Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Ollenhauer, es tut mir leid, daß ich Sie noch einmal unterbrechen muß. Aber mir scheint, die Formulierung, die Sie jetzt vorgetragen haben, ist von solcher Bedeutung, daß ich mir die Frage erlauben muß — aber ich möchte ausdrücklich sagen, daß ich Ihnen damit nicht zu nahe treten möchte —: Wenn dieses globale Sicherheitssystem in nichts anderem als in einer Abrede über den künftigen Status Deutschlands zwischen Ost und West besteht, worin unterscheidet sich dann eine solche Bündnisfreiheit Deutschlands, an die sich ein zukünftiger gesamtdeutscher Reichstag binden soll, von der Neutralisierung Deutschlands?
Ollenhauer (SPD): Herr Kollege Gerstenmaier, ich muß es Ihnen überlassen,
einen sachlich fundierten Vorschlag der Sozialdemokratie, der in dieser internationalen Situation vom Standpunkt des Interesses des deutschen Volkes aus einer ernsteren Würdigung wert wäre, mit solchen Fragen, die das Problem verschieben, zu belasten.
Denken Sie doch nicht, meine Damen und Herren, daß wir uns auf die Linie begeben, daß Sie unserer Politik Ihre falschen Schlagwörter aufsetzen.
Sie bringen uns nicht in die Position, in der Sie uns
durch unser praktisches Verhalten vor dem deutschen Volk und vor den freien Völkern in den Verdacht bringen könnten, wir wären heimliche Satelliten der Sowjetunion.
Da müssen Sie sich andere Partner aussuchen; dazu haben wir unsere eigenen klaren Vorstellungen. Sie können auch in dieser Frage sagen, Sie akzeptieren es nicht. Einverstanden. Aber bitte, verschonen Sie uns mit solchen Schlagworten, die den Kern der Sache nicht treffen.
— Ich habe nichts mehr hinzuzufügen. Ich überlasse Ihnen die Entscheidung, welche Anwendung Ihrer Worte Sie für richtig halten.
Aber Sie können sich darauf verlassen, es wird Ihnen dabei nichts geschenkt werden.
Meine Damen und Herren, um auf die Sache zurückzukommen: Ob wir jetzt eine solche Möglichkeit internationaler Verhandlungen ausnutzen, um zu versuchen, zu einer Lösung der deutschen Frage durch Verhandlungen zu kommen, ist die Kardinalfrage. Die Entscheidung in unserem konkreten Fall heute abend fällt darüber trotz der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers über die Unmöglichkeit oder die Überflüssigkeit der Fragen 1 bis 4. Die Entscheidung darüber, ob in der Bundespolitik der nächsten Periode die Frage der Wiedervereinigung
Deutschlands auf dem Wege von Verhandlungen) mit Vorrang behandelt wird, fällt auch mit der Entscheidung über Annahme oder Ablehnung unseres Antrags.