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    1. tocInhaltsverzeichnis
      2. Deutscher Bundestag — 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Oktober 1954 2235 47. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. Oktober 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 2235, 2320 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 5. Oktober 1954 (Londoner Konferenz) (Anträge Drucksachen 863, 864): 2235 C Ollenhauer (SPD) 2235 A, 2306 C, 2308 B, 2309 A, 2314 B Dr. von Brentano (CDU/CSU): zur Sache .. 2242 B, 2248 B, 2305 A, B zur Geschäftsordnung .. . . . 2286 C Erler (SPD) . . 2248 B, 2287 A, D, 2290 D, 2291 C, 2292 A, B, 2294 A, 2317 D, 2318 C Dr. Dehler (FDP) 2249 D Haasler (GB/BHE) 2249D Dr. von Merkatz (DP): zur Sache 2257 D zur Geschäftsordnung. . . . 2286 A, D Dr. Baron von Manteuffel-Szoege (CDU/CSU) 2264 D Stegner (Fraktionslos 2267 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . 2269 B, 2277 D, 2316 C Kiesinger (CDU/CSU) . . . 2274 A, 2290 C, 2291 C, 2293 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 2282 A, 2287 D, 2305 C, 2311 D, 2315 C, 2317D, 2318 C, D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 2286 B Euler (FDP) : zur Geschäftsordnung 2286 C zur Sache . . . . . . . . 2319 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . 2292 A, C, 2294 D, 2304 B, 2308 A, 2309 A, C, 2319 B D. Dr. Ehlers (CDU/CSU) . . 2299 C, 2300 C, 2310 B, 2311 B Dr. Arndt (SPD) 2300 C, 2303 A, 2304 C, 2305 B, C Wehner (SPD) 2309 D Heiland (SPD) 2311 A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2312 C Dr. Kather (GB/BHE) 2319 A Überweisung des Antrags Drucksache 863 an den Auswärtigen Ausschuß . . . . 2320 C Annahme des Antrags Drucksache 864 2320 C Nächste Sitzung 2320 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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      Rede von Erich Ollenhauer


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich in so später Stunde noch einmal das Wort nehme; aber es wäre eine Unhöflichkeit gegenüber dem Herrn Bundeskanzler, wenn ich auf seine letzten Ausführungen nicht antwortete.
      Er hat sie mit der Feststellung eingeleitet, daß nach seinem Eindruck in der letzten halben Stunde eine völlig veränderte Stellung der Sozialdemokratie zur Frage der Verteidigung der freien Welt sichtbar geworden sei. Nun, meine Damen und Herren, da ich dem Herrn Bundeskanzler nicht unterstellen will, daß er mit dieser Bemerkung nur einer Diskussion über den materiellen Inhalt unserer Anträge und einer Abstimmung darüber ausweichen möchte, sondern unterstelle, daß er wirklich von der Sorge erfüllt ist, festzustellen, welche Haltung die Sozialdemokratie in den uns alle bewegenden Fragen hat, möchte ich ihm hier einige Aufklärung geben. Es liegt an der mangelnden Zusammenarbeit zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Parlament, daß solche Aufklärung in einer Plenarsitzung des Bundestages gegeben werden muß.

      (Zustimmung bei der SPD.)

      Was zunächst einmal den militärischen Beitrag der Bundesrepublik zu einem westlichen Verteidigungssystem angeht, so ist die Haltung der Sozialdemokratie völlig klar und seit Jahren unverändert. Der Herr Bundeskanzler hat völlig recht gehabt, hier Äußerungen von mir von dieser Stelle aus aus dem Jahre 1952 zu zitieren, in denen ich mich im Namen meiner Partei zu dem Grundsatz der Verteidigung der Freiheit und der Demokratie auch mit militärischen Mitteln 'bekannt habe. Unsere Auseinandersetzung in den vergangenen Jahren ging überhaupt nicht um das Prinzip,

      (Sehr richtig! bei der SPD)

      sondern um die Frage — in der wir anderer Meinung waren als Sie — der Zweckmäßigkeit der EVG und der Auswirkungen einer Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der EVG auf die Frage der Wiedervereinigung. Nun, jetzt ist die EVG gefallen; jetzt stehen wir vor dem Versuch, die Bundesrepublik im Rahmen der Londoner Vereinbarung in den Brüsseler Pakt und über den Brüsseler Pakt in die NATO einzugliedern.
      Die Sozialdemokratie hat heute durch ihre Redner ihre Position wiederum sehr klar gekennzeichnet. Ich habe heute abend noch einmal verlesen, was wir gesagt haben. Wir wünschen nicht, daß die Bundesrepublik jetzt neue militärische Verpflichtungen im Rahmen der NATO übernimmt, solange nicht durch neue Verhandlungen die Frage der Wiedervereinigung und die Möglichkeit ihrer Lösung untersucht ist.

      (Sehr gut! bei der SPD.)

      Das ist unsere Position. Darin liegt nicht, Herr Bundeskanzler, irgendeine andere Haltung in bezug auf unsere grundsätzliche Einstellung gegenüber der Frage der Verteidigung und des Anteils der deutschen Bundesrepublik an einer solchen Verteidigung. Im Gegenteil, ich habe heute morgen, um auch das noch einmal zur Information des Herrn Bundeskanzlers in die Erinnerung zurückzurufen, sogar ausdrücklich erklärt, meine Damen und Herren: Wenn dieser von uns für notwendig gehaltene Versuch neuer Verhandlungen über die Wiedervereinigung scheitert, dann wird sich die Sozialdemokratische Partei in vollem Umfange an die Beschlüsse gebunden halten, die die Partei auf ihrem Berliner Parteitag gefaßt hat.

      (Beifall bei der SPD.)

      In diesem Beschluß ist die Bereitschaft der Sozialdemokratie zur Mitarbeit an einer Verteidigung unter dieser Voraussetzung der Unmöglichkeit der Wiedervereinigung in absehbarer Zeit genau so positiv ausgedrückt wie in früheren Beschlüssen. Es kann also überhaupt nicht die Rede davon sein, daß in dieser grundsätzlichen Frage irgendeine Änderung, irgendeine Unsicherheit oder irgendein


      (Ollenhauer)

      Abschwächen unseres Standpunktes zu verzeichnen wäre. Wenn wir das für nötig hielten, meine Damen und Herren, würden wir es hier in aller Öffentlichkeit vor Ihnen erklären,

      (Beifall bei der SPD)

      weil man nämlich in Lebensfragen des Volkes keine illegale Geheimpolitik machen kann. (Zustimmung bei der SPD.)

      Lassen Sie mich dazu noch ein Wort sagen. Vielleicht gelingt es mir, hier ein Wort aus der Diskussion herauszubringen, das — ich meine es jetzt ganz von der Sache her — überhaupt nicht in den Zusammenhang mit der Diskussion über die Vorschläge zu der Position eines wiedervereinigten Deutschlands, so wie wir sie sehen, gehört. Alles nämlich, was ich hier über die Mitgliedschaft Deutschlands in einem kollektiven europäischen Sicherheitssystem im Rahmen der UNO gesagt habe, bezieht sich auf ein Gesamtdeutschland nach der Wiedervereinigung.
      Nun das Zweite, was ich sagen möchte. Neutralisation oder Neutralisierung bedeutet doch, wenn ich das recht verstehe und wenn wir über den Begriff objektiv reden wollen, die Vorstellung, man könne eine Land wie Deutschland im Zentrum Europas in irgendeiner Weise aus den politischen, wirtschaftlichen, wenn Sie wollen, auch militärischen Gegebenheiten einfach ausklammern und inmitten Europas ein Vakuum schaffen. Eine solche Vorstellung ist absolut irreal,

      (Unruhe bei der CDU/CSU)

      und sie entspricht in keiner Weise der sozialdemokratischen Auffassung.

      (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

      Meine Damen und Herren, ich sage das hier nicht in Verteidigung gegenüber irgendeiner Bemerkung vorher. Die Vorstellung, die wir in bezug auf den militärischen Status haben — und vielleicht gibt es da eine Meinungsverschiedenheit, über die wir einmal intensiver diskutieren können —, ist die: Wir würden es nicht für richtig und für das Schicksal des deutschen Volkes nicht für glücklich halten, wenn sich ein Gesamtdeutschland, ein freiheitliches und demokratisches Deutschland etwa in dieser Welt auf dem Gebiet der Militärallianzen auf die eine oder andere Seite schlüge,

      (Zustimmung bei der SPD) sondern wir sind der Meinung,


      (Unruhe bei der CDU/CSU — Abg. Dr. von Brentano: Na also!)

      — entschuldigen Sie;

      (anhaltende Unruhe — Glocke des Präsidenten)

      entschuldigen Sie; darf ich fortfahren — daß die deutsche Position im Rahmen eines mit den Hauptbeteiligten vereinbarten und ausgehandelten europäischen Sicherheitssystems sein sollte. Das hat nichts mit Neutralität zu tun, sondern das bedeutet die Eingliederung Deutschlands in eine Gemeinschaft der Völker, die sich durch die höchste internationale Organisation, nämlich die Vereinten Nationen, gebunden fühlt.

      (Beifall bei der SPD.)

      Daß in bezug auf die politische, geistige, kulturelle
      Einstellung dieses Volkes, daß in bezug auf seine

      (I geeinten freien Deutschlands auf der Seite des Westens sein wird, sollte doch ernsthaft in diesem Kreise weder von Ihnen noch von uns diskutiert werden. Ich bin der Meinung, es lohnt sich, daß Sie auch einer solchen Möglichkeit einer konstruktiven Lösung einige Gedanken mehr widmen und sich nicht damit zufriedengeben, daß Sie eine solche Vorstellung als Neutralisierung abtun; denn das trifft praktisch den Inhalt der Sache nicht. Darum wollte ich Sie bitten. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Angelegenhat ist nach meiner Meinung zu bedeutungsvoll, als daß wir ohne völlige Klärung auseinandergehen können. Ich kann von mir nicht sagen, daß ich durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer eine völlige Aufklärung bekommen habe. — Darauf kommt es nicht an. Es liegt vielleicht an meiner Dummheit; aber dann kann man doch Mitleid mit mir haben und mich aufklären! Bisher war — das steht auch in dem Antrag der Sozialdemokratie — die Rede von einem europäischen Sicherheitssystem. Es entsteht also sofort die Frage, wenn Herr Kollege Ollenhauer sagt, das wiedervereinigte Deutschland dürfe weder einem östlichen noch einem westlichen System angehören — — (Zurufe von der SPD: „Militärallianz"! — Weitere Zurufe von der SPD.)


      (Lebhafter Beifall bei der SPD.)


    Rede von Dr. Richard Jaeger
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Konrad Adenauer


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


      (Abg. Jacobi: Wessen Schuld ist denn das?)


      (Große Heiterkeit.)

      — Wenn einer spricht, dann genügt es vollkommen.

      (Zuruf von der SPD: Das ist Ihre Weltanschauung!)

      Ein Sicherheitssystem ohne militärische Hilfsmittel ist doch Unsinn!

      (Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

      Also frage ich — hören Sie doch einmal meine Frage! —: Soll man nach der Auffassung des Herrn Kollegen Ollenhauer darauf ausgehen, daß diesem europäischen Sicherheitssystem auch die Sowjetunion angehört? Das ist die Frage, die ich zu stellen habe. Das ist eine außerordentlich wichtige Frage. Die Frage ist auch deswegen so wichtig, weil — wie Sie wissen — die westlichen europäischen Mächte die Aufnahme Sowjetrußlands in ein europäisches Sicherheitssystem, die auch schon von Sowjetrußland einmal vorgeschlagen war, abgelehnt haben mit der Erklärung, dann höre es auf mit der Sicherheit. Aber das ist die Ansicht der Westmächte.

      (Abg. Dr. Mommer: Sie verwechseln mit NATO!)

      Das braucht uns zunächst nicht zu interessieren,
      sondern ich möchte nur bitten, daß Herr Kollege
      Ollenhauer mir die Frage beantwortet: Soll nach


      (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

      seiner Auffassung Sowjetrußland zu diesem europäischen Sicherheitssystem gehören? Dann möchte ich — —

      (Zurufe von der SPD.)

      — Ja, ich habe die Frage doch nicht an Sie, sondern an Ihren Vorsitzenden gerichtet. Dann, meine Damen und Herren — —

      (Anhaltende Zurufe von der SPD.)

      — Nein, es ist immer gut, meine Damen und Herren, man spricht mit der ersten, also mit der allerbesten Quelle. Denn sonst kann man manchmal falsche Schlüsse ziehen. Ich habe hier z. B. Ausführungen, die Herr Wehner am 6. November 1953 über Sowjetnoten gemacht hat. Ich möchte sie Ihnen doch einmal vorlesen. Diese Ausführungen stehen im Sozialdemokratischen Pressedienst vom 6. November 1953 und beziehen sich auf die Sowjetnote vom Spätherbst 1953. Er sagt so:
      Unbestreitbar ist wohl, daß die Sowjetregierung ohne jede Rücksicht auf die nationalen Rechte und Interessen des deutschen Volkes ihre Entscheidung gefällt hat. Dem Kreml kommt es zunächst darauf an, alle erdenklichen Möglichkeiten der Wiederbelebung einer allgemeinen Furcht und Abneigung einer angeblichen deutschen Aggressionslust gegenüber zu erschöpfen. Die Greuelpropaganda mit der angeblichen deutschen Revanchelust ist für gewisse französische Zwecke wie nach Maß gemacht. Der Kreml weiß natürlich, daß er sich eines Tages wird bereit finden müssen, auch über die Frage der deutschen Wiedervereinigung zu verhandeln. Aber er möchte diesen Termin noch erheblich hinausschieben, um zunächst zu erproben, wie weit er in anderen Ländern Unterstützung findet in -dem Versuch, die deutsche Wiedervereinigung zu einer Angelegenheit der Isolierung Deutschlands zu machen.

      (Sehr gut! in der Mitte!)

      Sehen Sie, das sind ausgezeichnete Darlegungen, allerdings nicht vom Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion.

      (Abg. Wehner: Hören Sie doch mit diesen Methoden auf! Sie können doch auch mal sachlich sein!)

      — Mit welchen Methoden soll ich denn aufhören?

      (Abg. Wehner: Mit diesen Methoden! Sie wissen das ganz genau! — Abg. Marx: Mit denen Sie 2 Millionen Stimmen gewonnen haben!)

      — Also, meine Damen und Herren, wenn ich nicht mehr verlesen darf, was ein Mitglied dieses Hauses vor elf Monaten im Sozialdemokratischen Pressedienst geschrieben hat, wohin kommen wir dann überhaupt?

      (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Sie wissen ganz genau, was wir uns verbitten! — Weitere Zurufe von der SPD. — Zuruf rechts: Nicht nervös werden, meine Herren!)

      Für meinen Verstand ist das ein offenbarer Widerspruch zu dem, was uns heute hier vorgeschlagen wird.

      (Sehr gut! in der Mitte.)

      Heute wird uns vorgeschlagen, wir sollten dem
      Londoner Pakt nicht beitreten und erst noch einmal feststellen, ol. nenn Sowjetrußland wirklich nicht doch bereit ist, in die Wiedervereinigung einzuwilligen. Und hier steht ganz ausdrücklich: Das ist doch immer Mache vom Kreml, der auf diese Weise nur versucht, uns zu isolieren.

      (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Heiland: Sagen Sie doch endlich, was Sie wollen!)