Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
— Wenn einer spricht, dann genügt es vollkommen.
Ein Sicherheitssystem ohne militärische Hilfsmittel ist doch Unsinn!
Also frage ich — hören Sie doch einmal meine Frage! —: Soll man nach der Auffassung des Herrn Kollegen Ollenhauer darauf ausgehen, daß diesem europäischen Sicherheitssystem auch die Sowjetunion angehört? Das ist die Frage, die ich zu stellen habe. Das ist eine außerordentlich wichtige Frage. Die Frage ist auch deswegen so wichtig, weil — wie Sie wissen — die westlichen europäischen Mächte die Aufnahme Sowjetrußlands in ein europäisches Sicherheitssystem, die auch schon von Sowjetrußland einmal vorgeschlagen war, abgelehnt haben mit der Erklärung, dann höre es auf mit der Sicherheit. Aber das ist die Ansicht der Westmächte.
Das braucht uns zunächst nicht zu interessieren,
sondern ich möchte nur bitten, daß Herr Kollege
Ollenhauer mir die Frage beantwortet: Soll nach
seiner Auffassung Sowjetrußland zu diesem europäischen Sicherheitssystem gehören? Dann möchte ich — —
— Ja, ich habe die Frage doch nicht an Sie, sondern an Ihren Vorsitzenden gerichtet. Dann, meine Damen und Herren — —
— Nein, es ist immer gut, meine Damen und Herren, man spricht mit der ersten, also mit der allerbesten Quelle. Denn sonst kann man manchmal falsche Schlüsse ziehen. Ich habe hier z. B. Ausführungen, die Herr Wehner am 6. November 1953 über Sowjetnoten gemacht hat. Ich möchte sie Ihnen doch einmal vorlesen. Diese Ausführungen stehen im Sozialdemokratischen Pressedienst vom 6. November 1953 und beziehen sich auf die Sowjetnote vom Spätherbst 1953. Er sagt so:
Unbestreitbar ist wohl, daß die Sowjetregierung ohne jede Rücksicht auf die nationalen Rechte und Interessen des deutschen Volkes ihre Entscheidung gefällt hat. Dem Kreml kommt es zunächst darauf an, alle erdenklichen Möglichkeiten der Wiederbelebung einer allgemeinen Furcht und Abneigung einer angeblichen deutschen Aggressionslust gegenüber zu erschöpfen. Die Greuelpropaganda mit der angeblichen deutschen Revanchelust ist für gewisse französische Zwecke wie nach Maß gemacht. Der Kreml weiß natürlich, daß er sich eines Tages wird bereit finden müssen, auch über die Frage der deutschen Wiedervereinigung zu verhandeln. Aber er möchte diesen Termin noch erheblich hinausschieben, um zunächst zu erproben, wie weit er in anderen Ländern Unterstützung findet in -dem Versuch, die deutsche Wiedervereinigung zu einer Angelegenheit der Isolierung Deutschlands zu machen.
Sehen Sie, das sind ausgezeichnete Darlegungen, allerdings nicht vom Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion.
— Mit welchen Methoden soll ich denn aufhören?
— Also, meine Damen und Herren, wenn ich nicht mehr verlesen darf, was ein Mitglied dieses Hauses vor elf Monaten im Sozialdemokratischen Pressedienst geschrieben hat, wohin kommen wir dann überhaupt?
Für meinen Verstand ist das ein offenbarer Widerspruch zu dem, was uns heute hier vorgeschlagen wird.
Heute wird uns vorgeschlagen, wir sollten dem
Londoner Pakt nicht beitreten und erst noch einmal feststellen, ol. nenn Sowjetrußland wirklich nicht doch bereit ist, in die Wiedervereinigung einzuwilligen. Und hier steht ganz ausdrücklich: Das ist doch immer Mache vom Kreml, der auf diese Weise nur versucht, uns zu isolieren.