Rede von
Dr.
Hans-Joachim
von
Merkatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute hier das Wort gefallen von einem gewissen Automatismus, der zu einer Separation führen würde, und daß man diesem Automatismus, der die Separation des Gebietes und des Volkes an der Saar hervorbringen könne, nicht Vorschub leisten dürfe. Meine Damen und Herren, ich möchte namens meiner Fraktionsfreunde diese Erwägung grundsätzlich zurückweisen. Sie bedeutet ein tiefes Mißtrauen gegenüber der Bevölkerung an der Saar. Ich möchte das feststellen.
Wir haben gerade heute aus dem Munde eines Abgeordneten, der für mich ein Vertreter der Bevölkerung an der Saar ist, Herrn Kollegen Walz, einige Ausführungen gehört, die uns die Gewißheit geben, wie tief das Gefühl der Verbundenheit zwischen diesem Volksteil und uns ist, wie wir beide in der Verantwortung, in der deutschen Verantwortung stehen.
Ich darf vorweg bemerken, daß ein Nein aus dem Mund eines Abgeordneten der Bevölkerung an der Saar für mich eine ganz andere Bedeutung hat als etwa ein Nein, das von uns aus prinzipiellen Gründen gegeben werden müßte.
Wenn ein Abgeordneter von der Saar, der damit die Saarbevölkerung vertritt, dieses Nein ausspricht, so ist es die deutlichste und begrüßenswerteste Demonstration dafür, daß Volk und Gebiet an der Saar eben deutsch sind. Und das ist damit gemeint.
Aber für uns liegt die Frage anders. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten die Prinzipien vortragen und noch einmal in Erinnerung rufen, die meine Partei in dieser Angelegenheit bereits vor einigen Wochen formuliert hat.
Von jeher haben wir den Grundsatz vertreten, daß kein Gebietsteil eines Volkes, also auch kein Gebietsteil Deutschlands, von einer fremden Macht annektiert und keine Bevölkerung ihres Heimatrechts in den angestammten Wohnsitzen sowie der Menschenrechte auf Freiheit und Selbstbestimmung beraubt oder gegen ihren Willen einer fremden Hoheit unterstellt werden darf. Dieser Grundsatz gilt für uns uneingeschränkt für den Osten und für den Westen. Er ist die wichtigste Grundlage einer europäischen Gemeinschaft.
Wir haben damals zum Ausdruck gebracht, daß das Abkommen über die Saar weit hinter diesen prinzipiellen Forderungen zurückbleibt, und das stelle ich auch heute fest, damit darüber keine Unklarheit herrscht.
Weiterhin haben wir aber andererseits auch gesagt: Die Deutsche Partei ist nicht gewillt, die Hand dazu zu bieten, daß der Streit über Volk und Gebiet an der Saar als Mittel ständiger Attentate gegen die europäische Verständigung mißbraucht wird. Wir haben in Wertung des Abkommens damals festgestellt: Der Zweck des Abkommens ist darin zu sehen, daß der unter Mißbrauch von Besatzungstiteln herbeigeführte politische Annexionstatbestand beseitigt und an seine Stelle eine Übergangslösung unter neutraler, internationaler Kontrolle und Garantie gesetzt wird.
Das Abkommen trennt die Saar nicht von Deutschland ab, sondern es hält die Ausübung reichsdeutscher Gebietshoheit bis zum Abschluß eines Friedensvertrags in der Schwebe. Eine endgültige Regelung in einem Friedensvertrag kann nur dadurch wirksam werden, wenn sie von der Saarbevölkerung angenommen wird.
Das sind die Grundsätze, und an diesen Grundsätzen habe ich als Vertreter meiner Fraktion unsere Stellungnahme zu messen. Es ist ein Verhängnis gewesen, daß das Prinzip der Integrität des Staatsgebiets eines Volkes sowohl vom Osten — in gröbster Weise; sogar nicht nur durch Mißachtung der Integrität des Staatsgebiets, sondern durch Vertreibung des Volkes —, aber auch vom Westen verletzt worden ist. Bereits bei den Regelungen des Versailler Vertrages hat sich das zum größten Unheil Europas ausgewirkt. Fast alle territorialen Regelungen und auch dieser Versuch, einen Gebietsteil vom historischen Körper eines anderen Volkes abzutrennen, wirken sich unheilvoll aus. Das sehen wir, das haben wir bei dieser ganzen Debatte erlebt. Es ist nun einmal so — und das ist meiner Ansicht nach das Ergebnis der nationalstaatlichen Periode der europäischen Geschichte —, daß die Nationalstaaten als Wesenheiten gegründet worden sind, gewissermaßen als lebendige Wesen im Raum der Geschichte stehen und daß jede Amputation und Verletzung von Gebietsteilen zu schwersten Störungen des Gesamtgefüges in Europa führt.
Ich kann auch in der heutigen Stunde von diesem prinzipiellen Standpunkt nicht abgehen, und wir haben auch niemals — das ist ein alter Beschluß meiner Freunde gewesen — das Recht auf eine Selbstbestimmung in dem Sinne zuerkannt, daß sich Bevölkerungsteile vom Gesamtkörper eines Volkes durch eine Abstimmung separieren können. Wir gestehen auch heute und auch mit diesem Abkommen nicht etwa ein Recht zu, daß sich irgendein Gebietsteil, irgendein Bevölkerungsteil des deutschen Volkes von sich aus und nur auf seine Selbstbestimmung gegründet vom Schicksal des gesamten Volkes abtrennen könnte. Aber das liegt auch nicht in diesem Abkommen. Es ist eine völlige juristische, aber auch politische Verdrehung, wenn man behauptet, daß hier ein Alleinselbstbestimmungsrecht gewährt werde.
Schließlich haben wir uns gegen die mißbräuchliche Anwendung des Begriffs der Europäisierung gewandt, weil eine Europäisierung einen Dauerzustand darstellen würde. Ich bin etwas anderer Auffassung als mein Herr Vorredner und nicht ohne weiteres zu dem Zugeständnis bereit — auch nicht für den Fall des Entstehens einer politischen Gemeinschaft in Europa —, sozusagen europäische Territorien zu schaffen. Darüber müßte im Einzelfall verhandelt werden. Wir halten ganz eindeutig an dem Prinzip fest, daß das Saargebiet ein deutscher Gebietsbestandteil ist und daß man überhaupt keine Friedensregelung auf dem Tatbestand der Separation von einem Gesamtkörper aufbauen soll.
Ein Angriff ist gegen die Bedeutung des ersten Referendums geführt worden, das von meinem Herrn Vorredner, glaube ich, als eine Farce bezeichnet wurde. Meine Damen und Herren, wir sollten mit solchen Ausdrücken vorsichtig sein,
weil es sich hier keineswegs um eine Farce handelt, sondern vielmehr um einen Akt — ich meine
das erste Referendum —, der gewissermaßen eine verfassunggebende Gesetzeskraft hat, der dann zwingt, die sogenannte Verfassung des Gebiets an der Saar abzuändern auf den Status, der mit dem Statut bestimmt wird. Es ist also eine demokratische Rechtspflicht gegeben, gewisse Bestimmungen dieser Verfassung abzuändern, die dem Statut und seinem Grundprinzip widersprechen, daß nämlich über die territoriale Zugehörigkeit dieses Gebiets erst ein Friedensvertrag bestimmen kann und diese Regelung auch nur in Kraft treten kann, wenn die Bevölkerung zustimmt.
Insofern glaube ich, daß auch die Behauptung, es werde hier ein tatsächlicher Zustand durch die Unterschrift gedeckt, eine völlige Verdrehung der Tatsachen ist. Die Unterschrift, die unter das Abkommen gesetzt wird, das ein Provisorium, einen Kompromiß als Übergangslösung bewerkstelligen soll, ist eben nur die Unterschrift unter den Versuch, hier eine Befriedung zu schaffen. Aber es wäre doch eine vollkommene Verkennung aller juristischen und damit auch aller politischen Vorgänge, wenn jemand behauptete, daß mit dieser Unterschrift vergangenes Unrecht — das ich ja klar zu kennzeichnen mich bemüht habe — legitimiert werde. Das ist nicht der Fall, und auch die weitere Aufrechterhaltung dieser Position und dieser Behauptung würde nur den deutschen Standpunkt beeinträchtigen. Denn in dieser Behauptung liegt auch, daß eine Anerkennung aus besetzungsrechtlichen Vorgängen, aus Vorgängen der debellatio künftig bei der Auslegung dieses Statuts mit herangezogen werden dürfte. Ich möchte namens meiner Freunde gegen ein solches Verfahren protestieren, daß jemals über das Statut hinausgreifend in den ungeregelten rechtlichen Vorraum dieses Statuts bei einer Rechtsstreitigkeit, die entstehen kann und entstehen wird, zurückgegriffen werden darf.
Ich muß mich nun doch um der intellektuellen Sauberkeit willen, möchte ich sagen, mit einigen Behauptungen des Kollegen Mommer auseinandersetzen. Wenn ich jetzt einen Artikel von ihm zitiere, der in der „Freien Saarpresse" Mitte Oktober — noch bevor wir uns nach Paris begaben — erschienen ist, so bitte ich daraus nicht entnehmen zu wollen, daß ich dem Kollegen Mommer unterstelle, er habe mit diesem Artikel etwa die Grundlinie seiner Auffassung über die Saarpolitik geändert. Solche billigen Unterstellungen mache ich hier nicht. Aber ich zitiere, weil in diesem Artikel ein Geist zum Ausdruck kam, der sich mit unseren eigenen Vorstellungen weitgehend deckt. In diesem Geiste sind wir damals nach Paris gefahren, wo uns ja vom Bundeskanzler vor allen Dingen die Frage vorgelegt wurde: Übernehmen mit mir die Parteien des Bundestages und damit die Vertretung des Volkes die Verantwortung dafür, daß ich an dem Nichtzugeständnis der französischen Forderung einer definitiven Lösung das gesamte Pariser Vertragswerk scheitern lasse? Das war die politische Frage, die uns Abgeordneten vorgelegt worden ist. Übernehmen Sie mit mir die Verantwortung, daß ich sage, meine äußerste Grenze ist das Zugeständnis eines Provisoriums bis zur Regelung im Friedensvertrag? Darin waren wir einig — ich glaube, das sagen zu dürfen —, daß wir den Ernst dieser Frage sehr stark gespürt haben. Auch Herr Kollege Mommer ist — das geht aus seinen Ausführungen klar hervor — in einer inneren geistigen Einstellung an die Probleme herangetreten, die sich von der unsrigen kaum unterschied.
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich ein paar Sätze zitieren. Sie sind natürlich aus dem Zusammenhang herausgerissen, was immer den Inhalt von Sätzen beeinträchtigt. Herr Mommer, wenn ich Ihnen Unrecht tun sollte, dann bitte ich, das richtigzustellen. Er sagt hier:
Es kann keine guten deutsch-französischen Beziehungen ohne eine Beilegung des Saarstreites geben.
— Genau unsere Auffassung. Zweitens sagt er: Die Führung eines Machtkampfes um die Saar mit politischen Mitteln liegt ganz sicher nicht im Interesse der beiden Länder und Europas. Man muß vielmehr versuchen, in einem vertretbaren Kompromiß zu einer keine Seite ganz befriedigenden, aber auch für keine Seite unannehmbaren Lösung zu kommen.
Zugestanden, daß wir im übrigen anderer Auffassung sind, das gilt gewiß noch.
— Das ist sehr gut, daß wir uns auf dieser Basis auf einem Minimalboden treffen. Das aber war der Geist, einen Kompromiß zu finden, der natürlich nicht für beide Seiten unbedingt befriedigend ist.
Dann sagt Herr Mommer weiter:
Wir sollten deshalb bei den Saarverhandlungen über einen Modus vivendi
— dieser Ausdruck fiel, er hat unsere Besprechungen in Paris sehr stark beherrscht —
gar keine eigenen Wünsche anmelden . . .
Der Herr Bundeskanzler ist auch nicht mit einem detaillierten Programm angekommen, ich kenne natürlich seine Vorbereitungen nicht. Aber wir haben in diesem Sinne, daß wir nun nicht von uns aus Anerbietungen machen sollten, mit Plänen kommen, die uns festlegen und die dann Mindestforderungen für die andere Seite werden könnten, gearbeitet. Ungefähr so hat der Bundeskanzler verhandelt.
. . . und die Fortdauer der Zoll- und Währungsunion so weit hinnehmen, wie sie nicht wegen der Entwicklung der Saarwirtschaft selbst modifiziert werden muß.
Nun gewiß, auch das ist eine sehr vernünftige Einstellung — Herr Mommer, ich behaupte nicht, daß Sie deshalb eine andere Saarpolitik wie Ihre Partei betrieben hätten, diese Absicht liegt nicht in meiner Zitierung —, aber wenn Sie sich das Abkommen ansehen, so werden Sie finden, daß gerade dieser Punkt ziemlich deutlich in ihm hervorgehoben worden ist.
Dann sagt Herr Mommer zum Schluß:
Ein Abkommen kann vorläufig nur, nachdem die Rückgliederung pure et simple nicht im Bereich des Möglichen liegt, einen Modus vivendi zum Inhalt haben, der im Friedensvertrag mit einer gesamtdeutschen Regierung durch Abmachungen über das Gebiet selbst ersetzt wird. Wenn im Friedensvertrag von Frankreich die Anerkennung der Abtrennung von uns verlangt würde, dann könnte .und sollte nach unserer Überzeugung die gesamtdeutsche Regierung sich auf das Selbstbestimmungsrecht berufen und die Entscheidung einer neuen Volksabstimmung überlassen.
Ich finde, diese Prinzipien haben in dem geschlossenen Abkommen tatsächlich ihren Ausdruck gefunden.
Nun noch zu einigen Einzelheiten, die richtigzustellen mir am Herzen liegt. Herr Mommer
— ich glaube, es war Herr Kollege Mommer — hat ausgeführt, in Baden-Baden sei es eigentlich zu keiner Verständigung gekommen. Das stimmt nicht. Es ist lange zwischen uns und der FDP auch der Streit gewesen: Soll man Zusatzprotokolle fordern, soll man Änderungsprotokolle fordern? Meine Damen und Herren, das Abkommen enthält Prinzipien, wie man einen Streit beilegen kann oder wie man eine Sache außer Streit zu bringen versucht. Prinzipien sind im Völkerrecht überhaupt nicht der Auslegung fähig, sondern auf der Grundlage dieser Prinzipien habe ich eine Anwendung zu finden, und wenn ich mich also über die Anwendung einige — und das ist in Baden-Baden geschehen —, dann ist damit eine Verständigung über den Inhalt erreicht.
So pflegen solche politischen Verträge oder Abmachungen nach völkerrechtlichem Brauch behandelt zu werden.
Nun ist gesagt worden, aber das sei ja noch nicht notariell gemacht worden. Meine Damen und Herren, in der Technik politischer Verhandlungen bedeutet eine Verständigung über Anwendungsprinzipien — und das ist zweifellos in Baden-Baden geschehen — eine so weitgehende Festlegung, daß dann die Formulierung in eine bindende Abmachung durchaus auf gutem Wege ist und man sehr schwer von den Ergebnissen, wenn darüber einmal Verständigung erreicht worden ist, wieder zurückweichen kann. Im übrigen kann ja ein großer Teil dieser Prinzipien, dieser Abmachungen von Baden-Baden erst im Rahmen der Westeuropäischen Union ihre eigentliche völkerrechtliche Gestaltung finden; erst dort kann die volle Formulierung erreicht werden.
Gerade auf diese Baden-Badener Abmachungen kommt es mir namens meiner Fraktion sehr an; denn sie beziehen sich auf Forderungen, die meine Fraktion als unerläßlich aufgestellt hat, um den unklaren Inhalt der Prinzipien dieses Abkommens in eine Klarheit der Anwendung zu verwandeln. Und diese Forderungen sind sogar in manchen Punkten noch mehr, als wir damals gefordert haben, in Baden-Baden erfüllt worden.
Das betrifft auch die Frage der Kommission und ihrer Befugnisse! In den Abmachungen von Baden-Baden über die Durchführung des Statuts steht das Wort „Ersuchen". Die Kommission, die die Abstimmung überwacht, kann an die Saarregierung und in besonderen Fällen auch an die unteren Instanzen Ersuchen richten. Nun, für jeden Verwaltungsrechtler ist doch ganz klar, daß dieses Ersuchen eben ein Weisungsrecht ist, und daß für den Fall der Nichtdurchführung dieses Ersuchens die Ersatzvornahme der geforderten Handlung oder Unterlassung durch die Kommission angeordnet werden kann.
— Die verwaltungsrechtlichen Begriffe sind in Deutschland und, soweit ich weiß, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa — ein Schweizer, Herr Fleiner, hat die „Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts" geschrieben; er hat an einer Schweizer Universität gelehrt —, also in der
Schweiz und fast in ganz Europa, vielleicht mit Ausnahme des angelsächsischen Rechts, das ich nicht so genau kenne, im Prinzipiellen die gleichen, so daß ich keinen Unterschied zwischen dem bayerischen und sonstigen Verwaltungsrecht anerkennen kann.
Der Bundeskanzler, so wurde gesagt, sei gewissermaßen Arm in Arm mit Herrn Hoffmann gesehen worden. Meine Damen und Herren, man sollte so etwas nicht sagen. Ist es denn etwa so, daß, wenn sich nun die Kommunisten und die SED manche Argumente der Sozialdemokratie zu eigen machen, damit die Sozialdemokratie etwa Arm in Arm mit den Kommunisten oder mit der SED zu sehen ist? Das sind häßliche Vorwürfe, die gar keinen Zweck haben.
Das Abkommen des Herrn Hoffmann, das sogenannte Geheimabkommen vom 16. Oktober, ist — ich gestehe freimütig zu — eine ganz üble Sache. Und ich glaube, hier im Hause sitzt keiner, der diese Dinge nicht so ansieht. Aber gegenüber den Prinzipien des Statuts, das danach beschlossen worden ist und ja auch noch nicht in Kraft ist, sondern erst durch eine Ratifikation in Kraft gesetzt werden kann, ist das Abkommen bestimmt nicht stärker als die Konventionen, die ja auch noch bestehen. Und die Durchführung des Statuts und die nach Art. XII, wenn ich mich recht erinnere, noch zu treffenden wirtschaftlichen Abmachungen werden solche Versuche, hinterrücks die Dinge anders oder betrügerisch, möchte ich beinahe sagen, auszulegen, zunichte machen.
Und dann das Bild von dem schwarzen und dem roten Teufel: man solle, wenn man mit dem schwarzen Teufel Berührung finden wolle, auch mit dem roten Fühlung nehmen. Die Farbe schwarz,
finde ich, ist schon besetzt. Ob man die Farbe schwarz nun dem Herrn Hoffmann zuerkennen will, weiß ist nicht; ich überlege mir, ob vielleicht gelb, grün oder grau. Aber das ist dann bloß Geschmacksache, wie man die Rolle eines solchen Separatistenführers ansehen will. Also den schwarzen Teufel — gut, wir nehmen ihn hin. Wir haben den Karneval allerdings schon hinter uns. Der rote Teufel: Gerade jene, die sich darüber aufregen, daß mit dem „schwarzen Teufel" eine Verbindung gesucht worden sei — was übrigens gar nicht der Fall ist, der Herr Bundeskanzler hat es gar nicht getan —, verlangen von uns immer, wir sollten so schnell wie möglich wieder mit dem roten
— ich sage nicht Teufel; es ist nicht ganz angemessen, wenn dahinter eine Weltmacht steht, das als Teufel zu bezeichnen; das ist ein bißchen verrückt — Verbindung aufnehmen. Es ist so, als säße man in einem kleinen Aquarium und könnte sozusagen zur Belustigung der Welt seine Bildersprache machen. Jedenfalls, mit dieser anderen Seite, die mit „rotem Teufel" bezeichnet werden sollte, soll immer, so schnell es geht, unmittelbar Fühlung genommen werden. Es gibt Leute, die wahnsinnig darauf erpicht sind, auch einmal Moskau zu sehen. Ich muß sagen: Es ist sehr unlogisch, wenn man auf der einen Seite etwas zum Vorwurf macht, worauf man auf der anderen Seite geradezu mit sensationellem Verlangen drängt.
Der Kernpunkt: Daß nur drei Monate Freiheit gewährt werden sollen — eine Behauptung des Herrn Mommer und eine Auslegung, die ich als sehr künstlich empfinde. Wenn wirklich Anlaß für eine solche Auslegung gegeben wäre, würde ich es
für nicht gerade weise halten, wenn man von deutscher Seite als jurisconsulte der französischen Regierung tätig würde. Es könnte uns dann, weil das auch im Bundestag als eine Auslegungsmöglichkeit in die Welt gesetzt worden ist, entgegengehalten werden, obwohl diese Auslegung doch absurd ist. Denn wenn das der Inhalt des Abkommens wäre, würde doch kein Europäischer Kommissar und keine Garantiemacht, die etwas auf ihre Reputation hält, die Aufsicht über ein solches Statut übernehmen wollen.
Wenn man völkerrechtliche Verträge so künstlich auslegen wollte, gewissermaßen als eine Halsabschneiderklausel, so wie man wucherische Verträge auslegt, so ungefähr wie man sie in den Kolportageromanen einer Marlitt findet, von Gardeoffizieren, die da ihre Ehre verkaufen! — Ich kann das nicht als einen ernsthaften Einwand gelten lassen. Wenn auch nur der leiseste Versuch gemacht würde, das Abkommen so anzuwenden, dann brauchten wir uns nicht aufzuregen. Dann schmisse jeder Europäische Kommissar, der etwas auf sich halten würde, sein Amt hin und sagte: Das mache ich nicht mit.
Auch die Skepsis gegenüber den europäischen Prinzipien und daß die Konvention zum Schutze der Menschenrechte die Bevölkerung an der Saar nicht geschützt habe, ist kein Einwand gegen das Abkommen. Ich gebe Herrn Kollegen Mommer da durchaus recht. Aber, aber, es ist doch nun mal so: Wir haben nicht nur den Krieg verloren, sondern Deutschland steht in der Welt doch noch einem besonderen Maß von Diffamierung gegenüber, und wir können jedenfalls durch Deklamationen nicht erreichen, daß unsere Reputation und unsere Interessen draußen so beachtet werden, wie es normalerweise der Fall sein müßte.
Wenn man seinen guten Ruf sozusagen betont und hervorkehrt, daß alle Gerüchte falsch seien, muß ich an die Legende über Friedrich Wilhelm I. und den Torschreiber denken, der, als er den König sah, in den Busch flüchtete; der König hinter ihm her, worauf der Torschreiber ihm sagte, er hätte Angst vor ihm. Der König prügelte ihn dann öffentlich auf der Straße mit den Worten: Lieben sollt ihr mich! Lieben sollt ihr mich! Lieben sollt ihr mich! — So können wir unsere Reputation und die Liebe zu Deutschland jedenfalls nicht herbeizwingen. Es wird ein langer, zäher, geduldiger Weg sein, daß diese Prinzipien als europäische Prinzipien nicht nur die kühle Existenz in diplomatischen Urkunden, Formeln und Floskeln finden, sondern daß sie gelebte europäische Wirklichkeit werden.
Noch etwas anderes. Es wird gesagt, wir hätten mit unserem Eintritt in den Europarat eine quasi autonome Staatsexistenz des Gebietes an der Saar anerkannt. Ich frage die Opposition ernsthaft: Würden Sie es denn vertreten können, daß die Bundesrepublik nicht in den Europarat hineingegangen wäre? Würden Sie das vertreten können?
— Ja bitte! Wenn Sie sagen, durch unseren Eintritt in den Europarat, in dem gleichzeitig auch Vertreter der Saarbevölkerung sitzen, abgeordnet durch ein Regime, das wir separatistisch nennen
und nicht anerkennen können, hätten wir irgendeinen Akt der Anerkennung vollzogen, - das ist nicht wahr! Sie müssen es doch praktisch-politisch sehen! In den Eurparat hineinzugehen, mitzuarbeiten und allmählich im Kontakt mit den anderen wieder ein normales Klima in Europa herbeizuführen, das ist doch eine Lebensnotwendigkeit für uns.