Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die in der Großen Anfrage gestellten Fragen grundsätzliche Bedeutung in rechtlicher und finanzieller Beziehung haben, sei es mir zunächst gestattet, zu den in der Drucksache 450 enthaltenen Angaben ergänzend folgendes mitzuteilen.
Es muß unterschieden werden zwischen Straßenschäden, die durch Fahrzeuge der Besatzungsmächte, und solchen, die durch Fahrzeuge privater deutscher Bauunternehmer verursacht werden. In der Begründung der Großen Anfrage sind diese Unterschiede schon hervorgehoben worden.
Straßenschäden, die durch Fahrzeuge der Besatzungsmächte verursacht worden sind, werden
von den Besatzungsmächten im allgemeinen als Besatzungsschäden anerkannt und abgegolten, sofern die beschädigten Straßen im Eigentum von Gemeinden oder Stadtkreisen stehen oder sofern Gemeinden oder Stadtkreise Träger der Straßenbaulast sind und soweit es sich um Schäden handelt, die durch eine der normalen Bestimmung der Straßen widersprechende Benutzung entstanden sind. Soweit für Straßenschäden, die durch Fahrzeuge der Besatzungsmächte verursacht werden, keine Entschädigung aus Mitteln des alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalts gezahlt wird, habe ich mich aus Billigkeitsgründen bereit gefunden, den Geschädigten einen Ausgleich aus Bundesmitteln des Besatzungs- und Verteidigungsfolgekostenhaushalts zu gewähren. Darüber hinaus gewähre ich zum Ausbau von Straßen eine Bundesfinanzhilfe in Fällen, in denen es wirtschaftlich zweckmäßiger ist, die Straßen für eine stärkere Belastung herzurichten, als laufend Reparaturen vorzunehmen. Die Bundesfinanzhilfe kommt vor allem Gemeinden und Kreisen in solchen Gebieten zugute, die mit ständigen Manöverrechten belegt sind und in denen infolgedessen Teilstücke von Straßen fortgesetzt der Gefahr von Beschädigungen durch die bei Manövern und Übungen verwendeten überschweren Fahrzeuge ausgesetzt sind. Die von mir getroffenen Hilfsmaßnahmen sind unter dem Gesichtspunkt des Härteausgleichs gerechtfertigt, weil es sich bei den Straßenschäden, die sie auszugleichen bestimmt sind, um unmittelbar durch die Besatzungsmächte verursachte Schäden handelt.
Anders ist die Lage hinsichtlich 'der Straßenschäden zu beurteilen, auf die sich die Große Anfrage wohl im Kern bezieht. Die im Zusammenhang mit der Errichtung von Besatzungsbauten entstehenden Straßenschäden werden nämlich, von Ausnahmefällen abgesehen, durch Fahrzeuge privater Unternehmer verursacht, die von den Besatzungsmächten mit der Ausführung der Bauten oder der Zulieferung von Baumaterial beauftragt worden sind. Diese Straßenschäden sind daher tatsächlich keine Besatzungsschäden, weil sie nicht durch Handlungen oder Unterlassungen der Besatzungsmächte oder solcher Personen, für die nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 47 der Alliierten Hohen Kommission die Besatzungsmächte einzustehen haben, verursacht sind.
In diesen Fällen ist zu unterscheiden, ob es sich bei den benutzten Wegen um öffentliche oder nichtöffentliche Wege handelt. Gemeindewege sind vielfach sogenannte Interessentenwege, Wirtschaftswege, die nur einem bestimmten Personenkreis, jedoch nicht dem öffentlichen Verkehr dienen. An diesen Wegen besteht kein Gemeingebrauch. Wollen Bauunternehmer Interessentenwege benutzen, so bedürfen sie dazu der Einwilligung der Wegeeigentümer, der Interessentengemeinschaft, die an Bedingungen, insbesondere die der Wiederherstellung des früheren Zustandes, geknüpft werden kann.
Bei öffentlichen Wegen ist es die Aufgabe des Trägers der Straßenbaulast, die Straße in einem für den Gemeingebrauch geeigneten Zustand zu halten und Schäden, die durch den Gemeingebrauch verursacht werden, zu beseitigen. Sofern die Schäden an den öffentlichen Wegen nicht durch eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung oder durch unerlaubte Handlungen verursacht werden, hat der Träger der Straßenbaulast
nach deutschem Recht gegen den Unternehmer keinen Ersatzanspruch. Soweit ein Anspruch auf Schadensersatz gegeben ist, richtet er sich in allen Fällen gegen den Benutzer der Straße, der den Schaden verursacht.
Es ist jedoch zu prüfen, in welchem Umfang öffentliche Wege dem Gemeingebrauch gewidmet worden sind. Welcher Verkehr zum Gemeingebrauch gehört, steht nicht ein für allemal und nicht überall gleichmäßig fest. Nebenwege und untergeordnete Verbindungswege stehen nicht in gleicher Weise jedem Verkehr offen wie die dem Durchgangsverkehr dienenden Wege. Wenn auch der Träger der Straßenbaulast die Straßen den Bedürfnissen des Verkehrs anzupassen hat, so bildet doch die normale Beschaffenheit ordnungsmäßig hergestellter Wege einen Anhalt für die Grenzen des zulässigen Verkehrs. Eine nur ausnahmsweise vorkommende und über das übliche Maß hinausgehende Benutzungsart fällt nicht unter den Gemeingebrauch. Es bedarf daher im Einzelfall der Prüfung, ob sich die Benutzung eines Weges mit schweren Fahrzeugen noch im Rahmen des für diesen Weg bestehenden Gemeingebrauchs hält.
Die Gemeinden sind berechtigt und, wenn sich mangelnde Eignung eines Weges nicht schon aus seiner äußerlichen Beschaffenheit zweifelsfrei ergibt, wohl auch verpflichtet, die für einen uneingeschränkten Gemeingebrauch nicht geeigneten öffentlichen Wege durch Beschilderung kenntlich zu machen.
Seit dem Inkrafttreten der Straßenverkehrsordnung in der Fassung vom 24. August 1953 können bei diesem Hinweis auf die bauliche Beschaffenheit der Wege die amtlichen Verkehrszeichen verwendet werden — § 3 Abs. 4 Satz 2 der Straßenverkehrsordnung. Außerdem können die Gemeinden die Straßenverkehrsbehörden um die Verhängung von Verkehrsbeschränkungen ersuchen, soweit durch den Verkehr der Baufahrzeuge die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet wird. Schließlich ist die Beförderung ungewöhnlich schwerer oder umfangreicher Gegenstände, z. B. von besonders schweren Baugeräten, nach § 5 der Straßenverkehrsordnung an eine Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörde gebunden, die Auflagen und Bedingungen des Trägers der Straßenbaulast bei der Erteilung der Erlaubnis zu berücksichtigen hat.
Ich muß auf diese Rechtslage hinweisen, damit das betont wird, was im Wege der Selbsthilfe im einzelnen geschehen könnte.
— Die Frage, die Sie interessiert, wird am Schluß sehr klar beantwortet.
Die Gemeinden haben daher jetzt schon Möglichkeiten, die Beschädigung ihrer Wege durch wege-
und verkehrsrechtliche Maßnahmen zu verhindern oder die Bauunternehmer zur Wiederherstellung des einwandfreien Wegezustandes oder zur Schadensersatzleistung in Geld anzuhalten. Soweit aber ein Anspruch gegen den Unternehmer ausnahmsweise nicht erhoben werden kann, sind die Schäden vom Träger der Straßenbaulast auf eigene Kosten zu beseitigen. Es soll nicht verkannt werden, daß den Trägern der Straßenbaulast die Erfüllung dieser Aufgabe vielfach schwerfallen wird, insbesondere wenn es sich um finanzschwache Gemeinden handelt. Andererseits darf nicht außer Betracht gelassen werden, daß die Großbauten den betroffenen Gemeinden gewisse wirtschaftliche Vorteile bringen können
und damit in manchen Fällen zu ihrem Aufschwung beitragen.
Ohne Rücksicht darauf hat sich die Bundesregierung bemüht, bei der Alliierten Hohen Kommission die Übernahme der Kosten für die Beseitigung der durch die Bauunternehmer verursachten Straßenschäden auf den alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalt zu erreichen. Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, für die Beseitigung etwa entstehender Straßenschäden in den für jedes Bauvorhaben aufzustellenden Kostenvoranschlag einen Betrag in Höhe von 1 % der Bausumme einzusetzen und im Rahmen dieses Betrages die Kosten für die Beseitigung der tatsächlich entstandenen Schäden aus dem alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalt zu zahlen. Der Wirtschafts- und Finanzausschuß der Alliierten Hohen Kommission hat jedoch den ihm unterbreiteten Vorschlag abgelehnt mit der Begründung, ,die fraglichen Schäden seien keine Besatzungsschäden; die Verantwortlichkeit für sie treffe die beteiligten Unternehmer, die sich bei Übernahme der Aufträge des Risikos bewußt sein müßten.
Wenn auch der Wirtschafts- und Finanzausschuß der Alliierten Hohen Kommission den Vorschlag der Bundesregierung abgelehnt hat, so läßt sein Antwortschreiben doch die Möglichkeit offen, die Kosten für die Beseitigung der Straßenschäden in Gestalt eines Risikozuschlages in die Baukosten einzubeziehen. Die Länder sind auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. In diesem Zusammenhang kann ich mitteilen, daß der Herr Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen bereits einen Weg in der vom Wirtschafts- und Finanzausschuß angedeuteten Richtung beschritten und die Herren Finanzminister der übrigen Länder über die von ihm getroffenen Maßnahmen unterrichtet hat.
Meine Damen und Herren, alles, was ich sage, bezieht sich auf die künftige Regelung, also auf die Zukunft.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die vom Lande Nordrhein-Westfalen vorgesehene Regelung in der Praxis bewähren wird und ob in anderen Ländern eine entsprechende Regelung erreicht werden kann. Die Bundesregierung wird ihrerseits alles tun, um die Bemühungen der Länder auf diesem Gebiet zu unterstützen. Gleichzeitig ist sie aber bestrebt, eine gesetzliche Regelung zu treffen, wie sie von dem Herrn Bundeskanzler in seinem Schreiben vom 31. Juli 1953 bereits angedeutet worden ist. Diese Regelung wird, soweit der Bund für die Gesetzgebung zuständig ist, in einer Ergänzung der verkehrsrechtlichen Vorschriften bestehen. Der Bundesminister für Verkehr hat bereits eine Ergänzung des Straßenverkehrsgesetzes in der Richtung vorbereitet, daß die in § 6 Abs. 1. Nr. 3 enthaltene Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen auf den Schutz des Straßenkörpers ausgedehnt werden soll. Für die Ergänzung wegerechtlicher Vorschriften fehlt, soweit es sich um Gemeindewege handelt, dem Bund bekanntlich die Gesetz-
gebungskompetenz. Hierfür sind die Länder zuständig. Die Länder haben einen Sachverständigenausschuß eingesetzt, der den Entwurf eines Länderstraßengesetzes ausarbeiten soll. Es ist vorgesehen, in diesen Entwurf den schon in § 7 Abs. 2 des Bundesfernstraßengesetzes aufgestellten Grundsatz aufzunehmen, daß der Träger der Straßenbaulast berechtigt ist, den Gemeingebrauch wegen des baulichen Zustandes der Straße zur Vermeidung außerordentlicher Schäden zu beschränken. Nach dem Inkrafttreten der Länderstraßengesetze werden sich den Gemeinden ausreichende Möglichkeiten bieten, ihre öffentlichen Wege vor Zerstörung durch den Verkehr mit überschweren Fahrzeugen zu bewahren oder den Verantwortlichen zur Ersatzleistung anzuhalten. Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen, daß eine derartige gesetzliche Regelung sorgfältig vorbereitet werden muß, um die Gefahr auszuschließen, daß die Verkehrsteilnehmer in kurzer Zeit allenthalben auf Straßen treffen, für die der Gemeingebrauch — im Interesse der Träger der Straßenbaulast — beschränkt worden ist.
Das sind die Gedankengänge, die zur Vermeidung unnötig entstehender Schäden für die Zukunft der gesetzlichen Regelung zugrunde liegen sollen. Das Entscheidende ist nun die zweite Frage: Was geschieht für die Vergangenheit?
Da für die Zukunft mit einer befriedigenden Lösung des durch die Große Anfrage aufgeworfenen Problems gerechnet wird, handelt es sich im wesentlichen darum, die Beseitigung der in der Vergangenheit im Zusammenhang mit den bekannten Baumaßnahmen der Besatzungsmächte entstandenen Schäden zu ermöglichen. In Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesminister des Innern unid dem Herrn Bundesminister für Verkehr habe ich mich daher entschlossen, mit Rücksicht auf die in Zukunft geplante Regelung zur Vermeidung neu entstehender, vermeidbarer Schäden in allzu großem Maß den betroffenen Gemeinden, soweit es erforderlich ist, zu helfen. Ein Rundschreiben, in dem die Richtlinien für die Gewährung einer Bundesfinanzhilfe festgelegt sind, wird den Herren Landesfinanzministern spätestens im Laufe des Monats Februar zugehen.
Abschließend beantworte ich daher die in der Großen Anfrage gestellten Fragen wie folgt:
Erstens. Gesetzliche Maßnahmen des Bundes sind zu erwarten, weil ein Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vorbereitet wird. Die gesetzlichen Maßnahmen des Bundes werden durch gesetzliche Maßnahmen der Länder in Gestalt von Länderstraßengesetzen ergänzt werden.
Zweite Frage — für die Vergangenheit —: Die Bundesregierung wird den betroffenen Gemeinden eine Bundesfinanzhilfe gewähren, sofern ihnen im Hinblick auf den Umfang der Schäden und ihre Finanzlage billigerweise nicht zugemutet werden kann, die Kosten für die Beseitigung der Schäden selbst zu tragen.
Für die Zukunft hat die Bundesregierung die Länder auf die Möglichkeiten hingewiesen, die Gemeinden vor neu entstehenden gleichartigen Schäden zu bewahren und ihnen im Schadenfalle finanzielle Hilfe siehe Nordrhein-Westfalen — zu verschaffen. Es wird Aufgabe der Länder sein, alles zu tun, um auch die an der Errichtung von
Besatzungsbauten beteiligten Unternehmer zu den Kosten der Beseitigung von Straßenschäden heranzuziehen.