Rede von
Wilhelm
Gontrum
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte doch noch einiges Grundsätzliches zu den Worten des Kollegen Metzger sagen. Ich glaube überhaupt, daß wir uns im Verlauf der Debatte vom Grundsätzlichen etwas weit entfernt haben. Wir sollten uns bei diesem Gesetzeswerk einmal ganz nüchtern überlegen, worum es uns dabei gehen muß. Ich bin der Meinung, daß es die Demokratie bis heute versäumt hat, die eigentlichen staatstragenden Elemente und Kräfte so für sich zu gewinnen und einzuschalten,
daß kein Malheur passiert. Wir sind uns doch darüber im klaren, daß uns, historisch gesehen, die Auffassung von Familie und Ehe, die wir im Personenstandsgesetz staatlich verankern, durch das Christentum übermittelt wurde. Von dieser Tatsache kann man in dem Gesetzgebungswerk — und das steht meiner Meinung nach zur Debatte — unmöglich absehen. Wir als die Vertreter des Staates müssen darüber nachdenken, wie wir uns dieser Substanz des Christlichen gegenüber verhalten wollen, wie wir es werten wollen,
wie wir es anerkennen wollen. Das steht zur Debatte.
— Das und nur das steht zur Debatte! — Wenn wir uns darüber klar sind, wenn wir uns sogar, wie ich herausgehört habe, in der Bewertung einig sind, dann sollten wir uns doch eigentlich auch über die Fragen der praktischen Durchführung leicht einig werden können.
Der Kollege Metzger meinte, daß die unselige Verbindung zwischen Kirche und Staat gelöst sei.
— Wir verstehen ihn alle. Jene falsche Bindung von ehemals, die keinem genützt hat, will, glaube ich, niemand mehr. Die andere Frage bleibt aber auf der Tagesordnung: ob das Christentum mit seiner essentiellen Bedeutung heute in der menschlichen Gesellschaft, in der Gesetzgebung des Staates die Bewertung erfährt, die ihm gebührt.
Denn es muß in diesem Zusammenhang immer wieder und unmißverständlich betont werden, daß das eigentliche Malheur des Staatsgefüges unserer Zeit durch die antichristlichen Kräfte heraufgeführt wurde.
Deswegen sollten wir in der Debatte daran denken. daß wir doch nicht aneinander vorbeireden, wenn wir doch beide die Sache als solche in ihrer Richtigkeit erkennen. Wir sollten uns bemühen, eine gute Lösung, die ich durchaus für möglich halte, auf allen Seiten mit letztem Ernst um unserer Demokratie und um des Christentums willen herbeizuführen.
Wenn wir von dieser Warte her denken, werden wir die Frage, ob eine Strafbestimmung gegenüber den Kirchen oder Geistlichen angebracht ist oder nicht, sehr ernsthaft neu überdenken. Wir werden auch mit großem Ernst die Frage durchdenken, ob es angebracht oder unangebracht, nützlich oder schädlich ist, daß der Bekenntnisstand im Personenstandsregister verzeichnet vorliegt. Denn es geht
dabei um viel mehr als um das Bekenntnis und eine Schnüffelei um den persönlichsten Inhalt, sondern es geht irgendwie um diese letzte Frage zwischen Mensch und Staat, zwischen Persönlichkeit und Öffentlichkeit.