Rede von
Gottfried
Leonhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sollte es nicht notwendig sein, die dem Hause vorliegenden Anträge auf Drucksache 309 und Drucksache 916 zu begründen; denn diese Anträge sind zwingend notwendig und schon lange fällig. Auf dem 56. Deutschen Ärztetag in Lindau im September 1953 forderten 1500 Ärzte in einer einstimmig gefaßten Resolution ebenfalls die mit unserem Antrag auf Drucksache 309 geforderte Einführung der Sondersignale für Krankentransportfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes. Die Arbeitsgemeinschaft der Länderinnenminister dagegen hat es ausdrücklich abgelehnt, den Krankentransportfahrzeugen das Führen von Sondersignalen zu erlauben.
Ein solcher Beschluß erscheint uns unverständlich. Der immer stärker werdende Verkehr macht es den Krankentransportfahrzeugen oft sehr schwer, wenn nicht geradezu unmöglich, in dringenden Fällen rasch zu einer Unfallstelle zu kommen oder Kranke und Verletzte schnellstens in ein Krankenhaus zu bringen. Alle Bemühungen, den Krankentransportfahrzeugen die Genehmigung zum Führen von Sondersignalen zu verschaffen, scheiterten bisher an der Haltung der Länderinnenminister. Vielleicht ist ein Teil der Herren Minister der Auffassung, es sei wichtiger, daß Minister blaues Licht führen, als daß Krankentransportfahrzeuge mit diesem Sondersignal ausgerüstet sind. In der 276. Sitzung des Deutschen Bundestages habe ich an den Herrn Bundesverkehrsminister in dieser Sache eine Frage gerichtet, die leider nicht befriedigend beantwortet wurde.
Die Situation ist nun die, daß wohl Polizeifahrzeuge mit Sondersignalen zu einer Unfallstelle fahren können, rum dort festzustellen, wer den Unfall verschuldet hat, oder zu messen, ob der Bremsweg 12,11 m oder 11,12 m beträgt. Natürlich kann die Polizei auch in vielen Fällen noch helfen, und sie soll deshalb diese Signale führen dürfen. Die Unfallwagen der Polizei dürfen auch Verletzte unter Benutzung von blauem Licht zum Krankenhaus bringen, falls diese in solchen Wagen transportiert werden können. Krankentransportwagen des Deutschen Roten Kreuzes und anderer Stellen jedoch dürfen diese Sondersignale nicht führen, obwohl Kranke in diesen Fahrzeugen in
der Regel zweckdienlicher transportiert werden, und zwar auch dann nicht, wenn ein sofortiger ärztlicher Eingriff dringend notwendig ist und ein solcher oder eine rasch vorgenommene Bluttransfusion einem Verletzten oder Kranken noch das Leben retten könnte.
Manche Polizeidirektionen helfen sich nun so, daß sie notfalls dem Krankentransportwagen ein Polizeikraftrad vorausschicken und von diesem mit seinen Sondersignalen dem Krankentransportwagen das Vorfahrtsrecht sichern. Zu solchen Methoden sollte man jedoch nicht gezwungen sein. Deshalb wollen wir die bestehenden Bestimmungen ändern. In einem oder in mehreren Ländern wurde der Krankentransport der Feuerwehr übertragen, die ja die Sondersignale führen darf.
Sehr interessant war es allerdings, in der Sitzung des Verkehrsausschusses zu hören, daß einer der Herren Länderinnenminister, der ebenfalls gegen die Einführung von Sondersignalen für Krankentransportfahrzeuge war, den Krankentransportfahrzeugen in seinem Land jetzt das Führen von Sondersignalen genehmigt hat, und zwar deshalb, weil man diesen Minister mit der Erklärung angegriffen hatte, daß er, der Herr Minister, zwar ein Sondersignal führe, den Krankenwagen dieses jedoch versage. Daraufhin kam dann der Gesinnungsumschwung. Ich bin der Auffassung, daß die Herren Minister so weit als irgend möglich auf das Benutzen von Sondersignalen verzichten sollten. Auch 'die Polizei sollte sich überlegen, ob nicht von ihr die Sondersignale etwas zu oft benutzt werden.
In dem Lande, in dem die Schwaben und die Schwabenstreiche zu Hause sind, hat man dem Roten Kreuz erlaubt, beim Transport von Schwerverletzten und Schwerkranken weiße Fähnchen zu setzen. Als ob die Leute, welche das Zeichen des Roten Kreuzes nicht beachten, dann einem Fahrzeug mit weißer Fahne das Vorfahrtrecht einräumten! So optimistisch bin ich nicht. Unsere Erfahrung im Verkehr zeigt uns ja, daß sich nicht alle Verkehrsteilnehmer so benehmen, wie es Vernunft und Rücksicht verlangen. Ich muß deshalb leider der Auffassung des Dichters eines Verschens beipflichten, das ich in diesen Tagen las — wenigstens gilt dies für einen nicht geringen Teil der Verkehrsteilnehmer —:
Oh, man erkennt so mit der Zeit:
des Menschen Einsicht reicht nicht weit. Viel rascher bringet ihn in Gang
ein Rippenstoß, die Not, der Zwang.
Unser Antrag, der übrigens, wie erwähnt, vom Verkehrsausschuß erweitert wurde, bezweckt, Krankenwagen, soweit die Abwendung einer Gefahr für das Leben eines Menschen es erfordert, mit blauem Licht und Sondersignalen auszurüsten und damit allen Verkehrsteilnehmern, besonders aber den Böswilligen, den allzu Eiligen und den Gleichgültigen, diesen bildlichen Rippenstoß zu versetzen und ihnen zu sagen: Geben Sie bitte den Weg frei für einen Menschen, der dringend der Hilfe bedarf, und denken Sie daran, heute oder morgen können auch Sie schon verletzt oder schwer krank im Krankenauto liegen! Auch den Herren Ministern kann dies passieren, und mir kann dies passieren, und Ihnen, meine Damen und Herren, kann dies passieren. Deshalb bitte ich Sie: stimmen Sie dem Antrag des Verkehrsausschusses auf Drucksache 916 zu!