Rede:
ID0206104000

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2061

  • date_rangeDatum: 15. Dezember 1954

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    2. Deutscher Bundestag — 61. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1954 3111 61. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen 3112 B Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg Spies (Brücken) und Wagner (Deggenau) 3112 B Mitteilung über Bestätigung des Zweiten Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes durch den Vermittlungsausschuß (Drucksache 1076) . 3112 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 75 und 130 (Drucksachen 607, 1075; 989, 1071) 3112 C Mitteilung über Zurückziehung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP betr. Ergänzung des Schwerbeschädigtengesetzes (Drucksache 96) 3112 C Zur Tagesordnung: Präsident D. Dr. Gerstenmaier 3112 C, 3114 C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 3112 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3114 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorrang von Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1017, Umdruck 280) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 997), mit der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Saar (Drucksache 1007, Umdruck 281), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 1000, zu 1000), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062) und mit der Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Londoner Abkommen und Außenpolitik der Bundesrepublik (Drucksachen 958, zu 958, 863) . . . . 3114D, 3120 B Wehner (SPD), Anfragender 3114 D, 3149 D, 3151 C, 3153 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler 3120 C, 3131 B Erler (SPD) . . . 3131 A, 3150 D, 3155 A Dr. Furler (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . 3169 Unterbrechung der Sitzung . 3135 D Ollenhauer (SPD) 3135D 3138 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 3138 B Kiesinger (CDU/CSU) . . 3146 B, 3149 D, 3150 A, D, 3151 D, 3153 A, 3155 A, B, D, 3159 C Walter (DP) . 3155 A Dr. Baade (SPD) 3155 C Dr. Dehler (FDP) 3157 C, 3159 C Weiterberatung vertagt 3164 B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten der Länder (Drucksache 1058) 3164 B Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 3164 B Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zum Fünften Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 1077, 483, 963, 993, 1045) . 3164 B Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 3164 B Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 3165 A Beschlußfassung . 3165 B Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes (Drucksache 1078) . 3165 B Dr. Gülich (SPD) 3165 C Beschlußfassung . 3165 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksachen 716 [neu], 717, 836, 859, 887); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksache 1068) 3166 A Pohle (Eckernförde) (SPD): als Berichterstatter 3166 A Schriftlicher Bericht . 3170 als Abgeordneter . 3166 I) Petersen (GB/BHE) 3166 B Abstimmungen . 3166 B, 3167 B Zweite Beratung des von ,der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzulage an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen (Drucksache 793); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksache 1069) . 3167 B Maucher (CDU/CSU), Berichterstatter 3167 C Petersen (GB/BHE) 3167 1) Pohle (Eckernförde) (SPD) . . . 3168 A, B Rasch (SPD) . 3168 C Abstimmungen 3168 D Nächste Sitzung 3168 D Anlage 1: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 863) betr. Londoner Abkommen und Außenpolitik der Bundesrepublik (zu Drucksache 958) 3169 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen über die Gesetzentwürfe der Fraktion der FDP (Drucksachen 716 [neu], 717), der Fraktion der SPD (Drucksache 836), der Fraktion des GB/BHE (Drucksache 859) und der Abg. Frau Dr. Probst u. Gen. (Drucksache 887) zur :nderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 1068) 3170 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 zu Drucksache 958 (C) (vgl. S. 3120 C, 3135 C) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Londoner Abkommen und Außenpolitik der Bundesrepublik (Drucksache 863) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Furler In der 47. Sitzung des Deutschen Bundestages, deren Gegenstand die Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung zur Londoner Konferenz vom 5. Oktober 1954 war, haben die SPD den Antrag Drucksache 863 und die Koalitionsparteien den Antrag Drucksache 864 gestellt. Beide Anträge befaßten sich mit der Londoner Schlußakte. Der Koalitionsantrag wurde vom Bundestag angenommen, der Antrag der SPD jedoch mit Mehrheit dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen. Der Ausschuß hat sich in seinen Sitzungen vom 13. Oktober und 9. November 1954 mit diesem Antrag befaßt. Er schlägt — und zwar auf Grund einstimmigen Beschlusses — dem Hohen Hause vor, diesen Antrag als gegenstandslos zu bezeichnen. Die Sprecher der SPD legten in der Plenarsitzung vom 7. Oktober 1954 und in den Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses dar, ihr Antrag gehe von den Ziffern 3 und 4 des Teiles V der Londoner Schlußakte aus, in denen die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und Frankreich erklären, es bleibe ein wesentliches Ziel ihrer Politik, eine frei vereinbare friedensvertragliche Regelung für Gesamtdeutschland herbeizuführen, und es sei weiterhin ein grundsätzliches Ziel ihrer Politik, durch friedliche Mittel ein völlig freies und vereinigtes Deutschland zu schaffen. In diesem Zusammenhang habe der Antrag drei Aufgaben: 1. festzustellen, welches Gewicht diesen Erklärungen der drei Mächte im Rahmen der Londoner Akte zukomme; 2. zu sichern, daß die in dieser Erklärung niedergelegten politischen Grundsätze lebendig gehalten und konkret gestaltet würden; 3. zur Durchsetzung dieser Politik und für ihre vertragliche Festlegung schon in der Zeit zwischen der Londoner Konferenz und den in Aussicht stehenden Pariser Verhandlungen beizutragen. Von ,den vier Ziffern des Antrags stehen die beiden ersten in einem engen, funktionellen Zusammenhang. Während die Ziffer 1 Besprechungen mit den drei westlichen Besatzungsmächten fordert, um die Grundlagen einer gemeinsamen Politik zu klären, die in den kommenden Vier-Mächte-Verhandlungen die Wiedervereinigung Deutschlands herbeiführen soll, schlägt die Ziffer 2 vor, zu diesem Zweck neben den in der Londoner Akte vorgesehenen speziellen Verhandlungskommissionen eine weitere Kommission zu bilden, deren Aufgabe es sei, gemeinsame Richtlinien festzustellen und eine einheitliche Politik für die Wiedervereinigung zu ermöglichen. Im Auswärtigen Ausschuß herrschte zwischen den Parteien und mit der Regierung im Grundsätzlichen Einverständnis über das Anliegen der Ziffer 1 des Antrags. Die Aussprache beseitigte auch Meinungsverschiedenheiten über Art und Aufgaben der angestrebten Kommission. Es wurde geklärt, daß ein solches Gremium wegen seiner hohen politischen Aufgabe nicht den zur Durchführung der Londoner Beschlüsse und zur Vorbereitung der Pariser Konferenz gebildeten Kommissionen gleichgestellt werden könne, zumal diese Expertenkommissionen zeitlich auf wenige Wochen begrenzt waren. Es ergab sich auch die allseits anerkannte Notwendigkeit, in dem gesamten Antrag nicht von den drei westlichen Besatzungsmächten zu sprechen, sondern klar herauszustellen, daß diese gemeinsame Aufgabe und alle vorbereitenden Schritte Sache der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland seien. Der Auswärtige Ausschuß konnte erst in seiner Sitzung vom 9. November 1954 damit beginnen, die Ziffern 3 und 4 des Antrags zu beraten. In diesem Zeitpunkt war die Pariser Konferenz schon abgeschlossen. Das dritte Ziel der Antragsteller war daher nicht mehr erreichbar. Der Antrag konnte nicht „die Grundlage für eine Aktivität in der Zeit zwischen der Londoner und der Pariser Konferenz" bilden. Er war unter diesem Gesichtspunkt gesehen gegenstandslos geworden, woraus der Ausschuß widerspruchslos die Folge zog und dem Hohen Haus den in Drucksache 958 formulierten Vorschlag macht. Nachdem der Antrag gegenstandslos geworden war, schied eine weitere Beratung seines Inhalts aus. Dieses formelle Schicksal des Antrags besagt allerdings nichts über die Bedeutung und die Wertung der in ihm enthaltenen politischen Fragen. Selbstverständlich behält das Anliegen einer gemeinsamen, auf die Wiedervereinigung Deutschlands gerichteten Politik mit den Vereinigten Staaten von Amerika, England und Frankreich, ja mit allen Staaten der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft, die gerade die Ziffern 3 und 4 des Teiles V der Londoner Schlußakte als auch sie bindend übernommen haben, seine große Bedeutung. Selbstverständlich spielt auch nach Abschluß und Ratifizierung der Pariser Verträge die Frage eine wichtige Rolle, auf welche Weise diese gemeinsame Politik konkret gestaltet und durchgeführt werden kann, und ob es zweckmäßig ist, hier eine spezielle Institution zu schaffen, die diese Politik der Mächte aktiviert und konkretisiert oder wenigstens Vorschläge ausarbeitet, die der Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands dienen sollen. Auch die politischen Hauptpunkte der Ziffer 3 des Antrags werden noch lange im Mittelpunkt des politischen Ringens stehen; die Fragen nämlich, in welchem Zeitpunkt Verhandlungen über die Wie- (Dr. Furler) dervereinigung auch mit Sowjetrußland zweckmäßig erscheinen, welches die möglichen Bedingungen für die Wiedervereinigung sind, was unter einem „europäischen Sicherheitssystem im Rahmen der Vereinten Nationen" zu verstehen ist, ob und unter welchen Bedingungen ein solches System realisierbar und ob es überhaupt geeignet ist, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit herbeizuführen und diesem wiedervereinigten Deutschland die Sicherheit zu gewähren, die unerläßlich ist. Bonn, den 9. Dezember 1954 Dr. Furler Berichterstatter Anlage 2 Drucksache 1068 (vgl. S. 3166 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (29. Ausschuß) über 1. den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 716 [neu]), 2. den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 717), 3. den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 836), 4. den von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 859), 5. den von den Abgeordneten Frau Dr. Probst, Maucher, Lücke und Genossen eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 887) Berichterstatter: Abgeordneter Pohle (Eckernförde) I. Allgemeines Am 15. Oktober 1954 wurden dem Bundestagsausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen die oben aufgeführten Initiativ-Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung im Bundestag zur weiteren Beratung überwiesen. Die Beratungen litten in der ersten Verhandlungsperiode unter der noch ausstehenden Stellungnahme der Bundesregierung. Erst am 2. Dezember 1954 wurde dem Ausschuß eine Kabinettsvorlage des Bundesministeriums für Arbeit als Material mit dem Hinweis des Herrn Bundesarbeitsministers vorgelegt, er habe vom Kabinett die Vollmacht erhalten, gemeinsam mit dem Kriegsopferausschuß ein Beratungsergebnis zu erzielen, das dem Bundestag als Beschlußvorlage zugeleitet werden könne. Gleichzeitig wurde dem Ausschuß für Kriegsopfer-. und Heimkehrerfragen ein Kompromißvorschlag der Koalitionsfraktionen überreicht, der ebenfalls als Verhandlungsgrundlage bei den weiteren Beratungen diente. Da bei allen Mitgliedern des Ausschusses das Bedürfnis bestand, dem Bundestag noch möglichst vor den Weihnachtsferien das Beratungsergebnis zur Beschlußfassung zuzuleiten, standen die Beratungen unter einem Zeitdruck, der in einigen Fällen die antragstellenden Fraktionen zwang, Teile ihrer Anträge zurückzuziehen, da die Probleme nicht ausdiskutiert werden konnten und keine der antragstellenden Fraktionen die Verantwortung dafür tragen zu können glaubte, durch ein Festhalten an den gestellten Anträgen die äußerst dringliche Verabschiedung einer Dritten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz hinauszuzögern. II. Der Gesetzentwurf im einzelnen Zu Artikel I Zu Nrn. 1 bis 4: Der Ausschuß stimmte mit Änderungen den Vorschlägen des Bundesministers für Arbeit zu den genannten Nummern bzw. den §§ 14 Abs. 7, 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 und 2 und 21 Satz 1 zu. Zu Nr. 5: Die Änderung des § 31 Abs. 1 über die Höhe der Grundrenten hat im Ausschuß zu sehr eingehenden Erörterungen geführt. Die jetzt vorgesehenen Beträge der Grundrente sind ein Mehrheitsbeschluß des Ausschusses, die den Sätzen des Kompromißvorschlages entsprechen. Zu Nr. 6: Einstimmig bekannte sich der Ausschuß in § 32 Abs. 2 (s. Nr. 6 Buchst. a) zu der. vorgeschlagenen Erhöhung der Ausgleichsrenten. Die Ergänzung zu § 32 Abs. 4 (s. Nr. 6 Buchst. b) war durch das vom Bundestag am 8. Dezember 1954 verabschiedete Kindergeldanpassungsgesetz notwendig geworden. Lediglich mit einigen redaktionellen Änderungen wurde diese Ergänzung in die Dritte Novelle zum Bundesversorgungsgesetz übernommen. Der Beschluß hierzu wurde mit Mehrheit gefaßt. Zu Nr. 7: Die in Buchst. a durch die Erhöhung der Ausgleichsrenten notwendig gewordene Ausweitung der Einkommensgrenzen wurde einstimmig beschlossen. (Pohle [Eckernförde]) Zu Buchst. b bestand Einmütigkeit im Ausschuß in der grundsätzlichen Auffassung. Strittig waren die festzusetzenden Beträge, bis zu denen die Einkünfte aus früheren Dienst- oder Arbeitsverhältnissen oder zusätzlichen Versorgungsleistungen einer berufsständischen Organisation bzw. die Einkünfte aus Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen Freibleiben sollten. Zu Nr. 8: Der Vorschlag, hinter § 34 einen neuen § 34 a einzufügen, entspricht ebenfalls einer bereits durch das Kindergeldanpassungsgesetz erfolgten Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes, die durch den Ausschuß lediglich eine redaktionelle Klarstellung erfahren hat. Der Beschluß wurde mit Mehrheit gefaßt. Zu Nr. 9: Einstimmig beschloß der Ausschuß, den Höchstsatz der Pflegezulage auf 200 DM festzusetzen. Zu Nr. 10: Die Änderung stellt eine Verbesserung der Regelung über die Bezüge für das Sterbevierteljahr dar. Sie wurde vom Bundesminister für Arbeit vorgeschlagen und vom Ausschuß einstimmig gebilligt. Zu Nr. 11: Die Grundrente der Witwen, die bisher in Höhe von 40 DM gewährt wurde, ist auf 48 DM angehoben worden. Für Witwen, die weder erwerbsunfähig sind noch für mindestens ein Kind im Sinne des § 41 Abs. 1 Buchst. c zu sorgen und das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wurde die Grundrente gleichfalls um 20 v. H. von 20 auf 24 DM erhöht. Weitergehende Erhöhungsanträge zu dieser Position wurden bei Stimmengleichheit abgelehnt. Zu Nr. 12: Die volle Ausgleichsrente der Witwen betrug bisher 60 DM. Sie wird durch die vorgeschlagene Änderung um 10 DM verbessert. Während die Ausgleichsrente bisher nur insoweit zu gewähren war, als sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen 95 DM nicht überstieg, ist dieser Betrag nunmehr auf 100 DM erhöht worden. Wie bei den Beschädigten wurde auch hier die Nichtberücksichtigung der Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes vorgesehen. Von diesen Einkünften soll künftig ein Teilbetrag in Höhe von 15 DM anrechnungsfrei bleiben. Diese Bestimmung hat zu ausgedehnten Erörterungen im Ausschuß geführt, da erhebliche Bedenken wegen der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend gemacht wurden. Das vorliegende Ergebnis beruht auf einem Mehrheitsbeschluß. Zu §§ 42 und 44: Die zu den genannten Vorschriften vorliegenden Anträge wurden von den Antragstellern aus den schon in der Einleitung zu diesem Bericht angeführten Gründen zurückgezogen. Die Vertreter der Bundesregierung haben zugesagt, in den Fällen des § 42 weitgehend von den Möglichkeiten des Härteausgleichs Gebrauch zu machen. Die gesetzliche Verankerung soll einer späteren Novellierung vorbehalten bleiben. . Zu Nr. 13: Die Grundrenten der Waisen wurden um 20 v. H. erhöht. Zu Nr. 14: Die Ausgleichsrenten der Waisen erhielten eine Aufbesserung um je 10 Deutsche Mark. Die Einkommensgrenzen wurden bei Waisen, deren Vater oder Mutter noch lebt, von 41 auf 46 DM und bei Waisen, ,deren Vater und Mutter nicht mehr leben, von 65 auf 70 DM erhöht. Nach der Neufassung des § 33 Abs. 2 gelten als sonstiges Einkommen auch freiwillige Leistungen, die mit Rücksicht auf ein früheres Dienst- oder Arbeitsverhältnis oder eine frühere selbständige Berufstätigkeit oder als zusätzliche Versorgungsleistung einer berufsständischen Organisation gewährt werden. Für § 47 finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als der 10 DM monatlich übersteigende Betrag als sonstiges Einkommen angerechnet wird. Zu Nr. 15: Zu § 51 beschloß der Ausschuß, die volle Elternrente bei einem Elternpaar von 84 DM auf 100 DM und bei einem Elternteil von 60 DM auf 70 DM zu erhöhen sowie eine entsprechende Anhebung der Einkommensgrenzen vorzunehmen. Die Einfügung des neuen Absatzes 4 beabsichtigt, auch den Eltern bei der Berechnung des sonstigen Einkommens monatlich einen Freibetrag zu gewähren. Zu Nr. 16: Es handelt sich hierbei um eine notwendige Klarstellung, da es möglich ist, daß neben einem Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe von Kriegsgefangenen besteht, die nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes bemessen wird. Zu Nr. 17: Auch diese Vorschrift dient zur Klarstellung der bisherigen Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes zu § 57 Abs. 1. Zu Nr. 18: Übereinstimmend wurde eine Verlängerung der Anmeldefrist für den Anspruch auf Elternversorgung, die mit dem 31. Dezember 1954 abläuft, um weitere zwei Jahre für notwendig erachtet. Zu Nr. 19: Diese Ergänzung hält der Bundesarbeitsminister für notwendig, denn solange der ehemalige Wehrmachtsangehörige sich in Kriegsgefangenschaft oder in ausländischem Gewahrsam befindet, haben die Angehörigen Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen. Zur Vermeidung einer Doppelversorgung kann dem beschädigten Wehrmachtsangehörigen daher Versorgung frühestens vom Monat der Entlassung ab gewährt werden. Da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung bisher nicht bestand, erscheint die vorgeschlagene Ergänzung auch im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung der noch nicht zurückgekehrten Kriegsgefangenen und Festgehaltenen geboten, zumal die noch in der Sowjetunion befindlichen Kriegsgefangenen Versorgungsansprüche gar nicht geltend machen können. Zu Nr. 20: Die Vorschrift ist notwendig, um eine Doppelversorgung auszuschließen. Ansprüche auf Heilbehandlung und Krankenbehandlung nach § 10 (Pohle [Eckernförde]) Abs. 5 und § 28 BVG werden durch die Vorschrift nicht berührt. Zu Nr. 21: Die Ergänzung des § 71 a dient der Klarstellung. Zu Nr. 22: Der § 78 a hat sich in der bisherigen Fassung als zu eng erwiesen. Künftig soll Kapitalabfindung auch Witwen mit Anspruch auf Witwenbeihilfe in Höhe der Rente und Ehefrauen Verschollener gewährt werden können. Für die Ehefrauen Verschollener ist zur Vermeidung von Härten mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen bereits die Gewährung von Darlehen zugelassen worden, die nach erfolgter gesetzlicher Regelung in Kapitalabfindungen umzuwandeln sind. Zu Nr. 23: Zur Klarstellung des § 81 Abs. 2 wird das Wort „Versorgungsbezüge" in das Wort „Leistungen" umgewandelt. Den gleichen Grund hat die Einfügung des Satzes: „Dies gilt nicht bei Ansprüchen, die aus Schwangerschaft und Niederkunft erwachsen sind." Zu Nr. 24: Die vorgesehene Möglichkeit zur Übertragung der Gewährung von Härteausgleichen auf nachgeordnete Dienststellen in den näher bezeichneten Fällen entspricht nach Meinung des Bundesministers für Arbeit einem dienstlichen Bedürfnis. Der Ausschuß hat dieser Anregung zugestimmt. Zu Artikel II Die Einfügung dieses Artikels wurde vom Bundesminister für Arbeit mit folgender Begründung vorgeschlagen: In Artikel V Abs. 2 unter Buchstabe a war vorgesehen, daß die Änderung des § 20 BVG mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 in Kraft treten soll. Die Durchführung hätte einen Verwaltungsaufwand verursacht, der in keinem Verhältnis zu dem erzielbaren finanziellen Ergebnis stehen würde. Die Vorschrift soll daher erst mit dem Tage nach der Verkündung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes in Kraft treten. Der Ausschuß hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Zu Artikel III Nach § 4 des Grundbetragserhöhungsgesetzes vom 17. April 1953 waren die Grundbetragserhöhungen bei der Ermittlung des für die Höhe der Ausgleichs- und Elternrenten maßgebenden sonstigen Einkommens unberücksichtigt zu lassen. Diese Vorschrift soll im Hinblick auf die in § 33 Abs. 2 und § 41 Abs. 5 vorgesehenen weiteren Freibeträge sowie auf die Erhöhung der für die Waisen- und Elternversorgung maßgebenden Einkommensgrenzen aufgehoben werden. Nach Meinung des Bundesministers für Arbeit wird mit .dieser Vorschrift erreicht, daß für alle Versorgungsberechtigten wieder einheitliche Grundsätze für die Feststellung des sonstigen Einkommens gelten. In diesem Punkt standen sich im Ausschuß gegenteilige Auffassungen gegenüber. Die Entscheidung in dem vorgeschlagenen Sinne beruht auf einem Mehrheitsbeschluß. Zu Artikel IV Mit dieser Vorschrift werden die vom Bundestag im Kindergeldanpassungsgesetz beschlossenen Ergänzungen des Bundesversorgungsgesetzes wieder aufgehoben, da eine entsprechende Regelung in Artikel I Nr. 6 Buchst. b und Nr. 8 dieses Gesetzes aufgenommen wurde. Zu Artikel V Der Artikel enthält die für den Übergang notwendigen Vorschriften. Zu Artikel VI Mit dieser Vorschrift wird der Bundesminister für Arbeit ermächtigt, den Wortlaut des Bundesversorgungsgesetzes in der aus diesem Gesetz sich ergebenden Neufassung bekanntzumachen. Zu Artikel VII In diesem Artikel ist die Anwendung des Gesetzes auf das Land Berlin bestimmt. Zu Artikel VIII Einstimmig beschloß der Ausschuß, die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Verbesserungen in der Kriegsopferversorgung ab 1. Januar 1955 wirksam werden zu lassen, die Ergänzung des § 65 durch einen Absatz 3 jedoch erst am 1. April 1955. III. Schlußbemerkungen Die durch diesen Gesetzentwurf bewirkten Verbesserungen verursachen im Bundeshaushalt voraussichtlich die nachstehend aufgeführten Mehraufwendungen: 1. Erhöhung der GRUNDRENTEN: Mehraufwand in Mio DM a) für Beschädigte 116,1 b) für Witwen 111,6 c) für Waisen 31,7 259,4 2. Erhöhung der AUSGLEICHSRENTEN und EINKOMMENSGRENZEN: a) für Beschädigte Mehraufwand in Mio DM Ausgleichsrenten 8,2 Einkommensgrenzen 17,3 25,5 b) für Witwen Ausgleichsrenten 46,2 Einkommensgrenzen 22,6 68,8 c) für Waisen Ausgleichsrenten 20,6 Einkommensgrenzen 43,8 64,4 3. Erhöhung des Höchstsatzes der PFLEGEZULAGE auf 200 DM: 0,5 0,5 4. Erhöhung der a) ELTERNRENTEN bei einem Elternpaar 3,0 bei einem Elternteil 7,0 10,0 b) EINKOMMENSGRENZEN bei einem Elternpaar 17,5 bei einem Elternteil 2,0 19,5 5. FREIBETRÄGE für Empfänger von SOZIALRENTEN usw. für Beschädigte 22,0 für Witwen 47,3 69,3 517,4 abzüglich Minderausgaben 108,3 bleibt ein jährlicher Mehrbedarf von 409,1 (Pohle [Eckernförde]) Der Kriegsopferausschuß hat seine Arbeiten so beschleunigt, daß der Bundestag Gelegenheit hat, den Gesetzentwurf noch am 15. Dezember 1954 zu verabschieden, und der Bundesrat in seiner letzten Sitzung des Jahres am 17. Dezember 1954 dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben kann. In einem Schreiben des Herrn Präsidenten des Bundesrates vom 10. Dezember 1954 an den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages wird jedoch mitgeteilt, daß der Bundesrat nur dann die Möglichkeit hätte, den Gesetzentwurf am 17. Dezember dieses Jahres zu beraten, wenn der Bundestag bereits zu einem früheren Termin eine Verabschiedung der Novelle hätte vornehmen können. Nach dem Schreiben des Herrn Präsidenten des Bundesrates ist es aber aus technischen und aus Gründen der Notwendigkeit von vorhergehenden Beratungen in den Länderkabinetten unmöglich, selbst wenn der Bundestag das Gesetz am 15. Dezember verabschieden würde, zwei Tage später bereits die Zustimmung des Bundesrates zu erreichen. Es ist der Wunsch des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, daß der Bundesrat trotz der für ihn entstehenden Schwierigkeiten eine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf noch vor Weihnachten erwägen möge, damit eine Verkündung des Gesetzes im Monat Januar 1955 gesichert ist. Unabhängig davon, wie die gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, werden seitens des Bundesarbeitsministeriums alle Maßnahmen vorbereitet werden, die eine raschere Durchführung des Gesetzes nach seiner Verkündung sicherstellen. Einer Anregung des Ausschusses folgend, werden nach Abstimmung mit den zuständigen Stellen Anweisungen des Bundesministers für Arbeit ergehen, um die Erhöhung der Grundrenten baldmöglichst zur Auszahlung gelangen zu lassen. Bonn, den 10. Dezember 1954 Pohle (Eckernförde) Berichterstatter
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    Rede von Dr. Kurt Georg Kiesinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Baade, Sie machen einen höchst eigentümlichen Vorschlag. Wir können ja demnächst dazu übergehen, die verschiedenen Altersjahrgänge der Bundesrepublik zu den jeweiligen Gesetzesvorlagen gesondert zu befragen. Als ob die Wehrpflicht nicht eine Frage wäre, die das Ganze des deutschen Volkes angeht!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nach meinen sorgfältigen Feststellungen ist es so, daß der größte Teil der deutschen Jugend — darüber haben wir eine ganze Reihe von Umfragen von den verschiedensten Seiten bekommen — natürlich nicht begeistert ist. Ein Teil, ein hoffentlich geringer Teil dieser Jugend ist einfach von des Gedankens Blässe angekränkelt, gehört schon zu jener Gruppe, die sich über alle Jahrgänge der Bundesrepublik verteilt, die überhaupt kein Bewußtsein der Verantwortung für das Ganze mehr hat.

    (Sehr gut! rechts.)

    Ich sage: das ist ein sehr geringer Teil. Ich bin sogar davon überzeugt, daß er geringer ist als in manchen andern Altersjahrgängen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Der weitaus größte Teil — das sagen sie mir immer — meint: Es ist eine schlimme Sache; wir wollen den alten Barras nicht wieder. — Wir wissen nicht, ob es gelingt, ihn zu vermeiden; wir haben Sorgen. — Aber sie sagen auch: Wir müssen eben in den sauren Apfel beißen. So ist die wirk-


    (Kiesinger)

    liche Stimmung. Es werden immer wieder Beispiele aus tumultuösen Veranstaltungen angeführt, wie sie jüngst in Köln oder Augsburg gewesen sind, als mein Kollege Blank attackiert wurde. Nun, die Stadt Augsburg hat die Quittung erteilt: Sie hat den Sozialdemokraten bei den bayerischen Landtagswahlen ihren Sitz abgenommen. Ich selbst habe zu diesen Wahlen in vielen Versammlungen sehr offen und klar zu der Frage gesprochen, daß wir wieder Soldaten haben müssen. Ich habe niemals irgendeine tumultuöse Szene erlebt, sondern einen nüchternen, verständigen Sinn in unserer jungen Generation entdeckt, die zahlreich zu den Versammlungen erschienen war. Das ist für mich der beste Beweis dafür, daß es sich um — ich weiß nicht, von wem — organisierte Tumulte gehandelt hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Gerade diese sollten wir beide im gemeinsamen Interesse verhindern.
    Wenn es wirklich unausbleiblich ist — und es steht auch in Ihrem Konzept —, daß wir eines Tages wieder Soldaten haben müssen, dann möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nicht wünschen, daß Sie einmal eine Stimmung in der deutschen Jugend vorfinden, von der Sie sagen müssen: „Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los".

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen wird zu diesem Problem ein junger Kollege aus meiner Fraktion noch besonders Stellung nehmen.
    Ebenso wird auch zum Problem der Saar noch ein Kollege meiner Fraktion sprechen. Ich halte es im gegenwärtigen Augenblick gar nicht für so sehr wichtig, auf die großen Interpretationsdifferenzen im einzelnen hinzuweisen. Wir kennen sie, die Auffassungen sind gegeneinandergestellt. Der Herr Bundeskanzler hat versprochen, zu versuchen, die Dinge in einem besonderem Verfahren, unter Umständen unter schiedsrichterlicher Zuhilfeholung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, zu klären. Ich habe aber die ernste Bitte, meine Damen und Herren: vermeiden wir auch in dieser Frage jeden Anschein einer nationalistisch-emotionalen Politik! Denn gerade hier hört die Welt mit außerordentlicher Empfindlichkeit zu. Wir alle, die wir z. B. im Europarat gewesen sind, wissen es genau. Wir werden ganz gewiß nichts preisgeben, verschachern, verkaufen; wir werden eine Lösung anstreben, die schließlich im Friedensvertrag sowohl den französischen Interessen als auch den Interessen der Bevölkerung an der Saar und dem deutschen Rechtsanspruch gerecht werden wird. Die neue Lösung ist kein van-Naters-Plan. Gott sei Dank hat die Beratende Versammlung des Europarats meinen Änderungsantrag angenommen, der die Bezugnahme auf den van-Naters-Plan aus der Resolution herauslöste. Sie hat sich mit uns auf den Standpunkt gestellt, daß die ursprünglich ins Auge gefaßte europäische Lösung als Voraussetzung die echte europäische Integration über EVG und Politische Gemeinschaft hatte. Da diese Voraussetzung weggefallen ist, gibt es jetzt bis zum Friedensvertrag nur noch offene Lösungen. Eine von diesen Lösungen ist natürlich auch diejenige einer europäischen, vorausgesetzt, daß die andere Voraussetzung, nämlich die einer europäischen Integration, wirklich erfüllt wird. Mehr möchte ich zu diesem Punkt nicht sagen. Meine Damen und Herren, wir alle wissen nicht, wann die Verhandlungen schließlich stattfinden werden. Wir haben im Europarat die Frage besprochen: Soll man unmittelbar nach der Ratifizierung verhandeln? Soll man zwischen Ratifizierung und Durchführung der Verträge verhandeln? Oder soll man erst nach Durchführung der Verträge verhandeln? Meine politischen Freunde im Europarat haben sich nicht der Auffassung angeschlossen, daß man sich auf unmittelbare Verhandlungen nach der Ratifizierung festlegen sollte. Unser leitender Gesichtspunkt dabei muß sein, einen Zeitpunkt auszusuchen, der für die Verhandlungen in der Frage der deutschen Wiedervereinigung Erfolg verspricht. So ist das „sobald als möglich" zu verstehen, dem wir unsere Zustimmung gegeben haben.
    Nun ein Schlußwort zu unserer großen Sorge, zu unserem großen Anliegen. Die Westeuropäische Union ist Gott sei Dank mit großer Schnelligkeit nach dem Scheitern der EVG-Konzeption gekommen. Wir gestehen, daß wir in ihr noch nicht die Lösung des europäischen Problems sehen können, von dem ich vorhin gesprochen habe. Sollten die Schöpfer dieser Konvention wirklich glauben, daß man mit einem Rückzug auf eine alte nationalstaatliche Koalitionspolitik das Problem meistern könne, dann würden sie sich verhängnisvoll irren. Wir müssen daher auch auf dem neuen Wege neue Integrationsziele suchen und dürfen in dem Sinne, in dem der Herr Bundeskanzler es ausgesprochen hat, nicht und niemals ablassen, weiterhin eine echte europäische Einigung zu erstreben. Das muß auch zu unseren Nachbarn auf dem Kontinent gesagt sein, auch zu Großbritannien, für dessen besondere Situation der Welt und Europa gegenüber wir volles Verständnis haben.
    Meine Damen und Herren, wir haben nun jahrelang diese Politik betrieben. Wir haben Verzögerungen und Rückschläge erlebt, wir haben in heißen Meinungskämpfen immer wieder um dieselben Probleme gerungen. Ich hoffe, daß der Zeitpunkt kommen wird, meine Herren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, der Sie überzeugt, daß Sie mit Ihrer Konzeption unrecht hatten. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist — und vielleicht ist er gar nicht so fern, wir wissen es nicht —, dann werden Sie mit uns gemeinsam vor demselben Problem stehen. Ich hoffe, daß es dann gelingen wird, eine gemeinsame Außenpolitik, die für dieses Volk so bitter notwendig ist, endlich zu finden. Solange dies nicht möglich ist, solange uns die Meinungsgegensätze trennen und die Weltlage keinem von uns einen mathematischen Beweis in die Hände spielt, daß er recht hat, bleibt uns, meine Damen und Herren von dieser Seite des Hauses, nichts anderes übrig, als uns unbeirrbar zu unserer bisherigen Politik zu bekennen.
    Ich weiß, daß uns in der einen oder andern Frage, in der einen oder andern Nuance einiges trennt. Ich will nicht zu den Sorgen über das Saarabkommen sprechen; es sind gemeinsame Sorgen. Ich hoffe, daß die nächsten Monate uns Möglichkeiten geben werden, auch hier zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen. Aber lassen wir uns doch nicht — manchmal hat es in den letzten Monaten den Anschein gehabt — durch die ermüdende Länge der Zeit, durch die immer wiederholten Rückschläge dazu verleiten, müde zu werden an dem großen Werk, das uns aufgetragen worden ist.


    (Kiesinger)

    Ich sage es bewußt: Immer wieder, wenn ich draußen im Ausland bin, wird an mich von ausländischen Politikern die sorgenvolle Frage gerichtet: Was wird eines Tages geschehen, wenn der Bundeskanzler nicht mehr am Steuer der deutschen Politik steht?

    (Oh!-Rufe von der SPD.)

    — Haben Sie diese Frage noch nie gehört?

    (Nein!-Rufe von der SPD. — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, dann rate ich Ihnen, sich im Ausland nicht nur bei den Gegnern der deutschen Befreiungspolitik umzuhören, sondern sich auch von jenen Bescheid sagen zu lassen, die es mit uns und der deutschen Wiedervereinigung gut meinen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Wir sind besser unterrichtet über die Stimmung im Ausland!)

    — Herr Mellies, dazu ließe sich viel sagen. Ich glaube nicht, daß Sie recht haben; aber ich will Ihnen folgendes sagen. Ein bedeutender europäischer Politiker hat mir gesagt, gewisse Äußerungen aus Deutschland ließen ihn Sorge haben, ob es nicht eines Tages wieder eine Rapallo-Politik geben werde. Dem Bundeskanzler, so sagte er, schenke man Vertrauen, er habe sich dieses Vertrauen erworben; könne man es auch dem deutschen Volk und den Politikern, die nach ihm kämen, schenken? Er hat dabei ganz allgemein gesprochen.

    (Abg. Mellies: Fragen Sie mal etwas tiefer, wie die Besorgnisse sind; da werden Sie noch ganz etwas anderes hören!)

    — Lassen Sie mich fortfahren, Herr Mellies. In dem Gespräch wurde in diesem Zusammenhang ein Angriff gegen Ihre Partei gestartet, und ich habe diese Gelegenheit benutzt, für Ihre Partei eine Lanze zu brechen und den Angriff zurückzuweisen.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Ja, das geschieht sogar gelegentlich bei uns. Daß Sie sich das nicht auch angewöhnen wollen, meine Damen und Herren, ist bedauerlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe den Verdacht, Herr Wehner, Sie glauben, in splendid isolation leben zu können und unsere gelegentliche Verteidigung nicht nötig zu haben.

    (Abg. Mellies: Aber fragen Sie immer ganz genau, gegen wen das Mißtrauen draußen gerichtet ist!)

    — Richtig, das Mißtrauen ist nicht nur, Herr Mellies, — —

    (Abg. Mellies: Dann werden Sie das nicht mehr sagen, was Sie eben gesagt haben!)

    Das Mißtrauen ist nicht nur gegen Sie gerichtet. Aber ich muß es sagen, daß meine Gesprächspartner auf Sie Bezug genommen haben.

    (Abg. Mellies: Andere nehmen auf andere Bezug!)

    Ich betone das auch deshalb, weil gestern eine Nachricht verbreitet wurde, ich hätte erklärt, bei diesem Gespräch habe man der Sozialdemokratie mit Recht das Mißtrauen ausgesprochen. Das ist nicht richtig. Die Kollegen von der Presse, die anwesend gewesen sind, werden mir bestätigen, daß
    ich ausdrücklich gesagt habe: Ich habe die SPD dabei verteidigt.
    Aber, meine Damen und Herren, Tatsache ist doch nun einmal, daß dieses Mißtrauen in der Welt besteht. Wir können es nicht einfach wegdiskutieren. Und sollten wir nun Tag um Tag einen Beitrag dazu leisten? Sollten wir nicht endlich einsehen, daß wir alle gemeinsam die Kräfte zusammenwerfen müssen, um dieses Mißtrauen zu beseitigen? Wir, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, sollten jedenfalls der Welt ein Bild größter Einmütigkeit und Entschlossenheit geben, auf dem Weg fortzuschreiten, auf dem wir bisher gemeinsam und mit so viel Erfolg gegangen sind. Dann werden wir auch das Endziel erreichen, das Ziel, das wir alle im Herzen tragen: Frieden und Freiheit für ein wiedervereinigtes Deutschland.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dehler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle empfinden die Schwere der Entscheidung, die vor uns steht. Klang es nicht wie ein delphisches Orakel, als der Herr Kollege Ollenhauer seine Rede endete: „Morgen kann es zu spät sein"? Wofür kann es zu spät sein? Für welche Entscheidungen kann es zu spät sein? Herr Kiesinger hat durchaus recht: es gibt keinen leeren Raum in der Weltgeschichte. Sie geht weiter, und verlorene Chancen kehren nicht wieder.
    Ich glaube, wir können die uns vorliegenden Pariser Verträge nur messen an den großen politischen Aufgaben, die uns gestellt sind, Herr Kollege Ollenhauer, an allen Aufgaben, die uns in unserer Zeit gestellt sind: an der Aufgabe, die deutschen Menschen wieder in einem Staate zu einen, dem deutschen Volke in ,diesem Staate das Recht der Selbstbestimmung zu schaffen, an der Aufgabe,. in dem möglichen Raume die deutschen Menschen gegen jede Bedrohung zu sichern, an der Aufgabe, den inneren Aufbau der Gemeinschaft als eines von allen Deutschen in bewußter Hingabe gewollten und bejahten freiheitlichen, sozialen und gerechten, starken Staates zu fördern, an der Aufgabe — darf ich die Präambel des Grundgesetzes zitieren, die ich mit formuliert habe —, den Willen des deutschen Volkes zu erfüllen,
    seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
    Wir müssen nicht nur fragen, was diese Verträge politisch, außenpolitisch, innenpolitisch, militärisch, wirtschaftlich bedeuten, sondern auch, von welchem Geiste sie getragen sind. Hier macht, glaube ich, der Herr Kollege Ollenhauer den Fehler, daß er die Verträge jetzt aktuell isoliert im Raume sieht, nicht den Verlauf der Dinge in den letzten Jahren bedenkt, nicht das parallele Verhalten der Sowjetunion berücksichtigt, auch nicht im Auge hat, was der Bundesrepublik als konkretes Ergebnis der bisherigen Politik zugewachsen ist. Wir können die Verträge nur dann richtig deuten, wenn wir sie im Ablauf der Entwicklung der letzten Jahre sehen.


    (Dr. Dehler)

    Herr Kollege Kiesinger hat an meine Freunde, an die anderen Mitglieder der Koalition einen lebendigen Appell gerichtet, den Weg, den wir gemeinsam nun fünf Jahre gegangen sind, weiterzugehen; und ich kann sagen, wir haben den Willen dazu. Wir werden diesen Weg weitergehen.
    Aber ich fühle mich verpflichtet, deutlich zu machen, daß die Motive differieren. Manches, was aus der Rede des Herrn Bundeskanzlers und der des Herrn Kollegen Kiesinger als letztes Motiv aufklang — nun, ich will nicht sagen, daß alle meine Freunde es nicht annehmen; aber ich möchte doch sagen, daß ich und manche meiner Freunde um diese Fragen ringen. Deswegen, glaube ich, muß man ein Wort dazu sagen.
    Herr Kollege Kiesinger hat beinahe emphatisch der Hoffnung Ausdruck gegeben: Wir müssen wieder zu dem Ziel kommen, das wir aufgegeben haben, aber doch nur jetzt, notgedrungen, vorübergehend, aufgegeben haben, der Integration Europas auf politischem, auf militärischem, auf wirtschaftlichem Gebiet. Darüber müssen wir ein Wort sagen. Natürlich kann man im Politischen eine Kampfgemeinschaft haben und kann nicht danach fragen, was der einzelne im Herzen trägt. Aber es geht ja nicht nur um uns; es geht ja auch um die deutschen Menschen. Die müssen doch einen Willen, eine Vorstellung haben und von einer geistigen Kraft erfüllt sein, wenn sie die Tragfähigkeit oder Handlungsfähigkeit haben sollen, die erforderlich ist, um die schwere Aufgabe zu lösen, die vor uns steht.
    Vielleicht ist es zweckmäßig, einen Blick auf die Schichten der Europapolitik der letzten Jahre zu ) werfen; denn die Europapolitik ist eng mit der Frage des Wachsens der Bundesrepublik Deutschland zur Souveränität verknüpft. Wenn wir Europa sagen, so ist uns bewußt, daß das ein verstümmeltes, ein zerstörtes, ein entmachtetes Europa unter dem Schicksal von zwei Weltkriegen ist, ein Europa, in dem man den Polen die Oder und die Neiße zur Grenze gegeben hat und den Russen die Elbe, die Werra und die Fulda als Grenze ihres Besatzungsgebietes, ein Europa, das unter der Tatsache blutet, daß man das 'deutsche Gebiet geteilt hat. Wir wollen nicht vergessen, daß der Widerspruch Frankreichs die Erfüllung des Potsdamer Abkommens verhindert hat, nach ,dem für das gesamte besetzte deutsche Gebiet einheitliche, zentrale Verwaltungsstellen geschaffen werden sollten. Wir erinnern uns an die trübe Zeit nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus und seines verbrecherischen Abenteuers. Zunächst bestand die Notwendigkeit, das zwischen dem Westen und dem Osten geteilte Europa überhaupt vor der Auflösung zu bewahren: Marshall-Hilfe, OEEC, Europa-Union, Versuche, das wirtschaftliche Leben in diesem Europa zu mobilisieren, die Herstellung eines europäischen Marktes. Wir wollen die Erfolge dieser Versuche nicht gering achten. Das war der Versuch der wirtschaftlichen Einigung Europas auf völkerrechtlicher Grundlage durch das Zusammenwirken der Staaten mit Hilfe der Vereinigten Staaten, ohne supranationale Behörden. Diese Versuche, meine ich, hatten guten Erfolg.
    Dann kam der starke Impuls, von dem zu sprechen ist, die europäische Bewegung — wir denken, glaube ich, gern daran, daß ein Mann wie Sir Winston Churchill hier Pate gestanden hat —, der Versuch, Europa politisch, wirtschaftlich und militärisch zur Einheit zu machen. Man hat den Europarat geschaffen; ich glaube, wir können ihn und sein Wirken nur loben. Aber dann entstand eine ganz besondere Konzeption — und niemand wird es unserem Bundeskanzler verdenken, daß er im Banne dieser Vorstellung steht und daß sein getreuester Helfer, Kiesinger, ihm dabei folgt —, die Vorstellung eines supranationalen Europas, von den Amerikanern sehr unterstützt und gefördert, aus ihren Vorstellungen heraus nur zu verständlich, da sie in ihrem Lande, in ihrem Schmelzofen das Zusammenwachsen von Völkerschaften erlebt hatten. Für sie war der Gedanke, daß man mit Geduld durch konstitutionelle Akte in Europa eine Einheit schaffen könnte, nur zu naheliegend, die Vorstellung der Vereinigten Staaten von Europa nach amerikanischem Vorblid. Und die Dinge wurden konkret angegangen: Die erste Stufe — Sie wissen es — war der einheitliche Markt für Kohle, Eisen und Stahl, der Plan Robert Schumann, die Montanunion, der Gedanke, durch Institutionen das, was verlorengegangen war, die wirtschaftliche europäische Einheit, herzustellen.
    Und ein viel kühnerer Plan: die Europäische Politische Gemeinschaft. Wir denken daran, wie gerade unsere Freunde in diesem Hause, wie Heinrich von Brentano als Vorsitzender des 1952 geschaffenen Ad-hoc-Ausschusses, wie mein Freund Max Bekker — ich muß schon sagen: mit seinem Herzblut — sich dieser Aufgabe hingaben. Europa überstaatlich zu organisieren: ein europäisches Parlament, von den Europäern gewählt, ein europäischer Senat, aus den europäischen Parlamenten entsandt, eine europäische Regierung — welch große Vorstellung!
    Auf militärischem Gebiete die besondere Entwicklung. Sie kennen sie als Folge der fortgesetzten russischen Aggression, der Aggression, die von 1944 bis 1950 dauerte, die die baltischen Staaten, Polen, die Balkanstaaten, die Tschechoslowakei den Sowjets botmäßig machte, die Blockade Berlins, am Ende Korea. Nun, es waren verschiedene Motive, die zum Ziele ,der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft geführt haben: die Erkenntnis gerade der angelsächsischen Staaten, daß sich dieses Europa ohne Deutschland nicht verteidigen läßt, und unsere klare Bereitschaft, unseren Beitrag zu leisten. Der Herr Kollege Ollenhauer hat die Entscheidung des Bundeskanzlers vom August 1950 getadelt und sie als Ausgang des Verhängnisses bezeichnet. Ich glaube, daß das, was damals geschah, was zum Ausscheiden ,des Bundesministers des Innern Dr. Heinemann geführt hat, eine klare und richtige, leider immer noch nicht erfüllte notwendige nationale, politische Entscheidung war. Vielleicht war damals die Sternstunde Europas. Sie kennen die Reaktion Frankreichs, den französischen Vorschlag der europäischen Armee, zu der Deutschland Kontinente stellt, nicht aus europäischer Begeisterung, sondern aus dem Willen heraus, die deutschen Soldaten unter Kontrolle halten zu können, wie ähnlich ihre Bejahung der Montanunion nicht nur europäische Begeisterung war, sondern wohl auch der Wille, Kohle und Eisen und Stahl an Rhein und Ruhr unter Kontrolle zu halten.
    Wir sind aus einer anderen Grundhaltung an die Aufgabe der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft herangegangen. Wir waren europa-begeistert. Es fiel uns auch leichter, glaube ich, als anderen. Es gab ja nur zu viele bei uns, die sich, um über ihre äußerlichen und inneren Spannungen


    (Dr. Dehler)

    nach der Niederlage des nationalsozialistischen Reiches hinwegzukommen, als Deutsche begruben, um als Europäer wieder aufzuwachen. Wir wollen aber um Gottes willen nicht mißachten, was an ehrlicher Begeisterung für Europa in unserem Volke, besonders in unserer Jugend, vorhanden war, eine Haltung, die einem uralten deutschen Trieb entgegenkam und der Weite des deutschen Geistes entsprach.
    Aber betrachten wir den Erfolg dieses Bemühens, und ich glaube, wir müssen uns Rechenschaft geben — ich sage noch einmal: nicht so sehr unsertwegen als unseres Volkes wegen.
    Hat die Montanunion Erfolg gehabt, dieser Versuch, die Grundstoffe zu einem einheitlichen Markte zusammenzufassen in der Hoffnung, daß eine Wirkung auf die gesamte europäische Wirtschaft ausstrahlt? Wenn Jean Monnet jetzt erklärt, daß er das Amt des Präsidenten der Montanunion nicht beibehalten will — ist das nicht Resignation, ist das nicht die Erkenntnis, daß dieser Weg nicht zum Erfolg geführt hat? Schicksal der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, ich brauche es Ihnen nicht zu sagen. Schicksal der Europäischen Politischen Gemeinschaft — die Verfassung des Ad-hocAusschusses ist in den Schubladen der Bürokratie begraben worden.
    Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt, die Europäische Verteidigungsgemeinschaft sei wesentlich durch den Einfluß der Sowjetunion gescheitert, durch die Änderung ihrer Taktik in den letzten Jahren und, besonders nach dem Tode Stalins, durch die Propaganda der Politik der Entspannung und der Koexistenz. Kann man wirklich sagen, daß unsere Versuche der Integration Europas wesentlich dieser böswilligen Propaganda der Sowjets erlegen sind? Ich glaube, die Gründe liegen tiefer. Ich meine, wir haben uns und wir haben besonders Frankreich überfordert, wir haben zuviel erwartet. Das muß man wissen, wenn man nüchterne, reelle Politik für die Zukunft treiben will. Ich sage das, weil ich meine, daß die Entwicklung nach dem 30. August eine positive ist, daß die Lösungen, die in London und in Paris gefunden worden sind, gesünder sind als die vorher von uns angestrebten. Es gibt eben auf wirtschaftlichem Gebiete keine partielle Integration; ein solches Experiment muß scheitern.

    (Abg. Mellies: Hört! Hört!)

    Meine Meinung ist, daß nur eine Gesamtintegration zum Erfolg kommen könnte, wenn man die Wirtschafts-, die Währungs-, die Finanz-, die Außenhandels-, die Sozialpolitik koordiniert und nach Möglichkeit dann die erforderlichen supranationalen Behörden schafft, um diese Wirtschaftspolitik durchzuführen — ein unmögliches Beginnen. Es ist gar keine Anklage, wenn wir feststellen, daß der 30. August dieses Jahres — das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in der Französischen Nationalversammlung — nur die Dokumentation der Tatsache war, daß es mit dem französischen Wesen, mit der französischen Geschichte eben nicht vereinbar ist, sich Instanzen unterzuordnen, in denen andere, in denen die Italiener, in denen die Deutschen als Mitbestimmende sitzen, daß es für die Franzosen nicht möglich war, ohne Großbritannien eine europäische Form zu schaffen. Sie wissen, wie klein der Rahmen gespannt war, daß es ja nur sechs der europäischen Staaten — also nur die Hälfte der Hälfte — waren.
    Wir gehören zu den Anhängern des Gedankens der europäischen Zusammenarbeit. Aber wir müssen uns fragen, welcher Weg der richtige ist. Ich meine, daß der Weg, der jetzt eingeschlagen worden ist, der richtige ist, das freie Zusammenfügen von Einzelstaaten, von Nationalstaaten, das Bündnis — Herr Kollege Kiesinger nennt es abwertend „nationale Koalitionspolitik" —, nein, ich glaube, daß das Bündnis die richtige Form ist. Wir werden den Dingen nicht gerecht, meine Damen und Herren, wenn wir nicht erkennen, daß nach wie vor das Gesetz des nationalen Staates gilt. Ich bitte wahrlich nicht diese Töne aufklingen zu lassen, wie ich sie heute gehört habe, als ob das Nationale minderen Wertes wäre! „Nationalismus" ist doch ein Wort bösen Klanges.