Rede:
ID0207007400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. von: 1
    8. Merkatz.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 70. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1955 3663 70. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Februar 1955. Zur Geschäftsordnung — betr. Absetzung der Beratung der Verträge: Wehner (SPD) 3663 C Kiesinger (CDU/CSU) . . . 3664 B, 3665 A Erler (SPD) 3664 D Absetzung abgelehnt 3665 B Fortsetzung der zweiten Beratung der Gesetzentwürfe betr. das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 1000, zu 1000), den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060), den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061, Umdruck 293), das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062, Umdruck 294); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 1200) Wiedervereinigung Deutschlands (Fortsetzung): Dr. Kather (GB/BHE) 3665 C Dr. Baron Manteuffel-Szoege (CDU/ CSU) 3668 A Saarabkommen: Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . 3669 B, 3670 B Dr. Mommer (SPD). . . . 3670 B, 3673 C, 3677 B, D, 3681 C, 3.68.4 C, 3704 A, 3716 B, 3720 D, 3722 A Dr. von Merkatz (DP) . 3677 B, C, 3681 B, 3689 B, 3696 B, C, 3700 C, 3704 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler. . 3683 C, 3684 D, 3690 B, 3692 C, 3719 A, 3721 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 3684 D, 3698 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 3692 C Behrisch (SPD) (Persönliche Erklärung) 3692 D Unterbrechung der Sitzung . 3693 C Walz (CDU/CSU) 3693 C Feller (GB/BHE) . . . 3695 C, 3696 B, C Dr. Arndt (SPD) 3705 D, 3708 D, 3709 A, B Haasler (GB/BHE) . . . 3708 D, 3709 A, B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 3709 C Trittelvitz (SPD) 3710 C Schütz (CDU/CSU) . . . . 3712 A, 3713 D Dr. Kather (GB/BHE) 3713 D Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . 3714 D Ladebeck (SPD) 3716 A Sicherheit und Verteidigung: Erler (SPD) . . . . 3722 D, 3726 C, 3727 B, 3730 A, B, C, 3731 C, 3737 B, C, 3742 A, C Dr. von Merkatz (DP) . . 3726 B, 3731 C Euler (FDP) 3727 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . 3730 B, 3737 D, 3740 A, 3742 B, C Kiesinger (CDU/CSU) 3730 A, C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 3735 C, 3737 C, D Dr. Arndt (SPD) 3739 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3743 A, 3745 C, D Ritzel (SPD) 3745 C Weiterberatung vertagt . 3746 A Persönliche Erklärungen: Strauß (CDU/CSU) 3746 A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 3746 D Nächste Sitzung 3746 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Schließlich muß die Lösung
    — und damit wiederhole ich das, was ich vorhin gesagt habe —
    wahrhaft europäisch sein. Die Lösung ist . . . an die Verwirklichung der Europäischen Politischen Gemeinschaft gebunden.

    (Abg. Dr. Kather: Sehr richtig!)

    Es darf sich also nicht darum handeln, den Status quo ... mit einem europäischen Mantel zu verkleiden ... Die Saar kann nur europäisiert werden, wenn eine europäische Gemeinschaft eine Realität ist.
    Und Herr Dr. v o n Brentano hat hinzugefügt:

    (Abg. Kunze [Bethel]: Nun hören Sie aber langsam auf! Abg. Dr. Weber [Koblenz]: 30. August! — Weitere Zurufe.)

    — Meine Herren, ich werde auch dazu noch etwas sagen. Das, was am 30. August erfolgt ist, berechtigt uns nicht, etwas zu tun, was wir damals vor dem deutschen Volke und der Weltöffentlichkeit als zu tun unmöglich immer und immer wieder abgelehnt haben.

    (Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.) Herr Dr. von Brentano hat in dieser Debatte dann hinzugefügt:

    Ich vermag ein Junktim zwischen Saar und EVG in keiner Weise anzunehmen . . . Es besteht dagegen ein Junktim zwischen Saarvertrag und Europäischer Politischer Gemeinschaft, und ... im Verhältnis zu Deutschland kann ein solches Junktim nicht durch einseitige Erklärung hergestellt werden.
    Das, Herr Dr. Weber, können Sie vielleicht auch zur Kenntnis nehmen, was damals von Ihrer Seite gesagt worden ist.
    Nun stehen wir vor der Tatsache, daß die Verwirklichung der Europäischen Politischen Gemeinschaft in eine unabsehbare Ferne gerückt ist, aber die an ihre Stelle getretene schlechtere Ersatzlösung von französischer Seite durch ein Junktim mit dem Saarstatut verbunden ist, das uns für den Bestand des Deutschtums an der Saar auch keine besseren Garantien zu geben vermag als alles, was damals in Umrissen an Möglichkeiten der Lösung für das Saarproblem vorgelegen hat.
    Es ist in diesem Zusammenhang und im Hinblick auf die Ausführungen, die der Herr Bundeskanzler heute morgen gemacht hat, nicht uninteressant, festzustellen, daß dies als „europäisch" bezeichnete Statut vom 23. Oktober 1954 sehr stark dem Vorschlag entspricht, den der französische Hohe Kommissar dem Herrn Bundeskanzler unter ganz anderen Voraussetzungen am 25. Oktober 1952 in einem Entwurf einer gemeinsamen deutschfranzösischen Erklärung über die Saarfrage gemacht hat. Dort heißt es — und das ist im Zusammenhang mit den heute hier gemachten Ausführungen sehr interessant —:
    Die Verhandlungen zwischen Frankreich und
    Deutschland mit dem Ziele, der Saar einen


    (Feller)

    europäischen Charakter zu verleihen, werden
    fortgesetzt.
    Damals durchaus noch verständlich. Und weiter: Die endgültige Entscheidung über das Statut, das von den beteiligten Staaten zu garantieren ist, liegt in jedem Falle bei der Bevölkerung der Saar.
    Nun stelle ich fest, meine Damen und Herren: Diese Entscheidung das kann man formal, aber nicht tatsächlich bestreiten — liegt nicht mehr bei der Bevölkerung der Saar, sie liegt bei uns; denn wer will von dieser Bevölkerung erwarten, daß sie gegen das Statut entscheidet, wenn wir es hier bejahen? !

    (Zustimmung beim GB/BHE und bei der SPD.)

    Das erste Referendum ist doch eine Farce, und es ist mir völlig unbegreiflich, daß man sich soviel Mühe gemacht hat, seine Modalitäten auszuhandeln, eine Mühe, die wahrlich einem anderen Zwecke auch in diesem Zusammenhang hätte dienstbar gemacht werden können. Bei der Unbezweifelbarkeit des Ausgangs dieses ersten Referendums führt es zu einem Rechtszustand, der zwar durch die im Art. IX des Statuts vorgesehenen Billigungsoder Verwerfungsmöglichkeiten abänderlich erscheint; aber seine staatsrechtliche Veränderlichkeit wird doch durch die Gewalt des Faktischen aufgehoben, die dieses Statut haben wird, eine Gewalt, die ein solches Statut zum Unterschied von dem jetzt bestehenden Zustand vor allem dann haben wird, wenn es mit Zustimmung der Betroffenen zustande gekommen ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir zwingen die Saarbevölkerung damit in eine Entwicklung hinein, die, von ihr selbst bejaht, sich in einem unabänderlichen Automatismus vollziehen wird bis zur endgültigen Loslösung des Saargebiets aus dem gesamtdeutschen Staatsverband.

    (Zustimmung beim GB/BHE und bei der SPD.)

    Was kann man überhaupt noch an Glauben und Vertrauen von Menschen erwarten, welche die vorhin zitierten Äußerungen mit angehört haben und denen heute dieses Statut zur Annahme empfohlen wird?

    (Abg. Pelster: Sie nehmen es auch s o an!)

    Das tun wir doch, wenn wir hier ja dazu sagen. Angesichts dieser psychologischen Fehlbehandlung verblassen doch alle rechtlichen Argumente und Interpretationsversuche für den Inhalt der einzelnen Artikel. Es ist heute schon eine Reihe solcher Versuche unternommen worden, und sie haben eine Variationsbreite ergeben, die jeden erkennen läßt, daß das Statut jeder Auslegungsmöglichkeit Tür und Tor offenläßt. Es wurde sogar schon kühn behauptet, daß dies für Deutschland ein besonderer Vorteil sein könnte. Meine Damen und Herren, vergessen wir dabei doch nicht, daß wir ein besiegtes und zerschlagenes Volk sind und wahrscheinlich bis zum Friedensvertrag auch bleiben werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Unruhe links.)

    — Jawohl, und gerade in dieser Lage wäre es wahnwitzig, wenn wir die für uns jeweils günstigste Möglichkeit in die Bestimmungen des Statuts hineinzudeuten versuchten, es sei denn, Sie wollten den entschieden abzulehnenden Versuch machen,
    die Partnerschaft der Pariser Verträge mit der
    Vorstellung wechselnder Stärkeverhältnisse zu belasten, und davor möchte ich ausdrücklich warnen.

    (Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)

    Wir wollen ein klares und stabiles Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich und darum auch klare und eindeutig auszulegende Bestimmungen, die dieses Verhältnis tragen. Andernfalls müssen sich — das ist schon mehrmals gesagt worden — daraus Verstimmungen, Auseinandersetzungen ergeben, die selbst bei bestem Funktionieren der Gerichtsbarkeit die französisch-deutschen Beziehungen belasten und damit Steine auf dem Wege zur Europäischen Gemeinschaft sein werden, deren Verwirklichung doch ein Ziel unser aller politischen Strebens ist.
    An dieser Stelle muß noch einmal ein Hinweis auf die Auslegungen erfolgen, die das Statut in der französischen Presse und in den Debatten der Nationalversammlung erfahren hat, — nicht etwa weil wir uns diese Auffassungen zu eigen machen wollten. Das wäre gefährlich und ist hier mit Recht als unmöglich bezeichnet worden. Aber noch gefährlicher wäre es, sie unbeachtet zu lassen und nicht von vornherein klar zu sagen, daß wir uns damit nicht einverstanden erklären können. Jedes andere Verhalten wäre doch unehrlich und unaufrichtig.
    In den Debatten der französischen Nationalversammlung wurde — und das erscheint mir besonders bemerkenswert — sowohl von zustimmenden wie auch von ablehnenden Rednern zum Saarstatut — ich verweise als Beispiel für die letzteren vor allem auf die Ausführungen des Abgeordneten Michel Kauffmann vom 21. Dezember 1954 — immer wieder festgestellt, daß das Abkommen, wenn auch im völkerrechtlichen Sinne kein Definitivum schaffend, so doch von französischer Seite mit der Absicht der Schaffung eines solchen Definitivums geschlossen wurde, um das Saargebiet schließlich von Deutschland abzutrennen und damit auf einem neuen Wege das alte Ziel zu erreichen, das in der tausendjährigen Geschichte der deutsch-franzäsischen Territorialauseinandersetzungen immer wieder angestrebt worden ist und seinen letzten und deutlichsten Ausdruck in den französischen Forderungen auf der Moskauer Konferenz von 1947 gefunden hat.
    Das Statut läßt sich doch auch damit nicht verteidigen, daß man unter Hinweis auf seinen angeblich europäischen Charakter davon spricht, daß es zunächst — und eventuell auch nach einer friedensvertraglichen Regelung — eine mittlere oder neutrale Lösung für die Saar herbeiführe. Wir wissen doch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nur zu gut, daß diese mittlere Lösung, auf die Dauer gesehen, eben die französische Lösung darstellt. Man könnte dafür wiederum eine Reihe von Beispielen aus der Geschichte der Gebietsveränderungen im Westen anführen, am naheliegendsten jedoch das der Saarabstimmung vom Januar 1935, bei der Frankreich sich völlig damit begnügt hat, den Status quo zu propagieren, nicht nur etwa deshalb, weil ihm ein Anschluß des Saargebiets an Frankreich unerreichbar erschien, sondern eben deshalb, weil es glaubte, mit Hilfe der Aufrechterhaltung des Status quo seine politischen Ziele im Endeffekt genauso gut erreichen zu können. Denn eine „saarländische Saar", von der Sie gesprochen haben, Herr Dr. Lenz, ist für Frankreich so gut wie eine französische Saar, weil Frankreich


    (Feller)

    eben die Zeit hat, die wir nie haben, seine Grenzprobleme in seinem Sinne zu regeln.
    Der 30. August, von ,dem Sie, Herr Dr. Weber, vorhin gesprochen haben, hätte uns doch mindestens über eines belehren müssen: daß Frankreich seine Nationalstaatlichkeit auch heute noch nicht aufzugeben bereit ist zugunsten einer supranationalen Organisation Europas. Ich sage das ohne jeden Vorwurf und aus einem tiefen Verständnis für ein Volk, mit dem ich von frühester Jugend an in Berührung stehe. Aber man trennt sich eben schwer von dem, was man selbst hervorgebracht hat. Die Geburt des Nationalstaates war ein großartiger Vorgang, was auch immer für verhängnisvolle Folgen geschichtlich sich daran geknüpft haben mögen. Wir Deutschen haben sie am heftigsten zu spüren bekommen. Wir haben uns darum auch leichter davon getrennt. Ich sage nicht, wie manche es tun: wir haben uns zu früh davon getrennt! Aber ich glaube, daß die Überwindung des nationalstaatlichen Denkens ein unausweichlicher geschichtlicher Prozeß für alle Völker ist und nicht ein Einzelvorgang bei den Deutschen. Wenn wir diesen Glauben haben — und wir müssen ihn haben —, dann können wir auch darauf vertrauen, daß in einigen Jahren das Gespräch zwischen Deutschland und Frankreich eine andere Lösung der Saarfrage möglich gemacht hätte. Wir dürfen die dortige Ordnung nicht heute in ein Statut einzementieren, aus dessen Provisorium sich zwangsläufig ein Definitivum entwickeln wird, über das dann nicht mehr geredet zu werden braucht und nicht mehr geredet werden kann, weil seine Änderung zu sehr an das empfindliche Prestige Frankreichs rühren würde.

    (Zuruf von der Mitte: Ihre persönliche Auffassung!)

    Denn dann, wenn dieses Statut in Geltung sein wird, enthält es neben seiner faktischen Kraft auch die Bestimmung, daß es bis zum Friedensvertrag nicht mehr in Frage gestellt werden kann, eine Bestimmung, der auf französischer Seite die bewußte Befürchtung zugrunde liegt, daß mit fortschreitender Entwicklung eine Ordnung, wie sie das Statut vorsieht, immer mehr in Frage gestellt sein würde.
    Nun lassen Sie mich noch einige Einzelfragen anschneiden, die in der heutigen Debatte noch nicht oder nur wenig berührt worden sind. Im Bericht des Auswärtigen Ausschusses wird die selbständige Staatlichkeit des Saargebietes verneint unter Hinweis auf die auflösende Bedingung, unter der dieses Staatswesen steht. Meine Damen und Herren, uns kann nicht so sehr die staatsrechtliche Umschreibung interessieren, die dieses merkwürdige Gebilde nach seiner Konstituierung kennzeichnen soll — eine treffende Bezeichnung hat ja Herr Dr. Becker heute vormittag dafür gebraucht —, sondern vielmehr die Frage, wann und ob überhaupt je die auflösende Bedingung eintreten wird. Wir meinen, daß gerade der bedauerliche Mangel jeder zeitlichen Befristung es uns unmöglich macht, das Statut zu bejahen, da ja unser Vertragspartner einfach daran interessiert sein muß, die Voraussetzungen für seine Veränderungen nicht zu schaffen, d. h. also konkret gesprochen, keinen Friedensvertrag zustande kommen zu lassen, der eine andere Regelung enthält, welche von der Saarbevölkerung nach Art. IX gebilligt werden könnte. Man braucht nicht etwa irgendeiner Vorstellung oder Parole von einem Friedensvertrag im Jahre 1955
    zu folgen, um dieses Statut als eine Belastung für das Zustandekommen eines Friedensvertrages überhaupt anzusehen, zumal darin auch 'die Formulierung des van-Naters-Plans „oder einer friedensvertragsähnlichen Regelung" nicht mehr enthalten ist.
    Daraus ergibt sich auch die Frage eines Präjudiz für den Osten, nicht etwa in dem Sinne, wie sie hier schon 'bei der ersten Lesung und auch heute am Rande wieder behandelt worden ist, im Sinne der Frage nämlich, ob eine ähnliche Regelung für die Ostgebiete wünschenswert wäre oder nicht; diese reichlich diskutierte Frage scheint mir müßig, weil es sich um nicht vergleichbare Verhältnisse handelt. Wichtiger ist aber die Fragestellung, welche Rückwirkungen eine Annahme des Saarstatuts auf den Osten überhaupt haben könnte. Da aber müssen uns zwei Momente zu denken geben: einmal die Gefahr, daß sich bei westlichen und östlichen Mächten eine Übereinstimmung des Interesses am Nichtzustandekommen eines Friedensvertrages entwickeln könnte, zum anderen aber die Gefahr, 'daß wir der Sowjetzonenregierung zumindest für ihre innerstaatlichen Propaganda ein billiges Argument für die Anerkennung der OderNeiße-Grenze geben.

    (Abg. Dr. Kather: Sehr richtig!)

    Wir haben alle in den letzten Wochen und Tagen Stöße von Briefen aus der Sowjetzone erhalten. In ihrer Ablehnung der Pariser Verträge sind sie meist schablonenhaft gezwungen, eintönig, monoton, aber an einem Punkte werden sie menschlich wahr und echt,

    (Zuruf von der Mitte: Vorsichtig! — weitere Zurufe von der Mitte)

    wenn sie uns vor der Annahme des Saarstatuts warnen. Denn dann klingt bei diesen Menschen, die zwar unter Zwang schreiben, aber an einer Stelle doch auch einmal etwas Persönliches einfließen lassen, etwas ganz Unüberhörbares durch, nämlich die Befürchtung dieser Briefschreiber — ich betone: ihre Befürchtung daß diejenigen, die verantwortlich der praktischen Loslösung einer Million Deutscher im Westen aus dem gesamtdeutschen Staatsverband auf die Gefahr ihrer Entfremdung von Deutschen hin zustimmen, auch dazu kommen könnten, die 18 Millionen Deutscher im Osten aus der geistigen und politischen Einheit des Deutschtums zu entlassen, wenn die Machtverhältnisse es einmal geraten erscheinen ließen.

    (Zustimmung beim GB/BHE und bei der SPD.)

    Wir sind im Westen wie im Osten gezwungen, heute den Tatbestand hinzunehmen, daß Millionen unserer Brüder und Schwestern von uns getrennt und in Unfreiheit leben müssen. Wir können es heute nicht ändern. Wir sind aber gewillt, es morgen oder übermorgen zu ändern, wenn sich uns eine friedliche Möglichkeit dazu bietet.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wir sind aber nicht heute und nicht morgen und nicht übermorgen gewillt, einen solchen Zustand zu legalisieren, auch wenn es uns aus anderen Zusammenhängen heraus geraten erscheint.

    (Beifall beim GB/BHE und Abgeordneten der SPD.)

    Wenn man uns mit der Gewalt des Siegers trennt und den Willen zur Wiedervereinigung unter-


    (Feller)

    drückt, dann müssen wir es erleiden, im Bewußtsein des Unrechts, das uns geschieht. Aber wehe dem deutschen Volk, seiner Freiheit und Einheit, wenn dieses Bewußtsein einmal zu schwinden begänne, in der Sowjetzone, an der Saar oder hier bei uns! Dann ginge die stärkste Antriebskraft verloren, die uns wieder zusammenführen kann, und die Geschichte wäre über die deutsche Einheit hinweggegangen.
    Gegenüber diesen inneren Auswirkungen, die eine Annahme des Saarstatuts zur Folge haben kann, erscheint mir die Diskussion über seine völkerrechtliche Bedeutung zweitrangig. Ob das Statut eine gesamtdeutsche Regierung bindet oder nicht — die Möglichkeit erscheint mir allerdings durchaus gegeben —, ist aber unerheblich, wenn in seiner Folge der Wille und der Glaube an die Wiederherstellung Gesamtdeutschlands erlahmen, wenn die deutsche Einheit in der Vorstellung jedes Deutschen nicht mehr unteilbar und unabdingbar ist.

    (Sehr wahr! beim GB/BHE.)

    Unsere europäische und unsere gesamtdeutsche Haltung müssen uns also verbieten, dazu ja zu sagen, und müßten dies auch tun, wenn nicht das Zustandekommen selbst, die Entwicklung seither und die Auslegungsmöglichkeiten des Statuts uns zu speziellen Zweifeln Anlaß gäben.
    Lassen Sie mich zum Schluß, meine Damen und Herren, noch zu den wirtschaftlichen Bestimmungen des Statuts einige Worte sagen. Ich möchte hier gar nicht ins einzelne gehen, denn wir waren immer der Ansicht, daß wir Frankreich jede nur mögliche wirtschaftliche Konzession machen müßten, weil wir bereit sind, unsere Schuld auf materiellem Gebiet redlich abzutragen. Aber unsere Auffassung, Herr Bundeskanzler, war nicht so primitiv, daß wir Ihnen zugemutet hätten, mit einem großen Geldsack nach Paris zu fahren,

    (Beifall bei der SPD)

    sondern wir haben damit in unserer Vorstellung Regelungen verbunden, mit denen wir Frankreich an der Saar wirtschaftliche Konzessionen nicht auf Kosten der Saar, sondern auf unsere Kosten gemacht hätten. Aber wir sind der Meinung, daß es nicht dem Geist einer europäischen Zusammenarbeit entspricht, daß man uns in Menschen und Land bezahlen läßt. Hätte man eine politische Form gefunden, die den Deutschen an der Saar ihre Freiheit und das unbestreitbare Recht der Zugehörigkeit zu Deutschland gelassen hätte, wir hätten freudig in alle wirtschaftlichen Nachteile für uns — nicht für die Saar — eingewilligt.
    Der politische und der wirtschaftliche Preis zusammengerechnet, den wir dafür an der Saar bezahlen sollen und zu dem wir uns erpressen lassen sollen,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

    dafür, daß Frankreich sich neben uns zur Verteidigung des Westens bereitstellt, ist zu hoch. Wir können ihn aus den dargelegten Gründen vor unserer heutigen und zukünftigen Existenz als Volk nicht rechtfertigen. Deshalb sagen wir, d. h. die Mehrheit meiner Freunde

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Mehrheit!)

    und ich, zu diesem uns vorgelegten Statut über die Saar „Nein!"

    (Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute hier das Wort gefallen von einem gewissen Automatismus, der zu einer Separation führen würde, und daß man diesem Automatismus, der die Separation des Gebietes und des Volkes an der Saar hervorbringen könne, nicht Vorschub leisten dürfe. Meine Damen und Herren, ich möchte namens meiner Fraktionsfreunde diese Erwägung grundsätzlich zurückweisen. Sie bedeutet ein tiefes Mißtrauen gegenüber der Bevölkerung an der Saar. Ich möchte das feststellen.

    (Beifall bei der DP und bei der CDU/CSU.)

    Wir haben gerade heute aus dem Munde eines Abgeordneten, der für mich ein Vertreter der Bevölkerung an der Saar ist, Herrn Kollegen Walz, einige Ausführungen gehört, die uns die Gewißheit geben, wie tief das Gefühl der Verbundenheit zwischen diesem Volksteil und uns ist, wie wir beide in der Verantwortung, in der deutschen Verantwortung stehen.
    Ich darf vorweg bemerken, daß ein Nein aus dem Mund eines Abgeordneten der Bevölkerung an der Saar für mich eine ganz andere Bedeutung hat als etwa ein Nein, das von uns aus prinzipiellen Gründen gegeben werden müßte.

    (Beifall bei der DP und bei der CDU/CSU.)

    Wenn ein Abgeordneter von der Saar, der damit die Saarbevölkerung vertritt, dieses Nein ausspricht, so ist es die deutlichste und begrüßenswerteste Demonstration dafür, daß Volk und Gebiet an der Saar eben deutsch sind. Und das ist damit gemeint.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Aber für uns liegt die Frage anders. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten die Prinzipien vortragen und noch einmal in Erinnerung rufen, die meine Partei in dieser Angelegenheit bereits vor einigen Wochen formuliert hat.
    Von jeher haben wir den Grundsatz vertreten, daß kein Gebietsteil eines Volkes, also auch kein Gebietsteil Deutschlands, von einer fremden Macht annektiert und keine Bevölkerung ihres Heimatrechts in den angestammten Wohnsitzen sowie der Menschenrechte auf Freiheit und Selbstbestimmung beraubt oder gegen ihren Willen einer fremden Hoheit unterstellt werden darf. Dieser Grundsatz gilt für uns uneingeschränkt für den Osten und für den Westen. Er ist die wichtigste Grundlage einer europäischen Gemeinschaft.
    Wir haben damals zum Ausdruck gebracht, daß das Abkommen über die Saar weit hinter diesen prinzipiellen Forderungen zurückbleibt, und das stelle ich auch heute fest, damit darüber keine Unklarheit herrscht.
    Weiterhin haben wir aber andererseits auch gesagt: Die Deutsche Partei ist nicht gewillt, die Hand dazu zu bieten, daß der Streit über Volk und Gebiet an der Saar als Mittel ständiger Attentate gegen die europäische Verständigung mißbraucht wird. Wir haben in Wertung des Abkommens damals festgestellt: Der Zweck des Abkommens ist darin zu sehen, daß der unter Mißbrauch von Besatzungstiteln herbeigeführte politische Annexionstatbestand beseitigt und an seine Stelle eine Übergangslösung unter neutraler, internationaler Kontrolle und Garantie gesetzt wird.


    (Dr. von Merkatz)

    Das Abkommen trennt die Saar nicht von Deutschland ab, sondern es hält die Ausübung reichsdeutscher Gebietshoheit bis zum Abschluß eines Friedensvertrags in der Schwebe. Eine endgültige Regelung in einem Friedensvertrag kann nur dadurch wirksam werden, wenn sie von der Saarbevölkerung angenommen wird.
    Das sind die Grundsätze, und an diesen Grundsätzen habe ich als Vertreter meiner Fraktion unsere Stellungnahme zu messen. Es ist ein Verhängnis gewesen, daß das Prinzip der Integrität des Staatsgebiets eines Volkes sowohl vom Osten — in gröbster Weise; sogar nicht nur durch Mißachtung der Integrität des Staatsgebiets, sondern durch Vertreibung des Volkes —, aber auch vom Westen verletzt worden ist. Bereits bei den Regelungen des Versailler Vertrages hat sich das zum größten Unheil Europas ausgewirkt. Fast alle territorialen Regelungen und auch dieser Versuch, einen Gebietsteil vom historischen Körper eines anderen Volkes abzutrennen, wirken sich unheilvoll aus. Das sehen wir, das haben wir bei dieser ganzen Debatte erlebt. Es ist nun einmal so — und das ist meiner Ansicht nach das Ergebnis der nationalstaatlichen Periode der europäischen Geschichte —, daß die Nationalstaaten als Wesenheiten gegründet worden sind, gewissermaßen als lebendige Wesen im Raum der Geschichte stehen und daß jede Amputation und Verletzung von Gebietsteilen zu schwersten Störungen des Gesamtgefüges in Europa führt.
    Ich kann auch in der heutigen Stunde von diesem prinzipiellen Standpunkt nicht abgehen, und wir haben auch niemals — das ist ein alter Beschluß meiner Freunde gewesen — das Recht auf eine Selbstbestimmung in dem Sinne zuerkannt, daß sich Bevölkerungsteile vom Gesamtkörper eines Volkes durch eine Abstimmung separieren können. Wir gestehen auch heute und auch mit diesem Abkommen nicht etwa ein Recht zu, daß sich irgendein Gebietsteil, irgendein Bevölkerungsteil des deutschen Volkes von sich aus und nur auf seine Selbstbestimmung gegründet vom Schicksal des gesamten Volkes abtrennen könnte. Aber das liegt auch nicht in diesem Abkommen. Es ist eine völlige juristische, aber auch politische Verdrehung, wenn man behauptet, daß hier ein Alleinselbstbestimmungsrecht gewährt werde.
    Schließlich haben wir uns gegen die mißbräuchliche Anwendung des Begriffs der Europäisierung gewandt, weil eine Europäisierung einen Dauerzustand darstellen würde. Ich bin etwas anderer Auffassung als mein Herr Vorredner und nicht ohne weiteres zu dem Zugeständnis bereit — auch nicht für den Fall des Entstehens einer politischen Gemeinschaft in Europa —, sozusagen europäische Territorien zu schaffen. Darüber müßte im Einzelfall verhandelt werden. Wir halten ganz eindeutig an dem Prinzip fest, daß das Saargebiet ein deutscher Gebietsbestandteil ist und daß man überhaupt keine Friedensregelung auf dem Tatbestand der Separation von einem Gesamtkörper aufbauen soll.
    Ein Angriff ist gegen die Bedeutung des ersten Referendums geführt worden, das von meinem Herrn Vorredner, glaube ich, als eine Farce bezeichnet wurde. Meine Damen und Herren, wir sollten mit solchen Ausdrücken vorsichtig sein,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    weil es sich hier keineswegs um eine Farce handelt, sondern vielmehr um einen Akt — ich meine
    das erste Referendum —, der gewissermaßen eine verfassunggebende Gesetzeskraft hat, der dann zwingt, die sogenannte Verfassung des Gebiets an der Saar abzuändern auf den Status, der mit dem Statut bestimmt wird. Es ist also eine demokratische Rechtspflicht gegeben, gewisse Bestimmungen dieser Verfassung abzuändern, die dem Statut und seinem Grundprinzip widersprechen, daß nämlich über die territoriale Zugehörigkeit dieses Gebiets erst ein Friedensvertrag bestimmen kann und diese Regelung auch nur in Kraft treten kann, wenn die Bevölkerung zustimmt.
    Insofern glaube ich, daß auch die Behauptung, es werde hier ein tatsächlicher Zustand durch die Unterschrift gedeckt, eine völlige Verdrehung der Tatsachen ist. Die Unterschrift, die unter das Abkommen gesetzt wird, das ein Provisorium, einen Kompromiß als Übergangslösung bewerkstelligen soll, ist eben nur die Unterschrift unter den Versuch, hier eine Befriedung zu schaffen. Aber es wäre doch eine vollkommene Verkennung aller juristischen und damit auch aller politischen Vorgänge, wenn jemand behauptete, daß mit dieser Unterschrift vergangenes Unrecht — das ich ja klar zu kennzeichnen mich bemüht habe — legitimiert werde. Das ist nicht der Fall, und auch die weitere Aufrechterhaltung dieser Position und dieser Behauptung würde nur den deutschen Standpunkt beeinträchtigen. Denn in dieser Behauptung liegt auch, daß eine Anerkennung aus besetzungsrechtlichen Vorgängen, aus Vorgängen der debellatio künftig bei der Auslegung dieses Statuts mit herangezogen werden dürfte. Ich möchte namens meiner Freunde gegen ein solches Verfahren protestieren, daß jemals über das Statut hinausgreifend in den ungeregelten rechtlichen Vorraum dieses Statuts bei einer Rechtsstreitigkeit, die entstehen kann und entstehen wird, zurückgegriffen werden darf.
    Ich muß mich nun doch um der intellektuellen Sauberkeit willen, möchte ich sagen, mit einigen Behauptungen des Kollegen Mommer auseinandersetzen. Wenn ich jetzt einen Artikel von ihm zitiere, der in der „Freien Saarpresse" Mitte Oktober — noch bevor wir uns nach Paris begaben — erschienen ist, so bitte ich daraus nicht entnehmen zu wollen, daß ich dem Kollegen Mommer unterstelle, er habe mit diesem Artikel etwa die Grundlinie seiner Auffassung über die Saarpolitik geändert. Solche billigen Unterstellungen mache ich hier nicht. Aber ich zitiere, weil in diesem Artikel ein Geist zum Ausdruck kam, der sich mit unseren eigenen Vorstellungen weitgehend deckt. In diesem Geiste sind wir damals nach Paris gefahren, wo uns ja vom Bundeskanzler vor allen Dingen die Frage vorgelegt wurde: Übernehmen mit mir die Parteien des Bundestages und damit die Vertretung des Volkes die Verantwortung dafür, daß ich an dem Nichtzugeständnis der französischen Forderung einer definitiven Lösung das gesamte Pariser Vertragswerk scheitern lasse? Das war die politische Frage, die uns Abgeordneten vorgelegt worden ist. Übernehmen Sie mit mir die Verantwortung, daß ich sage, meine äußerste Grenze ist das Zugeständnis eines Provisoriums bis zur Regelung im Friedensvertrag? Darin waren wir einig — ich glaube, das sagen zu dürfen —, daß wir den Ernst dieser Frage sehr stark gespürt haben. Auch Herr Kollege Mommer ist — das geht aus seinen Ausführungen klar hervor — in einer inneren geistigen Einstellung an die Probleme herangetreten, die sich von der unsrigen kaum unterschied.


    (Dr. von Merkatz)

    Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich ein paar Sätze zitieren. Sie sind natürlich aus dem Zusammenhang herausgerissen, was immer den Inhalt von Sätzen beeinträchtigt. Herr Mommer, wenn ich Ihnen Unrecht tun sollte, dann bitte ich, das richtigzustellen. Er sagt hier:
    Es kann keine guten deutsch-französischen Beziehungen ohne eine Beilegung des Saarstreites geben.
    — Genau unsere Auffassung. Zweitens sagt er: Die Führung eines Machtkampfes um die Saar mit politischen Mitteln liegt ganz sicher nicht im Interesse der beiden Länder und Europas. Man muß vielmehr versuchen, in einem vertretbaren Kompromiß zu einer keine Seite ganz befriedigenden, aber auch für keine Seite unannehmbaren Lösung zu kommen.
    Zugestanden, daß wir im übrigen anderer Auffassung sind, das gilt gewiß noch.

    (Abg. Dr. Mommer: Es gilt heute noch!)

    — Das ist sehr gut, daß wir uns auf dieser Basis auf einem Minimalboden treffen. Das aber war der Geist, einen Kompromiß zu finden, der natürlich nicht für beide Seiten unbedingt befriedigend ist.
    Dann sagt Herr Mommer weiter:
    Wir sollten deshalb bei den Saarverhandlungen über einen Modus vivendi
    — dieser Ausdruck fiel, er hat unsere Besprechungen in Paris sehr stark beherrscht —
    gar keine eigenen Wünsche anmelden . . .
    Der Herr Bundeskanzler ist auch nicht mit einem detaillierten Programm angekommen, ich kenne natürlich seine Vorbereitungen nicht. Aber wir haben in diesem Sinne, daß wir nun nicht von uns aus Anerbietungen machen sollten, mit Plänen kommen, die uns festlegen und die dann Mindestforderungen für die andere Seite werden könnten, gearbeitet. Ungefähr so hat der Bundeskanzler verhandelt.
    . . . und die Fortdauer der Zoll- und Währungsunion so weit hinnehmen, wie sie nicht wegen der Entwicklung der Saarwirtschaft selbst modifiziert werden muß.
    Nun gewiß, auch das ist eine sehr vernünftige Einstellung — Herr Mommer, ich behaupte nicht, daß Sie deshalb eine andere Saarpolitik wie Ihre Partei betrieben hätten, diese Absicht liegt nicht in meiner Zitierung —, aber wenn Sie sich das Abkommen ansehen, so werden Sie finden, daß gerade dieser Punkt ziemlich deutlich in ihm hervorgehoben worden ist.
    Dann sagt Herr Mommer zum Schluß:
    Ein Abkommen kann vorläufig nur, nachdem die Rückgliederung pure et simple nicht im Bereich des Möglichen liegt, einen Modus vivendi zum Inhalt haben, der im Friedensvertrag mit einer gesamtdeutschen Regierung durch Abmachungen über das Gebiet selbst ersetzt wird. Wenn im Friedensvertrag von Frankreich die Anerkennung der Abtrennung von uns verlangt würde, dann könnte .und sollte nach unserer Überzeugung die gesamtdeutsche Regierung sich auf das Selbstbestimmungsrecht berufen und die Entscheidung einer neuen Volksabstimmung überlassen.
    Ich finde, diese Prinzipien haben in dem geschlossenen Abkommen tatsächlich ihren Ausdruck gefunden.
    Nun noch zu einigen Einzelheiten, die richtigzustellen mir am Herzen liegt. Herr Mommer
    — ich glaube, es war Herr Kollege Mommer — hat ausgeführt, in Baden-Baden sei es eigentlich zu keiner Verständigung gekommen. Das stimmt nicht. Es ist lange zwischen uns und der FDP auch der Streit gewesen: Soll man Zusatzprotokolle fordern, soll man Änderungsprotokolle fordern? Meine Damen und Herren, das Abkommen enthält Prinzipien, wie man einen Streit beilegen kann oder wie man eine Sache außer Streit zu bringen versucht. Prinzipien sind im Völkerrecht überhaupt nicht der Auslegung fähig, sondern auf der Grundlage dieser Prinzipien habe ich eine Anwendung zu finden, und wenn ich mich also über die Anwendung einige — und das ist in Baden-Baden geschehen —, dann ist damit eine Verständigung über den Inhalt erreicht.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    So pflegen solche politischen Verträge oder Abmachungen nach völkerrechtlichem Brauch behandelt zu werden.
    Nun ist gesagt worden, aber das sei ja noch nicht notariell gemacht worden. Meine Damen und Herren, in der Technik politischer Verhandlungen bedeutet eine Verständigung über Anwendungsprinzipien — und das ist zweifellos in Baden-Baden geschehen — eine so weitgehende Festlegung, daß dann die Formulierung in eine bindende Abmachung durchaus auf gutem Wege ist und man sehr schwer von den Ergebnissen, wenn darüber einmal Verständigung erreicht worden ist, wieder zurückweichen kann. Im übrigen kann ja ein großer Teil dieser Prinzipien, dieser Abmachungen von Baden-Baden erst im Rahmen der Westeuropäischen Union ihre eigentliche völkerrechtliche Gestaltung finden; erst dort kann die volle Formulierung erreicht werden.
    Gerade auf diese Baden-Badener Abmachungen kommt es mir namens meiner Fraktion sehr an; denn sie beziehen sich auf Forderungen, die meine Fraktion als unerläßlich aufgestellt hat, um den unklaren Inhalt der Prinzipien dieses Abkommens in eine Klarheit der Anwendung zu verwandeln. Und diese Forderungen sind sogar in manchen Punkten noch mehr, als wir damals gefordert haben, in Baden-Baden erfüllt worden.
    Das betrifft auch die Frage der Kommission und ihrer Befugnisse! In den Abmachungen von Baden-Baden über die Durchführung des Statuts steht das Wort „Ersuchen". Die Kommission, die die Abstimmung überwacht, kann an die Saarregierung und in besonderen Fällen auch an die unteren Instanzen Ersuchen richten. Nun, für jeden Verwaltungsrechtler ist doch ganz klar, daß dieses Ersuchen eben ein Weisungsrecht ist, und daß für den Fall der Nichtdurchführung dieses Ersuchens die Ersatzvornahme der geforderten Handlung oder Unterlassung durch die Kommission angeordnet werden kann.

    (Zuruf links: In Bayern ist es aber nicht so!)

    — Die verwaltungsrechtlichen Begriffe sind in Deutschland und, soweit ich weiß, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa — ein Schweizer, Herr Fleiner, hat die „Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts" geschrieben; er hat an einer Schweizer Universität gelehrt —, also in der


    (Dr. von Merkatz)

    Schweiz und fast in ganz Europa, vielleicht mit Ausnahme des angelsächsischen Rechts, das ich nicht so genau kenne, im Prinzipiellen die gleichen, so daß ich keinen Unterschied zwischen dem bayerischen und sonstigen Verwaltungsrecht anerkennen kann.
    Der Bundeskanzler, so wurde gesagt, sei gewissermaßen Arm in Arm mit Herrn Hoffmann gesehen worden. Meine Damen und Herren, man sollte so etwas nicht sagen. Ist es denn etwa so, daß, wenn sich nun die Kommunisten und die SED manche Argumente der Sozialdemokratie zu eigen machen, damit die Sozialdemokratie etwa Arm in Arm mit den Kommunisten oder mit der SED zu sehen ist? Das sind häßliche Vorwürfe, die gar keinen Zweck haben.
    Das Abkommen des Herrn Hoffmann, das sogenannte Geheimabkommen vom 16. Oktober, ist — ich gestehe freimütig zu — eine ganz üble Sache. Und ich glaube, hier im Hause sitzt keiner, der diese Dinge nicht so ansieht. Aber gegenüber den Prinzipien des Statuts, das danach beschlossen worden ist und ja auch noch nicht in Kraft ist, sondern erst durch eine Ratifikation in Kraft gesetzt werden kann, ist das Abkommen bestimmt nicht stärker als die Konventionen, die ja auch noch bestehen. Und die Durchführung des Statuts und die nach Art. XII, wenn ich mich recht erinnere, noch zu treffenden wirtschaftlichen Abmachungen werden solche Versuche, hinterrücks die Dinge anders oder betrügerisch, möchte ich beinahe sagen, auszulegen, zunichte machen.
    Und dann das Bild von dem schwarzen und dem roten Teufel: man solle, wenn man mit dem schwarzen Teufel Berührung finden wolle, auch mit dem roten Fühlung nehmen. Die Farbe schwarz,
    finde ich, ist schon besetzt. Ob man die Farbe schwarz nun dem Herrn Hoffmann zuerkennen will, weiß ist nicht; ich überlege mir, ob vielleicht gelb, grün oder grau. Aber das ist dann bloß Geschmacksache, wie man die Rolle eines solchen Separatistenführers ansehen will. Also den schwarzen Teufel — gut, wir nehmen ihn hin. Wir haben den Karneval allerdings schon hinter uns. Der rote Teufel: Gerade jene, die sich darüber aufregen, daß mit dem „schwarzen Teufel" eine Verbindung gesucht worden sei — was übrigens gar nicht der Fall ist, der Herr Bundeskanzler hat es gar nicht getan —, verlangen von uns immer, wir sollten so schnell wie möglich wieder mit dem roten

    (Zuruf von der Mitte: Teufel!)

    — ich sage nicht Teufel; es ist nicht ganz angemessen, wenn dahinter eine Weltmacht steht, das als Teufel zu bezeichnen; das ist ein bißchen verrückt — Verbindung aufnehmen. Es ist so, als säße man in einem kleinen Aquarium und könnte sozusagen zur Belustigung der Welt seine Bildersprache machen. Jedenfalls, mit dieser anderen Seite, die mit „rotem Teufel" bezeichnet werden sollte, soll immer, so schnell es geht, unmittelbar Fühlung genommen werden. Es gibt Leute, die wahnsinnig darauf erpicht sind, auch einmal Moskau zu sehen. Ich muß sagen: Es ist sehr unlogisch, wenn man auf der einen Seite etwas zum Vorwurf macht, worauf man auf der anderen Seite geradezu mit sensationellem Verlangen drängt.
    Der Kernpunkt: Daß nur drei Monate Freiheit gewährt werden sollen — eine Behauptung des Herrn Mommer und eine Auslegung, die ich als sehr künstlich empfinde. Wenn wirklich Anlaß für eine solche Auslegung gegeben wäre, würde ich es
    für nicht gerade weise halten, wenn man von deutscher Seite als jurisconsulte der französischen Regierung tätig würde. Es könnte uns dann, weil das auch im Bundestag als eine Auslegungsmöglichkeit in die Welt gesetzt worden ist, entgegengehalten werden, obwohl diese Auslegung doch absurd ist. Denn wenn das der Inhalt des Abkommens wäre, würde doch kein Europäischer Kommissar und keine Garantiemacht, die etwas auf ihre Reputation hält, die Aufsicht über ein solches Statut übernehmen wollen.

    (Beifall bei der DP und CDU/CSU.)

    Wenn man völkerrechtliche Verträge so künstlich auslegen wollte, gewissermaßen als eine Halsabschneiderklausel, so wie man wucherische Verträge auslegt, so ungefähr wie man sie in den Kolportageromanen einer Marlitt findet, von Gardeoffizieren, die da ihre Ehre verkaufen! — Ich kann das nicht als einen ernsthaften Einwand gelten lassen. Wenn auch nur der leiseste Versuch gemacht würde, das Abkommen so anzuwenden, dann brauchten wir uns nicht aufzuregen. Dann schmisse jeder Europäische Kommissar, der etwas auf sich halten würde, sein Amt hin und sagte: Das mache ich nicht mit.
    Auch die Skepsis gegenüber den europäischen Prinzipien und daß die Konvention zum Schutze der Menschenrechte die Bevölkerung an der Saar nicht geschützt habe, ist kein Einwand gegen das Abkommen. Ich gebe Herrn Kollegen Mommer da durchaus recht. Aber, aber, es ist doch nun mal so: Wir haben nicht nur den Krieg verloren, sondern Deutschland steht in der Welt doch noch einem besonderen Maß von Diffamierung gegenüber, und wir können jedenfalls durch Deklamationen nicht erreichen, daß unsere Reputation und unsere Interessen draußen so beachtet werden, wie es normalerweise der Fall sein müßte.
    Wenn man seinen guten Ruf sozusagen betont und hervorkehrt, daß alle Gerüchte falsch seien, muß ich an die Legende über Friedrich Wilhelm I. und den Torschreiber denken, der, als er den König sah, in den Busch flüchtete; der König hinter ihm her, worauf der Torschreiber ihm sagte, er hätte Angst vor ihm. Der König prügelte ihn dann öffentlich auf der Straße mit den Worten: Lieben sollt ihr mich! Lieben sollt ihr mich! Lieben sollt ihr mich! — So können wir unsere Reputation und die Liebe zu Deutschland jedenfalls nicht herbeizwingen. Es wird ein langer, zäher, geduldiger Weg sein, daß diese Prinzipien als europäische Prinzipien nicht nur die kühle Existenz in diplomatischen Urkunden, Formeln und Floskeln finden, sondern daß sie gelebte europäische Wirklichkeit werden.

    (Beifall bei der DP und CDU/CSU.)

    Noch etwas anderes. Es wird gesagt, wir hätten mit unserem Eintritt in den Europarat eine quasi autonome Staatsexistenz des Gebietes an der Saar anerkannt. Ich frage die Opposition ernsthaft: Würden Sie es denn vertreten können, daß die Bundesrepublik nicht in den Europarat hineingegangen wäre? Würden Sie das vertreten können?

    (Zuruf von der SPD: Das haben wir nicht behauptet!)

    — Ja bitte! Wenn Sie sagen, durch unseren Eintritt in den Europarat, in dem gleichzeitig auch Vertreter der Saarbevölkerung sitzen, abgeordnet durch ein Regime, das wir separatistisch nennen


    (Dr. von Merkatz)

    und nicht anerkennen können, hätten wir irgendeinen Akt der Anerkennung vollzogen, - das ist nicht wahr! Sie müssen es doch praktisch-politisch sehen! In den Eurparat hineinzugehen, mitzuarbeiten und allmählich im Kontakt mit den anderen wieder ein normales Klima in Europa herbeizuführen, das ist doch eine Lebensnotwendigkeit für uns.