Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Der Antrag, der hier auf der Tagesordnung steht, bildet einen Teil Jdes Gesamtkomplexes Bundesvermögen, das, in dem letzten Jahr zumindest, in immer stärkerem Maße das Interesse der Öffentlichkeit erregt hat. Der Bund hat aus dem ehemaligen Reichsvermögen gewaltige Werte übernommen. Wenn ich von dem Verwaltungsvermögen, dem Grundvermögen, absehe und auch in diesem Zusammenhang Bahn und Post ausschalte, so verbleibt ein Konzern in einer Größe, wie wir es in der deutschen Wirtschaftsgeschichte in dieser Zusammenballung niemals erlebt haben. Es sind Betriebe der verarbeitenden Industrie, angefangen bei der berühmten Strumpffabrik, die allerdings inzwischen wohl veräußert worden ist, über weitere Unternehmungen der verarbeitenden Industrie, Elektrizitätswerke, Kohlengruben, andere Werke der Grundstoffindustrie, ja es geht bis zur eigenen Treuhandgesellschaft, die nunmehr die nach dien gesetzlichen Bestimmungen vorgeschriebenen Prüfungen im eigenen Konzern durchzuführen hat.
Dieses Vermögen ist zum größten Teil in Kriegszeiten entstanden und angefallen. Die Deutsche Bundesrepublik hat nicht wie andere Länder, insbesondere die Vereinigten Staaten, nach Beendigung des Krieges die Folgerung gezogen und die Unternehmungen, die aus kriegsbedingten Gründen vom Staat betrieben wurden, in dieselbe Wirtschaftsform überführt, in der die anderen Kon-
kurrenzbetriebe verwaltet werden, sondern man hat bei uns an diesem Besitz festgehalten, man hat ihn noch fester in Konzerne zusammengefaßt. Bedauerlicherweise ergaben sich daraus die Anzeichen, daß man diesen Besitz auch weiterhin bei der öffentlichen Hand belassen wolle.
Nunmehr hat sich der Bundestag erfreulicherweise mit dieser Angelegenheit beschäftigt. Er hat einen Unterausschuß gebildet, der sich heute morgen konstituiert hat und der sich mit all dien Fragen der Beteiligung der öffentlichen Hand an Erwerbsunternehmungen befassen soll. Dieser Ausschuß muß sich selbstverständlich zunächst einmal einen Überblick über den tatsächlichen Umfang dieser Vermögenswerte verschaffen. Wir haben zwar dankenswerterweise von der Bundesregierung im vergangenen Jahr einen ersten Überblick über dieses Bundesvermögen erhalten, wir haben eine sehr lange Darstellung bekommen.
— Ja, Herr Kollege, sehgut, für den Anfang sehr gut, aber für die Untersuchungen, die man anstellen muß — ich glaube, beim übernächsten Punkt der Tagesordnung wird das ganz besonders deutlich —, leider noch nicht gut genug; denn aus dieser Übersicht können wir doch manche Dinge nicht erkennen. Wir können keineswegs die Verschachtelungen erkennen, die zwischen den einzelnen Unternehmungen bestehen. Wir können nicht erkennen, welche Kredite sich die Unternehmungen gegenseitig gegeben haben. Insofern fehlt also in der uns gegebenen Übersicht noch vieles, und wir hoffen, daß wir diese Unterlagen von der Bundesregierung nachgeliefert bekommen. Die ganz speziellen Wünsche in dieser Hinsicht sind ja gerade in dem Antrag, der hier zur Debatte steht, von uns festgelegt worden. Hinzu kommt noch die Tatsache — um festzustellen, Herr Kollege Gülich, ,daß diese Unterlagen uns eigentlich nicht befriedigen können —, daß diese Unternehmungen nur zum Teil in der Form der Aktiengesellschaft mit der offiziellen Publikationsverpflichtung betrieben werden, zum großen Teil in der Form der GmbH, und daß diese Gesellschaften ganz verschiedene Bilanzstichtage haben, so daß ein Vergleich oder eine Addition niemals möglich ist. Wir wissen nicht, welche Verschiebungen sich zwischen den Stichtagen zweier Gesellschaften vollzogen haben. Infolgedessen führt eine Addition der Vermögenswerte nicht zu dem Ziel, das wir uns gestellt haben.
— Einverstanden, als Erstunterlagen sind sie hervorragend, und ich habe meiner Meinung darüber schon Ausdruck gegeben.
Dabei drängt sich aber die Frage 'auf: warum betätigt sich die öffentliche Hand im Erwerbsleben? Man saute glauben, daß sich die öffentliche Hand in einem Lande, das ,die Marktwirtschaft zur Grundlage seines Wirtschaftens gemacht hat, aus diesen Dingen herauszuhalten hat.
Die erste Begründung für ein Tätigwerden der öffentlichen Hand auch im Erwerbsleben könnte sein, ,daß sie als Treuhänder der Masse der Bevölkerung für diese Bevölkerung einen Gewinn erzielen will, um damit idem Steuerzahler eine fühlbare Entlastung seiner Steuerlasten zu bringen. Wenn man die Sache daraufhin untersucht, kommt
man zu dem Schluß, daß dieses Argument hier nicht zieht. Denn ein Vermögen, das sich in seiner Bewertung in viele Milliarden hinein bewegt, erbringt nach dem letzten Bundeshaushalt — in dem neuen soll es etwas besser werden, aber nur geringfügig besser — 8 Millionen DM an Einnahmen und eine Reihe von Millionen an Ausgaben, und wenn man Sontra mit hinzunimmt, dann übersteigen die Ausgaben ganz gewaltig die Einnahmen. Die Begründung für die Aufrechterhaltung von Erwerbsvermögen des Bundes kann also nicht sein, daß wir daraus Gewinneerzielen wollen, um damit den Steuerzahler zu entlasten. Dias Gegenteil ist von der Praxis bewiesen warden.
Weiter ist als Begründung ein Argument angeführt worden, das einer der führenden Herren des Finanzministeriums als die „avantgardistische Aufgabe" bezeichnet hat. Die Unternehmungen, die von der öffentlichen Hand geführt werden, sollen richtunggebend, weisunggebend für andere Unternehmungen des gleichen Wirtschaftszweiges sein. Auch soll eine gewisse wirtschaftspolitische Einwirkung ausgeübt werden. Aber auch diese Begründung kann hier nicht als zutreffend anerkannt werden. Denn dieselben führenden Mitglieder der Bundesministerien haben dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik gegenüber erklärt, sie seien in ihrer Aufgabe als Mietglieder eines Aufsichtsrats an keine Weisung ihrer Regierung gebunden, sondern hätten allein die Aufgabe, die Interessen dies Unternehmens so, wie es jedes Aufsichtsratsmitglied zu tun habe, wahrzunehmen. Übrigens sollten sich auch die Mitglieder, Beie von Gewerkschaften in Aufsichtsräte entsandt werden, diese Begründung merken und sollten ähnlich verfahren.
Eine dritte Begründung, die manchmal gegeben worden ist, besagt, Unternehmungen sollten aus rüstungswirtschaftlichen Gründen von der öffentlichen Hand betrieben werden. Ich glaube, über dieses Argument können wir sehr schnell hinwegkommen. Es kann wohl niemand einsehen, warum dadurch, daß eine Automobilfabrik von der öffentlichen Hand betrieben wird, während die große Masse der anderen in privatem Besitz sind, die rüstungswirtschaftlichen Belange irgendwie besser gefördert werden sollen.
Also: ein vernünftiger Grund für die Beibehaltung des Erwerbsvermögens durch die öffentliche Hand ist bisher in der Öffentlichkeit nicht bekanntgeworden. Auf der anderen Seite hat aber der Bund eine ganze Fülle von Lasten übernehmen müssen. Ich habe Gelegenheit gehabt, in den Ausschüssen des vorigen Bundestags an dieser Aufgabe mitzuwirken. Ich erinnere an den Lastenausgleich, und ich erinnere daran, daß wir die Aufgabe, die Kriegslasten- einigermaßen auszugleichen, noch immer nicht voll erfüllt haben. Vor uns steht das Kriegsfolgenschlußgesetz, das uns angekündigt ist und das wir alle erwarten.
— Ja, Sie machen die richtige Bewegung, und auf die komme ich gerade deswegen zurück. — Wenn wir diese Aufgabe einigermaßen erfüllen wollen, dann können wir nicht wieder wie beim Lastenausgleichsgesetz an die jetzt lebende Generation allein herantreten. Es ist einfach unmöglich, daß wir einer Generation zumuten, alle diese Lasten aus ihrer eigenen Wirtschafts- und Steuerkraft zu tragen. Deswegen ist von unserer Seite immer wieder
der Vorschlag gemacht worden: hier muß derjenige, der nach dem Grundgesetz Lasten übernommen hat, in erster Linie das Vermögen, das er ebenfalls übernommen hat, einsetzen. Über die geeignete Form wird noch sehr lange zu debattieren sein. Aber den Grundsatz sollte man auf jeden Fall herausstellen: daß man in erster Linie das Vermögen einsetzt, um die Ansprüche zu befriedigen, die wir aus unseren laufenden Mitteln in wirklich angemessener Höhe nicht erfüllen können. Wenn wir zu dem Grundsatz kommen, dann wird sich auch das Kriegsfolgenschlußgesetz ganz anders formulieren lassen, als das zur Zeit der Fall zu sein scheint.
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß unser Antrag eine Reihe von Problemen ausgelöst hat. Die Probleme werden in erster Linie zunächst in dem neuen Unterausschuß besprochen werden. Ich hoffe, daß wir die Unterlagen, die wir für die Verhandlungen in diesem Unterausschuß benötigen, recht bald von der Bundesregierung bekommen. Sie hat sie uns heute morgen zugesagt. Insofern ist also unser Antrag größtenteils schon überholt. Ich hoffe weiter, daß wir dann auch recht bald zu positiven Ergebnissen kommen. Unter keinen Umständen sollen die vorhandenen Erwerbsunternehmen in ihrer Wirtschaftlichkeit gehindert und, soweit sie gesund sind, in ihrer Struktur verändert werden. Im Gegenteil, alle die Pläne, die ich aufgezeigt habe, sollen immer mit der Zielsetzung ausgearbeitet werden, daß an den Unternehmungen, wenn sie gesund sind, nichts geändert wird. Es handelt sich hier nur darum, die Besitzverhältnisse zu regeln, und da sollte unser Vorschlag auch die Zustimmung der Mehrheit dieses Hauses finden, damit wir nach beiden Richtungen hin den von allen erstrebten Erfolg erzielen können.