Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 578 legt die sozialdemokratische Fraktion Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Zukkersteuergesetzes vor. Das Problem der Beseitigung bzw. Ermäßigung der Zuckersteuer hat, seitdem der Kontrollrat den Steuersatz von 21 Mark auf 40 Mark erhöhte, immer wieder zu Anträgen und Debatten geführt, sowohl im Wirtschaftsrat als auch im Deutschen Bundestag. Mit der heutigen Vorlage greifen wir diese Frage erneut auf. Wir möchten sie endgültig lösen, d. h. wir möchten die Zuckersteuer überhaupt beseitigen. Wir hoffen dabei, daß das Hohe Haus unserem Anliegen zustimmen wird. Meine Fraktion geht hierbei von der grundsätzlichen Erwägung aus, daß so lebensnotwendige Güter wie Zucker überhaupt nicht mit einer indirekten Steuer belegt werden dürfen, Wir möchten mit unserem Antrag allen Verbrauchern eine gewisse Erleichterung verschaffen. Wir möchten dem Rübenanbau Hilfe leisten und wir möchten auch im Außenhandel gewisse Hemmungen beseitigen.
Der deutsche Verbraucher zahlt heute für 1 kg Zucker 1,32 bis 1,36 DM und für 1 kg Kandiszukker 1,80 DM. Leider sind für Kandiszucker die Preise nicht gebunden, obwohl in gewissen Gebieten der Verbrauch an Kandiszucker eine wesentliche Rolle spielt. Im ostfriesischen Teetrinkergebiet z. B. werden 500/o Kandiszucker und 50% anderer Zucker verbraucht. In den von mir erwähnten Preisen sind 26,5 Pf. Zuckersteuer und 8,5 Pf. Umsatzsteuer enthalten. Bei Kandiszucker sind die Sätze der Umsatzsteuer entsprechend höher. Die Preise könnten also durch Fortfall der Steuerbelastung sofort um 27 bis 30 Pf. für 1 kg gesenkt werden.
Wir halten die Vorlage dieses Gesetzentwurfs gerade im jetzigen Zeitpunkt für richtig, weil die Gesetzentwürfe der Regierung für die groß angekündigte Steuerreform nur bei den direkten Steuern eine Senkung vorsehen, und zwar in einem fühlbaren Ausmaß nur für die Bezieher von hohen Einkommen. Die Vorlagen enthalten keinerlei Vorschläge für die Senkung der ungerechten und, wie wir meinen, in vielen Fällen sogar unmoralischen indirekten Besteuerung der Verbrauchsgüter der breiten Masse. Eine Steuerreform, die diesen Namen verdient, hätte gerade hier ansetzen müssen. Leider wird mit den Vorschlägen der Regierung die Entwicklung, die öffentlichen Ausgaben immer mehr aus den indirekten Steuern und weniger aus den direkten Steuern zu decken, fortgesetzt. Wir halten diese Steuerpolitik im Grundsatz für falsch, für ungerecht und auch für unsozial. Leider sind wir in diesem Hause nicht stark genug, diese Steuerpolitik grundsätzlich zu ändern. Wir möchten aber der Öffentlichkeit immer wieder sagen, daß wir die starke Belastung der Verbrauchsgüter wie Tee, Kaffee, Kakao, Zucker, Salz, Zündwaren usw. beseitigt wissen möchten. Wir werden dem Hohen Hause deshalb immer wieder entsprechende Anträge zuleiten.
Heute beschäftigen wir uns mit der Zuckersteuer, die den Verbraucher jährlich bis 400 Millionen DM kostet. Der Kontrollrat hat durch die Erhöhung des Steuersatzes auf 40 RM für den Doppelzentner dieses wichtige Volksnahrungsmittel in einem ungeheuren Ausmaß verteuert. Deshalb wollte auch der Wirtschaftsrat bereits im Jahre 1949 die Abgabe auf 30,50 DM für den Doppelzentner ermäßigen. Leider hat der Kontrollrat seine Zustimmung verweigert. Diese Ermäßigung kam dann erst durch einen Beschluß des Bundestages im April 1950 zustande. Mit der Herabsetzung des Steuersatzes um 9,50 DM konnten damals aber nur die erhöhten Herstellungskosten und die gestiegenen Rübenanbaukosten abgedeckt werden. Von diesen 9,50 DM flossen etwa 6 DM an den Bauern, 3 DM an die Fabrik und 50 Pf. an die Frachtenausgleichskasse. Man vermied mit der Ermäßigung des Steuersatzes damals also nur eine Erhöhung des Verbraucherpreises, brachte aber keine Verbilligung. Obwohl der Bundestagsausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bereits Ende 1949 die Senkung auf 21 DM zugunsten der Verbraucher erwogen hatte, beträgt der Steuersatz heute noch 26,50 DM.
Unser verehrter Herr Kollege Dr. Kneipp brachte bei der Debatte am 16. Dezember 1949 sehr interessante Zahlen über den Nutzen des Fiskus und über den Nutzen des Bauern pro Hektar angebauter
Zuckerrüben. Nach seinen Berechnungen zieht der Fiskus noch heute pro Hektar Zuckerrüben 12,20 DM aus dem Schweiß der Bauern. Herr Kollege Struve aber begründete, obwohl er Mitglied des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes ist, in der Debatte des Bundestags am 10. Dezember 1952 einen Antrag der CDU, die Zuckersteuer nicht, wie vom Ausschuß beantragt, auf 20,50 DM, sondern nur auf 26,50 DM herabzusetzen. Dieser Antrag wurde seinerzeit angenommen. Dadurch konnte zwar der Rübenpreis auf die auch von uns gewollte Höhe heraufgesetzt werden, verhindert aber wurde damit die Herabsetzung des Zuckerpreises, die Erhöhung des Zuckerverbrauchs und eine für die Landwirtschaft lohnende Vergrößerung der Anbaufläche von Zuckerrüben.
Wir wollen mit unserem heutigen Antrag auf Fortfall der Zuckersteuer nicht nur dem Verbraucher dienen, sondern auch den Bauern. Man kann mit ausreichenden und festen Preisen den deutschen Rübenanbau gesund, d. h. einen großen Teil der Landwirtschaft arbeitsfreudig und leistungsfähig erhalten, eine Feststellung, die schon andere getroffen haben, die wir Sozialdemokraten aber mit Nachdruck unterstützen möchten.
Herr Kollege Dr. Dr. Müller — seiner Fraktion fehlt zur Zeit im Hause bekanntlich nur eine Stimme zur absoluten Mehrheit — hat auf der großen Zuckertagung in Wiesbaden am 2. April dieses Jahres gesagt, daß man aus eigener Ernte, aus Importen und aus Abnahmeverpflichtungen mit einem Überhang von 425 000 t Zucker in diesem Wirtschaftsjahr rechnen müsse. Ich habe mir diese Zahlen vom Ministerium bestätigen lassen. Hinzu kommt, daß wir auch für 1955 eine Abnahmeverpflichtung gegenüber Kuba in Höhe von 175 000 t Rohzucker haben. Hinzu kommt weiterhin eine Vergrößerung der eigenen Anbaufläche um rund 12 %. Herr Dr. Müller folgert ganz logisch aus diesen Gegebenheiten, daß man zu einer Absatzförderung durch Abbau der Zuckersteuer kommen müsse. Soweit ich unterrichtet bin, hat man sich mit einem Steuersatz von 10 DM pro Doppelzentner beschäftigt. Wir freuen uns, daß er auch vom sozialpolitischen Standpunkt aus die Belastung des Grundnahrungsmittels Zucker für nicht länger vertretbar hält. Wir treffen uns mit ihm also in zwei Punkten, bei der Förderung der Landwirtschaft und vom sozialpolitischen Standpunkt aus. Soweit Sie also, meine Damen und Herren von der Mehrheit des Hauses, nicht geneigt sind, unseren Argumenten zu folgen, bitte ich Sie, sich dem Kollegen Dr. Dr. Müller anzuschließen.
Sie können sich aber auch den Argumenten anschließen, die von maßgebender Seite aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kommen. Herr Staatssekretär Dr. Sonnemann hat auf derselben Tagung in Wiesbaden erklärt — ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren —:
Auf allen Gebieten taucht die Frage auf, was getan werden kann, um den Bedarf, die Nachfrage, den Verzehr zu steigern und damit zu einer echten und natürlichen Ausweitung des Marktes und der Absatzmöglichkeit für die Landwirtschaft zu kommen.
Zum Zuckerabsatz speziell sagt er:
Sowohl der Ausdehnungsspielraum für den inländischen Rübenbau als auch der Einfuhrbedarf, der gegenüber einer ganzen Anzahl
von zuckererzeugenden Ländern ein wichtiges handelspolitisches Kompensationsobjekt bedeutet, würden sich sofort ganz anders darstellen, wenn es z. B. dank Ihrer Bemühungen oder gleichzeitig infolge einer Senkung der Zuckersteuer gelingen würde, zu einer an sich möglichen Ausweitung des Verbrauchs zu kommen.
Dazu möchte ich sagen, daß der Bedarf vorhanden ist und daß wir die Ausbreitung des Verbrauchs nicht nur für möglich, sondern für notwendig erachten. Dies geht aber nicht, wie man vielleicht glauben mag, über eine billige Reklame, sondern nur über eine fühlbare Senkung des Zuckerpreises. In keinem vergleichbaren Land ist die Verbraucherbelastung so hoch wie in der Bundesrepublik. Der Herr Finanzminister hatte Einnahmen aus der Zuckersteuer im Jahre 1950 in Höhe von 378 Millionen DM, im Jahre 1950/51 in Höhe von 385 Millionen DM, im Jahre 1951/52 in Höhe von 400 Millionen DM, und er rechnet für das Etatjahr 1954/55 mit einem Aufkommen von 375 Millionen DM. Diese hohe Belastung bewirkt, daß die Bundesrepublik im Zuckerverbrauch an zwölfter Stelle steht.
In Schweden beträgt der Zuckerverbrauch pro Kopf der Bevölkerung im Jahre 45 kg, in den USA 43,8 kg, in England 36,4 kg, in der Tschechei 35,5 kg und in der Bundesrepublik, hoch geschätzt, 25 kg im Jahr. Davon entfallen etwa 16 kg auf die Haushaltsware.
Diese Zurückhaltung im Zuckerverbrauch bei uns ist durch die hohen Preise erzwungen.
Sie ist auch vom Standpunkt der Ernährung aus wenig begrüßenswert. Der Herr Finanzminister wird sicherlich nicht geneigt sein, auf die veranschlagten 375 Millionen DM aus der Zuckersteuer zu verzichten. Aber ich bitte Sie, meine Damen und Herren, seinen Argumenten, seinen zu erwartenden Einwendungen — wenn er auch heute nicht anwesend ist, so wird er sich sicherlich im Ausschuß dagegen wenden — nicht zu folgen. Der Herr Finanzminister hat dem Hohen Hause immer wieder erklärt, daß er auf diese Einnahme nicht verzichten oder jene Ausgabe nicht tragen könne. Nun, das Hohe Haus hat einige Male trotzdem anders beschlossen, und wir haben dann doch nicht die angekündigte Pleite im Bundeshaushalt erlebt. Der Herr Bundesfinanzminister will sogar von sich aus jetzt mit seinen Steuervorlagen den Beziehern großer Einkommen ansehnliche Steuergeschenke machen. Wir haben keine Veranlassung, bei beantragten Erleichterungen für die Allgemeinheit, wie sie die Beseitigung der Zuckersteuer sicherlich darstellen würde, immer an den Haushaltsausgleich zu denken. Dazu haben wir sicherlich Gelegenheit bei der Neufestsetzung des Einkommensteuertarifs.
Die Zuckersteuer wurde vor hundert Jahren eingeführt, als Zucker noch ein Luxusartikel war. Heute wird diese Steuer mit anderen Steuern zusammen von einem wichtigen Nahrungsmittel in einer Höhe erhoben, die die Herstellungskosten von Zucker noch um ein Drittel übersteigt.
Ihre Beseitigung wäre also ein Schritt fort von
einer völlig ungesunden und unsozialen Verbrauchsteuerpolitik. Sie wäre eine begrüßenswerte
Hilfe für den Rübenanbau, sie wäre eine Erleichterung im Außenhandel mit allen zuckererzeugenden Ländern, also eine Erleichterung für den Export der Erzeugnisse unserer Industrie. Wir würden, wenn wir die Zuckersteuer beseitigten, einmal den Erfordernissen der Gesamtwirtschaft gerecht werden. Wir haben auf dem Gebiete der Zuckerwirtschaft mit festen Preisen für den Rübenanbau und gleichen festen Preisen für den Verbrauch eine bewährte Marktordnung geschaffen. Beseitigen müssen wir aber alle Hemmnisse einer Ausweitung des Verbrauchs.
Es wäre sehr schön gewesen, wenn wir diese Vorlage heute in allen drei Lesungen hätten verabschieden können.
Das geht natürlich nicht. Ich beantrage deshalb die Überweisung unserer Vorlage an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. Wir hoffen dabei, daß die Ausschüsse zu einer baldigen Beratung und zu einer zustimmenden Beschlußfassung kommen.