Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs unter Punkt 13 d hat der Abgeordnete Dr. Böhm.
Dr. Böhm (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen — Drucksache 1269 — ist von meinen Freunden und mir nicht deshalb eingebracht worden, weil wir besonders schwerwiegende Bedenken gegen den Regierungsentwurf in seiner ursprünglichen Fassung gehabt hätten. Wir sind vielmehr mit der Tendenz des Regierungsentwurfs grundsätzlich und mit seinem Inhalt auf sehr weiten Strecken durchaus einverstanden. Aber dieser Regierungsentwurf, der schon dem 1. Bundestag vorgelegen hat, hat eine lange Geschichte und eine noch längere Vorgeschichte gehabt. Zweimal hat der Bundesrat zu ihm Stellung genommen und jedesmal Änderungsvorschläge gemacht. Lange Zeit hindurch haben die maßgeblichsten Industriellenverbände, vor allem der Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Prinzip, auf dem der Regierungsentwurf aufgebaut ist, grundsätzlich widersprochen. Die Verbände und der BDI wollten kein Verbotsgesetz, sondern ein sogenanntes Mißbrauchsgesetz. Schließlich erklärte der BDI, auch ein Verbotsgesetz hinnehmen zu können,
wenn die Erlaubnismöglichkeiten wesentlich erweitert würden.
Kurz, je länger das Schiff des Regierungsentwurfs in den vorparlamentarischen Übungsgewässern seine Probefahrten mit geladenem Publikum machte und je mehr Experten ihre Hilfskonstruktionen anboten, desto mehr trat schließlich der merkwürdige Zustand ein, daß das durchaus liberale Schiff des Regierungsentwurfs, ohne daß Änderungen an ihm vorgenommen worden wären, allmählich rein politisch, nur nach der politischen Seite hin, eine bedenkliche merkantilistische und protektionistische Schlagseite bekam. Alle Änderungen nämlich, die in diesen letzten Jahren verlangt und angekündigt wurden, zielten in ein und dieselbe Richtung, nämlich in die Richtung: Weg von der Konzeption des Bundeswirtschaftsministers! Weg vom Wettbewerb! Hin zum Kartell! Und das alles unter der Flagge des Verbotsgesetzes! § 1 des Gesetzes sollte nach wie vor lauten: Kartellverbände sind unwirksam. Aber ein Teil der Fracht, die das Schiff in seinem Bauch mit sich führen sollte, waren eben offiziell erlaubte Kartelle. Die Fassung des Regierungsentwurfs allerdings will diese erlaubte Konterbande noch verhältnismäßig klein und bescheiden halten: erstens eine ganz bestimmte, gesiebte Sorte von Rationalisierungskartellen, zweitens streng ausgelesene Musterexemplare von Konjunkturkartellen und drittens noch Exportkartelle von nachgewiesener Stubenreinheit auf den Inlandsmärkten.
Das sind die ausgelesenen Ausnahmen.
Als sich der Bundesrat zum zweitenmal mit dem Gesetzentwurf befaßt hatte, war die Konterbande schon dicker geworden. Erstens kam noch eine
3) vierte Kategorie von erlaubten Kartellen hinzu, nämlich die Konditionenkartelle; von ihnen will ich gleich noch reden. Sodann hat der Bundesrat das Syndikatsverbot des Regierungsentwurfs in einer mehr als gefährlichen Weise aufgelockert, obwohl es sich bei Syndikaten um eine sehr straffe Kartellform handelt, die jedenfalls nicht harmlos ist. Das anerkennt selbst der den Kartellen am weitesten entgegenkommende Kartellgesetzentwurf meiner Fraktionsfreunde Höcherl, Stücklen, Seidl, Dr. Dollinger und Genossen, und zwar anerkennt er das dadurch, daß er die Syndikate unter das Verbotsprinzip stellt. Der Bundesrat aber hat Ausnahmen für Syndikate in viel weitergehendem Maße vorgeschlagen als der Regierungsentwurf. Erheblich erweitert wurde außerdem vom Bundesrat die Zulassung von Exportkartellen. Endlich hat der Bundesrat zwei weiteren Kartellarten zur Privilegierung verholfen, nämlich den Importkartellen mit Abwehrcharakter und den internationalen Kartellen. Was die letzteren betrifft, so scheint der Bundesrat davon ausgegangen zu sein, daß die Beteiligung deutscher Firmen an internationalen Kartellen schlechtweg im Interesse unseres Landes liege. Wir sollten es aber nicht unterlassen, von den Erfahrungen Kenntnis zu nehmen, die die Vereinigten Staaten mit amerikanischen Unternehmen und großen Gesellschaften gemacht haben, die sich an internationalen Kartellen zum Schaden ihres Landes und der amerikanischen Verbraucher beteiligt haben.
Jetzt noch ein Wort zu dem vom Bundesrat patronisierten Konditionenkartell. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie plötzlich die Meinung aufkam, Konditionenkartelle seien im Vergleich zu Preis-, Quoten- und Gebietsschutzkartellen harmlos bis nützlich. Untersucht hat das kein Mensch. In Wahrheit aber kann man nirgends deutlicher sehen, wie sehr sich die Stellung von Abnehmern verschlechtert, sobald sich die Lieferanten kartellieren, als gerade bei den Geschäftsbedingungen. Der Hauptinhalt von Geschäftsbedingungen besteht nämlich darin, daß die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts und des Handelsgesetzbuches zum Nachteil des Geschäftspartners abgeändert werden. Man kann also hier den Druck und die Benachteiligung, die Kartelle ihren Abnehmern zufügen, geradezu wie an einer Thermometerskala ablesen. Man braucht bloß den Inhalt der Kartellgeschäftsbedingungen mit den entsprechenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Handelsgesetzbuchs zu vergleichen.
Aber das waren offenbar gar nicht die Überlegungen, die hier stattfanden. Die Überlegungen über Konditionenkartelle waren offenbar ganz anderer Art und sahen etwa so aus: Wenn wir die Konditionenkartelle zulassen, dann gewinnen wir vielleicht die Textilindustrie für das Erhardsche Kartellgesetz!
— Ich bitte um Verzeihung, wenn ich hier aus der Schule plaudere. Aber ich bin der Meinung, daß es zu den Aufgaben eines Bundestagsabgeordneten gehört, gelegentlich aus der Schule zu plaudern. Wenn das Volk und die politischen Parteien nicht wünschen, daß die Abgeordneten das tun, dann kann ich ihnen nur den Rat geben, bei den nächsten Wahlen keine Universitätsprofessoren mehr aufzustellen oder zu wählen!
Nachdem der Bundesrat die Zahl der Ausnahmegenehmigungen vermehrt und eine weitere Bresche in das Prinzip des Verbotsgesetzes geschlagen hatte, war es nur natürlich, daß die Industriellenverbände nachstießen, um der Liste der erlaubten Kartelle neue Kartellkandidaten von approbierter volkswirtschaftlicher Harmlosigkeit bis Nützlichkeit hinzuzufügen. Das ist denn auch in den folgenden Monaten gründlich geschehen. Wenn der Regierungsentwurf insgesamt drei und der Bundesratsvorschlag insgesamt fünf bis sechs Kartellarten privilegiert, so sind es nach der Wunschliste des BDI insgesamt vierzehn geworden. Während der Regierungsentwurf für die Erlaubniserteilung nur ein einziges Verfahren vorsieht, sehen die Vorschläge des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ein ganzes, höchst kompliziertes Sortiment von Verfahrensarten vor. Acht privilegierte Tatbestände sollen nämlich schon kraft Gesetzes vom Verbot freigestellt sein, darunter so wichtige und fragwürdige wie konjunkturelle Krisenkartelle, wie Ausfuhrkartelle, wie internationale Kartelle ohne Inlandsbindung, wie alle nicht markenmäßigen Preisbindungen der nächsten Hand. Einige sollen anmeldepflichtig sein mit der Maßgabe, daß die Kartellbehörde binnen einer bestimmten Frist Einspruch einlegen kann. Bei anderen soll die Kartellbehörde auch noch nach Abschluß der Frist Einspruch einlegen können. Bei wieder anderen soll die Kartellbehörde das Recht haben, Rahmenregelungen anzuordnen, wieder bei anderen das Recht, die Erlaubnis zu erteilen, wieder bei anderen die Pflicht, die Erlaubnis zu erteilen, und bei einem winzigen Rest die Pflicht, die Erlaubnis zu versagen. Meine Damen und Herren, wenn eine solche Regelung Gesetz wird, dann sind der Präsident und die Beamten der Kartellbehörde zu
beklagen, die sich in diesem Gestrüpp von Komplikationen zurechtfinden sollen.
Ganz abgesehen von der technischen Unvollziehbarkeit eines solchen Gesetzes möchte ich hier einmal die Preisfrage stellen: Was ist, wenn diese Vorschläge Gesetz werden, aus dem Grundsatz des § 1 des Regierungsentwurfs geworden, der besagt, daß Kartelle rechtsunwirksam sind? Wo finden Sie, wenn diese vierzehn Kartellarten vom Gesetz ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, noch ein einziges Kartell, für das der § 1 gilt? — Man kann diese Frage nur folgendermaßen beantworten: Wenn diese Vorschläge Gesetz werden, dann können Unternehmer jedes beliebigen Produktionszweiges den Geschäftsführer ihres Verbandes auf Schadensersatz verklagen, wenn er es bei der Kartellbehörde nicht erreicht, daß ihr Kartell erlaubt wird.
Diese Lösung bringt es ferner mit sich, daß die Kartellbehörde auf Jahre hinaus mit nichts anderem beschäftigt sein würde als damit, Tausende und aber Tausende von Erlaubnisanträgen zu bearbeiten. Für die Beaufsichtigung erlaubter Kartelle o der marktbeherrschender Unternehmungen oder für andere Dienstgeschäfte würde eine solche Kartellbehörde keine Zeit mehr haben, es sei denn, wir bauten sie zu einem Riesenapparat aus. Hier aber würde schon der Herr Bundesfinanzminister einen Riegel vorschieben, und was meine Person betrifft, so würde ich den Herrn Bundesfinanzminister in einer solchen Sparsamkeit nach allen Kräften unterstützen. Wir wollen eine kleine, keine aufgeblähte Kartellbehörde, eine Kartellbehörde, die wenig, nicht eine Kartellbehörde, die viel beaufsichtigen soll. Vor allen Dingen wollen wir keine Kartellbehörde, die damit beschäftigt ist, Kartelle, die kraft Gesetzes verboten sind, aber kraft Gesetzes erlaubt werden sollen, erlauben zu müssen.
Nun, meine Damen und Herren, alles das, was ich Ihnen soeben gesagt habe, steht nicht im Regierungsentwurf. Wenn der Regierungsentwurf, so, wie er dasteht, ohne jede Änderung, auch ohne die kritisierten Bundesratsvorschläge, Gesetz würde, so würde ich das trotz einiger Bedenken gegen Einzelbestimmungen mitmachen. Wir sehen uns aber der Tatsache gegenüber, daß dieser Regierungsentwurf so, wie er dasteht, wahrscheinlich nach der Vorgeschichte gar keine große Aussicht haben würde, Gesetz zu werden. weil nämlich alle Stimmen, die sich bisher gemeldet haben, auf eine Verwässerung dieses Entwurfs in der Richtung auf eine Kartellerlaubnis und bloße Staatsüberwachung erlaubter Kartelle hin abgezielt haben.
Trotzdem würden meine Freunde und ich vielleicht keinen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, sondern uns mit bloßen Abänderungsanträgen begnügt haben, wenn nicht eine Gruppe von Parteifreunden aus der bedenklichen Sachlage eine klare Konseguenz gezogen und ihrerseits einen Gesetzentwurf eingebracht hätten, der klipp und klar vom Verbotsprinzip abgeht, das heißt, der offen und ehrlich ausspricht, daß Kartelle erlaubt sein sollen, und der sich darauf beschränkt. einer staatlichen Behörde das Recht zu geben, Kartelle, die ihre Macht mißbrauchen. nachträglich zu verbieten. Zwar macht auch dieser Entwurf Zugeständnisse an das Verbotsgesetz, wie wir soeben gehört haben, indem man nämlich Kartelle strafferer Art,
Kartelle, die sich nicht mit der Festsetzung von Preisen, Qualitäten, Normen und Geschäftsbedingungen begnügen, sondern die gegenüber den Mitgliedern noch Bindungen in bezug auf die Produktionsmengen oder die zu beliefernden Märkte auferlegen, dem Verbotsprinzip mit Ausnahmegenehmigung unterstellt. Aber wenn wir von diesem Entgegenkommen gegenüber der Konzeption des Bundeswirtschaftsministers absehen, so müssen wir zugeben, daß wir hier wieder einen klareren und übersichtlicheren Boden betreten als ,den Boden, den man mit den Abmachungen oder den Vorschlägen des BDI betreten hat.
Gegenüber dem Verbotsprinzip des Regierungsentwurfs wird sozusagen schlicht und offen die Fahne des Mißbrauchsprinzips entrollt, und ich für meine Person müßte sagen: wenn ich vor die Alternative gestellt wäre, mich zu entscheiden, ob ich lieber für den Höcherl - Entwurf oder für einen nach Maßgabe der Vorschläge des BDI geänderten Regierungsentwurf stimmen würde, dann würde ich den Höcherl-Entwurf, weil er einfacher, klarer und offener ist, entschieden vorziehen. Der Gesetzentwurf ist nämlich der alten Kartellverordnung vorn November 1923 nachgebildet, und ich muß sagen: als ich ihn zum erstenmal gelesen habe, da hat er mich geradezu heimatlich angemutet. Ich habe nämlich als junger Beamter sieben Jahre lang mit der Kartellverordnung zu arbeiten gehabt. Wir haben damals mit sehr viel Schreibarbeit so gut wie nichts ausgerichtet, und ich glaube, wenn Herr Kollege Höcherl, der erklärt hat, daß man in Österreich und in der Schweiz und überall mit dem Mißbrauchsprinzip so gute Erfahrungen gemacht habe, in diese Länder ginge und die Beamten im Vertrauen fragte, ob sie gute Erfahrungen gemacht hätten, dann würden sie ihm sagen: „Es kommt darauf an. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollten, würden wir schlechte Erfahrungen mit diesem Gesetz machen, weil es uns keine Möglichkeiten gibt. Aber wenn wir so im Alltag wenig tun, wenn wir abwarten, bis sich ein Kartell so ungeschickt benimmt, daß die Presse Krach schlägt oder daß es im Landtag einen Skandal gibt, dann werden wir natürlich dieses Kartell einmal unter die Lupe nehmen. Im übrigen haben wir hier ein ganz gutes und angenehmes Leben. Insofern bewähren sich diese Gesetze natürlich bestens."
Als ich mit der Aufgabe betraut war, die Bestimmungen der Kartellverordnung anzuwenden und Kartelle zu überwachen, habe ich die Überzeugung gewonnen, daß die Lösung, die die Kartellverordnung vorgesehen hat und die heute der Gesetzentwurf Höcherl vorsieht, eine Scheinlösung ist, daß diese Regelung nichts bewirkt, aber den Anschein erweckt, als werde etwas bewirkt. Deshalb habe nicht nur ich, sondern haben auch andere Persönlichkeiten, die damals Erfahrungen mit der Kartellverordnung gemacht haben, begonnen, darüber nachzudenken, wie das Kartell- und Monopolproblem wirklich wirksam und mit sichtbarem praktischem Erfolg gesetzgeberisch angepackt werden könnte. Der Erfolg dieser Gedankenarbeit waren Vorschläge und Vorstellungen, die haargenau mit dem Programm übereinstimmen, das Ihnen heute der Bundeswirtschaftsminister Erhard vorgetragen hat. Aber diese Gedankenarbeit von 25 Jahren hat mir denn auch den Ruf eines Theoretikers verschafft, der keine Ahnung von den Din-
gen hat und statt dessen in einer eingebildeten Welt, einem sogenannten Modell lebt. Nun, die Welt, in der ich damals sieben Jahre lang zu leben hatte, war nicht so, wie ich mir ein Modell vorstelle, sondern eine Welt der Tatsachen, und diese Tatsachen haben mich bis heute nicht wieder losgelassen. Dafür, daß diese Tatsachen u. a. auch mein Gehirn in Bewegung versetzt haben, muß ich freilich diejenigen, die darin eine Versündigung gegen den Geist der Praxis erblicken, herzlich um Verzeihung bitten.
Der Höcherl-Entwurf war es, der meine Freunde und mich veranlaßt hat, endlich auch einmal etwas in der anderen Richtung zu unternehmen, nämlich in der Richtung auf diejenige Idee hin, die dem Regierungsentwurf zugrunde liegt. Wir fanden es an der Zeit, diesem Hohen Hause nach so vielen Versuchen, ein Verbotsgesetz zu verwässern, endlich einen Entwurf vorzulegen, der mit dem Verbotsgesetz wirklich ernst macht, einen Versuch, ein Verbotsgesetz so zu formulieren, daß es keine Türen mehr hat, durch die Erscheinungen in die Legitimität hereingelangen können, die das Gesetz im Grunde nicht darin haben will.
Der entscheidende Fehler des Regierungsentwurfs schien uns darin zu liegen, daß er das Prinzip, nach dem Kartelle ausnahmsweise erlaubt werden können, falsch wählt. Wenn wir nämlich zwischen nützlichen und harmlosen Kartellzwecken einerseits und schädlichen Kartellzwecken andererseits unterscheiden und etwa — wie Herr Kollege Höcherl — sagen: horizontale Kartelle sind bedenklich, vertikale Kartelle sind weniger bedenklich — das wäre Ihr Entwurf —, oder: Inlandskartelle sind schädlich, Export-, Import- oder internationale Kar» telle dagegen sind nützlich, oder: einfache Kartelle, Preiskartelle, sind harmlos, aber Quoten- und Gebietsschutzkartelle oder gar Syndikate sind gefährlich — das ist ja die Idee des Höcherl-Entwurfs —, oder: Preiskartelle sind dann gefährlich, wenn die Konjunktur ansteigt, aber nützlich, wenn sie absinkt; oder wenn wir einen Unterschied zwischen sogenannten konjunkturellen oder strukturellen Krisenkartellen machen und diesen Unterschied dann sieben Monate später wieder fallenlassen, oder wenn wir Konditionen- und Rationalisierungskartelle als den Gipfel der Harmlosigkeit oder als den Gipfel der volkswirtschaftlichen Vernunft erklären, dann erreichen wir nichts anderes, als daß jedes Kartell in seine Satzung oder in seinen Vertrag hineinschreibt, daß es gerade dem Zweck dient, der dem Gesetzgeber in seiner unergründlichen Weisheit als ein harmloser oder als ein nützlicher Zweck vorgeschwebt haben mochte.
Verbieten wir die horizontale Kartellierung, so werden alle Wirtschaftszweige, die sich kartellieren wollen, sich vertikal kartellieren, oder umgekehrt. Das wäre ein untüchtiger Kartelljurist, der das nicht zustande brächte!
Mit einem Wort: Jedes Gesetz, das die Erlaubniswürdigkeit eines Kartells von den Zwecken abhängig macht, die das 'betreffende Kartell verfolgt, macht eine Tür auf, durch die schlechthin alle Kartelle in die Legalität hineinmarschieren wollen, und viele von Ihnen werden es auch erreichen, daß sie hineinmarschieren dürfen. Denn wo gibt es ein Kartell, das nicht von sich behaupten könnte, es beschäftige sich mit Rationalisierung oder mit der Selbstverteidigung gegen konjunkturelle Krisen oder mit Geschäftsbedingungen oder mit Export oder Import?
Solche Ausnahmetatbestände, wie sie der Regierungsentwurf in den §§ 2 bis 5, die Bundesratsvorschläge in den §§ 1 a, 2 bis 5, 5 a und 5 b und die Vorschläge des BDI in vierzehn Nummern vorsehen, wirken in der Praxis nicht anders als Persilscheine, die sich jeder Geschäftsführer beschaffen kann, wenn er nicht sehr weit von Bonn entfernt lebt. Wenn dann ein Kartell einen solchen Persilschein vorlegt, kann sich ein fleißiger Beamter der Kartellbehörde vierzehn Tage lang damit amüsieren, ihn unter die Lupe zu nehmen, wobei er in der Regel ohne Entsendung von Wirtschaftsprüfern in den betreffenden Betrieb gar nicht auskommt.
Ein echtes Verbotsgesetz muß von ganz anderen Grundsätzen ausgehen. Es muß sagen: Normalerweise spricht die Vermutung dafür, daß ein Markt besser organisiert ist, wenn kein Kartell besteht, als wenn sich die Teilnehmer der einen Marktseite gegen die andere ,kartelliert haben. Wenn also ein Kartell beansprucht, erlaubt zu werden, dann muß es zunächst einmal dartun, daß auf dem Markt, auf dem es tätig sein will, ohne Kartellierung volkswirtschaftlich schädliche Zustände herrschen. Das muß 'dargetan werden, und es muß feststehen, das darf nicht nur einfach 'behauptet werden. Zweitens muß dargetan werden, daß diejenigen marktregelnden Bestimmungen, für die das Kartell die Genehmigung haben will, geeignet sind, die Schäden des nicht kartellierten Marktes zu beseitigen oder fühlbar abzumildern.
Die Kartellbehörde muß drittens überlegen, daß ein Kartell, das sie heute unter ganz bestimmten Umständen erlaubt, morgen seine Preise, Quoten, Geschäftsbedingungen und Mengenbestimmungen ändern kann oder daß sich bei gleichbleibenden Preisen, Quoten usw. die Außenweltverhältnisse ändern, so daß das gleiche Kartell, das gestern vielleicht einen Mißstand auf einem freien Markt beseitigt hat, morgen selbst zu einem Mißstand auf diesem — nun nicht mehr freien — Markte wird. Soll nun Privatleuten durch eine Kartellerlaubnis die Macht gegeben werden, Wirtschaftspolitik zu treiben, also etwas zu tun, was von Rechts wegen nur die Regierung tun sollte, die dem Parlament Rechenschaft schuldet und vom Parlament, von der Presse und von den Gerichten kontrolliert wird?
Schließlich muß die Kartellbehörde prüfen, ob der Mißstand, der im Falle der Gewerbefreiheit entstanden ist, nicht durch andere, weniger bedenkliche Mittel beseitigt werden kann als durch das freie Ermessen von Privatleuten, die keine politische Verantwortung tragen und denen gegenüber die Außenseiter, Lieferanten und Kunden in ihren Grundrechten und in ihrer Gewerbefreiheit nicht geschützt sind. Denn unsere Grundrechte sind nur der Staatsgewalt gegenüber geschützt, aber nicht gegenüber Privatleuten, die Macht haben.
Ein echtes Verbotsgesetz muß also der Kartellbehörde zur Pflicht machen, zu prüfen, ob alle diese vier Voraussetzungen vorliegen, bevor sie eine Ausnahmeerlaubnis erteilt. Ferner muß die Kartellbehörde verpflichtet sein, ihre Erlaubnis mit der gleichen Sorgfalt zu begründen, mit der ein Gerichtsurteil begründet werden muß. In dieser Begründung muß dargetan werden, daß die vier Voraussetzungen vorliegen und warum. Schließlich muß die Entscheidung mitsamt ihrer Begründung veröffentlicht und damit der Kritik der Wissenschaft und der Presse unterbreitet werden. So und
nur so können wir den Wettbewerb und die Wirtschaftsfreiheit ausreichend schützen, wenn wir der Meinung sind, daß der Wettbewerb und die Wirtschaftsfreiheit schutzwürdige Güter sind. Ich habe mit großer Freude aus dem Munde von Herrn Kollegen Höcherl erfahren, daß auch er die Wettbewerbs- und die Wirtschaftsfreiheit für schutzwürdige Güter hält.
Hier kommen wir nun zu der eigentlichen Streitfrage: Sind der Wettbewerb und die Wirtschaftsfreiheit überhaupt schutzwürdige Güter? Unter der Hand wird das nämlich immer wieder bestritten. Wie wird unsere Wirtschaft aussehen, wenn diese Güter durch Gesetz so wirksam geschützt sind, wie wir es tun können, und wie wird die Wirtschaft aussehen, wenn wir es nicht tun, sondern Verträge, die den Wettbewerb beschränken, ebenso schützen wie andere Verträge? Nun, der Unterschied zwischen diesen beiden Ergebnissen ist das Entscheidende, und über diesen Unterschied hat ,der Herr Bundeswirtschaftsminister an dieser Stelle das Nötige gesagt. Ich würde das, was er gesagt hat, in seiner Wirkung nur abschwächen können, wenn ich es mit anderen Worten wiederholen wollte.
Wenn wir versuchen, den Wettbewerb so weit zu schützen, als es irgend geht, dann haben wir selbstverständlich nicht eine Volkswirtschaft, in der der lautere sogenannte vollständige Wettbewerb herrscht, sondern wir haben eine Wirtschaft, in der es auf einzelnen Märkten immer noch Monopole, Oligopole, gestörten Wettbewerb und andere unregelmäßige Erscheinungen gibt. Wenn wir aber nicht schützen, wenn wir die Verbotsgesetzgebung nicht machen, dann haben wir wesentlich mehr monopolisierte Märkte, als wir sonst haben würden, und wir haben eine Ermutigung der Monopolisierung, wir haben eine Tendenz, den Wettbewerb zu entmutigen, und umgekehrt, im Falle des Schutzes, eine Entmutigung derer, die monopolisieren wollen, und eine Ermutigung aller wettbewerbsbereiten Kräfte. Die Einstellung des Staates und der Rechtsordnung ist also nicht gleichgültig.
Wie wirkt denn ein Plus an Monopolisierung?
Erstens. Wenn wir mehr monopolisierte Märkte haben, dann wird unser Sozialkuchen im ganzen kleiner.
Zweitens. Der Sozialkuchen wird anders verteilt, als wenn die Märkte nicht monopolisiert oder weniger Märkte monopolisiert wären. Es kommt dann lediglich auf die Kartellierungsfähigkeit oder auf den Elastizitätsgrad der Nachfrage an, also auf Momente, die mit sozialer Gerechtigkeit, mit Leistung, mit Verdienst nicht das mindeste zu tun haben; sondern derjenige verdrängt andere aus dem Brot, der zufällig eine kartellierbare Ware herstellt oder der zufällig eine leicht monopolisierbare Ware produziert und außerdem einen Bedarf befriedigt, der auf die Ware nicht verzichten kann.
Drittens. Jede Zunahme der Monopolisierung — und das ist ein Moment, das in der Diskussion bisher viel zuwenig betont worden ist, obwohl es frühere Gremien, z. B. ,die Juristentage 1902 und 1904, auch den Enquete-Ausschuß sehr beschäftigt hat —, jede Zunahme von Kartellen und Monopolen brutalisiert den Wirtschaftskampf. Kämpfe zwischen Mächten, die sich um die Macht balgen, werden brutaler ausgefochten als Wettbewerbskämpfe zwischen Unternehmern ohne Marktmacht.
Viertens. Kartelle und Monopole gefährden in einem gewissen Grade die Grundrechte und die Gewerbefreiheit auf ihren Lieferantenmärkten und auf ihren Absatzmärkten, so daß man den Grundsatz aufstellen kann: Wer Macht hat, der hat keinen Anspruch darauf, frei zu sein, und wer frei sein will, der sollte keine Macht haben, wenigstens keine typische und weit ausgebreitete Macht, die ihn zum Herrn des Schicksals über soundso viele Berufschancen von Individuen erhebt. Denn die Marktreglementierung, wie sie ein Kartell und ein Monopolunternehmen vornimmt, ist ihrer Natur nach ein wirtschaftspolitischer Akt. Man kann das nicht durchweg verhindern. Man kann das Hineinwachsen großer Unternehmungen und Konzerne in die Marktmacht nicht immer verhindern. Wo es aber verhindert werden kann und nicht verhindert wird, da sind der Staat und der Gesetzgeber dafür verantwortlich, was dieser Machtträger dann nachher treibt.
Über das Mißbrauchsprinzip hat der Herr Bundeswirtschaftsminister ausgiebig gesprochen: Ich kann mir das ersparen.
Der Gesetzentwurf, den meine Freunde und ich vorgelegt haben, soll im übrigen nicht nur die Ausnahmegenehmigung erschweren, sondern wir haben gleichzeitig die Gelegenheit ergriffen, den Regierungsentwurf auch noch in anderer Hinsicht zu verbessern.
Erstens. Es wird ein Schutz gegen die Vergröberung des Wirtschaftskampfes angestrebt, und zwar dadurch, daß in einem dem § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nachgebildeten Paragraphen das Prinzip des Leistungswettbewerbs statuiert wird. Die Folgen eines Verstoßes sind Schadensersatz- und Unterlassungspflichten. Außerdem wird auf diesem Gebiet der Kartellbehörde das Recht gegeben — und dieses Recht müssen wir ihr geben —, mit einstweiligen Verfügungen einzugreifen. Denn die Machtmittel von Konzernen, marktbeherrschenden Einzelunternehmen und erlaubten Kartellen sind ungemein rasant, man denke z. B. Sperren oder gezielte Vernichtungs-Preisunterbietungen. Sie sind so rasant, daß ein Gerichtsurteil immer zu spät kommt. Bis allein Klage erhoben wird, ist der Mann zur Strecke gebracht, oder er hat schon vorher nachgegeben und ist entweder dem Kartell beigetreten oder hat sich dem Konzern eingegliedert, oder er hat sich der Marktstrategie des betreffenden Unternehmens unterworfen.
Zu dieser Sache hat schon vor einem halben Jahrhundert ein großer Jurist, der frühere österreichische Justizminister Franz Klein, der Schöpfer der österreichischen Zivilprozeßordnung, zur Kartellfrage auf den Juristentagen in Innsbruck 1902 und in Berlin 1904 mit sehr ernsten Ausführungen Stellung genommen. Er hat gesagt: Im Wirtschaftskampf rauchloses Pulver und Schnellfeuergeschütz und im Rechtskampf bestenfalls Vorderlader. — Das ist der Niveauunterschied. Ich darf vielleicht eine ganz kurze Stelle aus diesen Ausführungen aus dem Jahre 1904 mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten zum Vortrag bringen. Klein sagt:
Es darf im Rechtsschutz keine Niveauverschiedenheiten geben, und am allerwenigsten darf dort, wo die Akkumulierung wirtschaftlicher Macht von vornherein für den Sieg des bloß durch Paragraphen geschützten Interesses fürchten läßt, der Rechtsschutz ein geringerer sein. Eine Rechtsform muß desto fester fundiert, desto präziser wirkend und schlagkräftiger sein, mit einer je größeren wirtschaftlichen Energie sie zu ringen bestimmt ist.
— Wie wahr das ist, das haben uns die letzten Jahrzehnte gründlich gelehrt.
Die großen Kapitalien, die Verbände und Unternehmungen, die Koalitionen hier und dort drohen und zwingen und beeinflussen den Willen in äußerlich höchst zivilisierten Formen. Aber der Zwang, den sie ausüben, ist innerlich viel elementarer als der, mit dem der Gesetzgeber bislang zu rechnen gewohnt war.
Mir und den Einbringern des Gesetzes ist nun der Vorwurf gemacht worden, daß gerade die Vorschriften, die wir zum Schutz gegen solche Strangulierung,- und Niederknüppelungsmethoden vorsehen, tief in die Betriebsleitungsbefugnisse eines marktstarken Unternehmens eingreifen. Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie einen anderen Weg wissen, den durch solche Maßnahmen gefährdeten Landsmann zu schützen, ohne daß der Staat mit demjenigen, der diesen Druck ausübt, ein Hühnchen rupft, ihm in seinen Betrieb hineinschaut und ihn in seinen Betriebshandlungen insoweit seiner Freiheit beraubt oder mindestens indirekt in Strafe nimmt, wenn Sie den Weg wissen, den Pelz zu waschen, ohne ihn naß zu machen, dann sagen Sie ihn mir bitte! Meine Freunde und ich sind aber bereit, auch solche Unzuträglichkeiten hinzunehmen. Wir müssen sie hinnehmen, denn wir können gerade dem Mittelstand nicht mit gutem Gewissen verwehren, sich in einem Kartell mit einem Großbetrieb zusammenzuschließen, um sich auf diesem Wege gegen den Großbetrieb zu schützen. Das können wir nicht verwehren, wenn wir nicht auf der anderen Seite dafür sorgen, daß die Rechtsordnung schneidigere und einschneidende Maßnahmen gegen solche Druckausübungen zur Verfügung stellt. Denn das gewerbliche Dasein eines kleinen oder mittleren Unternehmers neben einem sehr großen Unternehmen ist mit übermäßigen Risiken belastet, und wir können davor nicht die Augen verschließen.
Unser Gesetzentwurf sieht also über die Erschwerung der Ausnahmen hinaus erstens einen Schutz gegen die Brutalisierung des Wirtschaftskampfes vor, zweitens einen Schutz gegen die Verkümmerung der Gewerbefreiheit von Vorlieferanten und Nachlieferanten. Denn wer der einzige Anbieter oder Nachfrager auf einem Markte ist, der hat praktisch in der Hand, zu bestimmen, welche Unternehmer Lieferanten sein dürfen und welche Unternehmer von ihm beliefert werden. Das Berufsschicksal hat er in der Hand. Darum sieht unser Entwurf eine Vorschrift vor, die es jedem Inhaber wirtschaftlicher Macht, also jedem, der der Aufsicht der Kartellbehörde unterstellt ist, zur Pflicht macht, die Gewerbefreiheit seiner vor- und nachgelagerten Märkte seinerseits zu respektieren und dafür zu sorgen, daß der freie Zugang zu diesen Märkten erhalten bleibt. Wenn hier zuwidergehandelt wird, dann soll ebenfalls die Kartellbehörde einstweilige Verfügungen erlassen dürfen.
Drittens. In bezug auf die Behandlung der Konzerne ist unser Entwurf etwas weniger streng als der Regierungsentwurf. Der Regierungsentwurf sieht vor, daß neue Konzernbildungen — das sind also keine Kartellbildungen, sondern Verschachtelungen von Unternehmen mit der Wirkung, daß wirtschaftlich ein einziges großes Unternehmen entsteht — verboten sind, wenn nicht die Erlaubnis der Kartellbehörde dafür vorliegt, allerdings nur in solchen Fällen, in denen der Zusammenschluß zur Folge haben würde, daß ein marktbeherrschendes Gesamtunternehmen entsteht. Das erzeugt eine sehr große Rechtsunsicherheit; denn man kann nicht recht genau vorher wissen — bei Zusammenlegungen, bei Beteiligungen, bei Aktienerwerb, bei Verabredungen über gemeinsame Besetzung von Aufsichtsräten oder von Vorstandsmitgliedsstellen —, kann auch nicht vorher genau berechnen, ob nun die Entstehung eines marktbeherrschenden Unternehmens die Folge sein wird. Davon soll aber abhängig gemacht sein, ob nun der Zusammenschluß der Genehmigung bedarf oder ob er nicht der Genehmigung bedarf. Infolgedessen haben wir die Sache umgedreht und gesagt: Solche Zusammenschlüsse sind an sich erlaubt; sie können aber, wenn diese Wirkung zu befürchten steht, von der Kartellbehörde verboten werden. Hier muß also die Kartellbehörde mit einer Entscheidung eingreifen, und zwar wegen der ungewissen und komplizierten Sachlage.
Außerdem sieht der Entwurf vor, daß alle Formen der privaten Marktmacht sozusagen der Staatsaufsicht unterstellt werden. Dabei sind wir uns ganz klar darüber, daß die Staatsaufsicht kein wirksames Instrument ist. Sie kann nur sogenannte Mißbräuche bekämpfen; aber alles das, was volkswirtschaftlich allgemein schädlich oder bedenklich ist, kann sie nicht bekämpfen. Dieses Bedenkliche ist ja schon eingetreten, wenn bloß das Kartell da ist oder wenn bloß schon die wirtschaftliche Macht begründet ist, nicht erst, wenn sie darüber hinaus mißbräuchlich handelt. Denn was bedeutet Mißbrauch? In der Praxis bedeutet Mißbrauch ein geradezu skandalöses Benehmen. Man muß „auffallen" wie beim Militär, man muß so töricht sein, daß man als Konzern oder Kartell unliebsam auffällt. Alles übrige müssen wir doch durchgehen lassen. Sonst könnten wir ja doch hinter der halben deutschen Industrie herlaufen, hinter soundso viel Unternehmen, und versuchen, den Leuten hier und dort in ihren Betrieb hineinzureden, was doch kein Mensch will.
Wir brauchen uns also gar keinen Illusionen über die Wirksamkeit der Staatsaufsicht oder über deren geringe Bedeutung hinzugeben. Wenn in unserem Entwurf drinsteht, wer alles der Staatsaufsicht untersteht, so sieht das ein bißchen hochstaplerisch aus, als ob wir damit irgend etwas erreicht hätten. Nein, meine Damen und Herren, diese Bestimmungen über die Staatsaufsicht haben einen anderen Zweck. Wenn wir alles, was fühlbaren Markteinfluß hat, unter die Staatsaufsicht stellen, also u. a. auch solche Kartelle, die zwar rechtsunwirksam sind, aber trotzdem eingehalten werden, dann wollen wir damit nicht so sehr erreichen, daß diese Machtinhaber von der Staatsaufsicht am Kanthaken gefaßt werden, sondern wir wollen erreichen, daß diesen Gebilden strengere Pflichten aufgehalst werden, strengere Pflichten in bezug auf die Führung des Wirtschaftskampfes, strengere Pflichten in bezug auf die Schonung der Gewerbefreiheit ihrer Vertragskontrahenten. Solche Schadensersatzprozesse und solche einstweiligen Verfügungen sind kein Pappenstiel.
Im übrigen — das ist noch wichtig — setzt dieser Gesetzentwurf voraus, daß der § 31 Ziffer 1 der Regierungsvorlage wegfällt. Dieser Paragraph bestimmt nämlich: Wer sich über die Nichtigkeit eines Vertrages hinwegsetzt, wird bestraft. Das heißt: Nach dem Regierungsentwurf ist nicht bloß ein Kartellvertrag nichtig. sondern es ist auch die Teilnahme an einem nichtigen Kartell strafbar. Das wollen wir nicht. Wenn diejenigen, die einen nichtigen Kartellvertrag abgeschlossen haben. ihn freiwillig, ohne richterlichen Zwang, ohne Vertragszwang erfüllen, dann wollen wir nicht, daß
gestraft wird, weil das ein Denunzierungstatbestand wäre. Denn wir vertrauen allein auf die Kraft des Wettbewerbs, nicht auf die Kraft des Staatsanwalts. Wir sind der Meinung, wenn wir den Rechtsschutz dem Kartell entziehen und die Formen der Ausübung von Druck und Zwang unter ein schneidiges Recht stellen, dann haben wir getan, was wir tun können. Wer dann aus freien Stücken, obwohl er es darf, keinen Wettbewerb treiben will, den wollen wir auch nicht mit Strafen zum Wettbewerb anhalten. Das wäre ein schöner Wettbewerb, wenn wir wie Friedrich Wilhelm I. mit erhobenem Krückstock hinter unsern Unternehmern herlaufen und rufen wollten: Wollt ihr wohl Wettbewerb machen!
Das können wir natürlich nicht tun und das wollen wir nicht. Infolgedessen sieht unser Gesetzentwurf diesen § 31 Ziffer 1 nicht vor, also keine Strafbestimmungen, wohl aber Strafbestimmungen für solche, die mehr oder weniger gewerbsmäßig durch Versendung von Preismitteilungen und Preisempfehlungen und anderen Dingen vertragslose Kartelle en gros organisieren. Lediglich die Manager wollen wir treffen mit Geldstrafen, aber sonst niemanden.
Ich bin hiermit am Ende. Ich möchte noch ein Wort sagen zu dem Vorwurf des Dirigismus, der unserem Kartellentwurf in der Öffentlichkeit gemacht worden ist, weil wir nämlich die Zulassung von Kartellen an so schwere und komplizierte Voraussetzungen binden. Wir wollen damit doch nur erreichen, daß nur solche Kartelle erlaubt werden können, bei denen man es wirtschaftspolitisch ) verantworten kann. Die Vorschriften werden die Wirkung haben, daß nur wenige Erlaubnisse erteilt werden können. Nun ist aber doch nur eine solche Maßnahme der Kartellbehörde dirigistisch, die ein Kartell erlaubt, nicht eine solche Maßnahme, durch die eine Erlaubnis versagt wird. Denn wenn das Kartell erlaubt wird, dann wird ein Markt, der bisher nicht reglementiert worden ist, sondern frei war, zur Reglementierung durch Privatpersonen freigegeben. Das ist indirekt ein dirigistischer Akt, ein Akt, der viel gefährlicher ist als eine unmittelbar staatliche Intervention. Denn hier überläßt der Staat etwas, was er selber tun sollte, Privatleuten, die parlamentarisch nicht verantwortlich sind. Wenn aber eine Kartellbehörde eine Kartellerlaubnis verweigert, stellt sie ja damit fest, daß dieser Markt frei bleiben, sich selbst überlassen und nicht reglementiert werden soll. Das ist in meinem Sprachgebrauch das Gegenteil von Dirigismus.
Wenn ein Gesetzentwurf frei von Dirigismus ist; dann ist es dieser. Er will in der Wirtschaft das Höchstmaß von Freiheit gewährleisten, das sich vom Recht überhaupt gewährleisten läßt. Er will die Wirtschaft auch nicht zur Freiheit und zum Wettbewerb zwingen; wohl aber ist es die Absicht dieses Entwurfs, den Zwang zur Beschränkung des Wettbewerbs und der Freiheit zu verhindern. Wenn Wirtschaftsgruppen oder Inhaber von Marktmacht Zwang ausüben, dann will dieser Gesetzentwurf allerdings auch Zwang ausüben, und zwar Zwang zur Verhinderung des Zwangs.
Das ist im großen und ganzen die Konzeption dieses Gesetzentwurfs, der, wie ich glauben möchte, den Anspruch erheben kann, eine einheitliche Linie zu haben und einer automatischen Selbstaushöhlung durch falsch gegriffene Erlaubnistatbestände soweit vorzubeugen, als man das tun kann.