daß dadurch verfassungsrechtliche Zuständigkeiten eines anderen Verfassungsorgans nicht beeinträchtigt werden. Großartig, Herr Kollege Kopf! Nicht wahr? Denn der erste Satz bedeutet, daß auch der Bundestag bei dem Saarabkommen und dem Zustimmungsgesetz die Schranken beachten mußte, die das Grundgesetz allen Verfassungsorganen beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge zieht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Und nicht nur wir, sondern auch außerhalb der Sozialdemokratie behaupten ja weite Kreise in Deutschland, daß diese Schranken überschritten worden sind und daß das Zustimmungsgesetz deshalb mit dem Grundgesetz nicht in Einklang steht.
    Also diese Erkenntnis, daß man die Schranken respektieren muß, ist gut, sie führt aber jetzt zu dem Zweiten, was Sie auch so schön gesagt haben, daß kein Verfassungsorgan so handeln darf, daß es die Zuständigkeiten eines anderen Verfassungsorgans beeinträchtigt. Wer hat denn nun zu entscheiden und zu prüfen, ob die Schranken, die dem Bundestag und der Bundesregierung vom Grundgesetz gesetzt sind, rechtlich eingehalten wurden? — Kein anderes Verfassungsorgan als das Bundesverfassungsgericht!

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Also nach Ihrer eigenen Deduktion muß jetzt alles unterlassen werden, was geeignet sein könnte, die Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts zu beeinträchtigen. Infolgedessen folgt daraus die Rechtspflicht, die Notifizierung des Saarabkommens zu unterlassen, ehe nicht das


    (Dr. Arndt)

    Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, wie es mit der Vereinbarkeit zum Grundgesetz ist. Das ist das wahre Ergebnis Ihrer Ausführungen.
    Und damit bin ich dann beim letzten Punkt, nämlich bei der so etwas sehr vereinfachten Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, daß es nicht anginge, einen völkerrechtlichen Vertrag, dem durch ein in drei Lesungen verabschiedetes und verkündetes Gesetz zugestimmt sei, auf Eis zu legen. Nun, die Verpflichtung zu dem Auf-EisLegen ergibt sich im Gegenteil gerade aus der Verfassung, deshalb, weil ein an der Ratifikation zu beteiligendes Verfassungsorgan, nämlich das Bundesverfassungsgericht, noch nicht sein Wort gesprochen hat, das in der Rechtsfrage das letzte Wort ist. Im übrigen, Herr Bundeskanzler, haben Sie es mit Ihrem Kühlschrank jeweils doch so gehalten, wie es Ihnen gefiel.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie haben z. B. das Heimkehrerentschädigungsgesetz sieben Monate auf Eis gelegt.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.) Die Platow-Amnestie haben Sie nie verkündet, (Hört! Hört! bei der SPD)

    bis der 2. Bundestag dann den gesetzgeberischen Beschluß des 1. Bundestages wieder aufgehoben hat. Im übrigen ist es ja bei Verträgen mit auswärtigen Staaten so, daß das Zustimmungsgesetz grundsätzlich eine Ermächtigung an das Staatshaupt darstellt und es durchaus fraglich ist, wieweit die Ermächtigung zugleich auch eine Verpflichtung oder eine Bindung ist. Nichts also spricht dafür, hier die Notifizierung des Saarabkommens zu
    überstürzen. Von einem Verstoß gegen die Verfassung dadurch, daß man diese Notifizierung nicht unverzüglich vornehme, kann überhaupt keine Rede sein, sondern es ist einmal durchaus noch Zeit und an der Zeit, die Zweifelsfragen durch die Verhandlungen klarzustellen, die Sie, Herr Bundeskanzler, uns bei der ersten Lesung des Saarabkommens ja ausdrücklich selbst versprochen haben,

    (Zustimmung bei der SPD)

    und zweitens ist es nicht nur noch Zeit, sondern es besteht die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, vor einer Notifikation abzuwarten, wie es sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Saarabkommens verhält.
    Von einer Erledigung unserer Anträge, Herr Kollege Kopf, kann keine Rede sein — so billig sollten Sie es nicht machen —, sondern wir müssen erwarten, daß man uns den vollen Wortlaut des Schreibens des Herrn Bundeskanzlers an den französischen Außenminister Pinay mitteilt und daß man auch im übrigen unseren Anträgen entspricht.

    (Beifall bei der SPD.)