Rede von
Dr.
Roland
Seffrin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Jugend in den Kreis der Überlegungen, der Sorgen und der gesetzgeberischen Tätigkeit des Bundestages einbezogen ist, mag der Jugend und uns allen ein Beweis dafür sein, daß wir um ihren Wert und ihre Bedeutung für unser Volk und unseren Staat wissen, ohne daß wir die alten und auch neuen Fanfarenstöße vom „Garanten der Zukunft" nachblasen oder in eifernder Liebedienerei den Satz kolportieren: „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft." Für uns ist die Jugend ein Teil des Volksganzen, der in den natürlichen Einrichtungen, die das Volk für die Jugend schafft und hat, lebt, vor allen Dingen in der Familie und in den von der Jugend selbst für sich geschaffenen Jugendbünden, Jugendvereinen.
Wir sehen in der Jugend einen Teil des Volksganzen, den wir um uns leben sehen, mit dem wir uns vereint fühlen in der Verbundenheit des natürlichen Aufbaues unseres Volkes und in der Gemeinsamkeit desselben kulturellen Werdens und desselben politischen Geschicks.
Von hier aus aber haben wir als Volk an unserer Jugend allerlei gutzumachen. Für so manche Erscheinung oder Haltung, die — sei es zu Recht oder zu Unrecht — an unserer heutigen Jugend mißfällt, ist nicht zum mindesten, vor allen Dingen nicht zuerst unsere Jugend verantwortlich, sondern sind wir Erwachsenen vorweg verantwortlich, die wir, jeder zu seinem Teil, jene Schicksale und jene Zustände mit verursacht haben, die so bedrohlich das materielle und geistige Dasein unserer Jugend heute belasten und beeinflussen.
Ich bin aber durchaus nicht der Meinung, daß man beim Blick auf unsere Jugend nun nur in Pessimismus und Tadel verfallen dürfe. Im Gegenteil; in unserer Jugend ist so viel Gutes, so viel Gesundes in weiter Verbreitung vorhanden, daß sie nicht unser Miß trauen sondern unser volles Vertrauen verdient. Das heißt praktisch, daß wir nicht eine straffe, dirigierende staatliche Jugendpolitik treiben sollen, ja nicht einmal treiben wollen, an deren Ende eine Staatsjugend steht, sondern daß unsere Teilnahme, unsere Arbeit für die Jugend vom Staate, von der Politik her aufgebaut sein muß auf einem Vertrauen für ,die Jugend, aufgebaut sein muß darauf, daß die Jugend in ihrer besonderen Welt auch ihre besonderen eigenen Gesetze hat, aus denen heraus sie lebt. Zwei der wichtigsten jugendgesetzlichen Träger sind einmal die Liebe der Jugend zur Freiheit in ihrem Raum und zum andern die Bereitschaft der Jugend, verantwortliche Arbeit in ihrem Bereich auf sich zu nehmen. Deshalb sind wir der Meinung, daß alle Arbeit für die Jugend nicht einfach in dirigistischer, in staatlich gelenkter, alle Gebiete und alle Bereiche der Jugend irgendwie erfassender und irgendwie beeinflussender Weise erfolgen darf, sondern daß diese Arbeit das besondere Wesen und die besonderen positiven Eigenschaften respektieren muß, die die Jugend hat.
Wenn ich in diesem Zusammenhang auf die Anträge, die heute zur Behandlung stehen, eingehe, so darf ich zunächst vorausschicken, daß wir der Errichtung eines Instituts für Jugendfragen insoweit entgegenkommen, als wir die Überlegung, wie und ob ein solches Institut für Jugendfragen errichtet werden soll, durchaus für richtig halten. Wir befürworten deshalb die Überweisung dieses Antrags auf Errichtung eines Instituts für Jugendfragen an den Jugendausschuß zur weiteren Behandlung und Prüfung.
Es ist klar, daß dieser Antrag auf Errichtung eines Instituts für Jugendfragen so etwas wie eine Vorgeschichte hat. Sie haben dem Bericht von Frau Keilhack über die Verhandlungen im Jugendausschuß schon entnommen, daß man sich dort überlegt hat, ob es bei der bisherigen organisatorischen Form der Arbeit für die Jugend in diesem Ausschuß und vor allen Dingen beim Ministerium bleiben könne. Von meiner eigenen Fraktion aus war der Antrag gestellt worden, die Referate für Angelegenheiten der Jugend und des Sports im Bundesinnenministerium zu einer selbständigen Abteilung zusammenzufassen. Wir konnten uns davon überzeugen, daß die Errichtung einer eigenen Abteilung für Jugend und Sport im Rahmen des Ministeriums aus den verschiedensten Gründen im Augenblick noch nicht möglich ist. Das will nicht sagen, daß diese Einrichtung ein für allemal abgetan sei. Aber im Augenblick ist sie noch nicht spruchreif geworden.
Weiter ist der Gedanke aufgetaucht, eine Bundeszentrale für Jugendfragen zu schaffen. Auch diesen Gedanken kann man aus mancherlei Gründen jetzt nicht ,akzeptieren, besonders deshalb nicht, weil, ähnlich wie bei einem weiteren Gedanken bezüglich der Schaffung eines Bundesjugendamts, irgendwo Gefahren schlummern können, daß sich aus einer solchen Bundeszentrale für Jugendfragen oder aus einem solchen Bundesjugendamt schließlich im Laufe der Zeit so etwas Ähnliches wie eine staatliche Jugendleitstelle oder Jugendbefehlsstelle entwickeln könnte. Damit aber wäre dem Recht der Jugend und der Entwicklung der Jugend wirklich am wenigsten gedient.
Bei den Besprechungen mit den verschiedenen Verbänden hat sich weiter herausgestellt, daß der Bundesjugendplan, so wie er in den letzten Jahren gehandhabt wurde, seine in den Anfängen vorhandenen und auch aus seinem Werdegang heraus verständlichen Schwächen und Mängel allmählich mehr und mehr verloren hat. Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist man so weit, daß gerade diese Mängel weitgehend abgestellt sind. Vor allen Dingen ist einer der dringendsten Wünsche, die die Jugend äußerte, daß nämlich die zur Verfügung stehenden Mittel auch rechtzeitig kommen, erfüllt, da in diesem Jahre die Gelder tatsächlich vom April an, soweit wir unterrichtet sind, bereits zur Verfügung stehen.
Auch hinsichtlich des Verhaltens zum Rechnungshof bzw. des Verhaltens des Bundesrechnungshofs zu den Jugendverbänden wurden weitgehende Absprachen getroffen, die gewisse Schwierigkeiten, die sich da eingestellt hatten, mit gutem Willen von beiden Seiten her überwinden lassen.
So können wir also sagen, daß der Bundesjugendplan im Augenblick doch noch die Form ist, die wir haben müssen und haben wollen, um unsere Aufgabe an der Jugend in dem Sinne zu vollziehen, daß wir die Jugend nicht dirigieren wollen, sondern daß wir ihr helfen wollen und daß wir mit dieser Hilfe ihre eigene Bewegungsfähigkeit, ihre eigene Gestaltungsfähigkeit nicht beeinflußen wollen, sondern diese Anlagen gerade mit dem Mittel des Bundesjugendplans besonders fördern wollen.
Ob sich dann im Laufe der folgenden Jahre in dieser Hinsicht bestimmte Änderungen werden
vornehmen lassen oder ob solche Änderungen vorgenommen werden müssen, muß sich erst noch zeigen. Im ganzen stehen wir in dieser Frage noch sehr im Raum der Erfahrungssuche und noch nicht im Raum der vollkommenen Erkenntnis, wie man solches am besten macht. Eines allerdings, glaube ich, ist sicher: daß man die Verhältnisse, wie sie etwa in den Staaten östlich von uns sind, wo man eine Staatsjugend hat und wo infolgedessen alles vom Staate her gelenkt wird, für unser Gebiet nicht zum Vorbild nehmen kann. Denn auf diese Art und Weise würden wir uns jenen Einrichtungen mehr und mehr nähern und auch zu einer Staatsjugend kommen, die in keiner Weise geeignet wäre, künftighin Träger des eigenen Staates zu sein. Wir müssen vielmehr immer wieder an unsere Jugend herantreten, müssen ihr helfen und sagen, .wie es möglich ist, daß sie unter Bewahrung ihrer Eigenart in unseren Staat und in unsere Zukunft hineinwächst, so ,daß sie in der Lage ist, später einmal diesen Staat selbst zu tragen. Hilfe für die Jugend, aber unter Ablehnung dirigistischer staatlicher Einflußnahme auf die Jugend — das sind die Grundzüge der Arbeit, von der wir glauben, daß sie der Jugend am besten dient.