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ID0205200600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954 2567 52. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954. Geschäftliche Mitteilungen 2567 D Nächste Fragestunde 2568 A Gedenken an die noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen 2568 A, 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers . 2568 A, 2587 D Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener (Drucksache 795) . 2568 A Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 2568 B Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf der restlichen Teilfläche des ehemaligen Heereszeugamtes in Ulm an die Firma Telefunken, Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH. in Berlin SW 61 (Drucksache 813) . 2568 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 2568 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Grenzlandfragen über den Antrag der Fraktion des GB/BHE betr. Sanierungsmaßnahmen für Kreise im Spessart-Gebiet (Drucksachen 751, 572) 2568 B Dr. Dittrich (CDU/CSU), Berichterstatter 2568 B Dr. Keller (GB/BHE) 2568 D Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . . 2570 B Bauer (Würzburg) (SPD) 2571 D Beschlußfassung 2573 A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes (Drucksache 848) 2573 B, 2588 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 2573 B, 2578 D, 2591 A Kühn (Köln) (SPD) 2575 A, 2582 A, 2590 A, B Cillien (CDU/CSU) . . . . 2579 A, 2584 A Dr. Bucher (FDP) 2580 C, 2581 C Gontrum (CDU/CSU) 2581 C, 2589 C, 2590 B Kahn-Ackermann (SPD) 2583 B Metzger (SPD) 2584 C, 2587 D Dr. Kliesing (CDU/CSU) 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers 2588 B Dr. Strosche (GB/BHE) 2588 B Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und an den Rechtsausschuß 2591 C Erste Beratung des von den Abg. Hoogen, Dr. Kihn (Würzburg), Naegel u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache 860) 2591 C Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 2591 C Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Dr. Horlacher, Bauknecht, Struve, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Drucksache 677); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 892) . . . . 2591 C Unertl (CDU/CSU), Berichterstatter 2591 D Abstimmungen 2592 A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 C Beschlußfassung 2592 C Nächste Sitzung 2592 C Anlage: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Siehe Anlage. Anlage Umdruck 190 Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen: 1. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Autobahn-Hinweisschilder (Drucksache 827) an den Ausschuß für Verkehrswesen; 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Zusammenführung des Kulturgutes der ehemals Staat- lichen Museen Berlins (Drucksache 839) an den Ausschuß für Kulturpolitik; 3. Antrag der Abgeordneten Günther, Moll und Genossen betreffend Ausbau der Autobahn Köln—Aachen (Drucksache 869) an den Haushaltsausschuß (federführend) und an den Ausschuß für Verkehrswesen. Bonn, den 8. September 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
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    Rede von Dr. Wilfried Keller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte es nicht für notwendig gehalten, hier überhaupt noch etwas zu einer Sache zu sagen, die ohne jede Theatralik behandelt werden kann, wenn nicht die Möglichkeit entfallen wäre, im Ausschuß einiges zu sagen, was manches Mißverständnis, das aufgekommen ist, beseitigt hätte.

    (Abg. Dr. Dittrich: Sie waren leider nicht da, Herr Kollege!)

    — Ja, eben das wollte ich sagen. Ich bin in den Ausschuß entgegen den Regeln der Geschäftsordnung als Antragsteller nicht geladen worden. Deshalb war ich — leider! — nicht da, und deswegen muß ich jetzt einige kurze Bemerkungen zur Sache machen.
    Darüber, daß das Gebiet, um das es sich handelt, nämlich der Spessart, ein Notstandsgebiet im klassischen Sinne darstellt, besteht, glaube ich, kein Zweifel; das ist unbestritten! Es geht lediglich darum, auch diesem seit Jahrzehnten als armes, unentwickeltes Gebiet bekannten Landstrich die Förderung zu verschaffen, die er nicht bloß verdient, sondern auf die er auch im Interesse der sozialen


    (Dr. Keller)

    Befriedung, die wir alle anstreben, einen weitgehenden Anspruch hat. Es geht also um den Weg, nicht um das Ziel.
    Im Ausschuß ist damals, weil ich eben nicht geladen war und das nicht vortragen konnte, eines nicht gewürdigt worden: daß nämlich die Bemühungen des Landes Bayern und aller beteiligten Stellen in Bayern, hier eine Remedur zu schaffen, sehr lange zurückliegen und daß sie sich eben nicht entwickeln konnten, weil gewisse formelle Hindernisse entgegengetreten sind. Natürlich kann man in keinem Falle solche Programme ohne Richtlinien entwickeln, natürlich muß es immer irgendwelche Maßstäbe geben, an die man sich halten kann und die einen festen Anhaltspunkt darstellen. Man kann aber nicht so verfahren, daß man dann in einer allzu formalistischen Anklammerung an solche Richtlinien vielleicht haarscharf an den Möglichkeiten und Notwendigkeiten vorbeigeht. Darum geht es im vorliegenden Falle.
    Eine der Schwierigkeiten, die immer bei Abgrenzung solcher Gebiete — besonders wenn man auf die historische Entwicklung sieht — auftauchen und die auch bei dem Spessartprojekt aufgetaucht sind, bestand darin, daß man früher meist nicht von der natürlichen, sondern von der politischen Abgrenzung der im fraglichen Gebiet liegenden Stadt- oder Landkreise ausgegangen ist. Das trifft besonders auch im Falle des Spessarts nicht die Gegebenheiten. Hier haben wir die Situation, daß sich verschiedene Kreise — ich brauche sie nicht namentlich aufzuzählen — zusammen in einer traubenförmigen Art um diesen Spessart herum gruppieren, Kreise, die meistens vom Main durchschnitten werden. Hier ist die wirtschaftlich begründete, aber leicht erklärbare Eigenart festzustellen, daß die betroffenen Kreise meistens einen Teil aufweisen, der wirtschaftlich gesünder ist und der dem Main zugewandt liegt, und einen wirtschaftlich unentwickelten, notleidenden Teil, der sich dem Kern des Spessarts zu erstreckt.
    Ich weiß — und die beteiligten Damen und Herren wissen es sicher auch —, daß die Dinge bereits einmal im Bayerischen Landtag behandelt worden sind. Sie haben dort nicht ein so abweisendes Echo gefunden, wie vielleicht mancher glaubt. Der Mitberichterstatter in dieser Frage im Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Bayerischen Landtags hat sich damals mit vollem Herzen und hundertprozentig, möchte ich sagen, für diese Dinge eingesetzt.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Damals ist eben auch herausgestellt worden, daß man sich nicht allein auf die Nachbarschaftshilfe verlassen kann. Es entspringt einem schönen Gedanken, zu sagen: wenn in einem Kreis wirtschaftliche Unausgeglichenheiten bestehen, wenn in einem Kreis ein Gebiet besser entwickelt ist und im andern schwach, dann soll eben im Wege der Nachbarschaftshilfe der Kreis schauen, daß sein ganzes Gebiet in Ordnung kommt. Das ist an sich ein richtiger Gedanke, der aber in der Praxis infolge der menschlichen Unzulänglichkeiten nicht zur Auswirkung kommt. Deswegen gewinnen die Dinge ein ganz anderes Gesicht, wenn man sieht, daß eben zum Teil im Inneren von ansonsten wirtschaftlich gut entwickelten Kreisen des Spessarts ein Notgebiet liegt.
    Man hat dann eines getan. Man hat im interministeriellen Ausschuß in Bonn über diese Dinge verhandelt und gesagt, man sei nicht abgeneigt, neue Gebiete in das Bundessanierungsprogramm einzubeziehen, wenn gleichzeitig in entsprechendem Umfange andere Gebiete aus der Sanierung herausfallen könnten. Ich muß ehrlich sagen: das ist mir etwas zu salomonisch. Das heißt von Wünschen ausgehen, ohne die Gegebenheiten anzuerkennen. Denn wenn eben die wirtschaftliche Entwicklung von Sanierungsgebieten, Gott sei es geklagt, in der Zeit nicht weitergetrieben werden konnte, darf man daraus doch nicht den Schluß ableiten, daß für andere einfach keine Hilfe übrig sei.
    Die Richtlinien treffen auf den Spessartfall vor allem in einem Punkt nicht zu, nämlich in der Frage der Arbeitslosenziffer. Hier muß eines berücksichtigt werden, was diesem Gebiet ganz eigentümlich ist und vielleicht nur in wenigen andern Fällen im übrigen Gebiet der Bundesrepublik ein Gleiches findet, nämlich die äußerst weitgehende, geradezu unheilvolle Zersplitterung durch Realteilung. Vielleicht sollte dieser Fall — aber das ist ein Gedanke, den ich nur am Rande einflechte — einmal Anlaß zur Überlegung geben, ob es im volkswirtschaftlichen Sinne gut ist, diese Realteilung ungehindert durch den Gesetzgeber so weitergehen zu lassen, bis dann wirklich eine fast atomare Zersplitterung der landwirtschaftlichen Ackernahrung erfolgt, die eben im Falle des Spessarts dazu geführt hat, daß dort Tausende und aber Tausende von Familien eine echte Ackernahrung einfach nicht mehr finden können, obwohl sie als Landwirte im berufsständischen Sinne gelten. Und wir haben noch den Umstand, daß in Tausenden und aber Tausenden Fällen die Ackernahrung etwa nur für ein halbes Jahr zur Ernährung der Familie und ihres Nachwuchses ausreicht und infolgedessen diese Menschen praktisch in dem weiteren Zeitraum des Wirtschaftsjahres erwerbslos sind, ohne in den amtlichen Statistiken als Erwerbslose in Erscheinung zu treten.
    Statistik, meine sehr Verehrten, ist Glückssache. Ich glaube, das ist eine allgemeine Erkenntnis. Statistik kann nach dieser oder jener Richtung gelesen und ausgelegt werden. Sie geht in ihrer kalten Abstraktheit manchmal doch etwas an den Notwendigkeiten vorbei.

    (Abg. Dr. Dittrich: Aber irgendwo müssen die Grenzen liegen!)

    Sie haben recht, Herr Kollege, irgendwo müssen die Grenzen liegen. Der Sinn dieses Antrags war ja auch nicht, hier irgendeinen Streit zu entfachen, sondern der Sinn war, daß wir uns darum bemühen, im Rahmen der Richtlinien, die natürlich vorhanden sein müssen, irgendwie sinnvoll abzugrenzen und den Spessart — ich glaube, darin sind wir einig — in den Kreis der näheren Überlegungen einzubeziehen. Wenn man einwendet — und ich glaube, das wird gesagt —, daß dann weitere Gebiete in den Blickkreis rücken, erwidere ich: gut, ich wage zu behaupten, wenn es notwendig ist, dann müssen wir es tun. Wenn es notwendig ist, auch etwa den Hunsrück oder andere Notstandsgebiete, die viele von Ihnen besser kennen werden, in den Kreis der Überlegungen einzubeziehen, dann sollten wir es tun.
    Die Realteilung ist — ich darf Ihnen da einige wenige Zahlen nennen, ohne Sie aufhalten zu wollen — erschreckend. Wir haben z. B. in dem Gebiet, das nach den sehr bemerkenswerten Erhebungen der Regierung von Unterfranken in Frage käme, den Umstand, daß die forst- und landwirt-


    (Dr. Keller)

    schaftliche Fläche zu 52 % aus Forstflächen besteht und daß davon allein wieder bereits zwei Drittel Staatsforsten sind, die damit also der privaten Bewirtschaftung entzogen sind. Die landwirtschaftliche Fläche beträgt etwa 41 %, wenn man die Ödlandfläche abzieht, und dort liegen bereits wieder 68 % Parzellen mit unter 5 ha für den einzelnen Eigentümer und Bewirtschafter. Hochinteressant ist auch z. B. die Entwicklung im letzten Vergleichszeitraum von zehn Jahren. In der Beobachtungszeit von 1939 bis 1949 hat die Zahl der Betriebe über 2 ha um 350 abgenommen, auf der anderen Seite hat aber die Zahl der Betriebe unter 2 ha um über 1800 zugenommen. Das sind erschreckende Zahlen! Man darf sich da nicht wundern, wenn man sieht, daß in einem Lande des klassischen Holzreichtums wie dem Spessart zwar noch das Holz geschlagen wird, aber nicht mehr dort an Ort und Stelle verarbeitet werden und damit auch zu Arbeit und Brot für die Arbeitnehmer führen kann, sondern seinen Weg hinaus nimmt in andere Gebiete und dort die Sägemühlen beschäftigt.
    Der Fremdenverkehr, der im Spessart durchaus seinen Platz haben könnte und sollte, ist durch die Verkehrsarmut des Gebietes, durch die mangelnde Entwicklung, durch den sehr zurückgebliebenen Standard schwer behindert.
    Ich glaube, wir sollten der Überweisung des Antrags als Material an die Bundesregierung zustimmen.
    Ich will zunächst nichts Weiteres sagen. Aber ich bitte Sie herzlich, einem Gebiet, das diese Hilfe verdient und nötig hat, dadurch, daß wir es hier erneut in den Blickpunkt der Notwendigkeit einer Hilfe rücken, Ihre Unterstützung zuteil werden zu lassen.

    (Beifall beim GB/BHE und vereinzelt bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Probst.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich möchte die Dinge ganz konkret ansprechen. Es geht doch zunächst um die Frage: Inwieweit erfüllt der Spessart die Voraussetzungen, deren Erfüllung heute für die Anerkennung als Sanierungsgebiet gefordert wird? Dabei darf ich vorausschicken, daß die Bemühungen um die Anerkennung des Spessarts als Sanierungsgebiet schon in die allerersten Tage des 1. Deutschen Bundestages zurückreichen. An den Verhandlungen, die geführt worden sind und weiter geführt werden, sind sowohl die zuständigen Abgeordneten wie die Landräte, die Regierung, das Wirtschaftsministerium des Bundes und das des Landes beteiligt. Wir haben ein dankenswertes Ergebnis erzielt, das in der Denkschrift der Regierung von Unterfranken vom April 1954 mit ganz konkretem Material seinen Niederschlag gefunden hat. Daraus ergibt sich zunächst, daß das Gebiet des Spessarts mit den drei Landkreisen Lohr, Alzenau und Marktheidenfeld sowie den beiden 'Gemeinden Heigenbrücken und Weibersbrunn des Landkreises Aschaffenburg genau die gleichen strukturellen Merkmale aufweist wie die Rhön, die bereits als Sanierungsgebiet des Bundes offiziell anerkannt ist.
    Die vom interministeriellen Ausschuß der Bundesregierung für die Notstandsgebiete zusammen mit den Ländern erarbeiteten Sanierungsmerkmale — ich darf es noch einmal kurz zusammenfassen — sind folgende. Voraussetzung ist erstens, daß es sich um ein zusammenhängendes Gebiet mit mindestens 100 000 Einwohnern handelt, zweitens, daß eine Arbeitslosigkeit von mindestens 19 % der vom Arbeitsamt registrierten Arbeitnehmer an fünf festgesetzten Stichtagen besteht, drittens, daß mehr als 80 landwirtschaftliche Berufszugehörige auf 100 000 DM landwirtschaftlichen Vergleichswert treffen oder viertens, daß eine Arbeitslosigkeit von mindestens 17 % besteht und gleichzeitig mehr als 60 landwirtschaftliche. Berufszugehörige auf 100 000 DM landwirtschaftlichen Vergleichswert festgestellt sind.
    Wenn wir nun diese Richtlinien auf den Spessart anwenden, ergibt sich folgendes. Das angesprochene Gebiet des Spessarts umfaßt zusammen mit dem als Sanierungsgebiet anerkannten Teil der Rhön eine Fläche von insgesamt 2940 qkm mit einer Bevölkerung von 269 264 Einwohnern. Die erste Voraussetzung für die Anerkennung als Sanierungsgebiet ist also voll erfüllt und sogar überschritten.
    Die weitere Voraussetzung, daß nämlich mehr als 80 landwirtschaftliche Berufszugehörige auf 100 000 DM landwirtschaftlichen Vergleichswert treffen müssen, ist für den Landkreis Lohr mit der Zahl 171, den Landkreis Alzenau mit der Zahl 105, den Landkreis Marktheidenfeld mit der Zahl 130 sowie für die Gemeinde Heigenbrücken mit 197,5 und Weibersbrunn sogar mit 351,5 voll erfüllt. Ich betone das ganz besonders, weil das bayerische Wirtschaftsministerium diese Zahlen in den Verhandlungen im Bayerischen Landtag nicht angegeben hat.
    Von besonderer Art und Schwere ist das Problem der Arbeitslosigkeit. Im Durchschnitt liegen 67,25 % aller landwirtschaftlichen Betriebe im Rhön-Spessart-Gebiet unter 5 ha, in Lohr und Marktheidenfeld sind es sogar 90 %, in Alzenau 87 %, in den genannten zwei Gemeinden 99 % aller Betriebe, noch dazu auf kargen Böden mit oft steilen Hanglagen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß mit Flurbereinigung das Problem im Spessart bei diesen Hanglagen nicht ohne weiteres zu lösen ist. Der Brutto-Jahresdurchschnittsertrag schwankt zwischen 400 und 800 DM pro Hektar. Die Ackernahrung reicht höchstens für ein halbes Jahr aus. Für die übrige Jahreszeit fehlt mindestens für die Hälfte der Kleinbetriebe eine ausreichende Einnahmemöglichkeit.
    Wir müssen uns 'darüber klar sein, daß in den genannten Gebieten bei der Vielzahl landwirtschaftlicher Kleinstbetriebe sich ein außerordentlich hoher Prozentsatz arbeitsuchender und arbeitsloser Menschen befindet, die nicht in der Arbeitsamtsstatistik erfaßt sind. Dieses besondere Problem bildet eines der wesentlichen Merkmale der Sanierungsbedürftigkeit des Spessart-Gebiets. Dieser Zustand hat sich in der Vergangenheit dahin ausgewirkt, daß die männliche Bevölkerung, Familienväter und Söhne ganzer Gemeinden auf der Arbeitssuche bis nach Rumänien, bis hinunter nach Jugoslawien gewandert sind, daß sie als Schachtmeister, Holzarbeiter oder Bauhandwerker im Ruhr- und Rheingebiet tätig waren und heute noch tätig sind, daß sie von ihren Familien getrennt zu leben gezwungen sind. Diese Gebiete sind seit Jahrhunderten Auswanderungsgebiete. Als ich im Frühjahr 1949 in Amerika war, habe ich immer wieder Rhöner und Spessarter Bauern getroffen.


    (Frau Dr. Probst)

    Wenn man weiß, wie der Rhöner und der Spessarter an seiner Heimat hängt, dann ahnt man etwas von der Tragik eines solchen Lebens, das fern der Heimat und getrennt von der Familie geführt werden muß, und man begreift die Verbitterung mancher älterer Menschen, die solch eine Trennung ein Leben lang haben tragen müssen.
    Dieser Zustand ist noch viel brennender geworden durch den Zuzug von 18,24 % Heimatvertriebenen. Das Problem bedarf der vollen Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit und des Deutschen Bundestages.
    Wenn die genannten Landkreise des Spessarts die in den Sanierungsrichtlinien geforderte registrierte Arbeitslosigkeit von 17 bzw. 19 % nicht voll erreichen, so ist der Grund nicht der, daß Arbeit genug vorhanden wäre. Die Dinge liegen nicht so einfach. Das Fehlen registrierter Arbeitsloser — und das ist eine generelle Erkenntnis —bedeutet keineswegs in jedem Fall ein Zeichen wirtschaftlicher Gesundheit. Das Gegenteil kann der Fall sein. Der Grund für diese Erscheinung in Rhön und Spessart ist allein zu suchen in der wirtschaftlichen Blutarmut — in einer Art Untertemperatur, wenn ich so sagen darf —, nämlich in dem geringen Volumen gewerblicher Arbeitsplätze. Der Mangel an gewerblichen und industriellen Arbeitsplätzen, die vom Arbeitsamt registriert werden, verhindert ein Offenbarwerden der tatsächlich vorhandenen Arbeitslosigkeit in den kleinsten landwirtschaftlichen Betrieben. Es ist eben ein Ausweichen der dort Arbeit Suchenden auf einen registrierten Arbeitsplatz nicht möglich.
    Da lassen Sie mich auf etwas hinweisen, was bisher noch nirgendwo angesprochen worden ist: das ist das Problem der Heimarbeit im Spessart. Wir 1 haben 5- bis 6000 Heimarbeiter im Spessart. Aber die in der Heimarbeit Beschäftigten fallen nicht unter die Arbeitslosenversicherungspflicht, soweit sie Hausgewerbetreibende sind. Die Heimarbeiter erscheinen, wenn sie arbeitslos werden, nicht in der Arbeitsamtsstatistik. Es gehört aber gerade zu den großen Sorgen des Spessarts, daß die Heimarbeit infolge der wachsenden Technisierung der Industriebetriebe zurückgeht.
    Trotz der geschilderten Umstände ist immer noch eine registrierte Arbeitslosigkeit von 13,4 % im Landkreis Lohr, von 8,4 % im Landkreis Alzenau und von 15,2 % im Landkreis Marktheidenfeld nachgewiesen. Die Prozentsätze müssen angesichts der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von etwa 4 % im Bundesgebiet als hoch bezeichnet werden.
    Die außergewöhnlich große Sanierungsbedürftigkeit des Gebietes ergibt sich auch aus folgenden Überlegungen. Bei der Debatte um das Agrarprogramm des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers Lübke wie auch anläßlich der Debatte um die Paritätsfrage war sich das Hohe Haus darüber klar, daß Gebiete einer solchen überwiegend kleinstlandwirtschaftlichen Struktur unbedingt einer wirtschaftlichen Ergänzung durch Ansetzung von Gewerbe- und Industriebetrieben bedürfen, um das strukturelle Mißverhältnis zwischen Erwerbsmöglichkeit und Bevölkerungszahl zu bessern. Diese Forderung deckt sich mit dem Ergebnis des Raumforschungsinstituts in Bonn, d. h. Entballung der Industriezentren, Dezentralisierung des Industrieansatzes, Förderung der wirtschaftlich und industriell zurückgebliebenen, aber förderungswürdigen Gebiete.
    Gerade dieses Ziel, das aus eigener Kraft nicht erreicht werden kann, entspricht genau dem Sinn und der Zweckbestimmung der Sanierungsaktion. In den Richtlinien zum Sanierungsprogramm heißt es wörtlich:
    Es kommt vor allem darauf an, in den von der Not besonders betroffenen Gebieten der Bundesrepublik das strukturelle Mißverhältnis zwischen den Erwerbsmöglichkeiten und der Bevölkerungszahl zu bessern.
    Es kommt ferner darauf an,
    wirtschaftlich gesunde, Betriebe in die Notstandsgebiete zu bringen bzw. zu erweitern oder durch Erschließungsarbeiten, d. h. Bau von Straßen, Wasserleitungen, Kanalisationen etc. die Voraussetzungen für die Ansetzung neuer Betriebe zu schaffen. Weiterhin ist es die ausgesprochene Aufgabe der Sanierungsaktion, die Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft zu steigern, weil damit primär oder sekundär die Schaffung neuer Existenzmöglichkeiten gewährleistet wird.
    Diese durchschlagenden Argumente haben bei den Verhandlungen eine wesentliche Rolle gespielt, und ich darf sagen: wir haben bereits einen Erfolg erzielt. In einem Falle sind Sanierungsmittel in das Spessartgebiet geflossen. Dieser Fall muß als Präzedenzfall gewertet werden. Wir werden weiterhin mit aller Intensität, und zwar mit wirksamen Mitteln, die den Erfolg nicht gefährden, tätig sein, um eine ausreichende Berücksichtigung des Spessarts im Sanierungsprogramm des Bundes zu gewährleisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)