Rede:
ID0206100600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 89
    1. der: 11
    2. des: 7
    3. und: 5
    4. Beratung: 5
    5. Erste: 4
    6. Entwurfs: 4
    7. eines: 4
    8. Gesetzes: 4
    9. betreffend: 4
    10. die: 3
    11. das: 3
    12. 23.: 3
    13. Oktober: 3
    14. 1954: 3
    15. über: 3
    16. in: 3
    17. Bundesrepublik: 3
    18. Deutschland: 3
    19. den: 3
    20. Tagesordnung: 2
    21. 7: 2
    22. vom: 2
    23. Vertrag: 2
    24. zum: 2
    25. Meine: 1
    26. Damen: 1
    27. Herren,: 1
    28. Sie: 1
    29. haben: 1
    30. Begründung: 1
    31. Großen: 1
    32. Anfragen: 1
    33. eingebrachten: 1
    34. Anträge: 1
    35. unter: 1
    36. Punkt: 1
    37. 1: 1
    38. 2: 1
    39. gehört.: 1
    40. Die: 1
    41. Beantwortung: 1
    42. wird,: 1
    43. wie: 1
    44. mitgeteilt,: 1
    45. mit: 1
    46. Behandlung: 1
    47. Tagesordnungspunkte: 1
    48. 3: 1
    49. bis: 1
    50. verbunden.Daher: 1
    51. rufe: 1
    52. ich: 1
    53. nunmehr: 1
    54. Punkte: 1
    55. 3,: 1
    56. 4,: 1
    57. 5,: 1
    58. 6: 1
    59. auf:3.: 1
    60. Protokoll: 1
    61. Beendigung: 1
    62. Besatzungsregimes: 1
    63. 4.: 1
    64. Aufenthalt: 1
    65. ausländischer: 1
    66. Streitkräfte: 1
    67. 5.: 1
    68. Beitritt: 1
    69. Brüsseler: 1
    70. Nordatlantikvertrag: 1
    71. 6.: 1
    72. am: 1
    73. Paris: 1
    74. unterzeichnete: 1
    75. Abkommen: 1
    76. Statut: 1
    77. Saar: 1
    78. 7.: 1
    79. Schriftlichen: 1
    80. Berichts*): 1
    81. Ausschusses: 1
    82. für: 1
    83. auswärtige: 1
    84. Angelegenheiten: 1
    85. Das: 1
    86. Wort: 1
    87. hat: 1
    88. Herr: 1
    89. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 61. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1954 3111 61. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen 3112 B Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg Spies (Brücken) und Wagner (Deggenau) 3112 B Mitteilung über Bestätigung des Zweiten Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes durch den Vermittlungsausschuß (Drucksache 1076) . 3112 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 75 und 130 (Drucksachen 607, 1075; 989, 1071) 3112 C Mitteilung über Zurückziehung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP betr. Ergänzung des Schwerbeschädigtengesetzes (Drucksache 96) 3112 C Zur Tagesordnung: Präsident D. Dr. Gerstenmaier 3112 C, 3114 C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 3112 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3114 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorrang von Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1017, Umdruck 280) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 997), mit der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Saar (Drucksache 1007, Umdruck 281), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 1000, zu 1000), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062) und mit der Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Londoner Abkommen und Außenpolitik der Bundesrepublik (Drucksachen 958, zu 958, 863) . . . . 3114D, 3120 B Wehner (SPD), Anfragender 3114 D, 3149 D, 3151 C, 3153 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler 3120 C, 3131 B Erler (SPD) . . . 3131 A, 3150 D, 3155 A Dr. Furler (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . 3169 Unterbrechung der Sitzung . 3135 D Ollenhauer (SPD) 3135D 3138 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 3138 B Kiesinger (CDU/CSU) . . 3146 B, 3149 D, 3150 A, D, 3151 D, 3153 A, 3155 A, B, D, 3159 C Walter (DP) . 3155 A Dr. Baade (SPD) 3155 C Dr. Dehler (FDP) 3157 C, 3159 C Weiterberatung vertagt 3164 B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten der Länder (Drucksache 1058) 3164 B Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 3164 B Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zum Fünften Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 1077, 483, 963, 993, 1045) . 3164 B Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 3164 B Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 3165 A Beschlußfassung . 3165 B Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes (Drucksache 1078) . 3165 B Dr. Gülich (SPD) 3165 C Beschlußfassung . 3165 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksachen 716 [neu], 717, 836, 859, 887); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksache 1068) 3166 A Pohle (Eckernförde) (SPD): als Berichterstatter 3166 A Schriftlicher Bericht . 3170 als Abgeordneter . 3166 I) Petersen (GB/BHE) 3166 B Abstimmungen . 3166 B, 3167 B Zweite Beratung des von ,der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzulage an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen (Drucksache 793); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksache 1069) . 3167 B Maucher (CDU/CSU), Berichterstatter 3167 C Petersen (GB/BHE) 3167 1) Pohle (Eckernförde) (SPD) . . . 3168 A, B Rasch (SPD) . 3168 C Abstimmungen 3168 D Nächste Sitzung 3168 D Anlage 1: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 863) betr. Londoner Abkommen und Außenpolitik der Bundesrepublik (zu Drucksache 958) 3169 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen über die Gesetzentwürfe der Fraktion der FDP (Drucksachen 716 [neu], 717), der Fraktion der SPD (Drucksache 836), der Fraktion des GB/BHE (Drucksache 859) und der Abg. Frau Dr. Probst u. Gen. (Drucksache 887) zur :nderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 1068) 3170 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 zu Drucksache 958 (C) (vgl. S. 3120 C, 3135 C) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Londoner Abkommen und Außenpolitik der Bundesrepublik (Drucksache 863) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Furler In der 47. Sitzung des Deutschen Bundestages, deren Gegenstand die Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung zur Londoner Konferenz vom 5. Oktober 1954 war, haben die SPD den Antrag Drucksache 863 und die Koalitionsparteien den Antrag Drucksache 864 gestellt. Beide Anträge befaßten sich mit der Londoner Schlußakte. Der Koalitionsantrag wurde vom Bundestag angenommen, der Antrag der SPD jedoch mit Mehrheit dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen. Der Ausschuß hat sich in seinen Sitzungen vom 13. Oktober und 9. November 1954 mit diesem Antrag befaßt. Er schlägt — und zwar auf Grund einstimmigen Beschlusses — dem Hohen Hause vor, diesen Antrag als gegenstandslos zu bezeichnen. Die Sprecher der SPD legten in der Plenarsitzung vom 7. Oktober 1954 und in den Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses dar, ihr Antrag gehe von den Ziffern 3 und 4 des Teiles V der Londoner Schlußakte aus, in denen die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und Frankreich erklären, es bleibe ein wesentliches Ziel ihrer Politik, eine frei vereinbare friedensvertragliche Regelung für Gesamtdeutschland herbeizuführen, und es sei weiterhin ein grundsätzliches Ziel ihrer Politik, durch friedliche Mittel ein völlig freies und vereinigtes Deutschland zu schaffen. In diesem Zusammenhang habe der Antrag drei Aufgaben: 1. festzustellen, welches Gewicht diesen Erklärungen der drei Mächte im Rahmen der Londoner Akte zukomme; 2. zu sichern, daß die in dieser Erklärung niedergelegten politischen Grundsätze lebendig gehalten und konkret gestaltet würden; 3. zur Durchsetzung dieser Politik und für ihre vertragliche Festlegung schon in der Zeit zwischen der Londoner Konferenz und den in Aussicht stehenden Pariser Verhandlungen beizutragen. Von ,den vier Ziffern des Antrags stehen die beiden ersten in einem engen, funktionellen Zusammenhang. Während die Ziffer 1 Besprechungen mit den drei westlichen Besatzungsmächten fordert, um die Grundlagen einer gemeinsamen Politik zu klären, die in den kommenden Vier-Mächte-Verhandlungen die Wiedervereinigung Deutschlands herbeiführen soll, schlägt die Ziffer 2 vor, zu diesem Zweck neben den in der Londoner Akte vorgesehenen speziellen Verhandlungskommissionen eine weitere Kommission zu bilden, deren Aufgabe es sei, gemeinsame Richtlinien festzustellen und eine einheitliche Politik für die Wiedervereinigung zu ermöglichen. Im Auswärtigen Ausschuß herrschte zwischen den Parteien und mit der Regierung im Grundsätzlichen Einverständnis über das Anliegen der Ziffer 1 des Antrags. Die Aussprache beseitigte auch Meinungsverschiedenheiten über Art und Aufgaben der angestrebten Kommission. Es wurde geklärt, daß ein solches Gremium wegen seiner hohen politischen Aufgabe nicht den zur Durchführung der Londoner Beschlüsse und zur Vorbereitung der Pariser Konferenz gebildeten Kommissionen gleichgestellt werden könne, zumal diese Expertenkommissionen zeitlich auf wenige Wochen begrenzt waren. Es ergab sich auch die allseits anerkannte Notwendigkeit, in dem gesamten Antrag nicht von den drei westlichen Besatzungsmächten zu sprechen, sondern klar herauszustellen, daß diese gemeinsame Aufgabe und alle vorbereitenden Schritte Sache der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland seien. Der Auswärtige Ausschuß konnte erst in seiner Sitzung vom 9. November 1954 damit beginnen, die Ziffern 3 und 4 des Antrags zu beraten. In diesem Zeitpunkt war die Pariser Konferenz schon abgeschlossen. Das dritte Ziel der Antragsteller war daher nicht mehr erreichbar. Der Antrag konnte nicht „die Grundlage für eine Aktivität in der Zeit zwischen der Londoner und der Pariser Konferenz" bilden. Er war unter diesem Gesichtspunkt gesehen gegenstandslos geworden, woraus der Ausschuß widerspruchslos die Folge zog und dem Hohen Haus den in Drucksache 958 formulierten Vorschlag macht. Nachdem der Antrag gegenstandslos geworden war, schied eine weitere Beratung seines Inhalts aus. Dieses formelle Schicksal des Antrags besagt allerdings nichts über die Bedeutung und die Wertung der in ihm enthaltenen politischen Fragen. Selbstverständlich behält das Anliegen einer gemeinsamen, auf die Wiedervereinigung Deutschlands gerichteten Politik mit den Vereinigten Staaten von Amerika, England und Frankreich, ja mit allen Staaten der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft, die gerade die Ziffern 3 und 4 des Teiles V der Londoner Schlußakte als auch sie bindend übernommen haben, seine große Bedeutung. Selbstverständlich spielt auch nach Abschluß und Ratifizierung der Pariser Verträge die Frage eine wichtige Rolle, auf welche Weise diese gemeinsame Politik konkret gestaltet und durchgeführt werden kann, und ob es zweckmäßig ist, hier eine spezielle Institution zu schaffen, die diese Politik der Mächte aktiviert und konkretisiert oder wenigstens Vorschläge ausarbeitet, die der Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands dienen sollen. Auch die politischen Hauptpunkte der Ziffer 3 des Antrags werden noch lange im Mittelpunkt des politischen Ringens stehen; die Fragen nämlich, in welchem Zeitpunkt Verhandlungen über die Wie- (Dr. Furler) dervereinigung auch mit Sowjetrußland zweckmäßig erscheinen, welches die möglichen Bedingungen für die Wiedervereinigung sind, was unter einem „europäischen Sicherheitssystem im Rahmen der Vereinten Nationen" zu verstehen ist, ob und unter welchen Bedingungen ein solches System realisierbar und ob es überhaupt geeignet ist, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit herbeizuführen und diesem wiedervereinigten Deutschland die Sicherheit zu gewähren, die unerläßlich ist. Bonn, den 9. Dezember 1954 Dr. Furler Berichterstatter Anlage 2 Drucksache 1068 (vgl. S. 3166 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (29. Ausschuß) über 1. den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 716 [neu]), 2. den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 717), 3. den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 836), 4. den von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 859), 5. den von den Abgeordneten Frau Dr. Probst, Maucher, Lücke und Genossen eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 887) Berichterstatter: Abgeordneter Pohle (Eckernförde) I. Allgemeines Am 15. Oktober 1954 wurden dem Bundestagsausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen die oben aufgeführten Initiativ-Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung im Bundestag zur weiteren Beratung überwiesen. Die Beratungen litten in der ersten Verhandlungsperiode unter der noch ausstehenden Stellungnahme der Bundesregierung. Erst am 2. Dezember 1954 wurde dem Ausschuß eine Kabinettsvorlage des Bundesministeriums für Arbeit als Material mit dem Hinweis des Herrn Bundesarbeitsministers vorgelegt, er habe vom Kabinett die Vollmacht erhalten, gemeinsam mit dem Kriegsopferausschuß ein Beratungsergebnis zu erzielen, das dem Bundestag als Beschlußvorlage zugeleitet werden könne. Gleichzeitig wurde dem Ausschuß für Kriegsopfer-. und Heimkehrerfragen ein Kompromißvorschlag der Koalitionsfraktionen überreicht, der ebenfalls als Verhandlungsgrundlage bei den weiteren Beratungen diente. Da bei allen Mitgliedern des Ausschusses das Bedürfnis bestand, dem Bundestag noch möglichst vor den Weihnachtsferien das Beratungsergebnis zur Beschlußfassung zuzuleiten, standen die Beratungen unter einem Zeitdruck, der in einigen Fällen die antragstellenden Fraktionen zwang, Teile ihrer Anträge zurückzuziehen, da die Probleme nicht ausdiskutiert werden konnten und keine der antragstellenden Fraktionen die Verantwortung dafür tragen zu können glaubte, durch ein Festhalten an den gestellten Anträgen die äußerst dringliche Verabschiedung einer Dritten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz hinauszuzögern. II. Der Gesetzentwurf im einzelnen Zu Artikel I Zu Nrn. 1 bis 4: Der Ausschuß stimmte mit Änderungen den Vorschlägen des Bundesministers für Arbeit zu den genannten Nummern bzw. den §§ 14 Abs. 7, 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 und 2 und 21 Satz 1 zu. Zu Nr. 5: Die Änderung des § 31 Abs. 1 über die Höhe der Grundrenten hat im Ausschuß zu sehr eingehenden Erörterungen geführt. Die jetzt vorgesehenen Beträge der Grundrente sind ein Mehrheitsbeschluß des Ausschusses, die den Sätzen des Kompromißvorschlages entsprechen. Zu Nr. 6: Einstimmig bekannte sich der Ausschuß in § 32 Abs. 2 (s. Nr. 6 Buchst. a) zu der. vorgeschlagenen Erhöhung der Ausgleichsrenten. Die Ergänzung zu § 32 Abs. 4 (s. Nr. 6 Buchst. b) war durch das vom Bundestag am 8. Dezember 1954 verabschiedete Kindergeldanpassungsgesetz notwendig geworden. Lediglich mit einigen redaktionellen Änderungen wurde diese Ergänzung in die Dritte Novelle zum Bundesversorgungsgesetz übernommen. Der Beschluß hierzu wurde mit Mehrheit gefaßt. Zu Nr. 7: Die in Buchst. a durch die Erhöhung der Ausgleichsrenten notwendig gewordene Ausweitung der Einkommensgrenzen wurde einstimmig beschlossen. (Pohle [Eckernförde]) Zu Buchst. b bestand Einmütigkeit im Ausschuß in der grundsätzlichen Auffassung. Strittig waren die festzusetzenden Beträge, bis zu denen die Einkünfte aus früheren Dienst- oder Arbeitsverhältnissen oder zusätzlichen Versorgungsleistungen einer berufsständischen Organisation bzw. die Einkünfte aus Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen Freibleiben sollten. Zu Nr. 8: Der Vorschlag, hinter § 34 einen neuen § 34 a einzufügen, entspricht ebenfalls einer bereits durch das Kindergeldanpassungsgesetz erfolgten Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes, die durch den Ausschuß lediglich eine redaktionelle Klarstellung erfahren hat. Der Beschluß wurde mit Mehrheit gefaßt. Zu Nr. 9: Einstimmig beschloß der Ausschuß, den Höchstsatz der Pflegezulage auf 200 DM festzusetzen. Zu Nr. 10: Die Änderung stellt eine Verbesserung der Regelung über die Bezüge für das Sterbevierteljahr dar. Sie wurde vom Bundesminister für Arbeit vorgeschlagen und vom Ausschuß einstimmig gebilligt. Zu Nr. 11: Die Grundrente der Witwen, die bisher in Höhe von 40 DM gewährt wurde, ist auf 48 DM angehoben worden. Für Witwen, die weder erwerbsunfähig sind noch für mindestens ein Kind im Sinne des § 41 Abs. 1 Buchst. c zu sorgen und das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wurde die Grundrente gleichfalls um 20 v. H. von 20 auf 24 DM erhöht. Weitergehende Erhöhungsanträge zu dieser Position wurden bei Stimmengleichheit abgelehnt. Zu Nr. 12: Die volle Ausgleichsrente der Witwen betrug bisher 60 DM. Sie wird durch die vorgeschlagene Änderung um 10 DM verbessert. Während die Ausgleichsrente bisher nur insoweit zu gewähren war, als sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen 95 DM nicht überstieg, ist dieser Betrag nunmehr auf 100 DM erhöht worden. Wie bei den Beschädigten wurde auch hier die Nichtberücksichtigung der Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes vorgesehen. Von diesen Einkünften soll künftig ein Teilbetrag in Höhe von 15 DM anrechnungsfrei bleiben. Diese Bestimmung hat zu ausgedehnten Erörterungen im Ausschuß geführt, da erhebliche Bedenken wegen der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend gemacht wurden. Das vorliegende Ergebnis beruht auf einem Mehrheitsbeschluß. Zu §§ 42 und 44: Die zu den genannten Vorschriften vorliegenden Anträge wurden von den Antragstellern aus den schon in der Einleitung zu diesem Bericht angeführten Gründen zurückgezogen. Die Vertreter der Bundesregierung haben zugesagt, in den Fällen des § 42 weitgehend von den Möglichkeiten des Härteausgleichs Gebrauch zu machen. Die gesetzliche Verankerung soll einer späteren Novellierung vorbehalten bleiben. . Zu Nr. 13: Die Grundrenten der Waisen wurden um 20 v. H. erhöht. Zu Nr. 14: Die Ausgleichsrenten der Waisen erhielten eine Aufbesserung um je 10 Deutsche Mark. Die Einkommensgrenzen wurden bei Waisen, deren Vater oder Mutter noch lebt, von 41 auf 46 DM und bei Waisen, ,deren Vater und Mutter nicht mehr leben, von 65 auf 70 DM erhöht. Nach der Neufassung des § 33 Abs. 2 gelten als sonstiges Einkommen auch freiwillige Leistungen, die mit Rücksicht auf ein früheres Dienst- oder Arbeitsverhältnis oder eine frühere selbständige Berufstätigkeit oder als zusätzliche Versorgungsleistung einer berufsständischen Organisation gewährt werden. Für § 47 finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als der 10 DM monatlich übersteigende Betrag als sonstiges Einkommen angerechnet wird. Zu Nr. 15: Zu § 51 beschloß der Ausschuß, die volle Elternrente bei einem Elternpaar von 84 DM auf 100 DM und bei einem Elternteil von 60 DM auf 70 DM zu erhöhen sowie eine entsprechende Anhebung der Einkommensgrenzen vorzunehmen. Die Einfügung des neuen Absatzes 4 beabsichtigt, auch den Eltern bei der Berechnung des sonstigen Einkommens monatlich einen Freibetrag zu gewähren. Zu Nr. 16: Es handelt sich hierbei um eine notwendige Klarstellung, da es möglich ist, daß neben einem Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe von Kriegsgefangenen besteht, die nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes bemessen wird. Zu Nr. 17: Auch diese Vorschrift dient zur Klarstellung der bisherigen Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes zu § 57 Abs. 1. Zu Nr. 18: Übereinstimmend wurde eine Verlängerung der Anmeldefrist für den Anspruch auf Elternversorgung, die mit dem 31. Dezember 1954 abläuft, um weitere zwei Jahre für notwendig erachtet. Zu Nr. 19: Diese Ergänzung hält der Bundesarbeitsminister für notwendig, denn solange der ehemalige Wehrmachtsangehörige sich in Kriegsgefangenschaft oder in ausländischem Gewahrsam befindet, haben die Angehörigen Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen. Zur Vermeidung einer Doppelversorgung kann dem beschädigten Wehrmachtsangehörigen daher Versorgung frühestens vom Monat der Entlassung ab gewährt werden. Da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung bisher nicht bestand, erscheint die vorgeschlagene Ergänzung auch im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung der noch nicht zurückgekehrten Kriegsgefangenen und Festgehaltenen geboten, zumal die noch in der Sowjetunion befindlichen Kriegsgefangenen Versorgungsansprüche gar nicht geltend machen können. Zu Nr. 20: Die Vorschrift ist notwendig, um eine Doppelversorgung auszuschließen. Ansprüche auf Heilbehandlung und Krankenbehandlung nach § 10 (Pohle [Eckernförde]) Abs. 5 und § 28 BVG werden durch die Vorschrift nicht berührt. Zu Nr. 21: Die Ergänzung des § 71 a dient der Klarstellung. Zu Nr. 22: Der § 78 a hat sich in der bisherigen Fassung als zu eng erwiesen. Künftig soll Kapitalabfindung auch Witwen mit Anspruch auf Witwenbeihilfe in Höhe der Rente und Ehefrauen Verschollener gewährt werden können. Für die Ehefrauen Verschollener ist zur Vermeidung von Härten mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen bereits die Gewährung von Darlehen zugelassen worden, die nach erfolgter gesetzlicher Regelung in Kapitalabfindungen umzuwandeln sind. Zu Nr. 23: Zur Klarstellung des § 81 Abs. 2 wird das Wort „Versorgungsbezüge" in das Wort „Leistungen" umgewandelt. Den gleichen Grund hat die Einfügung des Satzes: „Dies gilt nicht bei Ansprüchen, die aus Schwangerschaft und Niederkunft erwachsen sind." Zu Nr. 24: Die vorgesehene Möglichkeit zur Übertragung der Gewährung von Härteausgleichen auf nachgeordnete Dienststellen in den näher bezeichneten Fällen entspricht nach Meinung des Bundesministers für Arbeit einem dienstlichen Bedürfnis. Der Ausschuß hat dieser Anregung zugestimmt. Zu Artikel II Die Einfügung dieses Artikels wurde vom Bundesminister für Arbeit mit folgender Begründung vorgeschlagen: In Artikel V Abs. 2 unter Buchstabe a war vorgesehen, daß die Änderung des § 20 BVG mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 in Kraft treten soll. Die Durchführung hätte einen Verwaltungsaufwand verursacht, der in keinem Verhältnis zu dem erzielbaren finanziellen Ergebnis stehen würde. Die Vorschrift soll daher erst mit dem Tage nach der Verkündung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes in Kraft treten. Der Ausschuß hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Zu Artikel III Nach § 4 des Grundbetragserhöhungsgesetzes vom 17. April 1953 waren die Grundbetragserhöhungen bei der Ermittlung des für die Höhe der Ausgleichs- und Elternrenten maßgebenden sonstigen Einkommens unberücksichtigt zu lassen. Diese Vorschrift soll im Hinblick auf die in § 33 Abs. 2 und § 41 Abs. 5 vorgesehenen weiteren Freibeträge sowie auf die Erhöhung der für die Waisen- und Elternversorgung maßgebenden Einkommensgrenzen aufgehoben werden. Nach Meinung des Bundesministers für Arbeit wird mit .dieser Vorschrift erreicht, daß für alle Versorgungsberechtigten wieder einheitliche Grundsätze für die Feststellung des sonstigen Einkommens gelten. In diesem Punkt standen sich im Ausschuß gegenteilige Auffassungen gegenüber. Die Entscheidung in dem vorgeschlagenen Sinne beruht auf einem Mehrheitsbeschluß. Zu Artikel IV Mit dieser Vorschrift werden die vom Bundestag im Kindergeldanpassungsgesetz beschlossenen Ergänzungen des Bundesversorgungsgesetzes wieder aufgehoben, da eine entsprechende Regelung in Artikel I Nr. 6 Buchst. b und Nr. 8 dieses Gesetzes aufgenommen wurde. Zu Artikel V Der Artikel enthält die für den Übergang notwendigen Vorschriften. Zu Artikel VI Mit dieser Vorschrift wird der Bundesminister für Arbeit ermächtigt, den Wortlaut des Bundesversorgungsgesetzes in der aus diesem Gesetz sich ergebenden Neufassung bekanntzumachen. Zu Artikel VII In diesem Artikel ist die Anwendung des Gesetzes auf das Land Berlin bestimmt. Zu Artikel VIII Einstimmig beschloß der Ausschuß, die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Verbesserungen in der Kriegsopferversorgung ab 1. Januar 1955 wirksam werden zu lassen, die Ergänzung des § 65 durch einen Absatz 3 jedoch erst am 1. April 1955. III. Schlußbemerkungen Die durch diesen Gesetzentwurf bewirkten Verbesserungen verursachen im Bundeshaushalt voraussichtlich die nachstehend aufgeführten Mehraufwendungen: 1. Erhöhung der GRUNDRENTEN: Mehraufwand in Mio DM a) für Beschädigte 116,1 b) für Witwen 111,6 c) für Waisen 31,7 259,4 2. Erhöhung der AUSGLEICHSRENTEN und EINKOMMENSGRENZEN: a) für Beschädigte Mehraufwand in Mio DM Ausgleichsrenten 8,2 Einkommensgrenzen 17,3 25,5 b) für Witwen Ausgleichsrenten 46,2 Einkommensgrenzen 22,6 68,8 c) für Waisen Ausgleichsrenten 20,6 Einkommensgrenzen 43,8 64,4 3. Erhöhung des Höchstsatzes der PFLEGEZULAGE auf 200 DM: 0,5 0,5 4. Erhöhung der a) ELTERNRENTEN bei einem Elternpaar 3,0 bei einem Elternteil 7,0 10,0 b) EINKOMMENSGRENZEN bei einem Elternpaar 17,5 bei einem Elternteil 2,0 19,5 5. FREIBETRÄGE für Empfänger von SOZIALRENTEN usw. für Beschädigte 22,0 für Witwen 47,3 69,3 517,4 abzüglich Minderausgaben 108,3 bleibt ein jährlicher Mehrbedarf von 409,1 (Pohle [Eckernförde]) Der Kriegsopferausschuß hat seine Arbeiten so beschleunigt, daß der Bundestag Gelegenheit hat, den Gesetzentwurf noch am 15. Dezember 1954 zu verabschieden, und der Bundesrat in seiner letzten Sitzung des Jahres am 17. Dezember 1954 dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben kann. In einem Schreiben des Herrn Präsidenten des Bundesrates vom 10. Dezember 1954 an den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages wird jedoch mitgeteilt, daß der Bundesrat nur dann die Möglichkeit hätte, den Gesetzentwurf am 17. Dezember dieses Jahres zu beraten, wenn der Bundestag bereits zu einem früheren Termin eine Verabschiedung der Novelle hätte vornehmen können. Nach dem Schreiben des Herrn Präsidenten des Bundesrates ist es aber aus technischen und aus Gründen der Notwendigkeit von vorhergehenden Beratungen in den Länderkabinetten unmöglich, selbst wenn der Bundestag das Gesetz am 15. Dezember verabschieden würde, zwei Tage später bereits die Zustimmung des Bundesrates zu erreichen. Es ist der Wunsch des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, daß der Bundesrat trotz der für ihn entstehenden Schwierigkeiten eine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf noch vor Weihnachten erwägen möge, damit eine Verkündung des Gesetzes im Monat Januar 1955 gesichert ist. Unabhängig davon, wie die gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, werden seitens des Bundesarbeitsministeriums alle Maßnahmen vorbereitet werden, die eine raschere Durchführung des Gesetzes nach seiner Verkündung sicherstellen. Einer Anregung des Ausschusses folgend, werden nach Abstimmung mit den zuständigen Stellen Anweisungen des Bundesministers für Arbeit ergehen, um die Erhöhung der Grundrenten baldmöglichst zur Auszahlung gelangen zu lassen. Bonn, den 10. Dezember 1954 Pohle (Eckernförde) Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, der Präsident hat das Recht, nach eigenem Ermessen das Wort zur Geschäftsordnung zu erteilen.
    Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD, den Punkt 6 der Tagesordnung abzusetzen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
    Ich rufe auf die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung:
    1. a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Vorrang von Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1017, Umdruck 280),
    b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 997);
    2. Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Saar (Drucksache 1007, Umdruck 281).
    Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
    Wehner (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge und Anfragen der sozialdemokratischen Fraktion, die ich heute hier zu begründen habe, sind im Laufe der letzten Wochen eingereicht worden. Sie beziehen sich nicht unmittelbar auf die Vertragstexte oder auf die Ratifikationsgesetze, die heute in erster Lesung behandelt werden, aber diese Anträge und Anfragen gehören sachlich zur heutigen Debatte. Sie entstanden aus der durch die Pariser Verträge beeinflußten Lage. Sie enthalten Vorschläge und Anregungen der Sozialdemokraten zur Behandlung der Grund- und Existenzfragen unseres Volkes und Landes, Fragen, die durch die Auseinandersetzung um die Londoner und Pariser Abmachungen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt worden sind. Sie können, meine Damen und


    (Wehner)

    Herren — wenn ich mir diesen Hinweis erlauben darf —, an den Texten dieser Anträge und auch an den Daten ihrer Einreichung erkennen, daß es der sozialdemokratischen Fraktion nicht einfach darauf ankommt, sich kritisch mit den Ergebnissen der amtlichen Außenpolitik zu befassen und auseinanderzusetzen, sondern darauf, zur rechten Zeit auf Mittel und Wege aufmerksam zu machen, von denen wir meinen, daß sie ungeachtet aller tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Opposition und Regierung geeignet sein könnten, durch gemeinsame Bemühungen schwierige Situationen zum Wohle unseres Landes zu meistern.
    Es ist unvermeidbar, daß in dem einen oder in dem anderen Punkt unsere Vorschläge durch Ereignisse überholt zu sein scheinen, auf die einzuwirken wir dem Bundestag und der Bundesregierung gerade durch diese Vorschläge Gelegenheit geben wollten. Sie werden es mir hoffentlich nachsehen, wenn ich auch solchen Punkten einige Sätze widme. Sie dürfen versichert sein, daß ich es nicht deshalb tue, um Sie nachträglich zu belehren, sondern daß ich es tue, um Ihnen unser Wollen so darzulegen, daß Sie es, soweit es die leider häufig sehr tiefgehenden Vorurteile zulassen, im Licht dieser inzwischen eingetretenen Ereignisse verstehen können.
    So wende ich mich zunächst dem Antrag zu, der die Drucksachennummer 997 trägt. Er betrifft Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands. Als die sozialdemokratische Fraktion diesen Antrag einbrachte, stand die Beantwortung zweier Noten der Sowjetregierung durch die Regierungen der drei westlichen Besatzungsmächte bevor. Sie erinnern sich vielleicht des 18. November, an dem ich durch einen Geschäftsordnungsantrag versuchte, die Mehrheit des Deutschen Bundestages dafür zu gewinnen, diesen Antrag seiner Dringlichkeit wegen auf die Tagesordnung des folgenden Tages, also des 19. November, zu setzen und an diesem Tage zu beraten. Nun steht dieser Antrag also einen Monat später auf der Tagesordnung.
    Inzwischen haben die drei Westmächte am 29. November die beiden Sowjetnoten vom 23. Oktober und 13. November beantwortet. Inzwischen hat auch umgekehrt die Sowjetregierung in ihrer Antwortnote vom 9. Dezember zu den Noten der Westmächte Stellung genommen. Dieser Notenwechsel hat es leider offenbar gemacht, daß die Befürchtungen, die wir Sozialdemokraten am 18. November hier aussprachen, voll und ganz begründet gewesen sind. Der Notenwechsel ist in ein Stadium gegenseitiger Ultimaten getreten. Das Klima zur Behandlung des uns am Herzen liegenden Problems der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit ist sehr viel frostiger geworden, als es in den letzten Jahren jemals der Fall gewesen ist. Die deutsche Wiedervereinigung droht nicht nur auf Eis gelegt zu werden, sondern wir laufen Gefahr, daß unser Haupt- und Grundanliegen, eben diese Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit, eingeeist wird, weil Ost und West der militärischen Blockbildung den Vorrang vor Viermächteverhandlungen zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu geben im Begriffe sind.
    Man muß weit zurückgehen, wenn man in annähernd entsprechender Zahl öffentliche Äußerungen von der Art finden will, wie sie in den letzten Wochen sehr häufig im Ausland publiziert worden sind, Äußerungen, die es als mehr oder weniger selbstverständlich und unvermeidlich hinstellen wollen, daß Deutschland geteilt bleiben werde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das Anliegen, das die sozialdemokratische Fraktion mit ihrem Antrag vom 18. November zum Ausdruck bringen wollte, war: der Deutsche Bundestag möge durch eine unmißverständliche Bekundung seines Willens zur unverzüglichen Vorbereitung und Aufnahme von Viermächteverhandlungen für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands den Anstoß dazu zu geben suchen, daß die drei westlichen Besatzungsmächte die von ihnen damals noch nicht beantwortete sowjetische Note vom 23. Oktober mit ihrem Vorschlag zum Eintritt in Viermächteverhandlungen positiv beantworten würden. Dadurch hätte unserer Auffassung nach wahrscheinlich verhindert werden können, daß die Sowjetregierung den in ihrer späteren Note vom 13. November angekündigten Weg ultimativer Drohungen tatsächlich beschritt. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen: die Sowjetnote vom 23. Oktober enthielt die Sätze:
    Die Sowjetregierung ist der Ansicht, daß es Möglichkeiten gibt, ein Übereinkommen zwischen den Staaten in dieser Frage zu erzielen, wenn man von der Anerkennung der unumstrittenen Tatsache ausgeht, daß die Wiedervereinigung Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage die Hauptaufgabe ist. Die Sowjetregierung erklärt sich bereit, den auf der Berliner Konferenz von Großbritannien eingebrachten und von Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützten Vorschlag über die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen erneut zu erörtern. Dabei geht die Sowjetregierung davon aus, daß auch die entsprechenden Vorschläge der Sowjetunion erörtert werden.
    So in der Note vom 23. Oktober.
    Die Sowjetnote vom 13. November aber enthielt die Erklärung, die Verwirklichung der Londoner und Pariser Abkommen würde — nach Ansicht der Sowjetregierung — bedeuten, daß die Wiedervereinigung Deutschlands durch freie gesamtdeutsche Wahlen eben diesen Londoner und Pariser Abkommen „zum Opfer gebracht" würde, wie es dort heißt. In dieser Note kündigte die Sowjetregierung für den 29. November eine gesamteuropäische Sicherheitskonferenz an, die sie dann auch ungeachtet der Absagen aller Staaten, die nicht im sowjetischen Machtbereich gelegen sind, als eine Rumpfkonferenz der Regierungen ihres unmittelbaren Machtbereichs, einschließlich der Sowjetzonenregierung, durchführte.
    Unser am 18. November eingereichter Antrag forderte:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    1. Die Einheit Deutschlands als Staat zu wahren und mit friedlichen Mitteln zu vollenden, bleibt — unbeschadet der Meinungsverschiedenheiten über den politischen Weg — die vordringlichste Aufgabe der deutschen Politik.
    2. Der Bundestag fordert Viermächteverhandlungen, deren Ziel es sein muß, freie Wahlen in Deutschland zu ermöglichen, um eine deutsche Regierung zu bilden.


    (Wehner)

    Es darf keine Möglichkeit versäumt werden, zu diesen Verhandlungen zu kommen, denn die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit ist eine Gegenwartsaufgabe der Politik,

    (Beifall bei der SPD)

    weil sie zugleich eine Voraussetzung zur Kriegsverhütung und der Sicherheit für die freie Welt ist.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    3. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung — angesichts der Gefahr, daß nach einer Verwirklichung der Beschlüsse der Pariser Konferenz erfolgversprechende Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands für absehbare Zeit unmöglich sein
    könnten —,
    a) diese Willenskundgebung des Bundestages den vier Besatzungsmächten in aller Form zur Kenntnis zu bringen;
    b) in Besprechungen mit den drei westlichen Besatzungsmächten darauf hinzuwirken, daß diese den in der sowjetischen Note vom 23. Oktober 1954 enthaltenen Vorschlag zu Viermächteverhandlungen über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands positiv beantworten und unverzüglich in Verhandlungen über die Vorbereitung dieser Konferenz eintreten;
    c) in den Besprechungen mit den drei westlichen Besatzungsmächten weiter darauf hinzuwirken, daß diese der sowjetischen Besatzungsmacht ausdrücklich ihre Bereitschaft erklären, in den Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands zugleich und im Zusammenhang damit über die Eingliederung Deutschlands in ein europäisches Sicherheitssystem im Rahmen der Vereinten Nationen zu verhandeln;
    d) den drei westlichen Besatzungsmächten vorzuschlagen, der Sowjetregierung in Beantwortung der sowjetischen Note vom 13. November den Vorschlag zu unterbreiten, die Forderung nach einer „gesamteuropäischen Konferenz über ein System der kollektiven Sicherheit" auszusetzen, damit zunächst in Viermächteverhandlungen eine Lösung der mit der Wiedervereinigung Deutschlands zusammenhängenden Probleme gefunden und die Gefahr einer Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands vermieden werden könnte.
    Selbst wenn, meine Damen und Herren, die unter Ziffer 3 b, c und d vorgeschlagenen Maßnahmen infolge der inzwischen von den Besatzungsmächten unternommenen Schritte als gegenstandslos bezeichnet werden sollten oder könnten, wäre es unseres Erachtens von Bedeutung, wenn sich die Mehrheit des Bundestages zu der in den Ziffern 1 und 2 unseres Antrags geforderten Willenskundgebung entschlösse und angesichts der unbestreitbaren Richtigkeit der in dem einleitenden Satz der Ziffer 3 ausgedrückten Befürchtung sich auch die Ziffer 3 a unseres Antrags zu eigen machte, d. h., die Bundesregierung ersuchte, diese Willenskundgebung des Bundestages den vier Besatzungsmächten in aller Form zur Kenntnis zu bringen. Ich glaube, daß das, besonders nachdem inzwischen der Text einer neuen sowjetischen Note, die eine Antwort auf eine Note der westlichen Besatzungsmächte darstellt, bekanntgeworden ist, von großer Bedeutung wäre.
    Ich bitte Sie um so dringender um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, als ich schon mit Bedauern habe feststellen müssen, daß der Bundestag am 18. November durch die Ablehnung unseres Vorschlages, den gesamten Antrag als dringlich schon am 19. November zu beraten, die Gelegenheit vorübergehen ließ, rechtzeitig durch eine unüberhörbare deutsche Stellungnahme auf den inzwischen unglücklich verlaufenen Gang der Ereignisse einzuwirken.
    Am 22. November hat sich .der französische Ministerpräsident in einer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Frage von Viermächteverhandlungen befaßt und dabei zum Ausdruck gebracht, er habe nichts dagegen einzuwenden, wenn sich Osteuropa nach dem Muster Westeuropas organisieren würde. Und weiter sagte er:
    Ich versichere, daß ich es gern sehe, wenn nach dem Muster der Westeuropäischen Union eine osteuropäische Verteidigungsgemeinschaft entsteht
    — der Ministerpräsident der Republik Frankreich hat zwar betont hinzugefügt:
    vorausgesetzt, daß diese osteuropäische Verteidigungsgemeinschaft die für den Westen vorgesehenen Modalitäten in bezug auf die Öffentlichkeit, die Beschränkung und die Kontrolle der Rüstungen übernimmt.
    Aber ich fürchte, solche Einschränkungen bleiben wirkungslos, wenn erst einmal die eigentümliche Dynamik militärischer Blockbildungen zur Entfaltung gebracht worden ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Der Herr Ministerpräsident von Frankreich hat in dieser Rede den Gedanken zurückgewiesen, unverzüglich zu einer Viermächtekonferenz seine Einwilligung zu geben. Erst müßten, so meinte er, die Pariser Verträge ratifiziert sein. Nach seiner Ansicht hieße es sich auf ein Abenteuer einlassen, wollte man unter anderen Voraussetzungen handeln.
    In der von mir schon erwähnten letzten sowjetischen Note vom 9. Dezember aber heißt es in aller brutalen Schroffheit, daß nach der Ratifikation der Pariser Verträge Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands gegenstandslos sein würden. Mir ist keine Stellungnahme der deutschen Bundesregierung zur Kenntnis ,gekommen — ebensowenig eine offiziöse Verlautbarung der doch sonst nicht eben schweigsamen Pressestelle unserer Regierung —, in 'der in geziemender Form darauf aufmerksam gemacht worden wäre, auf welches Abenteuer sich einzulassen man dem deutschen Volke zumuten würde, wenn man ernstlich darauf ausginge, jeden der beiden Teile Deutschlands in einem anderen Verteidigungsblock aufgehen zu lassen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Leider hat es sogar Stimmen gegeben, die eine gewisse Übereinstimmung zwischen Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers — in den Vereinigten Staaten gemacht — und den eben zitierten Ausführungen des französischen Ministerpräsidenten hervorzuheben suchten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)



    (Wehner)

    Der Herr Bundeskanzler hat übrigens am 16. November in der Belgrader Zeitung „Politika" in einem Interview erklärt:
    Diese Pariser Vereinbarungen sind die essentielle Vorbedingung für den Aufbau eines Systems allgemeiner Sicherheit und Abrüstung. Es geht nicht darum, sie noch einmal zu erörtern, sondern herauszufinden, ob die Sowjetunion wirklich normale Beziehungen wünscht und was sie in dieser Beziehung zu tun bereit ist.
    Zu der Zeit, als der Herr Bundeskanzler das veröffentlichen ließ, hatte die eine der vier Besatzungsmächte, die sowjetische, schon wiederholt ausdrücklich behauptet, daß nach einer Ratifikation und Verwirklichung der Pariser Beschlüsse keinerlei Grundlage für Vier-Mächte-Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands mehr bestehe. Wäre es im deutschen Interesse — das in diesem Falle doch wohl auch ein wohlverstandenes europäisches Interesse genannt werden darf—nicht erforderlich gewesen, herauszufinden — um das Wort zu verwenden, das der Herr Bundeskanzler in anderem Zusammenhang gebraucht hat —, ob es nicht Möglichkeiten gibt, diese Erstarrung zu vermeiden oder abzuwenden?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Seit der von mir zitierten Rede des Herrn französischen Ministerpräsidenten haben sich im Ausland die Stimmen vermehrt, die es für sozusagen ausgemacht halten, daß man zunächst die beiden Blöcke zur Entwicklung bringen oder kommen lassen müsse, um dann zu allmählichen Abrüstungsmaßnahmen zu gelangen. Diese Vorstellung hat ja kürzlich auch in der Beratenden Versammlung des Europarates in Straßburg ihren Niederschlag gefunden.
    Die sozialdemokratische Fraktion erachtet diese Entwicklung als alarmierend. Deshalb fragt sie in ihrer am 26. November eingereichten Großen Anfrage die Bundesregierung:
    1. Ist die Bundesregierung bereit und willens, als deutschen Standpunkt gegenüber den Besatzungsmächten nachdrücklich geltend zu machen, daß diese bei allen Verhandlungen über Sicherheitsabkommen die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands durch ein Viermächte-Abkommen und die Eingliederung des vereinigten Deutschland in ein europäisches kollektives Sicherheitssystem im Rahmen der Vereinten Nationen mit Vorrang betreiben sollen?
    2. Ist die Bundesregierung bereit und willens, bei den drei westlichen Besatzungsmächten zu fordern, daß diese nicht sogenannte Sicherheitsabkommen mit der Sowjetunion oder mit Ländern des Ostblockes bei ausdrücklicher oder stillschweigender Hinnahme der Fortdauer der Spaltung Deutschlands schließen?
    Zu dem zweiten Abschnitt dieser Anfrage darf ich noch einen erläuternden Satz sagen. Ich möchte darauf hinweisen, daß sowohl im Notenwechsel zwischen den Besatzungsmächten als auch in anderen Verlautbarungen immer wieder von der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit z. B. des französisch-sowjetischen Vertrags vom Jahre 1944 mit den Londoner und Pariser Abmachungen die Rede ist, eine Frage, an deren Klärung wir begreiflicherweise sehr interessiert sein müssen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Manche der hier bezeichneten Sorgen brauchten uns nicht zu bedrücken, wenn die Mehrheit des Bundestages am 7. Oktober unserem Antrag gefolgt wäre, durch den wir Sozialdemokraten damals versucht haben, anknüpfend an gewisse Punkte der Londoner Schlußakte, die Bundesregierung zu verpflichten, mit den Partnern der Londoner Abkommen Richtlinien für eine gemeinsame aktive Wiedervereinigungspolitik zu erarbeiten und abzuschließen. Der Bundestag überwies damals diesen Antrag dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, der aber eine Erledigung dieses Antrags vor dem Stattfinden der Pariser Konferenz nicht ermöglichte. Unsere Vorschläge von damals waren konkrete Vorschläge für eine im Sinne aktiver Wiedervereinigungspolitik wirksame Kooperation der Bundesrepublik mit den Kräften der freien Welt.
    Nachdem dieser Antrag, dem wir solche grundlegende Bedeutung beimaßen, durch das Beharrungsvermögen der Mehrheit dieses Hauses in seinen Forderungen terminlicher Art gegenstandslos geworden ist, obwohl er in der Sache seine Bedeutung behalten hat, müssen wir das Grundanliegen dieses Antrags erneut aufnehmen. Es ist enthalten in dem Ihnen heute vorgelegten Antrag zur Großen Anfrage betreffend Vorrang von Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands*). Er lautet:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    1. Die Bundesregierung wird ersucht,
    a) durch die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen mit den Regierungen der Republik Frankreich. des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland sowie der Vereinigten Staaten von Amerika darauf zu dringen, daß eine gemeinsame Politik der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit vereinbart und insbesondere ein gemeinsamer Vorschlag ausgearbeitet wird zu dem Ziel, die Freiheit und Sicherheit Deutschlands dadurch zu verwirklichen, daß das ganze Deutschland einem europäischen Sicherheitssystem im Rahmen der Vereinten Nationen eingegliedert werden soll,
    b) in gleicher Weise auf die drei genannten Regierungen einzuwirken, daß ohne Aufschub Verhandlungen mit der Sowjetunion auf dieser Grundlage aufgenommen werden,
    c) den drei westlichen Besatzungsmächten durch eine Note mitzuteilen,
    daß das deutsche Volk ein Fortbestehen der Spaltung nicht hinnehmen kann,
    daß für das deutsche Volk die Wiedervereinigung in Freiheit das erste und vordringlichste Ziel seiner Politik ist und bleibt sowie
    daß jeder Versuch, die Koexistenz des Westens und des Ostens auf die Spaltung Deutschlands zu gründen, zu verhängnisvollen Gefahren führen muß;
    2. die Beschlußfassung über die Vertragsgesetze bis zum Abschluß solcher Verhandlungen auszusetzen.
    *) Umdruck 280.


    (Wehner)

    Damit, meine Damen und Herren, kann ich diesen Teil meiner Ausführungen zur Begründung der Anträge und Anfragen der sozialdemokratischen Fraktion zum Abschluß bringen.
    Dazu erlaube ich mir noch einige zusammenfassende Sätze. Wir Sozialdemokraten möchten der Tendenz entgegenwirken, daß man im Westen, auf dessen Hilfe unser Volk in seinem Bemühen um die friedliche Wiedervereinigung und den Abschluß des Friedensvertrages angewiesen ist, sich der Auffassung hingibt, die Entspannung der internationalen Gegensätze, auf die wir sehnlich hoffen, lasse sich unter Umgehung der deutschen Frage erreichen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ein friedliches Nebeneinanderleben der Staaten mit verschiedenen Regimen und Gesellschaftsordnungssystemen kann nicht auf dem zerschnittenen Volks- und Staatskörper eines Volkes be- gründet werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Bundesregierung, deren Chef kürzlich von einer der bedeutendsten amerikanischen Zeitungen dafür besonders gerühmt worden ist, daß er, wie sie schrieb, der Integration Europas bereitwillig den Vorrang vor der Vereinigung seines eigenen Landes gegeben habe,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und der Herr Bundeskanzler selbst sollten unsere Anträge als Gelegenheit begrüßen und ergreifen, um den Eindruck zu korrigieren, als ließen sie einer Entwicklung ihren Lauf, die der Beibehaltung des Status quo, des geteilten Deutschlands, den Vorrang gibt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Erfreulicherweise haben sich in letzter Zeit auch manche Persönlichkeiten von Rang und Gewicht in anderen Ländern zur deutschen Frage geäußert, deren Worte von uns in Deutschland als willkommene Hilfe begrüßt und begriffen werden sollten. Solcher Art, meine ich, waren die Erklärungen von George Kennan, dessen Name in diesem Hause keiner besonderen Erläuterung bedarf. Er riet dringend und mahnend, bei militärischen Lösungsversuchen nur Lösungen solcher Art zu wählen, die sowohl die Bundesrepublik als auch die westlichen Verhandlungspartner in die Lage versetzten, bei zukünftigen Verhandlungen in der, wie er hervorhob, lebenswichtigen Frage der deutschen Wiedervereinigung mit der nötigen Beweglichkeit operieren zu können. Es hat sich schon jetzt herausgestellt, daß Kennan zweifellos recht hatte, wenn er davor warnte, eine Mitgliedschaft der Bundesrepublik im Nordatlantikpakt ins Auge zu fassen, weil das mit schweren Rückschlägen verbunden wäre, mit schweren Rückschlägen besonders für die für erforderlich gehaltene Beweglichkeit im Operieren, um den Prozeß der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgreich zu führen und zu Ende zu führen. Es geht ja dabei vor allem um die Frage des Status Gesamtdeutschlands, eine Frage, zu der die westlichen Besatzungsmächte im September vergangenen Jahres ihre Bereitschaft für Verhandlungen in aller Deutlichkeit erklärt haben. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom Oktober vergangenen Jahres ausdrücklich und unter Unterstreichung dieser Bereitschaft sich diese Forderung zu eigen gemacht. Inzwischen sind die Mächte von diesem notwendigen Ausgangspunkt für Vier-Mächte-Verhandlungen wieder heruntergegangen. Und das steht wohl in einem Zusammenhang mit der von mir gekennzeichneten Entwicklung.
    Aber ich wollte noch eine andere, für uns erfreuliche Stimme in diesem Zusammenhang erwähnen. Der Ministerpräsident von Indien, Pandit Nehru, hat kürzlich Gelegenheit genommen, sich zur deutschen Frage zu äußern. Er fand Worte, für die wir dankbar sein dürfen, indem er sagte: „Was Deutschland angeht, so glauben wir, daß eine endgültige Teilung dieses Landes nicht zu einer Lösung, sondern zu neuer Zwietracht führen wird. Alles, was zu einer Teilung beiträgt, wird daher nicht zum Frieden beitragen. Wir sind der Auffassung, daß der Friede nicht mehr mit militärischen Abmachungen gesichert werden kann, sondern daß man neue Methoden suchen muß, die Angst und Verdacht nicht stützen, wie dies bei der Aufrüstung gewöhnlich der Fall ist."

    (Beifall bei der SPD.)

    Und so fuhr Nehru fort: „Ich hoffe jedoch, daß sich eine Verständigung über Deutschland nicht notwendigerweise auf militärische Prinzipien gründen muß, obgleich, das muß ich sagen, die jetzigen Diskussionen gerade diese Seite der Verständigung in den Vordergrund stellen."

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich wollte diese Zeugnisse der Anteilnahme an unserer Existenzfrage erwähnen, um uns allen vor Augen zu führen, wie sehr auch außerhalb unserer unmittelbaren Nachbarschaft unsere Probleme Anlaß zu Erwägungen und zu mitfühlenden Sorgen geben. Ein Grund mehr für uns Deutsche, nicht müde zu werden, in dem so schwierigen Prozeß der Entwicklung zu Freiheit und Einheit auch für unser Volk in der Gemeinschaft der Völker immer wieder darauf zu drängen, daß unser Grundanliegen, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit, nicht anderen Interessen geopfert werde.

    (Beifall bei der SPD.)

    Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, nun noch einige wenige begründende Bemerkungen zu der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion betreffend die Saar zu machen. Auch die Saarfrage betrifft im Grunde genommen die Wiedervereinigung Deutschlands.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wer hätte denn während der ganzen zurückliegenden Jahre beim Erklingen und Aussprechen des Wortes Wiedervereinigung nicht immer auch an die Saar gedacht!

    (Beifall bei der SPD.)

    Bei dem Abkommen über die Saar haben wir es mit dem Versuch einer Regelung zu tun, die nicht zuletzt deshalb so sorgfältig geprüft zu werden verdient, weil eine solche Regelung wesentliche Auswirkungen auf die endgültige Regelung unserer Grenz- und Gebietsfragen im Friedensvertrag überhaupt haben könnte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mein Freund Professor Schmid hat heute morgen unter präziser Berufung auf die, ich möchte sagen, erschreckende Gegensätzlichkeit

    (Sehr wahr! bei der SPD)



    (Wehner)

    in der Motivierung dieses Abkommens durch die beiden beteiligten Seiten beantragt, die Beratung dieses Teiles für heute auszusetzen und der Regierung Gelegenheit zu geben, mit ihrem französischen Verhandlungspartner um eine authentische Interpretation bemüht zu sein. Er hat dabei angeboten, daß wir, wenn der Bundestag diesem unserem Ansinnen folgen sollte, auf diese Anfrage und ihre Behandlung heute und auf den Antrag, den wir dazu eingereicht haben, verzichten würden; denn uns geht es dabei um die sachliche Klärung. Sie haben diesem Antrag nicht stattgegeben.
    Ich kann deshalb nicht anders, als Ihnen vorzuschlagen, sich mit unserer Anfrage zu befassen und unserem Antrag, der damit im Zusammenhang steht, Ihre Zustimmung zu geben. Wir gehen bei unserer Anfrage davon aus, daß der Bundestag wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, was in der bekannten Entschließung vom 2. Juli 1953 zusammengefaßt worden ist:
    Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei der weiteren Behandlung der Saarfrage von folgenden Grundsätzen auszugehen:
    1. daß das Saargebiet nach deutschem und internationalem Recht ein Teil Deutschlands innerhalb der Grenzen vom 31. Dezember 1937 ist;
    2. daß die zur Zeit im Saargebiet bestehende Ordnung Bestandteil der inneren Organisation Deutschlands ist, welche die Besatzungsmächte. in Ausübung der von ihnen vorübergehend übernommenen höchsten Gewalt eingerichtet haben;
    3. daß bei Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen durch die Bundesrepublik im Hinblick auf das Saargebiet das Recht in dem Sinne wiederherzustellen ist, daß
    a) innerhalb des Saargebietes freiheitliche demokratische Zustände geschaffen werden;
    b) der De-facto-Abtrennung des Saargebietes von Deutschland ein Ende gemacht und seine Zugehörigkeit zu Deutschland beachtet wird.
    Meine Damen und Herren, in unserer Anfrage fragen wir die Bundesregierung:
    1. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die in Paris unterzeichneten Abreden über die Saar durch eine vorläufige Vereinbarung über einen einstweiligen Zustand zu ersetzen, der
    a) nichts daran ändert, daß das Saargebiet ein Teil des deutschen Staatsgebietes ist, das von Frankreich innerhalb seiner Besatzungszone besetzt ist,
    b) den Deutschen an der Saar die Bürger-und Menschenrechte ohne Einschränkung sichert?
    2. Wie gedenkt die Bundesregierung als eine Regierung in Deutschland, die als einzige aus freien Wahlen hervorging, ihrer Pflicht zu genügen, für alle Deutschen, auch die Deutschen an der Saar, zu sprechen, um das Recht für die Deutschen, auch die Deutschen an der Saar, frei in einem geeinten Deutschland zu leben, gegenwärtig und zukünftig zu verteidigen?
    Ich glaube, daß diesen Fragen kein kommentierender Satz hinzugefügt werden muß, vielleicht außer dem einen, daß diese Umschreibung der Freiheit und ,der Wahrung der Menschenrechte auch für die Deutschen an ,der Saar in den betreffenden Artikeln des Pariser Saarabkommens nicht nur zwischen den beiden vertragschließenden Partnern, sondern auch in der übrigen Welt schon für die ersten Monate nach dem Inkrafttreten des Statuts zu sehr verschiedenartigen Auslegungen geführt hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Nun noch einige Worte zu unserem Antrag*), der Ihnen heute vorgelegt worden ist und der mit dieser Anfrage im Zusammenhang steht. Wir beantragen:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    Die Bundesregierung wird ersucht, 1. in Verhandlungen mit der französischen Regierung klarzustellen, daß auch die französische Regierung die Bestimmungen der Ziffer VI des Saarabkommens über die politischen Freiheiten im Saargebiet so versteht, daß die politischen Parteien, die Vereine und die Presse keiner Genehmigung mehr unterworfen sein werden und weder vor noch nach dem in Ziffer I vorgesehenen Referendum aus politischen Gründen verboten oder suspendiert werden können, es sei denn, daß sie darauf ausgehen, die politischen Freiheiten zu zerstören oder das Statut durch undemokratische Mittel zu ändern;
    3. der französischen Regierung mitzuteilen, der Deutsche Bundestag sei der Auffassung, daß jede andere Auslegung der Ziffer VI dem Statut des Europarates und der Konvention zur Wahrung der Menschenrechte widerspräche und daß der Saarvertrag dann schon aus diesem Grunde vom Deutschen Bundestag verworfen werden müßte.
    Meine Damen und Herren, heute ist, abgesehen von der von Herrn Professor Schmid erwähnten ersten Nachricht über die Begründung, die die französische Regierung dem Saarabkommen bei der Einbringung in der Kammer gegeben hat, auch eine andere, wenn auch kleine Mitteilung in der Presse zu finden, daß der aus dem Saargebiet stammende Kollege unseres Hauses Trittelvitz daran gehindert wurde, an der Saar zu jungen Menschen frei zu sprechen.

    (Lebhafte Pfui-Rufe von der SPD.)

    Ich halte es für eine Ehrenpflicht — ich hoffe, das Haus schließt sich dem an —, daß gerade angesichts eines solchen Ereignisses die Wünsche der deutschgesinnten Parteien an der Saar, jener Parteien also, die bisher unterdrückt worden sind, die nicht die Erlaubnis zu einer freien demokratischen Wirkungsmöglichkeit erhalten haben, in bezug auf dieses Abkommen uns jedenfalls sehr gewichtig erscheinen, und ich bin der Auffassung, daß wir uns mit ihnen ernsthaft befassen und auseinandersetzen müssen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da es diesen Parteien bis heute noch verwehrt ist, wie das Beispiel des Kollegen Trittelvitz zeigt, zur Saarbevölkerung frei zu sprechen, obwohl der *) Umdruck 281.


    (Wehner)

    Herr Bundeskanzler in seiner ersten Erklärung nach der Unterzeichnung der Hoffnung Ausdruck gegeben hat, nun werde auch für die Bevölkerung an der Saar die Zeit dasein, sich frei entscheiden und einrichten zu können, halte ich es für meine Pflicht, hier zu sagen, daß die Vertreter der deutschgesinnten Parteien an der Saar darauf aufmerksam machen möchten, erstens, daß die Bestimmungen im Abkommen über die Saar so ausgelegt werden müssen, daß auch nach Inkrafttreten des Statuts gemäß Ziffer IX die Bevölkerung an der Saar ihren Standpunkt im Hinblick auf die endgültige Regelung im Friedensvertrag jederzeit frei und auf demokratische Weise zum Ausdruck bringen kann, insbesondere auch jederzeit die Forderung vertreten darf, daß das Verbleiben des Saargebiets bei Deutschland Bestandteil des Friedensvertrags sein muß; zweitens, daß die in Ziffer IX vorgesehene zweite Abstimmung die echte Alternative, d. h. auch die Frage des Verbleibs der Saar bei Deutschland enthalten muß; drittens, daß nach Inkrafttreten des vorläufigen Statuts die Änderung einzelner sich später für die Interessen der Saarbevölkerung als unhaltbar erweisender Bestimmungen jederzeit frei und auf demokratische Weise gefordert werden kann, ohne jedoch dadurch die Beseitigung des Statuts in seiner Gesamtheit zu verlangen, und viertens, daß auch nach Inkrafttreten des Statuts die demokratischen Freiheiten und die Menschenrechte uneingeschränkt gewährleistet werden.
    Ich bin froh, daß diese von den deutschgesinnten Parteien an der Saar als so wesentlich betrachteten Forderungen völlig im Einklang mit den Punkten stehen, die in unserer Anfrage und in unserem Antrag Gegenstand unserer Vorschläge und Forderungen sind.
    Damit kann ich das, was ich zur Begründung der Ihnen heute vorgelegten Anfrage und Anträge zu sagen hatte, abschließen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der Großen Anfragen und der eingebrachten Anträge unter Punkt 1 und 2 der Tagesordnung gehört. Die Beantwortung wird, wie mitgeteilt, mit der Behandlung der Tagesordnungspunkte 3 bis 7 verbunden.
Daher rufe ich nunmehr die Punkte 3, 4, 5, 6 und 7 der Tagesordnung auf:
3. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 1000, zu 1000);
4. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060);
5. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061);
6. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062);
7. Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Londoner Abkommen und Außenpolitik der Bundesrepublik (Drucksachen 958, zu 958, 863).
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in Ausführung der Londoner Schlußakte auf der Pariser Konferenz abgeschlossenen Verträge sind dem Hohen Hause mit den entsprechenden Gesetzen zur Beschlußfassung zugegangen. Mit ihrer Begründung werde ich die Beantwortung der von der SPD-Fraktion gestellten, von Herrn Bundestagsabgeordneten Wehner begründeten Großen Anfragen und Anträge verbinden.
    Meine Damen und Herren, ich werde länger sprechen, als es sonst meine Art ist. Das beruht einmal auf der Fülle des Stoffes. Ich halte mich aber auch für verpflichtet, Ihnen die Größe der Verantwortung, die Sie als die verantwortlichen Vertreter des deutschen Volkes tragen, in ihrer ganzen Bedeutung und Schwere darzulegen.
    Bevor ich auf die Pariser Verträge selbst eingehe, möchte ich versuchen, die Situation der Bundesrepublik Deutschland und Europas bei der heutigen Weltlage klarzulegen, da es notwendig ist, bei allen wichtigen außenpolitischen Entscheidungen, die wir zu treffen haben, sie zu berücksichtigen.
    Aus dem zweiten Weltkrieg sind zwei große Staatengruppen hervorgegangen, die kommunistisch geführten Staaten und die Länder der freien Welt. Die Demarkationslinie zwischen beiden Gruppen läuft mitten durch Deutschland und teilt es in zwei Teile. Drei der Besatzungsmächte gehören zur Gemeinschaft der freien Nationen; die Sowjetunion dagegen ist die führende kommunistische Macht.
    Auch der von den Westmächten besetzte Teil Deutschlands, die Bundesrepublik, ist nicht frei. Das Besatzungsrecht überlagert noch immer unsere Souveränität. Ja, in einem bestimmten Sinn sind die Vereinbarungen der Vier Mächte die Grundlage für die Existenz des freien Berlins und für das bestehende Minimum von Verbindungen zwischen der Bevölkerung der Bundesrepublik und der Sowjetzone.
    Die europäischen Völker haben eine bedeutungsvolle Konsequenz aus der Katastrophe des zweiten Weltkrieges gezogen; sie wollen den Nationalismus überwinden und die lockere Kooperation der Staaten früherer Zeit durch eine echte Gemeinschaft ersetzen. Deutschland gehört nach seiner Kultur, seiner Anschauung von Menschenwürde und Freiheit zu den freien Staaten und damit zu der in Europa im Entstehen begriffenen Gemeinschaft. Auf dem Wege in diese Gemeinschaft sind die freien Nationen Deutschland entgegengekommen. Die Sowjetpolitik hat aber bisher verhindert, daß ganz Deutschland in diese Gemeinschaft aufgenommen wurde. Sie versucht vielmehr, im klaren Gegensatz zu dem ausgesprochenen Willen des gesamten deutschen Volkes, ganz Deutschland in die unfreie, in die kommunistische Sphäre einzubeziehen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    *) Siehe Anlage 1.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Deutschland ist in der großen Auseinandersetzung, die unsere Jahre erfüllt, bisher in hohem Maße ein Objekt der Weltpolitik gewesen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Infolgedessen war es eines der ersten Ziele der Bundesregierung, Freiheit und Selbstbestimmung für die Bundesrepublik zu gewinnen. Damit erlangt die Bundesrepublik auch die Freiheit ,des Handelns zugunsten ganz Deutschlands.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Wiedererlangung der deutschen Souveränität und die gleichzeitige Eingliederung Deutschlands in die Gemeinschaft der freien Nationen ist gefördert worden durch die Aggressivität der sowjetischen Politik. Bei der Verfolgung ihrer ideologischen und machtpolitischen Ziele hat die sowjetische Führung alle Mittel der subversiven Propaganda, der Unterminierung durch ihre Agenten und Organisationen, der Drohung und des Drucks eingesetzt, um ihre Nachbarstaaten zu Satellitenstaaten zu machen und um auch die freiheitliche Ordnung in den demokratischen Staaten zu erschüttern und zu beseitigen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Sie ist, wie der Korea-Krieg beweist, auch vor dem offenen Angriff nicht zurückgeschreckt. Ihr Ziel ist die Beherrschung der Welt durch den Kommunismus.

    (Sehr richtig!)

    Die besondere exponierte Lage Westeuropas und insbesondere Deutschlands hat alle verantwortlichen Politiker des Westens veranlaßt, die notwendigen Entschlüsse zu fassen, um die freiheitliche Ordnung in diesem Teil der Welt zu erhalten und den Völkern Sicherheit gegenüber aggressiven Tendenzen der Sowjetunion zu geben.
    Dazu war es notwendig, dieser Zielsetzung dienende Organisationen aufzubauen.
    Als dieser Vorgang mit der Behandlung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in den französischen Gremien kurz vor seiner Vollendung stand, hat die Sowjetunion nach dem Tode Stalins durch eine Änderung ihrer Taktik, indem sie nämlich eine Politik der Entspannung und der sogenannten Koexistenz propagierte, entscheidend dazu beigetragen, daß die Politik des europäischen Zusammenschlusses mit Hilfe der EVG durch die französische Nationalversammlung nicht genehmigt wurde.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das Scheitern der EVG, meine Damen und Herren, war der größte Erfolg der Sowjetunion auf dem europäischen Schauplatz des Kalten Krieges.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Entgegen hier und da nach dem Tode Stalins geäußerten Erwartungen einer allgemeinen Entspannung mußten sich die Politiker in der westlichen Welt schon bald davon überzeugen, daß die Sowjets mit Stalins Tod zwar eine Änderung ihrer Taktik und Methode eingeschlagen hatten, daß sie aber in der Verfolgung des Zieles der Weltbeherrschung völlig unnachgiebig geblieben waren. Diese Erkenntnis war nicht zuletzt durch die Genfer Konferenz und die Entwicklung in Ostasien verstärkt worden. Die Einheit des Westens, meine Damen und Herren, war durch das Ergebnis der Genfer Konferenz und das Scheitern der EVG sehr
    stark gefährdet. Es war zu befürchten, daß es nach dem Scheitern der EVG den Sowjets gelingen könnte, die Einheit der westlichen Welt für die Dauer aufzusprengen. In dieser schicksalhaften Stunde begriff aber die ganze freie Welt mit einem Schlage, daß sie in eine akute Krise geraten war. Die ersten, die — ich kann diesen Ausdruck gebrauchen — blitzschnell handelten, waren die Engländer und die Amerikaner. Es kam, wie Sie wissen, in dem außerordentlich kurzen Zeitraum von zwei Monaten zu dem Abschluß der neuen Verträge. Die Sowjetunion und ihre Freunde waren hiervon zunächst völlig überrascht. Inzwischen haben sie sich von der Überraschung erholt; sie versuchen offen und versteckt, die neue Einigung des Westens zu verhindern, und wir müssen bis zu ihrer Vollendung mit neuen, vielleicht gefährlichen Manövern rechnen. Deutschland kann, eben im Begriff, wieder ein Subjekt der internationalen Politik zu werden, wenn die Entwicklung unglücklich verläuft, sehr schnell wieder zu einem Objekt der internationalen Politik werden.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Das politische Klima wandelt sich schnell, und die Welt ist noch immer voller Gefahr. In diese Perspektive, meine Damen und Herren, möchte ich die Darlegung der Geschichte und des Inhalts der Verträge stellen.
    Im einzelnen gestaltete sich der historische Ablauf folgendermaßen. Auf der Londoner Konferenz, zu der die britische Regierung eingeladen hatte und an der außer den Unterzeichnerstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Kanada teilnahmen, wurden vom 28. September bis 3. Oktober die neuen Lösungen entwickelt, und am 23. Oktober wurden in Paris die Unterschriften unter die neuen Verträge gesetzt.
    Ich darf kurz darlegen, daß in London drei Gruppen von Fragen behandelt wurden, nämlich erstens die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland, zweitens die Erweiterung und Verstärkung des Brüsseler Paktes durch den Beitritt Italiens und Deutschlands und drittens die Aufnahme der Bundesrepublik in den Nordatlantikpakt. In der Londoner Schlußakte vom
    3. Oktober sind die einzelnen Lösungen, obwohl sie jeweils einen verschiedenen Kreis von Staaten unmittelbar betrafen, als Teile eines Ganzen aufgefaßt und behandelt worden.
    Nach den in der Londoner Akte niedergelegten grundsätzlichen Lösungen haben in der Zeit vom
    4. bis zum 16. Oktober drei Gruppen von Experten die Texte der Abkommen entworfen. Die Neufassung des Deutschland-Vertrages und der mit ihm zusammenhängenden Abkommen ist in Bonn ausgearbeitet worden. Die notwendigen Änderungen und Ergänzungen am Brüsseler Vertrag wurden in London beraten. Die Aufnahme Deutschlands in die NATO und die Verstärkung der Vollmachten des obersten NATO-Befehlshabers in Europa wurden in Paris verhandelt. An all diesen Arbeiten hat die Bundesregierung mitgewirkt. Im allgemeinen konnten die Experten ihre Arbeiten gemäß den Direktiven der Londoner Akte termingerecht abschließen und die Texte fertigstellen.
    In einigen Punkten war keine Einigung zu erzielen. Diese wurden den Außenministern selbst zur Entscheidung vorgelegt.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Inzwischen hatten sich aber die Gegenstände für die Pariser Konferenz um einen weiteren Fragenkomplex vermehrt. Bei einem Meinungsaustausch zwischen der französischen und der deutschen Regierung über die noch ausstehende Behandlung der Saarfrage war deutlich geworden, daß auf beiden Seiten der Wunsch nach einer Neugestaltung der deutsch-französischen Beziehungen in ihrer Gesamtheit bestand. Im Rahmen dieser Aussprache sollte versucht werden, Probleme, die dafür bereits jetzt reif waren, unverzüglich und konkret zu lösen, andere einer Lösung näherzubringen. Tatsächlich haben in Paris infolgedessen in der Zeit vom 19. bis 23. Oktober vier Konferenzen stattgefunden: eine deutsch-französische Konferenz über das deutsch-französische Verhältnis, eine Viererkonferenz über die Beendigung des Besatzungsregimes, eine Siebenmächtekonferenz über die Erweiterung des Brüsseler Pakts, eine 15- Mächte-Konferenz über die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO.
    Ich möchte dem Hohen Hause zunächst über die Verwirklichung der Londoner Schlußakte berichten und dann auf die deutsch-französischen Verhandlungen eingehen.
    Eines der bedeutsamsten Ergebnisse der Pariser Konferenz, das auch die Grundlage für alle weiteren Beschlüsse über die deutsche Beteiligung an der gemeinsamen Verteidigung Europas und der atlantischen Staatengruppe bildet, ist die Wiederherstellung der deutschen Souveränität im Bereich der Bundesrepublik.
    Diese Souveränität, meine Damen und Herren, wird der Bundesrepublik nicht von den drei westlichen Besatzungsmächten „verliehen" oder „gewährt". Sie ist keine von fremden Mächten übertragene, sondern sie ist eine eigenständige deutsche Souveränität, die nur von der Besatzungsgewalt zeitweilig verdrängt und überlagert war und jetzt überall dort wieder wirksam wird, wo die Besatzungsgewalt erlischt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)

    Ich betone: sie ist deutsche Souveränität, die wieder effektiv wird, sie ist nicht eine neue, der Bundesrepublik verliehene Souveränität.
    Die Bundesregierung weist nachdrücklich die Behauptung zurück, daß die Spaltung Deutschlands durch die Wiederherstellung der Souveränität für einen Teil Deutschlands vertieft oder verhärtet werde. Sie hat auch bei der Neuformulierung der Vertragstexte sorgfältig darauf Bedacht genommen, daß jene Elemente der Viermächte-Vereinbarungen von 1945 unberührt bleiben, die die Bewahrung der staatlichen Einheit Deutschlands und seine Wiedervereinigung betreffen. Nur aus diesem Grunde hat sie der Aufrechterhaltung der Verantwortlichkeiten der drei Westmächte für Berlin, die Wiedervereinigung und den Friedensvertrag und der Beibehaltung der damit verbundenen Rechte zugestimmt. Wenn darin eine Beschränkung der deutschen Souveränität liegt, dann handelt es sich jedenfalls um eine Beschränkung, die jeder einsichtige Deutsche im gegenwärtigen Zeitpunkt für unvermeidlich und notwendig halten muß, um die Lage Berlins nicht zu gefährden und die Wiedervereinigung Deutschlands nicht zu erschweren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)

    Die Bundesregierung glaubt daher, in der neuen Souveränitätsformel des geänderten Deutschland-Vertrages einen erfreulichen Fortschritt auch im Vergleich zu dem Verhandlungsergebnis von 1952 sehen zu dürfen. Sie ist aber — das möchte ich betonen — nach wie vor der Überzeugung, daß jede übersteigerte Form nationalstaatlichen Souveränitätsdenkens geschichtlich überholt und verderblich wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie sieht in der wiedergewonnenen Souveränität eine erweiterte politische Selbständigkeit, Verantwortlichkeit und Handlungsfähigkeit, die ihr erlauben, mit größerer Wirksamkeit und Überzeugungskraft die schon bisher erstrebten Ziele zu verfolgen: die Wiedervereinigung Deutschlands und die Einigung Europas.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Sie haben zum Glück die Reihenfolge geändert! Im Manuskript steht es anders!)

    Bisher, meine Damen und Herren, werden wichtige militärische und politische Entscheidungen, die das Schicksal Deutschlands direkt berühren, zumindest formal in Abwesenheit der Bundesregierung getroffen, da wir die volle Souveränität und Gleichberechtigung noch nicht besitzen. In Zukunft werden auch diese formalen Hemmnisse wegfallen, und die Bundesregierung wird in der Lage sein, als Mitglied der westlichen Gemeinschaft die Rechte und Pflichten bei der Beschlußfassung in den großen Gremien und der Durchführung dieser Beschlüsse wie die anderen Staaten zu übernehmen.
    Das im ersten Artikel des neuformulierten Deutschland-Vertrages ohne Einschränkung und ohne jede Verklausulierung ausgesprochene Anerkenntnis der Souveränität der Bundesrepublik ist zugleich der Leitfaden für die Umgestaltung des Vertragstextes von 1952 gewesen. Beseitigt oder geändert worden sind solche Bestimmungen, die geeignet waren, Zweifel an der Souveränität der Bundesrepublik zu erwecken, nämlich Bestimmungen über:
    das Recht der Drei Mächte, nach eigenem Ermessen Streitkräfte in der Bundesrepublik zu stationieren;
    das Recht der Drei Mächte, einen Notstand zu erklären und Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Ordnung aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen und die Sicherheit der Streitkräfte zu gewährleisten;
    die Befugnisse des vorgesehenen Schiedsgerichts, Maßnahmen auf den Gebieten der Rechtsetzung, Rechtsprechung und Verwaltung innerhalb der Bundesrepublik zu treffen;
    ferner eine Reihe von Einzelbestimmungen in dem sogenannten Überleitungsvertrag.
    Auf dem gleichen Grundgedanken beruht auch die jetzt vorgesehene Befristung des Truppenvertrages und des Finanzvertrages bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag. Auf diesen Gebieten werden ganz neue Verträge ausgehandelt werden.

    (Zuruf von der SPD: Ganz neue Belastungen!)

    Der neue Truppenvertrag soll dem Modell des NATO-Truppenstatuts folgen. Wir werden dafür


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Sorge tragen, daß die Kosten des deutschen Verteidigungsbeitrags so niedrig wie nur möglich gehalten werden.

    (Lachen bei der SPD.)

    Sie dürfen unter keinen Umständen eine Höhe erreichen, die uns daran hindern würde, die sozialen Verpflichtungen, die der Staat gegenüber der Gemeinschaft hat, in befriedigendem Umfang zu erfüllen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/ BHE. — Unruhe und Zurufe von der SPD: Zahlen!)

    — Ich dachte, da hätten Sie zugestimmt, meine Herren?!

    (Lebhafter Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Anhaltende Unruhe bei der SPD. — Abg. Mellies: Höhe der Sozialbeträge!)

    Einige Vertragsbestimmungen, die neu formuliert worden sind, bedürfen der Erläuterung, sei es, um Mißverständnissen zu begegnen, sei es, um ihre Bedeutung in das rechte Licht zu rücken.
    Die sogenannte „Notstandsklausel" des Vertragstextes von 1952 ist schon damals mißverstanden oder mißdeutet worden. Diese Klausel ist aus dem neuen Vertrag entfernt worden. Die drei Westmächte haben bei der Streichung dieser Klausel ausdrücklich ihr Vertrauen in die innere Stabilität der Bundesrepublik zum Ausdruck gebracht. Sie haben die Aufgabe, Störungen der freiheitlichdemokratischen Grundordnung abzuwenden, ausschließlich den deutschen Behörden überlassen. Deutsche Behörden sollen auch die Verantwortung für den Schutz der Sicherheit der fremden Streitkräfte übernehmen. Ob die gegenwärtig bestehende Rechtslage den deutschen Behörden erlaubt, dieser Verantwortung in allen Gefahrensituationen wirksam nachzukommen, wird allerdings von den drei Regierungen — mit Recht, wie ich hinzufüge — bezweifelt. Sie geben daher ihre Rechte zum Schutz der Sicherheit der Streitkräfte erst in dem Augenblick auf, in dem „die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum Schutze der Sicherheit der Streitkräfte zu treffen, einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen". Bis dahin werden diese Rechte jedoch nur nach Konsultation mit der Bundesregierung ausgeübt werden, soweit die militärische Lage eine solche Konsultation nicht ausschließt, und mit der Zustimmung der Bundesregierung, daß die Umstände die Ausübung derartiger Rechte erfordern.
    Um allen Mißverständnissen zu begegnen, stellt die Bundesregierung ausdrücklich fest, daß sie nicht die Einführung einer fast unbeschränkten Gewalt nach dem Muster des Art. 48 der Weimarer Verfassung beabsichtigt. Was wir wollen, geht nicht über das hinaus, was auch andere NATO-Staaten in vergleichbarer strategischer Lage zum Schutze ihrer Sicherheit und der Sicherheit ihrer Streitkräfte gesetzlich vorsehen.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Es handelt sich demgemäß in erster Linie um Vollmachten für den Fall einer Bedrohung der Bundesrepublik von außen oder eines Angriffs auf die Bundesrepublik. Jeder demokratische Staat, der
    sich in gefährdeter Lage befindet und der entschlossen ist, seine Freiheit zu verteidigen, muß sich die gesetzlichen Grundlagen schaffen, um in einer solchen Gefahrensituation voll handlungsfähig zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ebenso wie die Beseitigung des Notstandsrechts der Drei Mächte bedeutet auch die Neuregelung des Rechtes der Drei Mächte zur Stationierung von Streitkräften in der Bundesrepublik einen großen Fortschritt über das 1952 Erreichte hinaus. Dieser Fortschritt kommt auch äußerlich sichtbar in dem Abschluß eines neuen Vertrages zum Ausdruck, den das Vertragswerk von 1952 nicht gekannt hatte: in dem „Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland". Während der Truppenvertrag die Rechtsstellung der fremden Streitkräfte regelt, bildet dieser Vertrag die Rechtsgrundlage für ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik. Es kommt darin zum Ausdruck, daß sich — den Beziehungen zwischen souveränen Staaten entsprechend — die Anwesenheit der fremden Streitkräfte vom Augenblick des Inkrafttretens der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag an im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und den Drei Mächten auf das vertragliche Einverständnis der Bundesrepublik gründet. Die amerikanischen, die britischen, die französischen Divisionen werden auf unserem Boden stehen, weil wir sie brauchen und weil wir ihre Anwesenheit wünschen. Ihre Zahl kann nur mit unserem Einverständnis erhöht werden.
    Es liegt in unserem eigenen Interesse, daß diese Regelung nicht die aus den Vereinbarungen von 1945 entspringenden Rechte der drei Westalliierten gegenüber der Sowjetunion beeinträchtigt. Aus diesem Grunde bestimmt Art. 4 Abs. 2 des neuen Deutschland-Vertrages, daß die 1945 für ganz Deutschland begründeten Stationierungsrechte insoweit nicht berührt werden, als ihr Bestehen für die Ausübung der alliierten Rechte in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes unentbehrlich ist. Dieser Klausel mußte zugestimmt werden, wenn nicht die Sicherheit Berlins oder die Mitverantwortung der Drei Mächte für die Wiedervereinigung und den Friedensvertrag gefährdet werden sollte.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Auch jenseits der mit dem Souveränitätsprinzip zusammenhängenden Fragen sind einige wichtige Verbesserungen des Vertrages erzielt worden. Dazu gehören insbesondere die Streichung der in ihrer Bedeutung und Tragweite viel umstrittenen sogenannten Bindungsklausel in Art. 7 Abs. 3 des alten Vertragstextes und die Änderung der Revisionsbestimmungen in Art. 10.
    In beiden Fällen handelt es sich um Änderungen, die von deutscher Seite vorgeschlagen wurden in dem Bestreben, mögliche Hindernisse für eine Politik der Wiedervereinigung Deutschlands aus dem Wege zu räumen. Art. 7 Abs. 3 hätte ein solches Hindernis bilden können, weil er zu widerspruchsvollen Auslegungen geführt hatte. Art. 10 in seiner alten Fassung hätte sich im Falle der bevorstehenden Wiedervereinigung als zu eng erweisen können. In beiden Fällen liegt die erzielte Verbesserung des Vertragstextes deutlich zutage, auch wenn manche erbitterten Gegner des Art. 7 Abs. 3 heute plötzlich seine Streichung beklagen und andere,


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    denen die Revisionsbestimmungen des Art. 10 nicht
    weit genug gingen, heute plötzlich der Erweiterung dieser Bestimmungen mit Argwohn begegnen.
    Die Bundesregierung verschweigt nicht, daß ihre Bemühungen um eine Neugestaltung und Verbesserung des Vertragswerkes von 1952 nicht auf allen Gebieten erfolgreich waren. Besonders auf dem Gebiete des „ Überleitungsvertrages" bleiben unseres Erachtens berechtigte Wünsche und Anliegen unerfüllt. Eine Versteifung auf diese Fragen hätte jedoch den Gesamterfolg der Konferenzen von London und Paris in Frage gestellt. Jede internationale Verständigung, meine Damen und Herren, erfordert Opfer von seiten aller Beteiligten.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Bei vernünftiger Abwägung wird jeder Deutsche erkennen, daß die erzielten Erfolge die Opfer rechtfertigen. Wenn die Bundesrepublik mehr als zwei Jahre auf das Inkrafttreten der Bonner Verträge warten mußte, so hat diese Zeit des Wartens doch in der Gestalt einer wesentlichen Verbesserung ihre Früchte getragen.
    Ich komme jetzt zu den Verträgen über den Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Pakt und zur NATO. Der Brüsseler Pakt hat — im Gegensatz zu den vielfachen Kommentaren und Äußerungen — in erster Linie eine politische Bedeutung und Zielsetzung, während die Aufgaben der NATO gegenwärtig noch vorwiegend militärischer Natur sind.
    Der Brüsseler Pakt in seiner ursprünglichen Form stellt einen frühen Versuch eines Zusammenschlusses europäischer Staaten zur Verwirklichung gemeinsamer politischer, wirtschaftlicher, kultureller und militärischer Ziele dar. Im Zeitpunkt seiner Entstehung — im Jahre 1948 — schloß er nicht nur nicht Deutschland ein, sondern er sollte der Wiederholung einer deutschen Angriffspolitik vorbeugen.
    Die europäische Zielsetzung des alten Brüsseler Paktes ist dann zeitweise in den Hintergrund getreten. Inzwischen rückten die OEEC, der Europarat, die Montan-Union, die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die Politische Gemeinschaft in den Mittelpunkt des Interesses. Die EVG und damit zunächst auch die Politische Gemeinschaft sind u. a. deshalb nicht zustande gekommen, weil sich starke Widerstände gegen ihre supranationale Struktur erhoben. Aber, meine Damen und Herren, dieser Methodenstreit konnte nicht dazu führen, daß der europäische Gedanke überhaupt erlosch.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir werden niemals das Streben nach der Einheit Europas aufgeben. Wir müssen für die Einheit Europas eintreten, und sei es nur aus Gründen der Selbsterhaltung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Unser Ziel war und ist die politische, die umfassende Gemeinschaft der europäischen Völker.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ihre innere Struktur soll geschmeidig, kann wandlungsfähig sein, um sich den jeweilig vorherrschenden geistigen Konzeptionen vom Leben der Staaten anpassen zu können. In dieser Auffassung, die ich eben gekennzeichnet habe, liegen die Motive dafür, daß wir ohne Zaudern für die Erweiterung des Brüsseler Paktes eingetreten sind.

    (Sehr gut! in der Mitte.) Wir haben damit nach den Worten von Außenminister Eden einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte der europäischen Einigung erreicht.

    Die Pläne für die Einheit Europas gehen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Die besten europäischen Denker haben in Voraussicht der Notwendigkeit des Zusammenschlusses die Möglichkeiten einer Lösung gemäß dem geistigen Klima ihrer Zeit erörtert. Die beiden Weltkriege, die Europa bis hart an den Rand der Vernichtung geführt haben, ließen dann konkrete Pläne entstehen, um endlich mit den europäischen „Bürgerkriegen" Schluß zu machen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Seit 1948 sind wir in die Phase der Verwirklichung eingetreten, und wir sind fest entschlossen, alles daran zu setzen, daß sie vollendet wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Europa wird ständig unterminiert durch die von Moskau ferngesteuerten kommunistischen Parteien

    (Sehr gut! in der Mitte)

    und mehr noch durch die Unzahl der kommunistischen Tarnorganisationen, die unter jedem erdenklichen Vorwand versuchen, kommunistisches Ideengut in alle Schichten der Bevölkerung zu tragen.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Gegen dieses Gift machten nur die Erkenntnis der Gefahr, die Erkenntnis des Wesens des Kommunismus, eine gute, soziale Ordnung, ein hoher Lebensstandard

    (Zurufe von der SPD)

    und, meine Damen und Herren, die persönliche Freiheit immun.

    (Beifall im ganzen Hause. —Abg. Dr. Menzel: Auch an der Saar! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Wir können in Europa diese Arbeit mit Aussicht auf Erfolg nur gemeinsam leisten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir müssen auch unsere Verteidigung gemeinsam organisieren. Ein einzelner europäischer. Staat, der versuchen würde, auf sich allein gestellt einen ausreichenden • militärischen Schutz aufzubauen, müßte derartig hohe finanzielle Aufwendungen machen, daß sein soziales Gefüge ins Wanken geraten und er auf kaltem Wege eine Beute des Kommunismus werden würde, vor dem er sich gerade schützen wollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der DP.)

    Die Westeuropäische Union, wie die offizielle Bezeichnung des Brüsseler Paktes nunmehr lautet, wird neben Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg und den Niederlanden auch Deutschland und Italien einschließen. Sie wird den Ausgangspunkt und den festen Kern der künftigen europäischen Politik bilden. Gerade um einen solchen Kern zu schaffen, hat man sich in London und Paris nicht damit begnügt, die Bundesrepublik in den Nordatlantikpakt aufzunehmen und die europäische Verteidigung ausschließlich im Rahmen der NATO zu organisieren. Vielmehr hat man, wie es in der Londoner Schlußakte heißt, um „einen wirksameren Kern der europäischen Integration" zu schaffen, den Brüsseler Vertrag zur Westeuropäischen Union ausgebaut.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Zu diesem Zweck ist die Zielsetzung des Brüsseler Vertrages verändert und erweitert worden. Die gegen Deutschland gerichteten Formulierungen sind weggefallen; statt dessen ist in der Präambel und in Art. VIII als wesentliches Ziel aufgestellt, „die Einheit Europas zu fördern und seiner fortschreitenden Integrierung Auftrieb zu geben."
    Gleichzeitig sind die organisatorischen Umgestaltungen vorgenommen worden, die zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sind. Der Konsultativrat des früheren Brüsseler Paktes ist zu einem Rat mit wesentlichen Entscheidungsbefugnissen umgestaltet worden. In ihm gilt nicht mehr wie bisher allein der Grundsatz der Einstimmigkeit, sondern es sind jetzt dort auch andere Abstimmungsverfahren möglich und zum Teil schon vorgesehen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Zu wessen Lasten?)

    Vor allem hat der Rat eine umfassende Organisationsgewalt, kraft deren er alle nachgeordneten Organisationen und Körperschaften schaffen kann, die ihm nötig erscheinen. Um die Bedeutung gerade dieser Bestimmung zu ermessen, braucht nur auf die NATO verwiesen zu werden, deren allgemeine Befugnisse erheblich eingeschränkter waren und die trotzdem kraft der Organisationsgewalt des Rates das gegenwärtige integrierte militärische System geschaffen hat. Ferner ist in der Westeuropäischen Union der Gedanke der demokratischen Kontrolle eingeführt und eine besondere parlamentarische Versammlung geschaffen worden, an welche der Rat zu berichten hat.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Die aber keine Zuständigkeit hat!)

    Manche Einzelheiten werden noch auszugestalten sein; doch steht schon jetzt fest, daß es sich um eine selbständige parlamentarische Versammlung handelt, welcher die zum Wesen solcher Versammlungen gehörenden Rechte zukommen, insbesondere also das Recht der eigenen Geschäftsordnung, des eigenen Budgets, der Ausschußbildung, der Interpellation und dergleichen. Schließlich ist eine Gerichtsbarkeit der Union vorgesehen. Die Möglichkeit ist bereits in Art. X des Vertrages selbst begründet. Baldige Besprechungen über ihre Ausgestaltung sind vereinbart. So sind schon jetzt sehr bedeutsame Ansatzpunkte der weiteren Entwicklung geschaffen. Sache der gemeinsamen weiteren Politik der Regierungen wird es sein, sie auszubauen und ständig weiterzuentwickeln. Die Beratende Versammlung des Europarates faßte am 11. Dezember mit großer Mehrheit eine Resolution, in der sie den Abschluß der Pariser Verträge begrüßte. Dieses Votum der großen Versammlung europäischer Parlamentarier ist uns eine Ermutigung und ein Ansporn, im Rahmen der neuen Gemeinschaft uns weiterhin mit allen unseren Kräften für die Einheit Europas einzusetzen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die neuen Lösungen der Verteidigungsfrage, die in London und Paris gefunden worden sind, verwirklichen auf neuen Wegen die Grundgedanken, die auch dem EVG-Vertrag zugrunde lagen: Sie errichten ein wirksames System der kollektiven Selbstverteidigung Westeuropas

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Ein neues Wort!)

    gegen die Bedrohung aus dem Osten. Sie verknüpfen dieses System auf das engste mit der
    schon bestehenden Verteidigungsorganisation des Nordatlantikpaktes. Sie gewährleisten die innere Befriedung Europas und machen kriegerische Konflikte der Mitgliedstaaten untereinander unmöglich. Sie fördern den weiteren Zusammenschluß Europas.
    Das Mittel zur Verwirklichung dieser Ziele ist die Schaffung einer zweigliedrigen Verteidigungsorganisation, die aus der Umgestaltung und Erweiterung der beiden bestehenden Vertragssysteme — des Brüsseler Paktes und des Nordatlantikpaktes — hervorgehen soll.
    Schon seit Jahren ist der Nordatlantikpakt das Kernstück der Verteidigungsorganisation der freien Welt. Die praktische Aufbauarbeit, die in dieser Organisation in hervorragendem Zusammenwirken aller Beteiligten vollbracht worden ist, stellt eine Organisationsleistung ersten Ranges dar, die durch keine andere Form der Zusammenarbeit ersetzt werden kann. Aus diesem Grund hatte schon der EVG-Vertrag eine enge Anlehnung und Verbindung mit dem NATO-System vorgesehen. Der Bundesrepublik waren zwar im EVG-Vertrag auf mittelbarem Wege die unerläßlichen Mitbestimmungsrechte in den obersten Führungsgremien eingeräumt worden, die mit Wirkung für NATO und EVG Entscheidungen zu treffen hatten. Indessen konnte man sich damals nicht entschließen, die Bundesrepublik auch formell als völlig gleichberechtigtes Mitglied in die NATO aufzunehmen. In London und Paris hat man diese früheren Bedenken fallen lassen und hat die allein logische Schlußfolgerung gezogen, die sich aus der Einbeziehung der Bundesrepublik in die westlichen Verteidigungsbemühungen ergab. Damit wurde ein entscheidend wichtiger Schritt auf dem Wege der Wiedereingliederung Deutschlands in die Gemeinschaft der freien Völker getan. Wir erkennen mit Dankbarkeit an, daß sämtliche Regierungen der Staaten des Nordatlantikpaktes diese notwendige Folgerung vorbehaltlos gezogen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Nordatlantikpakt umfaßte bisher 14 Mitgliedstaaten: Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, die Vereinigten Staaten, Griechenland und die Türkei. Die Bundesrepublik wird nach ihrem Beitritt der 15. Mitgliedstaat sein. Mit ihrem Beitritt erwächst ihr das Recht und die Pflicht zum Beistand gegenüber den übrigen Mitgliedern, wie dies indirekt auch schon im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft durch ein Zusatzprotokoll über die Verknüpfung von EVG und NATO vorgesehen gewesen war. Diese Beistandsverpflichtung beläßt ihr wie jedem anderen Mitgliedstaat der NATO das Recht, selbst darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen sie für notwendig hält, um die Sicherheit im Vertragsgebiet wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.
    Gleichzeitig ist auch die militärische Organisation der NATO verbessert worden. Die Befugnisse des europäischen Oberbefehlshabers der NATO (SACEUR) werden verstärkt, die Integration der Verbände, insbesondere auf dem Gebiete des Nachschub- und Versorgungswesens, weiter entwickelt. Man darf hoffen, daß durch diese Maßnahmen die Schlagkraft dieser Verteidigungsorganisation wesentlich erhöht werden wird.
    Aber, meine Damen und Herren, der Beitritt der Bundesrepublik zum Nordatlantikpakt ist zugleich


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    mit wichtigen politischen Konsequenzen verknüpft. Sämtliche Mitgliedstaaten haben sich die von den drei Westmächten abgegebene Erklärung zu eigen gemacht, in der die Bundesregierung als einzige frei und rechtmäßig gebildete deutsche Regierung anerkannt wird, die berechtigt ist, für Deutschland als Vertreterin des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten zu sprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In dieser Erklärung wird die Schaffung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands als ein grundlegendes Ziel ihrer Politik proklamiert.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundesregierung erkennt dies mit besonderem Dank an. Sie weiß, was es bedeutet, daß sich nunmehr die wichtigste Staatengruppe der freien Welt das grundlegende Ziel der deutschen Politik zu eigen gemacht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Alle sieben Mitgliedstaaten des Brüsseler Paktes sind zugleich Mitglieder des Nordatlantikpaktes. Sie sind jedoch noch enger miteinander verbunden, als dies bei den übrigen Mitgliedstaaten des Nordatlantikpaktes der Fall ist. Sie sind eine verstärkte automatische Beistandsverpflichtung untereinander eingegangen. Sie haben sich zu einem besonderen System der Rüstungskontrolle verpflichtet. Sie fühlen sich berufen, die Politik des europäischen Zusammenschlusses fortzuführen. Der Nordatlantikpakt kennt keine automatische Beistandsverpflichtung, weil dieses System mit dem amerikanisehen Verfassungsrecht nicht vereinbar ist. Demgegenüber hatte der EVG-Vertrag eine automatische Beistandsleistung vorgesehen. Großbritannien hatte sich bereits damals in einem Zusatzvertrag zur EVG diesen automatischen Beistandsverpflichtungen angeschlossen. Es braucht nicht näher ausgeführt zu werden, welche Bedeutung gerade wir Deutsche einer solchen Beistandspflicht beimessen müssen. Es ist von größter Bedeutung, daß auch im Rahmen des neuen Verteidigungssystems die Beistandsklausel des Nordatlantikpaktes im Verhältnis der Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union zueinander noch durch besondere automatische Beistandsverpflichtungen ergänzt wird. Ihre praktische Bedeutung wird dadurch unterstrichen, daß sich Großbritannien nunmehr verpflichtet hat, vier Divisionen und die Taktische Luftflotte dauernd auf dem Festland zu stationieren, es sei denn, daß es durch den Rat der Westeuropäischen Union in einem Mehrheitsbeschluß von dieser Verpflichtung entbunden würde. Ich möchte mit besonderem Nachdruck in diesem Hause feststellen, daß diese grundlegende Entscheidung Großbritanniens eine der Hauptursachen des Erfolges der Londoner Konferenz war.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Großbritannien hat damit zu unser aller Genugtuung eine Jahrhunderte zurückreichende Tradition aufgegeben und sein Schicksal aufs engste mit dem des europäischen Kontinents verbunden. Es ist das historische Verdienst Sir Winston Churchill's und Sir Anthony Eden's, diese bedeutsame Entscheidung in der schicksalsschweren Epoche Europas getroffen zu haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Westeuropäische Union ist noch unter einem anderen Gesichtspunkt von großer Bedeutung. Sie setzt eine Beschränkung der Truppenstärke und der Rüstung fest. Die Festsetzung der Truppenstärke ist auf die Festlegung einer allgemeinen Höchstgrenze ohne Aufgliederung im einzelnen beschränkt. Eine Lizenzierung der Rüstungsproduktion ist nicht vorgesehen. Die Kontrollen erstrecken sich grundsätzlich nur darauf, ob die erzielten Bestände mit gewissen gemeldeten oder genehmigten Bestandsziffern übereinstimmen. Sie umfassen nicht mehr alle Waffen, sondern nur bestimmte Waffenarten. Die Kontrollen werden von einem Amt für Rüstungskontrolle ausgeübt, das dem Rat der Westeuropäischen Union unterstellt ist. Aus freiem Entschluß haben wir darauf verzichtet, gewisse massenvernichtende Waffen bei uns herzustellen. Es ist bekannt, daß auch dieser Entschluß eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Londoner Einigung gewesen ist.
    Ich möchte die Behandlung dieser Fragen nicht abschließen, ohne das besondere Verdienst der Vereinigten Staaten von Amerika, insbesondere von Präsident Eisenhower und Außenminister Dulles, daran hervorzuheben, daß der europäische Gedanke auch in den neuen Verträgen wirksam ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Anteilnahme des amerikanischen Volkes an den Geschehnissen in Europa, die für die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa und die Sicherheit der europäischen Völker unerläßlich ist, erstreckt sich in hohem Maße auch auf die Fortentwicklung der europäischen Integration. Die Amerikaner sehen gleich uns die Notwendigkeit der europäischen Zusammenarbeit und werden darin von den aus ihrer eigenen Geschichte gewonnenen Erfahrungen bestärkt. Dem amerikanischen Volk und seiner Regierung ist als der ersten Weltmacht eine hohe Verantwortung zugefallen. Wir müssen den leitenden amerikanischen Staatsmännern und Politikern dankbar dafür sein, daß sie bereit sind, diese Verantwortung im Hinblick auf Europa auf sich zu nehmen. Gerade die Überwindung der nach dem Scheitern der EVG ausgebrochenen Krise hat gezeigt, in wie hohem Maße Europa auf die Hilfe und das Verständnis der Vereinigten Staaten angewiesen ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich nunmehr, meine Damen und Herren, über unser Verhältnis zu Frankreich sprechen. Ich habe immer eines der wichtigsten Ziele unserer Außenpolitik darin gesehen, für die Dauer zu einem Verhältnis der guten Nachbarschaft mit Frankreich zu gelangen. An diesem Ziel muß trotz aller Schwierigkeiten, Rückschläge und Enttäuschungen festgehalten werden;

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD)

    es verdient unablässige Mühe und rechtfertigt auch Opfer, weil ohne eine solche Gestaltung des deutsch-französischen Verhältnisses ein dauerndes Gedeihen Europas undenkbar ist, weil sonst der Westen nicht die Geschlossenheit erreichen kann, die er für seine Verhandlungen mit dem Osten dringend benötigt.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Von dieser Überzeugung haben Ministerpräsident Mendès-France und ich uns leiten lassen, als wir am 19. Oktober dieses Jahres in La Celle Cloud


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    die Gesamtheit der die deutsch-französischen Beziehungen betreffenden Fragen erörterten. In diesen Gesprächen haben sich die beiden Regierungen über die Behandlung politischer, wirtschaftlicher und kultureller Probleme geeinigt.
    Auf politischem Gebiet eröffnen die. Westeuropäische Union, der Deutschlandvertrag und nicht zuletzt die Abmachungen über den deutschen Beitritt zur NATO, wie wir gesehen haben, Möglichkeiten auch für eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich.
    Auf wirtschaftlichem Gebiet haben der französische Ministerpräsident und ich eine neue Initiative ergriffen. Wenn man sagen kann, daß die beiden Völker sich in den letzten Jahren einander schneller genähert haben als nach dem ersten Weltkrieg, so gilt dies von der Wirtschaft in augenfälliger Weise. Der Gesamtumsatz des deutschfranzösischen Warenverkehrs wird sich in diesem Jahr der Vier-Milliarden-DM-Grenze nähern. Frankreich nebst den von ihm abhängigen Gebieten gehört zur Spitzengruppe unserer Außenhandelspartner, und wir, meine Damen und Herren, sind umgekehrt Frankreichs Außenhandelspartner Nr. 1 geworden.
    So erfreulich die bisherige Entwicklung ist, so müssen wir alle erkennen, daß der gegenwärtige Zustand an einigen Mängeln krankt und die Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit noch keineswegs ausgeschöpft sind. Wir brauchen handelspolitische Vereinbarungen, die auf wesentlich längere Fristen abgestellt sind als die bisherigen, um den am deutsch-französischen Wirtschaftsverkehr beteiligten Kreisen die Möglichkeiten langfristigen Disponierens zu geben, und müssen bei der Bemessung unseres Austauschvolumens marktwirtschaftlichen Überlegungen mehr noch als bisher den Vorrang vor anderen geben.
    Die deutsch-französischen Abreden, wie sie auf wirtschaftlichem Gebiet in Paris getroffen wurden, bedeuten nicht Abschließung gegen andere. Sie sollen vielmehr zu einer allgemeinen Stärkung des wirtschaftlichen Austausches unter den europäischen Völkern beitragen. Auf dem Gebiet von Kohle und Stahl ist bereits die Grundlage für enge Zusammenarbeit gelegt. Der gemeinsame Markt für diese beiden entscheidenden Grundstoffe ist eine wirksame Sicherung gegen Rückfälle in die Konflikte der Vergangenheit.. Wir legen großen Wert darauf, daß diese bestehende Gemeinschaft weiter ausgebaut wird, und begrüßen es, daß die Assoziationsverhandlungen mit Großbritannien erfolgreich zu Ende geführt werden konnten.
    Auf kulturellem Gebiet sind ebenfalls große Möglichkeiten gegeben, für eine gute deutschfranzösische Nachbarschaft zu wirken. Hierbei spielt der Austausch unserer jungen Menschen aller Schichten eine große, eine entscheidende Rolle. Nur wenn sich Deutsche und Franzosen kennenlernen, miteinander leben und arbeiten, nur dann wird es möglich sein, das überkommene Mißtrauen zu überwinden, das in der Vergangenheit immer wieder die furchtbarsten kriegerischen Konflikte verursacht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn wir die deutsch-französischen Beziehungen wirklich neu, wenn wir sie nachbarschaftlich gestalten wollen, war es unerläßlich, auch in der Saarfrage einen Weg nach vorwärts zu finden. Seit dem Bestehen der Bundesrepublik hat die Saarfrage wie ein Alp auf den deutsch-französischen Beziehungen gelastet. Die Gründe hierfür sind Ihnen, meine Damen und Herren, aus vielen Debatten, die hier stattgefunden haben, wohlbekannt.
    In Paris ist versucht worden, eine sowohl für Deutschland wie für Frankreich annehmbare Lösung dieses sehr schwierigen Problems zu finden. Das Ergebnis dieser Versuche konnte nur ein Kompromiß sein, der für beide Seiten Vor- und Nachteile in sich birgt. Die Einzelheiten des Saarabkommens werden Gegenstand eingehender Prüfung in den Ausschüssen sein. Hier will ich nur die folgenden Ausführungen machen:
    Das Abkommen garantiert die Gewährung und die Aufrechterhaltung der politischen Freiheitsrechte an der Saar.

    (Lebhafte Hört!Hört!-Rufe von der SPD. — Abg. Dr. Mommer: Das ist die Frage! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Also, meine Damen und Herren, erst müssen Sie es doch mal genehmigen.

    (Lachen bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Mellies: Das war die schlechteste Verlegenheitsantwort, die Sie bis jetzt gefunden haben! — Weiterer Zuruf von der SPD: Das war eine schlechte Antwort!)

    Die Saarbevölkerung wird sich zunächst in einem Plebiszit für die Annahme oder die Ablehnung des Statuts entscheiden können. Die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands erfolgt durch einen Friedensvertrag, der damit auch über das endgültige Schicksal der Saar entscheidet. Nach Artikel IX des Saarabkommens — ich zitiere wörtlich —
    unterliegen die Bestimmungen im Friedensvertrag über die Saar im Wege einer Volksabstimmung der Billigung durch die Saarbevölkerung, die sich hierbei ohne irgendwelche Beschränkungen aussprechen kann.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Sie kann doch nur ja oder nein sagen! — Abg. Dr. Mommer: Keine Alternativfragen! — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Sie kann nicht sagen, was sie haben will!)

    die sich hierbei ohne irgendwelche Beschränkungen aussprechen kann.
    In der Zwischenzeit herrschen an der Saar die politischen Freiheitsrechte.

    (Zuruf von der SPD: Ist wieder nicht wahr!)

    Daran ändert nichts die Bestimmung des Artikels VI, Absatz 2, der es untersagt, vor dem Friedensvertrag das Statut, also die Regelung, die bis zum Friedensvertrag gilt, in Frage zu stellen. Diese Bestimmung soll insoweit Ruhe an der Saar herstellen,

    (Zurufe von der SPD: Friedhofsruhe!)

    als nicht der Versuch unternommen werden darf, schon vor dem Friedensvertrag zu einer grundlegenden Änderung der Verhältnisse an der Saar zu gelangen.

    (Abg. Dr. Mommer: Mendès liest's anders!)

    In diesem Zusammenhang steht auch die Bestimmung des Artikels VI, Absatz 3, wonach jede von außen kommende Einmischung, die zum Ziele hat, auf die öffentliche Meinung an der Saar einzu-


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    wirken, insbesondere in Form der Beihilfe oder der Unterstützung für politische Parteien, für Vereinigungen oder die Presse, untersagt wird. Die Bundesrepublik und Frankreich verpflichten sich durch diese Bestimmung, nicht einzugreifen.

    (Abg. Dr. Mommer: Frankreich ist drinnen!)

    Es soll vielmehr der Saarbevölkerung und den verschiedenen politischen Strömungen an der Saar überlassen bleiben,

    (Lachen bei der SPD)

    in voller Freiheit den der Saar angemessenen Weg in die Zukunft selbst zu finden.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Mommer: Lesen Sie die französische Begründung des Abkommens! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Das Statut ist in den Rahmen der Westeuropäischen Union gestellt. Der Rat der Westeuropäischen Union ernennt einen Saarkommissar, der ihm gegenüber verantwortlich ist. Dem Kommissar obliegt die Vertretung der Saarinteressen auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung. Der Kommissar hat ferner die Innehaltung des Statuts zu überwachen. Damit ist ihm gleichzeitig die Verantwortung dafür übertragen, daß die politischen Freiheitsrechte in der Praxis auch wirklich gewährt werden.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : In welchem Rahmen?)

    Durch die Verknüpfung mit der Westeuropäischen Union und die besonderen in dem Abkommen vorgesehenen Garantien ruht das Statut auf europäischer Grundlage. Ein europäisches Territorium im Sinne des Naters-Planes wird nicht geschaffen. Das Abkommen schafft keine neue gebietliche Zugehörigkeit der Saar.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Die französische Regierung sagt etwas anderes!)

    Diese Frage ist vielmehr einem Friedensvertrag vorbehalten.
    Soweit nicht Befugnisse an der Saar dem Kommissar ausdrücklich übertragen sind, sind sie gemäß Art. V des Abkommens in die Hand saarländischer Organe gelegt.

    (Zuruf von der SPD: Separatisten!)

    Die Saar erhält also weitgehende innere Autonomie.
    Ich sagte schon, daß das in dem Abkommen enthaltene Statut nur bis zu einem Friedensvertrag gilt. Über den Inhalt der Saarbestimmungen des Friedensvertrages sind keinerlei Vereinbarungen getroffen. Frankreich und Deutschland bzw. Gesamtdeutschland haben ebenso wie die übrigen Teilnehmerstaaten bei den Friedensverhandlungen freie Hand, welchen Vorschlag für die endgültige Regelung sie der Saarbevölkerung zur Billigung unterbreiten' wollen.

    (Abg. Dr. Mommer: Also nicht Auswahl!)

    Über die wirtschaftlichen Bestimmungen des Saarabkommens möchte ich folgendes sagen. Die Einseitigkeit des bisherigen wirtschaftlichen Status der Saar hat dazu geführt, daß vom Handel der Saar mit anderen Ländern etwa 60 % auf Frankreich und nur 20 % auf die Bundesrepublik entfallen. Vor dem Kriege war es umgekehrt. In der Völkerbundszeit verteilte sich dieser Handel etwa gleichmäßig auf Frankreich und das übrige Deutschland. Man sieht also, daß die gegenwärtige Einseitigkeit keineswegs eine Naturgegebenheit ist, daß die Saar vielmehr bedeutende Möglichkeiten in beiden Richtungen besitzt und sie als Grenzland nur gedeihen kann, wenn ihr die Möglichkeit freiester Entwicklung nach allen Seiten gegeben wird. Das neue Abkommen trägt diesem Interesse der Saar Rechnung.
    Die neue Regelung sieht vor, daß sich Frankreich aus der Verwaltung der Saargruben einschließlich der Warndt-Vorkommen schrittweise zurückziehen wird, daß die Sequestermaßnahmen, die namentlich auf der eisenschaffenden Industrie der Saar als ein Hemmnis weiterer Entwicklung lasten, noch vor dem saarländischen Referendum aufgehoben werden und daß deutsche Banken und Versicherungen ihre Zulassung an der Saar beantragen und im Sinne der Zielsetzung des Saarvertrages mit einer positiven Stellungnahme zu ihren Anträgen rechnen können.
    Sämtliche wirtschaftlichen Vereinbarungen stehen unter dem Leitsatz, daß die beiden Regierungen gemeinsam alles in ihren Kräften Stehende tun werden, um der Saarwirtschaft Entwicklungsmöglichkeiten in weitestem Umfang zu geben. Ich komme damit zurück auf das, was ich zu Beginn meiner Ausführungen über unsere Beziehungen zu Frankreich sagte, daß die Saarregelung ein Teilgebiet des weiten Feldes der deutsch-französischen Zusammenarbeit darstellt.
    Ich schließe mich den Worten des Herrn französischen Ministerpräsidenten an, der auf dem letzten Parteitag seiner Partei in Marseille am 18. Oktober erklärte, daß ihm die Saar als ein besonders geeignetes Gebiet dieser Zusammenarbeit erscheine.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Die societas leonina!)

    Die Vielfältigkeit des Problems der französischsaarländischen Wirtschaftsbeziehungen einerseits und der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Saar und Bundesrepublik andererseits hat es unmöglich gemacht, die Gesamtheit der hierbei zu regelnden Fragen bereits im Abkommen über das Statut der Saar zu klären. Es konnten nur die Grundlagen kommender wirtschaftlicher Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik, Frankreich und der Saar gelegt werden. Es liegt in der Natur solcher Grundlagen, daß sie manches offenlassen müssen. Es scheint mir daher wichtig zu sein, daß auch diese Verhandlungen eingebettet sein werden in das große Werk der deutsch-französischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und von dem in Art. XI ausgedrückten gemeinsamen Wunsch bestimmt sein werden, den wirtschaftlichen Status der Saar auf die Interessen der Saar selbst auszurichten.
    Das Abkommen, dessen Inhalt ich Ihnen vorgetragen habe, legt nur die Grundlagen der Regelung, die bis zu einem Friedensvertrag gelten soll, fest. Es bedarf noch in der verschiedensten Richtung der Ausfüllung und der Ergänzung. Vordringlich werden insbesondere Vereinbarungen sein, die die Stellung des europäischen Kommissars genauer umschreiben, die bestimmen, wie bei auftretenden Streitigkeiten verfahren werden soll, und die die Modalitäten und die Garantien bei der Volksabstimmung festlegen.

    (Abg. Dr. Mommer: Und nachher?)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Meine Damen und Herren! Mit den vorstehenden Ausführungen habe ich gleichzeitig im wesentlichen die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD erteilt. Das Saarabkommen stellt eine Vereinbarung über den Zustand an der Saar bis zum Friedensvertrag dar. Daher widerspricht dieses Abkommen nicht der Auffassung des Bundestags und der Bundesregierung, daß die Saar, vorbehaltlich der endgültigen Festlegung der Grenzen durch einen Friedensvertrag, zu Deutschland innerhalb der Grenzen von 1937 gehört.

    (Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)

    Den Deutschen an der Saar werden die Bürger-und Menschenrechte gesichert.

    (Abg. Dr. Menzel: Wie Sie sie auffassen!)

    Es kann nicht als eine Einschränkung angesehen werden, wenn sie verpflichtet werden, das Statut in seinem Bestand bis zum Friedensvertrag nicht in Frage zu stellen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Dr. Menzel: Wie bei einer Diktatur! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Hiermit möchte ich meine Ausführungen zum Saarabkommen schließen. Ich sagte anfangs schon, daß es einen Kompromiß darstellt. Als solcher bringt das Abkommen uns selbstverständlich nicht die Erfüllung all unserer Wünsche. Aber ich hoffe von ganzem Herzen, daß es wesentlich beiträgt zu der Erfüllung einer der Voraussetzungen für die Wiedervereinigung und den Frieden, nämlich zu einer echten und dauernden Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)

    Jedenfalls aber hält das Abkommen sich im Rahmen dessen, was die verschiedenen Parteien dieses Hohen Hauses bei der letzten außenpolitischen Debatte hier im Bundestag am 7. Oktober 1954 als ihre Zielsetzung in der Saarfrage verkündet haben.

    (Abg. Dr. Menzel: Nein! Das ist nicht wahr! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Ach, meine Damen und Herren, lesen Sie doch erst mal nach, was Sie gesagt haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD. — Abg. Mellies: Wir haben es gelesen, Herr Bundeskanzler!)

    — Meine Damen und Herren, ich habe es sehr genau gelesen, darauf können Sie sich verlassen!

    (Heiterkeit in der Mitte. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Sie haben es sich offenbar interpretieren lassen!)

    — Es war so deutlich, was Sie gesagt haben, daß man es gar nicht zu interpretieren brauchte.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Aber Sie tun ja nichts anderes! — Weitere Zurufe von ,der SPD.)

    Ich habe, meine Damen und Herren, davon Kenntnis erhalten, daß die französische Regierung in diesen Tagen eine Begründung zum Saarabkommen an Mitglieder der Französischen Nationalversammlung herausgegeben hat, die in einigen bedeutsamen Punkten nicht nur vom Vertragstext abweicht,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    sondern auch mit den allgemeinen Absichten und Zielen der beiden Vertragspartner nicht übereinstimmt.

    (Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Mommer: Das sagt P. M.-F. auch von Adenauer!)

    — Ich weiß gar nicht, was Sie wollen! Ich meine, wenn ich mal so was sage, sollten Sie doch Bravo sagen!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Erneute Zurufe von der SPD. — Unruhe. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Sie meinen also, wir sollten Bravo dazu sagen, daß Sie unter solchen Umständen unterschrieben haben? — Abg. Mellies: Sie meinen, wir sollten selbst die Zweideutigkeiten auch noch decken?)

    — Ja, meine Damen und Herren, soll ich es denn nun nicht sagen, was ich gesagt habe? Mehr kann ich doch nun nicht tun. Ich habe es doch gesagt.
    Meine Damen und Herren, diese offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten — —

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Die haben ja schon vor Vertragsabschluß bestanden!)

    — Waren Sie dabei?

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Wir waren doch zusammen in Paris, Herr Bundeskanzler!)

    — Wir waren zusammen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Ihre damaligen sieben Punkte, Herr Bundeskanzler!)

    — Jawohl, und diese sieben Punkte sind mit einer einzigen Ausnahme sämtlich in diesem Abkommen enthalten!

    (Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    — Bitte, ich habe diese Punkte da. Wir können in der Diskussion darauf zurückkommen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Wir werden in der zweiten Lesung diese Punkte behandeln!)

    — Da bin ich aber mal sehr neugierig drauf, wie Sie das machen werden!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, um diese offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der französischen Regierung und uns einer schnellen und wirksamen Klärung entgegenzuführen, scheint es mir angebracht, zunächst mit dem französischen Ministerpräsidenten Fühlung zu nehmen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD: Na also!)

    Für den Fall, daß diese Fühlungnahme nicht zu einer Übereinstimmung führt, werde ich dem französischen Ministerpräsidenten vorschlagen, die amerikanische und die britische Regierung zu bitten, in gemeinsamen Besprechungen mit der französischen Regierung und der Bundesregierung die Meinungsverschiedenheiten so zu bereinigen, daß sie einer Durchführung des Vertrags nicht im Wege stehen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten des GB/BHE und der FDP.)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    In diesen Besprechungen — —

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Klarstellungen veranlaßt man doch vor Tisch! Nach Tisch liest sich's anders!)

    — Passen Sie doch auf, Herr Schmid!

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Sie sollten sich vor der Ratifikation bemühen!)

    In diesen Besprechungen, meine Damen und Herren, würden auch zweckmäßigerweise die Funktionen des Saarkommissars, die Regelung des Plebiszits, das erforderliche schiedsgerichtliche Verfahren und die Sicherung der Freiheitsrechte der Bevölkerung erörtert werden.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wenn ich, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang besonders von der amerikanischen und der britischen Regierung gesprochen habe, so deswegen, weil in dem Saarabkommen die Bestimmung enthalten ist, daß die amerikanische und die britische Regierung auf Wunsch von Frankreich und Deutschland die Garantie für das Saarabkommen übernehmen sollen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ich habe versucht, Ihnen einen Überblick über den Inhalt und die Bedeutung der in Paris unterzeichneten Verträge und Abkommen zu geben.
    Der Deutsche Bundestag wird sich in den Ausschüssen und im Plenum noch im einzelnen mit den verschiedenen Abkommen beschäftigen. Ich halte es aber für notwendig, hier noch einmal abschließend den Blick auf das Ganze zu richten.
    Ihnen allen ist die Entwicklung seit dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft noch in deutlicher Erinnerung. Die meisten von uns haben selbst planend und handelnd mitgewirkt, um aus dem Chaos den Weg zu einem demokratischen geordneten Staatswesen zu finden. Es ist gelungen, der Bevölkerung der Bundesrepublik eine sichere wirtschaftliche Existenz zu verschaffen. Trotz der riesigen Lasten, die der Krieg und seine Folgen dem Staat auferlegt haben, konnten wir sozial gesunde Verhältnisse herstellen,

    (Widerspruch bei der SPD und bei Abgeordneten des GB/BHE.)

    konnten wir die wirtschaftlich Schwachen, die Opfer der Diktatur und des Krieges schützen.

    (Erneuter Widerspruch bei der SPD.)

    — Ja, meine Damen und Herren, ich behaupte ja gar nicht, daß Sie dabei mitgewirkt haben.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und rechts. — Stürmische Zurufe von der SPD: Unerhört! — Pfui!)

    — Nun, meine Damen und Herren — —

    (Anhaltende stürmische Zurufe von der SPD. — Abg. Mellies: Sie bleiben sich selbst immer treu!)

    — Meine Damen und Herren, ich werde — — (Fortgesetzte stürmische Pfui-Rufe von der SPD. — Abg. Dr. Menzel: Infam ist das!)

    — Meine Damen und Herren, ich werde — — (Erregte Zurufe von der SPD: Unverschämt! — Abg. Dr. Mommer: Unverschämt sind Sie! — Große Unruhe.)

    — Meine Damen und Herren, vielleicht kann man diese Zwischenrufe werten als eine Zustimmung zur sozialen Marktwirtschaft.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Sie sind ein Provokateur! — Abg. Dr. Menzel: Wer hat denn 1945 zugepackt?! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wenigstens Ihre Verleumdungen sollten Sie sich schenken! — Abg. Dr. Menzel: Eine Provokation der Arbeiter im Ruhrgebiet! — Große Unruhe. — Wiederholtes Glockenzeichen des Präsidenten.)