Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für Verkehr, der Dienststelle Blank und des Bundesministeriums der Finanzen darf ich jetzt die Große Anfrage beantworten.
Frage 1:
Was hat die Bundesregierung unternommen,
um, nachdem die Schäden offenbar wurden,
eine Revision der Abmachungen zu erreichen?
Eine Revision des deutsch-britischen KnechtsandAbkommens ist gemäß Ziffer 17 der Anlage zur Note vom 9. September 1952 möglich, wenn durch die Benutzung des Übungsgebietes ernste Schwierigkeiten verursacht werden sollten, besonders im Hinblick auf die Großschiffahrtswege zur Elbe und Weser, auf Erdölbohrungen in diesem Gebiet und auf etwaige Veränderungen der geologischen Struktur des Großen Knechtsandes, der als Barre für die Marschgebiete an der Küste wirkt.
Die Prüfung der Frage, ob nach Wortlaut und Sinn der Vertragsbestimmungen die verschiedenen Auswirkungen der Bombenabwürfe auf den Großen Knechtsand als „ernste Schwierigkeiten" im Sinne des Abkommens angesehen werden können, ist noch nicht abgeschlossen. Als ernste Schwierigkeiten können jedenfalls solche Unzuträglichkeiten nicht angesehen werden, mit denen schon bei Abschluß des Abkommens gerechnet werden mußte, insbesondere also nicht eine gewisse Beeinträchtigung der Krabbenfischerei.
In den Sommermonaten dieses Jahres hat sich allerdings herausgestellt, daß die Krabbenfischerei in größerem Ausmaße beeinträchtigt wird, als zu erwarten war. Infolgedessen ist die Bundesregierung in ,dem Bemühen, eine möglichst schonende Anwendung und solche Änderungen des Abkommens zu erreichen, wie sie von der Küstenbevölkerung und den Krabbenfischern besonders ge-
wünscht worden sind, bei der britischen Hohen Kommission vorstellig geworden und hat in einigen für die Fischerei besonders bedeutsamen Punkten Entgegenkommen gefunden.
Durch einen am 18. Oktober 1954 vollzogenen Notenwechsel ist das Abkommen dahingehend geändert worden, daß die Nachtübungen in Zukunft ebenso vorher angezeigt werden müssen wie die Tagesübungen. Es kann daher das durch § 3 der Strom- und Schiffahrtspolizei-Verordnung vom 25. Juli 1953 ausgesprochene Verbot, ,das Übungsgebiet zur Nachtzeit zu befahren, jetzt aufgehoben werden. Der Bundesminister für Verkehr wird zu diesem Zweck in ,den nächsten Tagen eine neue Strom- und Schiffahrtspolizei-Verordnung erlassen. Die Aufhebung der allgemeinen Nachtsperre bedeutet auch nach Auffassung der zuständigen Landensdienststelle eine wesentliche Erleichterung für die Fischerei.
Ziffer 12 der Anlage des deutsch-britischen Abkommens vom 9. September 1952 wird von britischer Seite künftig so ausgelegt werden, daß die Übungen mindestens 24 Stunden vor dem Setzen der Signale anzukündigen sind. Die Signale werden drei Stunden vor Übungsbeginn gesetzt. Das bedeutet also, daß die Ankündigungsfrist praktisch um drei Stunden, nämlich von 24 auf 27 Stunden, verlängert wird. Darüber hinaus wird die Royal Air Force wie bisher bemüht sein, die Übungen möglichst schon 36 Stunden oder länger vorher anzusagen.
Gebäudeschäden auf dem Festland, die auf die Bombenabwürfe im Knechtsandgebiet zurückgeführt werden, sind erst in den letzten Monaten in größerem Umfange gemeldet worden. Die Bundesregierung ist bemüht, den Sachverhalt zu klären und sichere Unterlagen über die Ursache und das Ausmaß der Schäden zu gewinnen, um dann die erforderlichen Schritte unternehmen zu können.
Für die Stadt Cuxhaven ist bereits im Verhandlungswege eine Verbesserung des bisherigen Zustandes erreicht worden. Obwohl gemäß Ziffer 6 der Anlage zur Note das Knechtsandziel am Tage aus a 11 e n Richtungen angeflogen werden kann, hat die britische Hohe Kommission gesagt, daß grundsätzlich das Überfliegen von Cuxhaven durch Flugzeuge mit Bombenlast vermieden werden soll.
Um eine bessere Überwachung des Übungsgebiets sicherzustellen, ist nunmehr auf Vorstellung der Bundesregierung hin ein neuartiges, besseres Radar-Gerät eingesetzt worden.
Die Bundesregierung bleibt im übrigen weiterhin bemüht, daß in Zukunft mehr Nachtübungen und weniger Tagesübungen stattfinden sollen.
Frage 2: Was hat die Bundesregierung unternommen, um die bisher entstandenen Schäden zu ersetzen?
1. Durch die Sperrmaßnahmen, die wegen der Benutzung des Großen Knechtsandes als Bombenabwurfplatz getroffen werden mußten, werden die Krabbenfischer in Dorum und Spieka in ihrer Fangtätigkeit behindert. Während der Sperrzeiten können sie weder die Fanggründe des Großen Knechtsandes aufsuchen noch nach anderen Fanggründen auslaufen. Ertragsausfälle haben sie dadurch erstmals im November 1953 erlitten.
Zum Ausgleich der den Fischern bis Ende Februar 1954 entstandenen Schäden hat der Bundesminister der Finanzen einen Betrag von 58 402,88 DM zur Verfügung gestellt, wie dem Hohen Hause am 21. Januar 1954 von mir berichtet wurde.
Für die Zeit nach dem 1. März 1954 ist den Fischern ein Schadensausgleich nach Maßgabe der Grundsätze gewährt worden, die der Bundesminister der Finanzen in seinem Schreiben an den Niedersächsischen Minister der Finanzen vom 10. März 1954 aufgestellt hat. Die Ausgleichsbeträge sind nach den Durchschnittserträgen der entsprechenden Monate der Jahre 1950 bis 1953 und nach der Zahl der infolge der Sperrmaßnahmen ausgefallenen Fangtage je Monat berechnet worden, wobei jedoch höchstens die Zahl der Fangtage berücksichtigt wurde, die dem Durchschnitt der Fangtage des entsprechenden Monats der Vergleichsjahre entsprach. Bei der Berechnung des Ausgleichsbetrags nach diesem Schreiben waren die Erträge, die die Fischer trotz der Sperrmaßnahmen erzielten, zunächst in vollem Umfange berücksichtigt worden.
Durch Schreiben vom 7. Oktober 1954 hat der Bundesminister der Finanzen die mit Schreiben vom 10. März 1954 getroffene Regelung noch verbessert. Bei der Berechnung der Ausgleichsbeträge werden die Durchschnittserträge der Jahre 1950 bis 1953 zwar mengenmäßig berücksichtigt, aber wertmäßig die jeweils geltenden Tagespreise zugrunde gelegt. Außerdem werden die von den Fischern trotz der Sperrmaßnahmen noch erzielten Erträge nur in Höhe von 60 % angerechnet. Dadurch wird den Fischern ein Anreiz geboten, ihre Tätigkeit in möglichst großem Umfange fortzusetzen. Sie haben auf diese Weise die Möglichkeit, trotz der Sperrmaßnahmen höhere Einnahmen zu erzielen als in den vorausgegangenen Jahren.
Die mit dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 7. Oktober 1954 getroffene Regelung gilt — wie igh im Hinblick auf den bei der Begründung der Großen Anfrage geäußerten Zweifel besonders betonen möchte — rückwirkend vom 1. März 1954. Damit ist also der eben zum Ausdruck gebrachte Wunsch bereits erfüllt.
Auf Grund der Regelung vom 10. März 1954, also der alten Regelung, sind für die Zeit vom 1. März bis 30. September 1954 an 34 Fischer 231 963,33 DM zur Auszahlung gelangt. Die finanziellen Auswirkungen der zusätzlichen Regelung vom 7. Oktober 1954 sind im einzelnen noch nicht bekannt.
2. Entschädigungsansprüche sind aber außer von den Krabbenfischern auch von verschiedenen Krabbenverarbeitungsbetrieben angemeldet worden mit der Begründung, durch verringerte Zulieferung von Krabben sei ihr Umsatz und Ertrag zurückgegangen. Unter Zurückstellung von Bedenken allgemeiner Art hat sich der Bundesminister der Finanzen in dem erwähnten Schreiben vom 7. Oktober 1954 grundsätzlich bereit erklärt, drei Krabbenverarbeitungsbetrieben in Dorum und Wremen einen Schadensausgleich zu gewähren. Diese Betriebe werden Ausgleichszahlungen erhalten, wenn und soweit infolge eines auf der zeitweiligen Sperrung des Fischereigebietes im Großen Knechtsand beruhenden Rückganges der Krabbenzulieferungen durch die in Dorum und Spieka ansässigen Fischer die Erträge der Unternehmen nicht mehr ausreichen, um die fortlaufenden notwendigen Betriebskosten und den angemessenen Lebensunterhalt der Inhaber und ihrer unterhaltsberechtigten
Angehörigen zu decken, soweit er bisher aus den
Erträgen des Unternehmens bestritten worden ist.
3. Erstmals im Sommer dieses Jahres haben Bewohner verschiedener Küstenorte Anträge auf Entschädigung für Gebäudeschäden gestellt mit der Begründung, diese Schäden seien durch die Benutzung des Großen Knechtsandes als Bombenabwurfziel verursacht worden. Das Besatzungskostenamt Cuxhaven hat die Anträge unter Hinzuziehung des örtlichen Bauamtes bearbeitet und dem britischen Entschädigungsamt in Herford zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Haftung bereits in einer Anzahl von Fällen anerkannt. Außerdem hat der Bundesminister der Finanzen mit Schreiben vom 18. September 1954 an den Niedersächsischen Minister der Finanzen die Möglichkeit eröffnet, den Geschädigten Vorschüsse bis zu 90 v. H. des zu erwartenden Entschädigungsbetrages zu gewähren. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß die Geschädigten unabhängig von der Entscheidung der britischen Dienststellen die wesentlichen Schäden rasch beseitigen lassen können.
Frage 3:
Sind die Sicherheitsmaßnahmen, wie sie in der Anlage zur Note festgelegt wurden, eingehalten worden? Falls nein, was hat die Bundesregierung getan, um die Einhaltung zu erreichen?
Die durch das Abkommen vereinbarten Sicherungsmaßnahmen sind eingehalten worden.
Frage 4:
Entspricht es den Tatsachen, daß nördlich und südlich des bisherigen Hauptsperrbezirks weiteres Zielgelände zur Verfügung gestellt werden soll?
Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden. Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die britischen Luftstreitkräfte weitere Flächen südlich des jetzigen Übungsgebietes Sandbank für einen Bordwaffenschießplatz angefordert haben. Die Niedersächsische Landesregierung hat diese Anforderung, über die auf Landesebene zu verhandeln war, inzwischen jedoch abgelehnt. Sie begründet diese Ablehnung damit, daß durch die Beschlagnahme weiterer Flächen beim Großen Knechtsand und die sich dann zwangsläufig verstärkende Flugtätigkeit sowohl die Fischerei wie die gesamte Küstenbevölkerung schwer betroffen würde.
Der britische Hohe Kommissar hat die Bundesregierung neuerdings gebeten, ein zweites, nordöstlich des Knechtsandes gelegenes Übungsgebiet mit einem Radius von 3000 Yards zum Abwurf von Übungsbomben von 25 lbs. zur Verfügung zu stellen.
Bei den Verhandlungen über die als Voraussetzung für die Freigabe Helgolands verlangten Ausweichziele „auf einer oder mehreren Sandbänken an der deutschen Nordseeküste" im Jahre 1951 war über ein Zielgebiet zum Abwurf leichter Übungsbomben verhandelt worden, das nach Lage und Größe von dem jetzt zusätzlich verlangten Gebiet nur unwesentlich abweicht. Mit Rücksicht auf von deutscher Seite in Aussicht genommene Erdölbohrungen in diesem Gebiet hat die britische Regierung damals vorläufig auf dieses zweite Zielgebiet verzichtet und ist erst jetzt wieder hierauf zurückgekommen. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem weiteren britischen Antrag wird zur Zeit noch geprüft.