Herr Dr. Kather, ich empfehle Ihnen, das Protokoll des Finanz- und Steuerausschusses vom 8. September zu lesen. Aus ihm werden Sie entnehmen können, wer welche Anträge zu der Frage der Eigenkapitalbildung gestellt hat. Dort werden vielleicht auch Sie die Begründung dafür finden, warum heute dieser Antrag gestellt worden ist.
Dr. Kather (GB/BHE): Das ist keine Frage!
— Ich wollte gerade auch sagen: Herr Dr. Götz, das war ja keine Frage!
— Herr Dr. Götz, ich glaube, auf diesen Platz gehen zu können, ohne vorher sämtliche Protokolle sämtlicher Ausschüsse gelesen zu haben.
Weiter, Herr Dr. Götz, kommt es auch nicht allein darauf an, was im Ausschuß gemacht worden ist. Sie selber wissen aus den ersten vier Jahren, wie oft wir erst hier im Plenum zum Zuge gekommen sind. Deshalb wird es darauf ankommen, welche Anträge von wem hier gestellt werden. Außerdem darf ich Ihnen eins sagen, Herr Dr. Götz: ein aus diesem Protokoll sich ergebendes Unterliegen mit solchen Anträgen kann doch nur darauf beruhen, daß die CDU-Fraktion nicht geschlossen dafür gestimmt hat. Hier steht aber die CDU-Fraktion darunter. Also ist da schon ein Widerspruch festzustellen zwischen der Haltung der Fraktion im Ausschuß und hier.
Ich kann es Ihnen nicht abnehmen, Herr Dr. Götz, daß es, nachdem Sie vor fünf Jahren schon einmal den gleichen Antrag gestellt haben, heute genüge zu sagen: Wir wollten mit diesem Antrag eine Prüfung anregen! Nein, meine Damen und Herren, wir sind weiter. Wenn wir jetzt zu einer Änderung des Einkommensteuergesetzes kommen, dann müs-
sen verbindliche und zu Ergebnissen führende Anträge gestellt werden, oder man soll überhaupt nicht über diese Dinge reden.
— Ich habe Anträge genug gestellt.
— Zeigen Sie mir einen, der immerhin so viel durchgesetzt hat wie ich. Darauf bin ich sehr neugierig.
— Meine Damen und Herren, wenn uns etwas wertvoll an diesem Antrag ist, dann ist es ganz bestimmt dies, daß er die Unterschrift „Fraktion der CDU" trägt und damit doch die Fraktion auf eine Haltung festlegt, die wir nur begrüßen können.
Es ist schon gesagt worden, daß die Forderungen zu Punkt 2 und 3 des Antrags den Anordnungen entsprechen, die im Bundesvertriebenengesetz gegeben worden sind. Sie stimmen überein mit dem § 72 Abs. 1 und 2 des Bundesvertriebenengesetzes. Ich hatte vorhin schon gesagt, daß ich es nicht als besonders sinnvoll ansehe, in dieser Richtung mit Entschließungsanträgen zu kommen, nachdem gesetzliche Bestimmungen bestehen und diese nicht beachtet worden sind.
Was nun das Ersuchen um eine weitere Anleihe angeht, meine Damen und Herren, so bitte ich, doch
einmal an das Schicksal der Anleihen zu denken, die der Vorfinanzierung dienen sollten.
Hier handelt es sich nun um Anleihen, die uns, wie Sie genau wissen, von dieser Stelle durch den Mund des Herrn Vizekanzlers im Namen der gesamten Bundesregierung zugesagt und damals auch von diesem Hohen Hause mit genehmigt worden sind. Von diesen drei Anleihen, die für 1952, 1953 und 1954 gegeben werden sollten, ist bis heute erst eine einzige zum Zuge gekommen.
Ich kann daraus nicht entnehmen, daß es nun sehr sinn- und zweckvoll ist, mit einer Entschließung eine weitere Anleihe zu verlangen.
Hinsichtlich der Umschuldung, die hier angesprochen worden ist, ist es, wie es heute ja auch schon von anderer Seite geschehen ist, notwendig, die Frage der Besicherung anzuschneiden. Es werden überhöhte Anforderungen gestellt; das kann nicht bezweifelt werden. Diese Tatsache hat z. B. bei der Vergabe der Arbeitsplatzdarlehen dazu geführt, daß nur 7 Millionen DM an Vertriebene gegeben worden sind, 28 Millionen DM an Geschädigte und 14 Millionen DM an sonstige nach dem Gesetz Berechtigte, die also an sich mit dem Lastenausgleich nichts zu tun haben. Ähnliche, nicht ganz so scharfe, aber doch auch überspitzte Anforderungen sind auch an anderer Stelle gestellt worden. Wenn wir nicht davon abgehen, dann sind alle diese Maßnahmen vergeblich. Die Vertriebenenwirtschaft ist — das erweist schon der Mangel an Eigenkapital — gar nicht in der Lage, diesen
Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. Das hat um so mehr Geltung, als eine Möglichkeit, Sicherungsunterlagen zu beschaffen, nämlich eine Beschleunigung des Feststellungsverfahrens, bisher durch Verschulden des Bundesfinanzministeriums nicht genutzt werden konnte.
Das Verfahren überhaupt, das Kreditbewilligungsverfahren, muß beschleunigt werden und von bürokratischen Hemmungen frei gemacht werden. Es wurde heute schon die Versammlung der Heimatvertriebenenwirtschaft hier in Bonn im April dieses Jahres erwähnt. Dort hat Herr Kollege Kunz e, der leider heute abwesend ist folgendes gesagt:
Was ist denn heute die Tragik, — wenn ich nur ein Problem herausgreifen darf? Da hat ein Heimatvertriebener endlich eine Chance gefunden, irgendein Unternehmen zu übernehmen. Bis die Prüfungen erfolgt sind und die Stunde da ist, wo gesagt wird: „Genehmigt", ist in den meisten Fällen das betreffende Unternehmen an einen Kapitalkräftigeren abgewandert. Das ist eines der großen Probleme, an dem wir jetzt im Augenblick arbeiten.
Es würde mich außerordentlich interessieren, den Stand dieser Arbeiten kennenzulernen.
Es hat sich in der Praxis aber noch nicht das geringste geändert, wie Herr Reitzner hier schon ganz zutreffend gesagt hat.,
Meine Damen und Herren, vor noch nicht zwei Wochen hat ein interministerieller Ausschuß, der nur aus vier Ressorts besteht — was ja sehr wenig ist —, über einen notleidenden Betrieb zu entscheiden gehabt. Dabei hat es sich um 180 Arbeitsplätze, darunter 108 Vertriebene und 39 Schwerkriegsbeschädigte, gehandelt. Diese vier Ressortvertreter haben drei Monate gebraucht, bis sie zu einer Entscheidung kamen, die dann auch noch ablehnend war. Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wenn nicht rechtzeitige Entscheidungen, die manchmal auch leicht Hilfe bringen können, ermöglicht werden, dann kommen wir nicht weiter. Es wird nicht besser werden, solange in allen diesen Ausschüssen die Macht entscheidend in den Händen von Beamten liegt, die aus Scheu vor der Übernahme einer Verantwortung oder gar eines Risikos, die nur von der Furcht vor dem Bundesrechnungshof übertroffen wird, zu irgendwelchen Entschlüssen nicht kommen können.
Ich erinnere an das Auftreten von Herrn Staatssekretär Hartmann bei unserer Großen Anfrage.
Herr Staatssekretär Hartmann hat es damals für
richtig gehalten, uns bei einer Materie, bei der
7,3 Millionen Anträge vorliegen, wo man also wohl sagen kann, daß fast 20 Millionen Menschen beteiligt sind, zu sagen: Wir können doch nicht für ein einzelnes Gesetz einen Referenten anstellen, von dem wir nachher nicht wissen, was wir mit ihm anfangen sollen.
Meine Damen und Herren, wenn eine solche Antwort auf der Staatssekretär-Ebene möglich ist,
dann kann man sich vorstellen, was wir auf der
Referenten-Ebene, also sagen wir mal Oberregierungsrat, Regierungsdirektor, alles erleben können;
und leider Gottes haben wir es auch schon erlebt.
Also: Abbau der Bürokratie und—das ist, das hätte ich auch so gesagt, keine parteipolitische Forderung, das ist eine Forderung, bei der alle Parteien dieses Hauses einer Meinung sein sollten — Einschaltung der Wirtschaft sowie Heranziehung der Geschädigten selbst und ihrer Organisationen zur Mitverantwortung. Dann werden wir in diesen Fragen auch schneller und besser vorankommen.
Ein Weg zur Lösung des fraglos vorhandenen Problems, das hier angesprochen worden ist, und zwar meiner Ansicht nach der wichtigste, ist bis heute nicht erwähnt worden. Das ist der Weg, der für alle Fälle gilt, in denen Kredite nicht mehr helfen können — die sehr häufig sind —, weil die Hereinnahme neuer Kredite die Relation zwischen Eigenkapital und Fremdkapital nur noch verschlechtert. Fragen Sie insoweit die Lastenausgleichsbank, die da über weitgehendes Material vieler Fälle verfügt. Da ist man und sind wir den Weg gegangen, Eigenkapital durch Beteiligung zu schaffen. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß das ein guter und erfolgversprechender Weg ist, wenn er richtig gegangen wird. Ich freue mich hier darauf hinweisen zu können, daß der neue Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. Middelhauve, in diesen Tagen einen Brief an die Wirtschaftsminister, Vertriebenenminister usw. geschickt hat, in dem er gerade empfiehlt, diesen Weg zu gehen. ERP-Mittel und Lastenausgleichsmittel — wenn schon Haushaltsmittel im Augenblick nicht zu erreichen sind — müssen dafür bereitgestellt werden.
Man kann uns auch nicht sagen, Lastenausglichsmittel könnten nicht so langfristig festgelegt werden. Wenn ich darauf hinweise, daß Wohnungsbaumittel aus dem Lastenausgleichsfonds mit 2 % pro Jahr getilgt werden, so zeigt das schon deutlich, daß diese Generation den Rückfluß gar nicht mehr erleben wird. Und um so langfristige Dinge handelt es sich nicht; da kommen wir mit 5 Jahren oder 10 Jahren sehr gut aus.
Ich möchte mich noch gegen eines wenden. Hier ist gesagt worden, man solle auch für neue Betriebe sorgen, „wenn es nötig erscheint", — die Formulierung ist etwas anders. Das könnte, vielleicht unbeabsichtigt, den Eindruck hervorrufen, daß diese Notwendigkeit von den Antragstellern in Frage gestellt wird. Ich möchte das nicht annehmen. Es sind immerhin, ganz vorsichtig geschätzt, noch etwa 20 000 neue Betriebe, die auf die Beine gestellt werden müssen. Ich glaube das erwähnen zu müssen, weil auch bei der Verwaltung sich häufig schon die Auffassung durchzusetzen versucht hat, daß es nur noch um die Festigung bestehender, aber nicht mehr um die Gründung neuer Betriebe geht. Ich weise darauf hin, daß im. Vertriebenengesetz die Reihenfolge — noch! — umgekehrt ist.
Zu Punkt 4 möchte ich hervorheben, daß die Lastenausgleichsbank weitgehend Vorarbeiten zu diesem Zweck geleistet hat, auf die zurückzugreifen sein wird.
Meine Damen und Herren, wenn man das alles überlegt — und es handelt sich bei diesen Fragen mit der einen Ausnahme der Steuerermäßigung überall um Dinge, die die Verwaltung angehen, die von der Bundesregierung her geändert, beeinflußt, abgestellt werden können —, wenn man sich überlegt, wie die Dinge hier zum Teil liegengeblieben sind — ich erinnere an das Feststellungsgesetz, an die Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften, die ich Ihnen hier aufzählen konnte —, dann wird für die deutsche Öffentlichkeit auch klarwerden und es wird ihr zum Bewußtsein kommen, weshalb der Gesamtdeutsche Block so großen Wert darauf legt, daß das Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte sowie die Organisationen der Geschädigten selbst eine erweiterte Einflußnahme auf die produktive Eingliederung der Geschädigten erhalten. Das ist keine Personalfrage und keine Frage von Stellenbesetzungen, nein, hier. geht es darum, den Hebel da anzusetzen, wo er angesetzt werden muß und wo allein Erfolge erzielt werden können. Die Mittel und ihre Verwendung müssen Leuten in die Hände gegeben werden, die aufgeschlossen sind für diese Dinge und die wissen, daß hier eine Schlacht im Kalten Krieg zu gewinnen ist.