Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin im Gegensatz zu den Ausführungen meines Herrn Vorredners der Auffassung, daß gerade die menschliche Seite bei den gestrigen Beratungen des hier anstehenden Problems etwas zu kurz gekommen ist. Die Presse spiegelt ja heute auch die öffentliche Meinung wider, wenn sie schreibt, daß es gestern, genau genommen, ein Gespräch unter Fachexperten gewesen sei, das von vielen im Hause anwesenden Kollegen wahrscheinlich nicht vollauf verstanden worden sei und deshalb nicht auf das angemessene Interesse gestoßen sei. Ich werde mir daher gestatten, auf diese Dinge, wenn auch kurz, noch etwas einzugehen.
Die seit Monaten andauernde Diskussion um das Verkehrsproblem findet in der Debatte, die wir gestern und heute führen, nun endlich einen gewissen Abschluß. Ich sage: nun endlich, weil die Form und die Art und Weise, in der diese Diskussion in den verflossenen Monaten geführt worden ist, der Sache und letzten Endes dem Ansehen der Betroffenen abträglich gewesen ist; das ist meine und meiner Freunde feste Überzeugung. Man hat der Sache einen sehr schlechten Dienst erwiesen, als man sich in der Art und Weise, wie es geschehen ist, gegenseitig angriff und bekämpfte. Wir alle sind mit entsprechenden Fluten von Papier usw. angegangen worden und haben diese sicherlich manchmal zornig in den Papierkorb geworfen, weil wir nicht verstehen konnten, daß es nicht möglich sein soll, ein solches Problem, von dem praktisch jeder Staatsbürger mittelbar oder unmittelbar betroffen ist, in Ruhe und Sachlichkeit auszutragen. Gerade das hier anstehende Problem bedarf der breitesten Mitarbeit aller Kreise, weil eben praktisch jeder Staatsbürger von ihm betroffen ist. Man hätte also erwarten können — und das wäre der Sache dienlicher gewesen —, daß sich von vornherein die einzelnen Interessentengruppen an einen Tisch gesetzt und in aller Stille eine brauchbare Lösung gefunden hätten, um sie anschließend hier dem Parlament vorzutragen. Wir hätten uns dann sehr viele Reden sparen können, und insgesamt wäre der Sache mehr gedient gewesen. Dabei kann es nicht darum gehen, irgendwelche Sonderinteressen bestimmter Gruppen innerhalb dieser Fragen zu regeln, sondern ausschließlich darum, eine gemeinsame Konzeption für alle Verkehrsträger zu finden, da dies letzten Endes im Allgemeininteresse liegt.
Mir ist gesagt worden: Sie werden es sicher nicht ganz leicht haben, die Ansichten Ihres — Ihres! — Ministers zu vertreten, da dieser Minister nun einmal Ihrer .Partei angehört! Ich habe erwidert: Ich fühle mich durchaus in der Lage, diese Dinge zu vertreten; denn einmal tritt ja hier der Minister nicht als Parteivertreter auf, sondern als Minister, d. h. als Vertreter der gesamten Regierung und damit der gesamten Öffentlichkeit. Diese ganze Frage hat mit Partei nicht das geringste zu tun; das möchte ich hier einmal sehr deutlich feststellen.
Abgesehen davon kann ich die Gesetzesvorlagen auch deshalb mit gutem Gewissen vertreten, weil so prominente Persönlichkeiten wie der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesinnenminister absolut hinter diesen Vorlagen stehen.
Ich begrüße es, daß die Interessenten Gelegenheit genommen haben, uns ihren Standpunkt darzulegen und ihn sogar in das Parlament hinein zu lancieren. Ich bin nur der Meinung, daß die Art und Weise, wie es geschehen ist, nicht immer ganz richtig war. Ich bedauere auch, daß die Presse
— ich habe gar nichts gegen die Presse; im Gegenteil, meine Bremer Pressefreunde werden mir bestätigen, daß ich ihr sehr geneigt bin — oftmals doch recht einseitig
— Herr Kollege, es handelt sich hier ja nicht um
den Lenz-Ausschuß, sondern um die Presse
schlechthin — in diese Diskussion eingegriffen hat.
Man konnte oft den Eindruck haben, daß das Gefühl für das Ganze in der Sache untergegangen ist und daß nur noch harte und verhärtete Standpunkte gegeneinanderstanden. Das darf aber unter gar keinen Umständen der Fall sein in einem Augenblick, in dem wir uns anschicken, das Transportvolumen für 50 Millionen Menschen zu regeln. Hier können wir einfach nicht Kampfgruppe gegen Kampfgruppe brauchen, sondern müssen uns an einen Tisch setzen.
Heute liegen nun also die Gesetzentwürfe der Regierung und die des Kollegen Müller-Hermann vor. Ich sagte schon, daß selbstverständlich auf der Interessentenseite das Recht besteht, zu diesen Dingen seine Meinung zum besten zu geben. Aber ich meine auch, der Ton macht die Musik, - und der Friedrich die Reifen, möchte ich anfügen! Wenn gestern im „Rheinischen Merkur" ein bekannter Generaldirektor der deutschen Wirtschaft schrieb, daß sich nun die Nebel zu lichten begännen und sich dabei herausstelle, daß es sich vielfach um künstliche Nebel handle, so kann ich ihm nur vollauf beipflichten, insbesondere wenn ich die Aktion der Wirtschaft in bezug auf das hier anstehende Problem betrachte. Ich meine die Anzeigenaktion in den deutschen Zeitungen.
Derselbe Wirtschaftskapitän, wenn ich einmal so sagen darf, schreibt in diesem Artikel außerdem, die Bundesregierung habe für ihre Entwürfe populäre Gründe vorgegeben, die letzten Endes aber die Atmosphäre vergiftet hätten. Ich weiß nicht, ob es irgend jemandem ansteht — und sei er auch eine noch so hochstehende Persönlichkeit in der Wirtschaft —, unter Außerachtlassung der Tatsache, daß wir eine so große Zahl von Verkehrstoten zu beklagen haben, einer Tatsache, die ja mit zur Begründung der Gesetzentwürfe der Bundesregierung dient, zu unterstellen, daß man ganz andere Ziele zu erreichen beabsichtige.
Ich halte das für sehr mißlich. Und wenn man im
Glashaus sitzt, soll man nicht mit Steinen werfen.
Es ist doch bekannt, daß dieser Generaldirektor im Kuratorium einer bekannten großen Zeitung sitzt und mit dem Inhaber dieser Zeitung sehr stark befreundet ist.
Wenn im übrigen einmal das Buch über die Antworten geöffnet werden wird, die die Verkehrsteilnehmer an das „Forum" gesandt haben, so werden dort, glaube ich — hier gehe ich mit dem Kollegen Leiske einig —, sehr viele Dinge zum Vorschein kommen, die dem „Forum" oder den Verfechtern des „Forums" wahrscheinlich nicht sehr angenehm in den Ohren klingen werden. Ich habe hier einen Brief vorliegen, in dem u. a. geschrieben steht:
Ich würde den unterzeichnenden Firmen vielmehr empfehlen, ihren Existenzkampf mit der Bundesbahn nicht auf Kosten der allgemeinen Verkehrssicherheit auszutragen.
Es geht dann weiter:
Frage: Wer hat schuld an dem Verkehrschaos? Wer gefährdet seit den letzten fünf Jahren in ganz besonderem Maße die Verkehrssicherheit? Wer ist schuld an den ruinierten Straßen? Wer ist schuld, daß Hunderttausende von Häusern in Deutschland an den Verkehrsstraßen baufällig werden? Welche Fahrzeuge sind in der Lage, Häuser, Schulen, Scheunen und sogar Menschen in Briefmarken zu verwandeln? Welche Fahrzeuge nehmen die gesamte Straßenbreite ein? An welchen Fahrzeugen kommen Motorradfahrer, Autofahrer und Lieferwagen nur unter Lebensgefahr vorbei?
Ich will die Antwort, die daruntersteht, hier nicht vorlesen, weil es mir fernliegt, mich dieser Auffassung etwa vollinhaltlich anzuschließen; aber es liegt ein erhebliches Stück Wahrheit darin, und es kommt in diesem Brief das zum Ausdruck, was nicht nur der hier genannte Lieferwagenfahrer, Autofahrer und Motorradfahrer denkt, sonden was ein breiter Teil der Verkehrsteilnehmer schlechthin, also auch der Radfahrer und Fußgänger, über diese Dinge denkt.
Ich bitte, mir zu verzeihen, wenn ich hierauf etwas eingehe; aber nachdem in den verflossenen Monaten in der Öffentlichkeit über diese Dinge von dieser und jener Seite gesprochen worden ist und die Dinge in etwa auch etwas hochgebracht worden sind, ist wohl dieser Platz hier der richtige, um zu einem abschließenden. ich möchte einmal sagen, Großreinemachen zu kommen, damit wir nachher in um so größerer Sachlichkeit und Ruhe in internen Ausschußberatungen die Dinge erledigen können. Ich halte es für sehr mißlich, daß diese sogenannte „Forum-Aktion" mit Mitteln finanziert worden ist, die letzten Endes der Steuerzahler aufgebracht hat.
Denn diese Mittel — es handelt sich um Millionenbeträge, und wir kennen teilweise auch die Firmen, an die man herangetreten ist, um diese Beträge zu erlangen — sind ja als Werbungskosten absetzbar. Es ergibt sich also hier der phantastische Zustand, daß praktisch der Steuerzahler eine Kampagne gegen die Regierung zu bezahlen hat. Diese öffentliche Irreführung auf Staatskosten ist nach unserer Auffassung ein Mißbrauch wirtschaftlicher Macht, der unter gar keinen Umständen geduldet werden darf.
Das möchte ich den Herren mit aller Deutlichkeit ins Stammbuch schreiben. Wir haben volles Verständnis für die Absatzsorgen der Reifenindustrie für den Fall, daß gewisse gesetzliche Maßnahmen Wirklichkeit werden sollten. Auch das darf unter keinen Umständen zu solchen Auswüchsen führen. Es wird ja doch auf Gewerkschafts- und anderer Seite entsprechend vermerkt werden, wenn hier in dieser Weise gegen die Regierung vorgegangen wird. Ich habe außerdem mit Bedauern festgestellt, daß noch am 23. Juni 1954 der Herr Bundesverkehrsminister an Herrn Raucamp, einen der maßgeblichen Vertreter des Güterfernverkehrsgewerbes, einen Brief richten mußte, in dem er ihn — ich sage nochmals, am 23. Juni dieses Jahres — auffordern mußte, ihm die Vorschläge seines Gewerbes zu unterbreiten, damit sie in die Gesamtkonzeption eingearbeitet werden könnten. Das halte ich ebenfalls für einen sehr bedauerlichen Zustand; denn man hätte meinen müssen, daß bei dem Stand der Dinge, wie er heute gegeben ist, längst eine gewisse Angleichung der Standpunkte stattgefunden hätte.
Das Verkehrsproblem, das zu regeln wir uns hier bemühen und das wir hier selbstverständlich nur in großen Zügen erörtern können, ist, mag dies auch von diesen oder jenen Kollegen bestritten werden, weitestgehend auch ein menschliches Problem. Insofern stimme ich mit dem Kollegen Feldmann, der vor mir gesprochen hat, nicht überein. Was interessiert es die Menschen, die auf der Straße sterben müssen, ob sie sterben müssen, weil der Verkehr nach marktwirtschaftlichen, planwirtschaftlichen oder sonstigen Regeln geordnet worden ist? Ich bin weit entfernt davon, mit diesen allzu traurigen Dingen Propaganda machen zu wollen; aber wir dürfen nicht vergessen, daß dies für das ganze Volk in moralischer und auch in materieller Hinsicht eine Hypothek ist, die wir unter keinen Umständen zu leicht nehmen dürfen.
Ich bedaure es sehr, daß in diesem Zeitalter, diesem Massenzeitalter, in dem die Schlagworte und die Reklame eine sehr große Rolle spielen, auch solche Auswüchse zu verzeichnen sind, daß beispielsweise gewisse Fabriken, die natürlich um ihren Absatz bemüht sein müssen, Annoncen aufgeben, wie es kürzlich eine große Motorradfabrik getan hat, die eine neue Maschine abgebildet und dazu geschrieben hat: „Mit dieser schnellen Maschine beherrschen unsere Jungs die Straße". Das ist direkt eine Aufforderung zu einer Irrsinnsraserei, wie wir alle sie in den Städten heute täglich erleben.
Ich bin gestern abend noch in Königswinter gewesen, um mich von der anstrengenden Debatte etwas zu erholen und mich noch etwas zu ergehen. Ich habe dort ein Motorradrennen von halbwüchsigen Rowdys — anders kann ich es nicht nennen — erlebt, die sich den Sturzhelm über den Kopf gestülpt hatten. Dieser Sturzhelm soll ja lediglich der Sicherheit dienen, wird aber von gewissen Kreisen schon wieder dazu benutzt, zu zeigen, daß man schon ein angehender Rennfahrer ist. Als ich meinen Wagen parkte, stiegen gerade zwei ausländische Ehepaare aus — es waren Holländer —, die sich kopfschüttelnd das ansahen, was sich da an der Rheinseite in Königswinter abspielte. Drei Halbwüchsige rasten wie die Irrsinnigen durch die Kurgäste und durch das promenierende Volk. Ich will mich nicht dem Vorwurf aussetzen, daß ich etwas gegen den Motorradfahrer hätte; aber ich
will deutlich sagen, daß das Benehmen eines Teils dieser Kategorie von Verkehrsteilnehmern keineswegs immer so ist, daß es den Regeln des Anstands und der Rücksicht entspricht. Wir müssen von hier aus selbstverständlich an alle Verkehrsteilnehmer, aber gerade — denn das Motorrad verleitet ganz besonders dazu, die ganze Artistik und Fahrkunst zu zeigen — an diese Menschen den Appell richten, das unter allen Umständen zu unterlassen.
Die Fußgänger sind in der Debatte, die bisher in diesem Hause geführt worden ist, meines Erachtens nicht zur kurz gekommen. Ich brauche deswegen nicht besonders darauf hinzuweisen. Aber wir werden zu der gewünschten Verkehrssicherheit -- wenn ich kurz bei diesem Punkt bleiben darf niemals kommen, wenn nicht endlich alle Verkehrsteilnehmer mehr Rücksicht üben, als es bisher der Fall ist. Wir sollten uns hier ruhig, ohne nun in die Manie zu verfallen, etwa das zu kopieren, was im Ausland gemacht wird, einmal an die Brust schlagen und uns den Verkehr in England, in der Schweiz und in anderen Ländern zum Vorbild nehmen, wo wirklich beispielhaft gefahren urn auch gegangen wird. Wir sind diese Rücksicht unter allen Umständen schuldig, weil wir Erbarmen mit den Frauen und Kindern haben müssen. Jawohl, meine Damen und Herren, Erbarmen müssen wir mit ihnen haben, und derjenige, der vielleicht schon einmal gesehen hat, wie es nach einem Verkehrsunfall aussieht, wird mir bier recht geben.
Im übrigen bin ich der Meinung — und das will ich auch ganz offen aussprechen —, daß Rücksichtslosigkeit hier gegen Rücksichtslosigkeit gesetzt werden muß. Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Sträter hat einmal eine sehr scharfe Polizeiaktion gegen die Verkehrssünder gefordert, meines Erachtens in etwas zu scharfer Form. Aber das, was heute gegen die Verkehrssünder geschieht, halte ich nicht für ausreichend. Hier muß — ich wiederhole es — Rücksichtslosigkeit gegen Rücksichtslosigkeit gesetzt werden; um jene Elemente zur Vernunft, zur Räson zu bringen, die sich nicht in unsere Gemeinschaft einordnen wollen.
Zur Verkehrssicherheit weiter: Es ist ein Manko — teilweise der Behörden, teilweise der Verkehrsteilnehmer selbst —, wenn man glaubt, daß der Verkehr nur mit solchen Maßnahmen wie etwa der zu regeln sei, in den Städten ganze Wälder von Verkehrsschildern aufzustellen, so daß der Kraftfahrer praktisch gar nicht mehr in der Lage ist, den Verkehr zu beachten, weil er alle zehn Meter auf ein neues Verkehrsschild achten muß. Meines Erachtens ist auch viel zu wenig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, die Geschwindigkeit in den Ortschaften zu begrenzen.
Ich verstehe ferner nicht, warum es immer noch möglich ist, daß auf der Autobahn Lastwagen mit fliegenden Planen fahren, die, wenn sie den Kurs wechseln wollen, dies nicht anzeigen können, weil ihre Blinklichter oder Winker von den fliegenden Planen verdeckt sind, so daß man oft in tödliche Gefahr gerät. Meine Damen und Herren, wer von Ihnen, die Sie weit weg von Bonn wohnen und wie ich etwa 6 Stunden Anfahrt haben und gezwungen sind, über die Autobahn zu fahren, hat noch nicht in einer solchen oft tödlich scheinenden Gefahr geschwebt? Es will mir auch nicht einleuchten, warum es bisher nicht möglich gewesen ist — die Vorlage des Herrn Müller-Hermann fordert dies ja —, diesem Erfordernis Rechnung zu tragen und zu bestimmen, die Lastkraftwagen so auszustatten, daß sie ihre Fahrtrichtung anzeigen können,
nämlich, daß sie hinten Winker oder Blinker haben.
Warum ist es bis heute nicht möglich gewesen, durch eine Änderung der Straßenverkehrsordnung dafür zu sorgen, daß auf der Autobahn, wo bekanntlich mit hohen und höchsten Geschwindigkeiten gefahren wird — dazu ist sie ja da —, eine Richtungsänderung angezeigt werden muß? Ich habe vor wenigen Wochen ein eigenartiges Erlebnis gehabt. Ich fuhr in sehr schneller Fahrt Richtung Bremen, vor mir ein Lastwagen, hinter diesem Lastwagen ein Polizeifahrzeug. Ich gab Signal, und in diesem Moment, als ich zum Überholen ansetzte, scherte das Polizeifahrzeug nach links aus, und ich hatte Mühe, meinen Wagen zum Stehen zu bringen.
Im Vorbeifahren drohte ich dem Polizeiwagen, der auch den Lastwagen passiert hatte, ein bißchen mit dem Finger, was bedeuten sollte: Meine Herren, nehmen Sie sich das nächste Mal etwas in acht! Worauf der Polizeiwagen mich sofort überholte, zum Stehen brachte und beim Aussteigen die Beamten sofort erklärten: Treten Sie mal auf Ihre Bremse, schalten Sie mal das Licht ein, usw.! Kurzum, man wollte mich schikanieren. Auf meine Frage, warum sie die Richtungsänderung nicht angezeigt hätten, sagten sie: Bitte schön, nennen Sie uns mal den Paragraphen der Straßenverkehrsordnung, in dem geschrieben steht, daß wir verpflichtet sind, die Fahrtrichtung anzuzeigen!
Das soll bloß ein Schlaglicht sein.
Wenn ich vorhin davon sprach, daß wir oft in tödliche Gefahr beim Überholen geraten — was ja bei großen Geschwindigkeiten nicht ausbleibt —, dann sollte es jedem einleuchten, daß es eine unabdingbare Notwendigkeit ist, zumindest auf der Autobahn in Zukunft die Richtungsänderung anzuzeigen.
— Ich darf das aber trotzdem noch einmal ausdrücklich fordern, Herr Müller-Hermann, das ist mein Kummer als Kraftfahrer.
Die Diskussion um Überholgeräte ist im Gang. Wir brauchen darüber im einzelnen nicht zu sprechen. Die Überholgeräte mögen kommen.
Wenn der Herr Verkehrsminister davon sprach, daß in seinem Hause geprüft werde, ob ein Überholverbot für Lastkraftwagen tunlich sei, dann möchte ich diesen Gedanken ablehnen. Denn man kann den Lastwagen, die ebenfalls verschiedene Geschwindigkeiten fahren, nicht zumuten, daß sie wie in einem Geleitzug hinter dem vordersten, der vielleicht der langsamste ist, herfahren müssen. Ich möchte aber empfehlen, zu erwägen, ob nicht die Lastzüge, wenn sie hintereinander fahren, einen Mindestabstand etwa von 100 Metern zu wahren gezwungen werden sollten, damit die Personenfahrzeuge, die schneller fahren können, die Möglichkeit haben, diese Fahrzeuge zu überholen, und damit sie insbesondere bei einer Massierung von Lastzügen, wie wir sie auf vielen Strecken der Autobahn haben, in der Lage sind, sich langsam nach vorne zu schlängeln.
Anläßlich der Haushaltsberatung, als hier bereits über Verkehrsprobleme gesprochen wurde, ist auch die Frage des Verkehrsunterrichts zur Sprache gekommen. Ich habe von der hohen Konferenz der
Kultusminister bisher noch nicht gehört, daß sie in dieser Frage etwas Positives unternommen hätte. Vielleicht darf ich von dieser Stelle aus noch einmal die Anregung geben, daß sich alle Länder dazu bequemen, den Verkehrsunterricht als benotetes Pflichtfach einzuführen.
Schließlich möchte ich, was die Verkehrssicherheit betrifft, noch die Forderung des Automobilclubs von Deutschland unterstützen, einen großen Verkehrssicherheitsrat zu schaffen. Bei den jetzigen Verhältnissen auf der Straße scheint es tatsächlich unumgänglich zu sein, daß sich ein Gremium von Fachleuten und Verkehrsteilnehmern laufend mit diesen Fragen so befaßt, daß die Dinge möglichst immer auf dem neuesten Stand gehalten werden. Ich habe im übrigen den Regierungsentwürfen bzw. den Entwürfen des Kollegen Müller-Hermann in dieser Frage nichts hinzuzufügen.
Wir hier sind gehalten, unter allen Umständen dafür zu sorgen, daß die geplanten Sicherheitsmaßnahmen nicht ein Fetzen Papier bleiben. Sonst werden wir es eines Tages erleben, daß dieses Papier mit dem Blute unserer Mitbürger beschrieben ist. Das müssen wir unter allen Umständen verhindern. Im übrigen glaube ich, daß es trotz der enormen Verkehrsdichte, die an der Verkehrsunsicherheit selbstverständlich die Hauptschuld trägt — ich möchte das ganz offen sagen —, ein Ausdruck für den — verzeihen Sie — Tiefstand unseres Gemeinschaftsgefühls ist, daß heute so viele Dinge auf der Straße passieren, die nicht zu passieren brauchten. Bei mehr Anstand und mehr Rücksicht aufeinander könnten zweifellos zahlreiche solche Vorkommnisse vermieden werden.
Bei der Frage der Verkehrssicherheit kommt man dazu, die Sicherheit der Bundesbahn der Sicherheit im Straßenverkehr gegenüberzustellen. Wir wissen alle, daß die Bundesbahn mit einer geradezu nachtwandlerischen Sicherheit fährt. Das liegt an der Art und Weise ihres Betriebes. Wir wissen selbstverständlich auch, daß der Hauptunsicherheitsfaktor auf der Straße liegt. Ich habe hierzu eine interessante Notiz in einer Verkehrsschrift gefunden, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal kurz zitieren möchte:
Erst wenn der Staat an beide Verkehrsmittel die gleichen Sicherheitsanforderungen stellt, wenn also der Kraftverkehr gesetzlich gezwungen wird, durch technische und organisatorische Mittel denselben Grad von Sicherheit zu bieten, wie man ihn von der Eisenbahn schon immer verlangt hat, erst dann könnte man den volkswirtschaftlichen Wert von Eisenbahn- und Straßenverkehr gegeneinander abwägen. Solange das nicht der Fall ist, wird jede Vergleichsrechnung unwahr bleiben, weil sie die Hunderte von Millionen Mark unberücksichtigt läßt, mit denen jetzt die Hochkonjunktur auf den Unfallfriedhöfen und in den Unfallkliniken auf Kosten aller Staatsbürger finanziert wird. Hier scheint uns ein dirigistisches Eingreifen des Staates — wenn man diesen Begriff schon in die Debatte wirft — nicht nur aus menschlichen Gründen, sondern auch zur sachlichen Klärung des Verkehrsproblems eine der dringlichsten Pflichten der Bundesregierung zu sein.
Meine Damen und Herren, die Verkehrsträger haben in den vergangenen Jahren, ich möchte fast sagen: in den vergangenen Jahrzehnten, zweifellos eine etwas ungleiche Entwicklung genommen. Das kann wohl nicht bestritten werden. Daraus resultierend ist, sowohl auf der Straße wie auf der Schiene und in der Binnenschiffahrt, ein Verkehrsapparat entstanden, der, gemessen an dem Wirtschaftsvolumen, das ja bei uns bekanntlich enorm ist, immer noch zu groß ist. Dies ist mit einer der Gründe, weshalb es sich bei der Regelung dieses Problems nur darum handeln kann, einen umfassenden Rahmen, eine gemeinsame Konzeption für sämtliche Verkehrsträger zu finden. Die Regierung und auch wir, die wir in den entsprechenden Ausschüssen tätig sind, dürfen dabei keine halben Maßnahmen treffen. Darüber muß in diesem Hause Klarheit bestehen.
Die Zeit, in der wir noch mit Kompromissen — sicherlich wird da und dort ein Kompromiß zustande kommen müssen —, vielleicht mit allzu weichen Kompromissen diese Probleme lösen können, ist meines Erachtens — darin wird mir die gesamte Öffentlichkeit zustimmen — fast schon überschritten. Wir müssen jetzt zu ganzen Maßnahmen kommen, wenn wir nicht große Fehlleitungen von Kapitalinvestitionen usw. in Kauf nehmen wollen und wenn wir insonderheit darauf bedacht sein wollen, daß unsere Staatsbürger den Sicherheitsschutz, der ihnen zukommt, genießen. Ich bin, obwohl der Herr Bundesverkehrsminister mein Parteifreund ist — ich habe das einleitend schon gesagt —, weder gegen die Bundesbahn noch bin ich gegen den Güterkraftverkehr, sondern ich bemühe mich, die Dinge völlig neutral zu betrachten. Aber es kann — wenn ich bei der Bundesbahn anfangen darf — nicht übersehen werden, daß die Bundesbahn doch einer der wesentlichsten Verkehrsfaktoren, überhaupt einer der wesentlichsten Wirtschaftsfaktoren im gesamten deutschen Volksleben ist. Es gibt kein zivilisiertes Land ohne eine Eisenbahn, und es ist undenkbar, daß jemand etwa auf den Gedanken kommen könnte, die Bundesbahn abzuschaffen. Wenn man allerdings die Veröffentlichungen in den verflossenen Monaten las, Herr Kollege Rümmele, konnte man manchmal tatsächlich glauben, daß sich einige Schrotthändler für diesen „Rest von Blech" interessierten.
Die kommende Verkehrskonzeption, wie wir sie noch erarbeiten müssen, wird, ob gut oder schlecht, sehr wesentlich auch davon abhängen, welche Rolle wir der Bundesbahn innerhalb dieser Konzeption zuweisen. Ich möchte, wenn ich das sage, nicht in den Verdacht kommen — das betone ich noch einmal ausdrücklich —, hier etwa als Sprecher für die Bundesbahn speziell aufzutreten. Aber an diesen Tatsachen können wir einfach nicht vorbeigehen. Insbesondere können wir nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß die Bundesbahn praktisch doch uns allen gehört, so daß wir schon aus diesem Grunde ein Interesse daran haben müßten, daß sie gesund ist. Es ist eine Tatsache, daß die Bundesbahn in den verflossenen zehn Jahren sehr stark in Anspruch genommen worden ist und daß man auf der andern Seite aus den verschiedensten Gründen nicht die Möglichkeit hatte, ihr das zukommen zu lassen, was sie speziell auf dem Sektor Reparaturen, Neuanschaffungen usw. nötig hatte.
Der Herr Minister und ebenfalls Herr Kollege Jahn haben gestern sehr eindrucksvolle Zahlen darüber genannt, welche Wiederaufbauleistungen die Bundesbahn vollbracht hat. Ich kann es mir versagen, darauf noch einmal einzugehen, insonderheit auch deswegen, weil ich glaube, daß es mißlich ist, von dieser Stelle aus mit Statistiken und Zahlen
zu operieren, die man doch nicht versteht. Das sind Dinge, die man schwarz auf weiß haben muß und die uns nachher in den Ausschüssen interessieren werden. Es ist aber völlig abwegig, wenn von seiten des Straßenverkehrs immer wieder erklärt wird, die Bundesbahn sei unmodern. Überhaupt sollte man sich meines Erachtens aller kollektiven Verurteilungen oder kollektiven Verherrlichungen enthalten, man muß die Dinge individuell betrachten. Die Leistung, die die Bundesbahn als solche und die ihre Angehörigen beim Wiederaufbau vollbracht haben, ist durch den Minister schon entsprechend gewürdigt worden. Trotzdem fordert der Straßenverkehr eine Rationalisierung nach kaufmännischen Gesichtspunkten. Meine Damen und Herren, ich gestehe, ich würde es persönlich-gern sehen, wenn die Bundesbahn morgen in Privathand übergehen und dann nach rein betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Gesichtspunkten geleitet werden könnt e. Das ist aber meines Erachtens praktisch unlösbar. Deswegen müssen wir uns mit dem derzeitigen Status mehr oder minder abfinden.
Dabei dürfen wir nicht übersehen, daß effektiv doch allein durch den gewaltigen Personalabbau der letzten Jahre eine Rationalisierung bereits vorgenommen worden ist, die sich sehen lassen kann. Ich muß ehrlich gestehen, daß ich gestern etwas im Zweifel war, wie Herr Kollege Jahn diese Dinge betrachten würde, denn als Vertreter der Gewerkschaften hat er selbstverständlich in erster Linie — das ist ja auch sein Amt — das Wohl und Wehe der Belegschaft im Auge. Wir können einfach nicht daran vorübergehen, daß bei der ungeheuer gestiegenen Leistung, die ja doch von Jahr zu Jahr gesteigert wurde, und bei dem gleichzeitigen Personalabbau selbstverständlich erhöhte Anforderungen an das Personal gestellt worden sind, und es ist die Frage: wann kommt der Tag, an dem dieser Personalabbau nicht mehr fortgesetzt werden kann, und wann kommt der Tag, von dem an das Personal so ausgelastet ist, daß man ihm nichts Weiteres mehr zumuten kann? Man soll also auch von der Bundesbahn nichts Unmögliches verlangen.
Das Hohe Haus ist sich in allen seinen Fraktionen mehr oder minder darüber einig, daß die betriebsfremden Lasten der Bundesbahn abgenommen werden müssen; eine Forderung, die schon vor längerer Zeit erhoben worden ist und die ich hier nur erneut erheben kann.
Im übrigen ist es meines Erachtens nicht angängig, daß die Bundesbahn und der Straßenverkehr sich weiterhin mit tarifarischen Maßnahmen gegenseitig bekämpfen. Ich habe es als sehr bedauerlich empfunden, daß seitens der Bundesbahn noch in allerletzter Zeit, als die Diskussion um die Verkehrsprobleme auf einem Höhepunkt, man kann ja fast sagen, auf einem Siedepunkt war, noch tarifarische Veränderungen erfolgt sind. Das hätte man besser unterlassen sollen.
Im übrigen müssen wir hier an die Vernunft der Vertreter beider Seiten appellieren. Ich will die Binnenschiffahrt ganz bewußt außer acht lassen, weil es eine Tatsache ist, daß die Bundesbahn und die Binnenschiffahrt ausgezeichnet zusammenarbeiten. Wir appellieren an die Vernunft der Vertreter des Güterkraftverkehrs und der Bundesbahn — denn dort sind auch nicht alles „weiße Raben" —, daß sie nun endlich einen Modus finden mögen, sich zusammenzusetzen und die Dinge gemeinsam zu beraten. Dabei wird es sich natürlich nicht umgehen lassen, daß der gemeinwirtschaftliche Charakter, der der Bundesbahn anhaftet, auch weiterhin bestehenbleibt, d. h. also, daß sie Verpflichtungen übernehmen muß, die man dem privaten Fuhrverkehr nicht ohne weiteres auferlegen kann. Ich glaube aber, daß eine weitere Stilllegung von Nebenbahnen, wie es bereits in einigen Fällen geschehen ist, noch zur Rationalisierung der Bundesbahn beitragen könnte, — könnte, Herr Kollege! Es ist doch so, daß diese Bahnen vielfach nicht ausgelastet sind und daß zweifellos in vielen Fällen ohne weiteres die Möglichkeit besteht, durch Omnibusverkehr, kurz durch den Verkehr auf der Straße die entsprechenden Zubringerdienste zu versehen. Jedenfalls sollte man dieser Frage ein besonderes Augenmerk zuwenden.
Herr Minister, wenn Sie außerdem daran denken wollten, die Stückguttarife für den Fischversand von den Fischereihäfen etwas niedriger zu setzen, wären wir auch sehr dankbar. — Meine Damen und Herren, es ist hier gestern vom oberbayerischen Lehmziegel gesprochen worden. Warum soll ich nicht von unseren Fischen sprechen?
Außerdem ist es eine bekannte Tatsache, daß die Bundesbahn über ein sehr dichtes Schienennetz verfügt, das nun Gott sei Dank in etwa jedenfalls so weit intakt ist, daß es voll beansprucht werden kann, und wir sind uns, glaube ich, alle darüber im klaren, daß das größte Interesse — dieses Interesse wird durch alle Fraktionen gehen — daran besteht, daß es der Bundesbahn ermöglicht wird, sich in Zukunft unter allen Umständen als wirtschaftliches Unternehmen selbst zu erhalten, und sie damit gleichzeitig in den Stand versetzt wird, den technischen Fortschritt, der heute von Tag zu Tag wächst, in vollem Umfang zu nutzen. Dazu ist es aber eben notwendig — und das ist mit ein Grund des Vorliegens dieser Gesetzentwürfe —, daß Ordnung im Güterverkehr und im Personenverkehr geschaffen wird. Allerdings möchte ich das wiederholen, was ich bei der Haushaltsdebatte von diesem Platze aus schon gesagt habe: Liebe Bundesbahn, lege deine Karten auf den Tisch! Es ist hier schon mit Recht moniert worden, daß diese Karten bisher noch nicht auf den Tisch gelegt worden sind. Das erschwert natürlich ungeheuer eine vernünftige Regelung.
Wenn ich diese Konzession mache, dann muß ich mich auf der anderen Seite dagegen wenden, daß der Straßenverkehr immer wieder behauptet, die Bundesbahn solle auf Kosten der Straße saniert werden. Meine Damen und Herren, ich habe die Gesetze von vorn bis hinten durchgelesen. Es tut mir furchtbar leid, ich habe keinen Passus entdekken können — weder in den Regierungsentwürfen noch in den Entwürfen Müller-Hermanns —, der darauf hinausliefe, die Bundesbahn auf Kosten der Straße zu sanieren.
Andererseits bin ich der Auffassung, daß es ein Entgegenkommen der Kraftverkehrswirtschaft bedeutet, wenn sie sagt: Wir sind nicht damit einverstanden, daß aus dem Aufkommen an Kraftfahrzeugsteuer und Mineralölsteuer irgend etwas für die Bundesbahn getan wird; aber wir würden uns nicht dagegen wenden, wenn aus den Mitteln der Beförderungsteuer etwas für die Bundesbahn getan wird. Ich glaube, das ist eine Frage, die noch einer sehr eingehenden Prüfung bedarf. Insbesondere bin ich der Meinung, daß das Aufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz, das ja die Beförderung-
steuer ausschließt, schon für die vorgesehenen Zwecke viel zu gering ist. Es ist deshalb auch viel zu gering, als daß man daraus auch noch irgend etwas für die Bundesbahn tun könnte. Ich bedauere es sehr, daß der Herr Bundesfinanzminister heute nicht noch Gelegenheit nimmt, hier an den Erörterungen teilzunehmen. Er kneift offenbar ein wenig. Denn bisher haben wir von ihm noch keine Erklärung darüber, ob er bereit ist, der Bundesbahn die betriebsfremden Lasten abzunehmen. Wenn wir aber zu einer Regelung des Gesamtproblems kommen wollen, müssen wir vom Bundestinanzminister ein Votum haben. Es genügt nicht, daß wir es hier fordern, sondern wir müssen das Votum von ihm haben, daß er bereit ist, die betriebsfremden Lasten zu übernehmen.
Der Fortschritt der Motorisierung in den letzten Jahren ist stürmisch gewesen. Das wissen Sie alle. Sie wissen auch alle, daß wir ein unzureichendes Straßennetz haben. bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß wir die Einwände des Herrn Bundesverkehrsministers, daß man bei der Schaffung eines größeren Straßennetzes auch auf landwirtschaftliche, wasserwirtschaftliche und sonstige Belange Bedacht nehmen müsse, nicht zu gering schätzen dürfen. Wir sind heute praktisch schon — wenn ich einmal das verpönte Wort gebrauchen darf — ein Volk ohne Raum. So schön Siedlungen sind, wir sehen eben doch auf der anderen Seite mit einem gewissen Bedenken, daß der Landwirtschaft immer mehr Grünland und Gartenland entzogen und für die Bebauung benutzt wird. Es wird in Anbetracht der bekannten Zahlen, die gestern vom Herrn Verkehrsminister vorgelegt worden sind, jedem einleuchten, daß eine Vergrößerung des Straßennetzes in dem erforderlichen Umfang weitere riesenhafte Anforderungen an die Landnahme in Westdeutschland stellen wird. Auch diese Frage darf angesichts der Tatsache, daß wir sowieso in einem übervölkerten Kessel wohnen, nicht zu leicht genommen werden.
Wenn man dann noch hört, daß sich in vier Jahren rund 50 Kraftfahrzeuge auf einem Kilometer Straße zusammendrängen werden, dann wird, glaube ich, jedem klarwerden, das das praktisch einer Erdrosselung des Verkehrs gleichkommen muß.
Dabei erhebt sich dann die Frage, um die es in der ganzen Debatte dieser Tage praktisch ging: Kann man das Straßennetz dem Verkehr anpassen oder muß man mangels der erforderlichen Mittel und sonstiger Möglichkeiten jetzt erst einmal den Verkehr dem Straßennetz anpassen? Meine Damen und Herren, ich wage in diesem Augenblick keine Antwort auf diese Frage zu geben. Das ist wirklich eine so grundsätzliche Frage, daß über sie nur nach eingehenden und tiefschürfenden Erörterungen entschieden werden kann. Ich möchte jedenfalls jetzt nicht so ohne weiteres darüber entscheiden.
Allerdings möchte ich auch nicht übersehen, daß der Transportraum der Bundesbahn durch das weitere Ansteigen des Kraftverkehrs. selbstverständlich noch mehr ausgehöhlt wird, der Bundesbahn, die mit all den sozialen, gemeinwirtschaftlichen und sonstigen Hypotheken belastet ist. Dies muß natürlich auch zu schwerwiegenden weiteren Folgen führen, wenn wir nicht bald zu einer vernünftigen Lösung kommen; ganz abgesehen davon, daß der Verkehrsfluß auch nicht mehr so sein wird, daß es sich überhaupt noch lohnen wird, mit einem Kraftfahrzeug zu fahren.
Die zunehmende Verkehrsdichte — das haben 1 meine Herren Vorredner schon erwähnt, und ich befinde mich in einer schwierigen Lage, weil ich für meine Fraktion vieles sagen muß, was schon gesagt worden ist — erfordert es naturgemäß, daß das Straßennetz weitgehend weiter ausgebaut wird. Dieser weitgehende Ausbau wiederum erfordert es natürlich, daß finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Ich habe schon gesagt: ich glaube nicht, daß die Mittel, die nach dem Verkehrsfinanzgesetz dafür aufgebracht werden sollen, ausreichen werden, auch nur ein bißchen im Straßenbau voranzukommen. Ich befürchte, daß diese Mittel allenfalls dazu ausreichen werden, die bisherige Verkehrsdichte in etwa beibehalten zu können. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß jeder Teilnehmer am Kraftwagenverkehr, sofern er die Straßen benutzt, den angemessenen Anteil an Steuern zu tragen hat, den er gemessen am Grad der Benutzung dieser öffentlichen Einrichtungen tragen muß. In dieser Beziehung hat der Herr Verkehrsminister gestern sehr eindrucksvolle Zahlen über die anteiligen Kosten der Personenkraftwagen und der schweren Lastkraftwagen zum besten gegeben, die auch von keiner Seite korrigiert worden sind, selbst nicht von den Rednern, die mehr oder minder für den Güterkraftverkehr gesprochen haben.
— Es könnte sein, daß einer dafür gesprochen hat und ich während dieser Zeit gerade draußen war.
— Sie werden aber alle zugeben, daß die Relation, die aufgezeigt worden ist, daß ein leichtes Fahrzeug wie der Volkswagen oder Opel Olympia über eine, ja zwei DM aufbringt und daß es sich bei den schweren Lastfahrzeugen nur um Pfennige handelt, eine Relation ist, die einfach nicht tragbar ist. Ich glaube, daß selbst der Güterfernverkehr einsichtig genug sein wird, das zuzugeben und demzufolge auch daraus gewisse Konsequenzen zu tragen.
Es kann auch nicht bestritten werden — das ist wissenschaftlich erwiesen —, daß durch die Benutzung durch die schweren und schwersten Wagen die Straßendecken in einem viel größerem Umfange abgenutzt werden als durch die Benutzung durch Personenwagen. Allerdings habe ich — das möchte ich spaßeshalber zum besten geben — kürzlich in einer Unterredung mit Vertretern des Güterfernverkehrs gehört — es waren übrigens nicht die Bremer —, daß die schnellen leichten Personenwagenreifen die Autobahndecke und die Straßendecke sehr leicht aufreißen, daß aber die schwerlastenden Lastwagen diese Schäden wieder beseitigen, indem sie alles wieder glatt- und festfahren.
Mit solchen Argumenten kann man diesen Dingen natürlich nicht beikommen. Aber Tatsache ist —und ein wissenschaftlicher Beweis liegt ja nun vor —, daß es die schweren Wagen sind, die diese schweren Zerstörungen hervorrufen. Deswegen müssen sie auch mehr herangezogen werden, als dies bisher der Fall war.
Der Herr Kollege Schmidt von der sozialdemokratischen Fraktion hat gestern die Frage in die Debatte geworfen: Weshalb haben Sie, Herr Verkehrsminister, nicht überhaupt einen glatten Schnitt gemacht und den zweiten Anhänger verboten? Nun, Herr Kollege Schmidt ist leider nicht da. Ich betrachte das gar nicht als einen Vorwurf
an den Verkehrsminister. Ich betrachte das fast als eine Offerte an den Verkehrsminister. Man will dem Güterfernverkehr nicht weh tun. Wenn ich die Sache ernst betrachte, so muß ich sagen, so sehr abwegig ist die Frage an sich nicht. Abwegig ist auch nicht der Gedanke, im Interesse der Straßenerhaltung und der Verkehrssicherheit für die schweren Lastzüge eine Geschwindigkeitsbeschränkung einzuführen. Die Zahlen, die der Herr Minister gestern hinsichtlich des Zerstörungsgrades unseres Landstraßen- und Autobahnnetzes nannte, sind jedenfalls so erschreckend, daß wir auch hier nicht vor irgendwelchen Sentiments oder Ressentiments irgendwelcher Interessenten halt machen können, sondern daß wir, ich möchte sagen, rücksichtslos gezwungen sind, einen scharfen Schnitt zu tun und das zu tun, was die Vernunft erfordert.
Die Frage, ob die Kraftfahrzeugsteuer wegfallen kann und nur durch die Mineralölsteuer ein entsprechendes Aufkommen sichergestellt werden solle, ist meines Erachtens eine Angelegenheit, die in diesem Hause nicht geprüft werden kann. Sie bedarf einer eingehenden Beratung im Verkehrsausschuß.
Aber ich muß doch ehrlich sagen, daß meine Freunde und ich überwiegend der Auffassung sind, daß der schwere Lastverkehr, wie er sich heute auf den Autobahnen und den deutschen Landstraßen abwickelt, eigentlich nicht auf die Straße gehört. Sehen Sie, es ist doch ein Jammer, auf der einen Seite — nun wird man mir natürlich gleich sagen: du willst also doch der Bundesbahn etwas zuschustern — haben wir dieses intakte Verkehrsmittel, das nicht ein entsprechendes Aufkommen hereinbringt, weil es eben nicht ausgelastet ist. Auf der anderen Seite dulden wir große volkswirtschaftliche Schäden durch Zerstörung der Straßen, durch Zerrüttung der Nerven unserer Mitbewohner durch Verstopfung der Ortsdurchfahrten, durch Erschütterungen der Häuser usw. Es ist also schon eine Frage, die wirklich sehr ernsthaft und tiefgründig geprüft werden muß, ob das Sinn, Verstand und einen Zweck hat. Ich glaube jedenfalls, daß gewisse Massengüter einfach nicht auf die Straße gehören. Wenn der Güterkraftverkehr darauf hinweist, daß durch ihn, der seit Jahren konzessioniert sei, kein weiteres Anwachsen der Verkehrsdichte erfolgt sei, dann geht diese Argumentation doch insofern an den Tatsachen vorbei, als insgesamt doch eine Erhöhung der Verkehrsdichte zu verzeichnen ist, und daran hat der Güterkraftverkehr natürlich seinen entsprechenden Anteil, wenn auch immer nur mit derselben Anzahl von Fahrzeugen. Wenn also eine andere Kategorie von Fahrzeugen in der Verkehrsdichte führend wird, dann muß eben der Gesamtkomplex gesehen werden, und es muß gefragt werden, was kann noch verantwortet werden und was nicht.
Als einen sehr wesentlichen Punkt betrachte ich — und hier stimme ich mit dem Minister vollkommen überein — die Eindämmung des Werkverkehrs und des Werkfernverkehrs. Die Gründe hierfür möchte ich im einzelnen nicht noch einmal darlegen. Sie sind dem Hohen Hause bekannt. Aber wir werden nicht zu einer vernünftigen Lösung insbesondere für den Güterfernverkehr kommen, wenn wir den bisherigen Stand des Werkverkehrs und des Werkfernverkehrs dulden oder gar dulden, daß er sich noch mehr als bisher ausdehnt. Daß der Werkfernverkehr nicht zugunsten der Bundesbahn zurückgedämmt werden soll, wie uns einseitig Eingestellte wahrscheinlich wieder vorwerfen werden, möchte ich hier noch ausdrücklich betonen.
Es ist dann hier sehr stark über die Verbotsliste gesprochen worden. Auch das ist ein Punkt, der meines Erachtens in diesem Saale nicht erörtert zu werden braucht. Diese Angelegenheit muß im Verkehrsausschuß beraten werden. Aber jenen Kritikern, die sagen, daß die Verbotsliste ja doch ausschließlich dazu dienen solle, für die Bundesbahn ein Verkehrsmonopol zu schaffen, möchte ich mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Eine solche Behauptung ist unsinnig. Niemand bestreitet, daß der Lastkraftwagen ein moderner Verkehrsträger und aus dem Gesamtverkehr nicht hinwegzudenken ist. Der Lastkraftwagenverkehr muß es sich aber genau so wie der übrige Verkehr gefallen lassen, daß er zum Wohle der Allgemeinheit in einen Gesamtplan eingeordnet wird. Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß es nicht geht, daß die eine Seite im Verkehr soll praktisch tun und lassen können, was sie will, während die andere Seite an die Kandare genommen wird.
Es ist selbstverständlich zu begrüßen, daß die Vorschläge des Kollegen Müller-Hermann den Kapitalmarkt für den Straßenbau sehr erheblich in Anspruch nehmen wollen. Ich bezweifle jedoch, meine Damen und Herren, daß es uns bei den enormen Aufgaben, die uns für die nächsten Jahre auf dem Schiffsbausektor wie auf dem Wohnungsbausektor und in anderen Sparten bevorstehen, gelingen wird, solche großen Summen auf dem Kapitalmarkt aufzubringen.
Abschließend darf ich zum Straßenverkehr auf das zu sprechen kommen, was der Herr Minister gestern angeführt hat. Er hat erwähnt, daß eine Anzahl Lastkraftwagen — es handelte sich, glaube ich, um einige Dutzend —, die von Norddeutschland nach Süddeutschland fahren, Tausende von Ortsdurchfahrten haben, ja sogar Zehntausende, wenn man Hin- und Rückfahrt nimmt. Das ist natürlich auch relativ zu betrachten. Es ist immer leicht mit Zahlen und Statistiken zu operieren. Die Gegenseite wird sofort auftreten und das Gegenteil beweisen. Allerdings glaube ich, daß hier ein Fall vorliegt, wo sich nicht so ohne weiteres das Gegenteil beweisen läßt. Es ist auch ein sehr starkes Argument, daß die größte Zahl der Unfälle bei den Ortsdurchfahrten oder überhaupt in den geschlossenen Ortschaften zu verzeichnen ist. Dazu kann nachgewiesen werden, daß bei solchen Entfernungen diese große Zahl von Orten durchfahren wird, so daß damit praktisch 17 000mal, oder hin und zurück 35 000mal, Gefahren heraufbeschworen werden, die nicht vorhanden wären, wenn man die betreffenden Güter auf die Bahn geladen und auf den sicheren Schienen an ihren Bestimmungsort geschafft hätte. Es kommt hinzu, daß die Bundesbahn und die Binnenschiffahrt ohne zusätzliche, jedenfalls ohne merklich zusätzliche Investitionen bekanntlich in der Lage sind, den derzeit anfallenden Verkehr aufzunehmen. Das ist ein Punkt, der volkswirtschaftlich zweifellos von Bedeutung ist.
Ich möchte auch noch den Minister gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, den, glaube ich, der Kollege Schmidt gestern erhoben hat, als er sagte, die Bundesbahn beabsichtige, ein Monopol zu errichten und hinterher, wenn erst das Gesetz in Kraft getreten sei, die Tarife zu diktieren. Der
Minister hat noch Ende Juni dieses Jahres vor der Industrie- und Handelskammer Hannover ausdrücklich erklärt, daß die Bundesbahn auch bei Verwirklichung dieser Gesetze unter keinen Umständen etwa an eine — praktisch diktatorische — Erhöhung der Massenguttarife denke. Er hat weiter gesagt, daß die Bundesbahn und die Binnenschiffahrt auf der anderen Seite freiwillig auf den Kampf um das Kilo, nämlich um das Kilo hochwertiger Waren, verzichten würden, wenn man mit dem Kraftverkehr zu einer vernünftigen Einigung käme.
Meine Damen und Herren, sowohl die Gesetzentwürfe der Bundesregierung wie die des Kollegen Müller-Hermann sind, wie wir alle wissen, letzten Endes aus der Not der Straße entstanden. Sie sollen der Gesundung dienen. Trotzdem möchte ich mich — das möchte ich noch einmal betonen, obwohl ich es vorhin schon gesagt habe — persönlich keiner Täuschung darüber hingeben, daß wir aus den verschiedensten Gründen, insbesondere aus finanziellen, wahrscheinlich nicht in der Lage sein werden — jedenfalls in absehbarer Zeit nicht —, ein Straßenverkehrs- und Autobahnnetz zu schaffen, das den Erfordernissen des Verkehrs, wie er heute ist, vollauf gerecht wird bzw. der Entwicklung des Verkehrs, die ja weiterhin stürmisch anhält, vorauseilt.
Deswegen muß die Finanzierung des Straßenbaus einer ganz besonderen Betrachtung in den dafür zuständigen Gremien unterworfen werden. Es erhebt sich auch bei diesem Kapitel wieder die Frage: Soll der Verkehr der Straße angepaßt werden, oder sollen wir unter Umständen die Straße dem Verkehr anpassen? Wir müssen uns jedenfalls, wenn wir die Gesetzentwürfe verabschieden, darüber klar sein, daß der Ausgang dieser Beratung und die Belastung des Bundeshaushalts den Steuerzahler zweifellos sehr interessieren werden, vor allem auch deswegen, weil er natürlich nicht übersehen hat, daß der Sektor Eisenbahn ein besonders wichtiger Sektor innerhalb dieser Gesetze ist, der, das möchte ich noch einmal betonen, praktisch uns allen gehört. Insoweit habe ich also den Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers nichts hinzuzufügen.
Ich möchte nun kurz zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann Stellung nehmen. Ich sehe es dabei als mein gutes Recht an, an diesen Gesetzentwürfen Kritik zu üben. Im übrigen bin ich aber überzeugt, daß die Überweisung aller Gesetzentwürfe an den Verkehrsausschuß die Möglichkeit schafft, jede einzelne Frage sachlich zu beraten. Ich möchte noch bemerken, ich begrüße es, daß der Kollege Müller-Hermann gestern gesagt hat, die Tatsache, daß er selber in der Koalition und in der größten Regierungspartei sitze, könne ihn nicht daran hindern, seine eigenen Gesetzentwürfe vorzulegen. Ich nehme auch mit Freude zur Kenntnis, daß das in der Presse schon vorher entsprechend vermerkt worden ist. Ich bitte aber nur darum, daß es, wenn auch einmal andere Koalitionspartner etwas anderes wollen als die übrigen, dann nicht übel vermerkt wird, sondern daß man auch diesen einmal die Möglichkeit läßt, aus der Reihe zu tanzen; denn — wenn ich das einmal so sagen darf — in der Koalition sitzen heißt nicht Schnauze halten!
— Ja, es ist doch so!
Die Vorlage meines Kollegen Müller-Hermann stellt nach meiner und meiner Freunde Auffassung keine völlig in sich geschlossene Konzeption dar, da sie neben eigenen Anregungen zum Teil die verkehrspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung übernimmt und zum Teil die Maßnahmen beinhaltet, die von seiten der Wirtschaft in dem sogenannten Margaretenhof-Plan vorgeschlagen worden sind. So ist, ich möchte sagen, eine Kompilation entstanden, die unseres Erachtens in wesentlichen Punkten Lücken und auch Schwächen enthält. Mit den Vorlagen des Kollegen Müller-Hermann allein können die verkehrspolitischen Ziele nicht erreicht werden, ebensowenig wie — ich stehe nicht an, das zu sagen — auch die Vorlagen der Bundesregierung keineswegs alleinseligmachend sind. Man muß vielmehr versuchen, dies und jenes noch hinzuzutun und zu verbessern.
Zu der Vorlage des Kollegen Müller- Hermann möchte ich im einzelnen folgendes sagen. Die Verkehrsträger werden ungleichmäßig behandelt. Er schlägt vor, die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen in der Nahzone — 50 km Umkreis — von der Beförderungsteuer zu befreien. Die Bundesbahn hingegen und die nicht bundeseigenen Eisenbahnen müssen die Beförderungsteuer bekanntlich zahlen.
Außerdem schlägt Kollege Müller-Hermann vor, die Personenbeförderung mit den Straßenbahnen, mit den Stadtschnellbahnen und mit den Bahnen im Nachbar- und Vorortverkehr ebenfalls von der Beförderungsteuer zu befreien. Auch hierzu muß ich sagen, daß die nicht bundeseigenen Eisenbahnen wie auch die Bundesbahn die Beförderungsteuer im Nahverkehr weiterhin zahlen sollen. Das führt unseres Erachtens zu Ungerechtigkeiten, zumal da die Bundesbahn und die nicht bundeseigenen Eisenbahnen in einem nicht unerheblichen Umfang einen Parallelverkehr mit den Straßenbahnen betreiben, so z. B. zwischen Hannover und Hildesheim sowie zwischen Frankfurt und Offenbach. Im Ruhrgebiet ist es bekanntlich sogar möglich, viele Kilometer von einer Stadt zur anderen zu fahren. Also, Herr Kollege Müller-Hermann, im gesamten Nahverkehr wird praktisch die Bundesbahn, die diesen Verkehr auch durchführen muß, gegenüber den Nahverkehrsmitteln benachteiligt.
Wir sind der Auffassung, daß die in diesen Gesetzen enthaltenen Vorschläge den Verkehrsverhältnissen nicht ganz Rechnung tragen und nicht zu einer Entlastung, sondern zu einer weiteren Belastung der Straßen führen. Herr Kollege MüllerHermann lehnt das Verbot des Ferntransports bestimmter Massengüter auf der Straße ab; das ist auch von anderen Sprechern hier zum Ausdruck gebracht worden. Die mit Massengütern beladenen schweren und schwersten Fahrzeuge, welche bekanntlich die Straße am meisten belasten und den Verkehr am meisten hemmen, sollen nicht von der Straße verschwinden. Vielmehr ist nach ihren Vorschlägen, Herr Kollege Müller-Hermann, sogar mit einer Zunahme dieses Verkehrs zu rechnen. Das heißt, daß die Flüssigkeit des Verkehrs weiterhin unterbunden sein wird und daß weiterhin schwerste Schäden an den Straßendecken auftreten werden.
— So steht es aber in Ihren Gesetzentwürfen.
Sie lehnen dann die im Regierungsentwurf des Verkehrsfinanzgesetzes vorgesehene Progression in der Kraftfahrzeugsteuer für die schweren Fahrzeuge über 15 t Gesamtgewicht ab. Diese Progression ist jedoch nach meiner und meiner Freunde Ansicht notwendig, um die schweren Fahrzeuge steuerlich stärker zu belasten. Ich habe hier schon ausgeführt, daß sie die Straßen weit mehr beanspruchen. Es ist bekannt, daß die schweren Lastwagen und die Anhänger ohnehin einen viel zu geringen Steuersatz entrichten. Selbst die von der Bundesregierung vorgeschlagene Progression, Herr Kollege Müller-Hermann, würde hier nicht den erforderlichen Ausgleich schaffen können. Die Kraftfahrzeugsteuer beträgt nach den heutigen Steuersätzen auf je 100 Brutto-Tonnenkilometer - das ist schon einmal gesagt worden — für einen 1,5 t Opel-Lastwagen 62 Pfennig, für einen 6 t MAN 19 Pfennig, für einen 12 t Büssing-MAN 11 Pfennig, für einen 30-t-Lastzug 12 Pfennig, für einen Volkswagen 1,10 DM, für einen Opel-Kapitän 1,54 DM. Sie werden zugeben, daß hier ein gerechter Ausgleich geschaffen werden muß.
Außerdem ist die von dem Herrn Kollegen MüllerHermann vorgeschlagene Besteuerung der Anhänger im Rahmen der Kraftfahrzeugsteuer — 17 DM pro 200 kg Gesamtgewicht — unseres Erachtens zu gering. Sie zieht damit die Anhänger nicht in dem erforderlichen Umfang zu den Straßenbaukosten heran und führt insoweit zu einer Begünstigung der Anhänger schlechthin, insbesondere aber zu einer Begünstigung der schweren Anhänger.
Weiter schlagen Sie vor, Herr Kollege MüllerHermann, daß die Kraftomnibusse, die im Linienverkehr zwischen Nachbarorten eingesetzt sind, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit werden. Auch dieser Vorschlag entspricht nicht den Forderungen einer angemessenen Besteuerung bzw. einer Besteuerung, die zur Pflege des Straßennetzes nötig ist.
— Nein, die Kraftfahrzeugsteuer.
Herr Kollege Müller-Hermann hat in seinem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr vorgeschlagen, die Begrenzung der Länge der Lastzüge auf 18 m und des Gesamtgewichts auf 32 t erst in fünf Jahren in Kraft treten zu lassen. Es wird also auf Jahre hinaus alles beim alten bleiben, und eine Straßenentlastung wird nicht stattfinden.
— Ja, Herr Kollege Müller-Hermann, ich nehme ja jetzt zu Ihren Gesetzentwürfen Stellung. Die Schäden an den Straßendecken durch den Verkehr dieser schweren Wagen werden also weiterhin anwachsen, und der Lastwagen wird auch nicht anteilig zu den allein vom Kraftverkehr verursachten Straßenbaukosten herangezogen.
Zu Ihren Plänen betreffend die Förderung des Straßenbaus möchte ich sagen, daß sie nicht ganz ausgereift und etwas unzulänglich sind. Das könnte aber noch ausgebügelt werden. Sie erwarten nach
Ihrem Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes aus Kraftfahrzeug-, Beförderung- und Mineralölsteuer ein Steueraufkommen von rund 345 Millionen DM. Das ist unseres Erachtens zu hoch geschätzt. Wenn ich nämlich auf Ihren Entwurf dieselbe vorsichtige Schätzungsmethode anwende wie die Bundesregierung, dann ergibt sich nur ein Mehrertrag von rund 260 bis 270 Millionen DM. Das Bundesfinanzministerium und das Bundesverkehrsministerium haben demgegenüber aus dem Regierungsentwurf sogar einen Mehrertrag von 350 Millionen DM geschätzt.
Bemerkenswert ist nun, daß nach dem Entwurf des Kollegen Müller-Hermann das gesamte Mehraufkommen allein dem Bunde zufließen würde. Die Länder, denen nur die Kraftfahrzeugsteuer zusteht, erhalten für ihren Straßenbau insgesamt, einschließlich Landstraßen I. und II. Ordnung, keine Mehrerträge, anfangs vielleicht sogar weniger als bisher. Das wirft auch ernsthafte finanzpolitische Probleme auf, die nicht übersehen werden können. Meines Erachtens kann jedenfalls nicht damit gerechnet werden, daß die Länder und auch die Gemeinden der weitgehenden Herabsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für Pkw und Motorräder, wie Sie sie vorschlagen, zustimmen werden.
Sie schlagen dann im Verkehrswegegesetz vor, daß der Kapitalmarkt mit beträchtlichen Jahresbeträgen für Verkehrswegeanleihen herangezogen werden soll, die bereits im Haushaltsjahr 1955/56 rund 300 Millionen DM betragen sollen. Eine derartige Inanspruchnahme des Kapitalmarkts für diese Zwecke wird, wie ich bereits ausführte, nach den bisherigen Erfahrungen kaum möglich sein. Ihre Anträge und Forderungen gehen demzufolge von Voraussetzungen aus, die wahrscheinlich nicht zu realisieren sind. Außerdem haben Sie nicht berücksichtigt, daß ein großer Teil des Steuermehrertrags für die Erhaltung der Straßen ausgeworfen werden müßte, weil Sie die Straßen vom schweren Lastwagenverkehr ja nicht entlasten wollen.
— Nein, es ist ja vom Herrn Verkehrsminister auch darauf hingewiesen worden, welche enormen Beträge alljährlich allein auf die schon bestehenden Straßen entfallen, über die in Ihrem Entwurf nichts enthalten ist.
Das Problem des Werkverkehrs wird unseres Erachtens durch Ihre Gesetzentwürfe nicht gelöst. Hier liegt nämlich, verkehrspolitisch gesehen, der entscheidende Fehler Ihrer Konstruktion. Man kann keine sinnvolle Ordnung im Verkehr schaffen, ohne gleichzeitig den Werkverkehr bzw. den Werkfernverkehr einzudämmen. Solange sich der Werkverkehr und der Werkfernverkehr frei entwickeln können, ist nicht damit zu rechnen, daß die volkswirtschaftlich sinnvolle Teilung zwischen den Verkehrsträgern überhaupt zustande kommen kann, abgesehen davon, daß die Tarifmaßnahmen auch nicht zu dem gewünschten Erfolg führen werden.
Sie haben dann weiter, Herr Kollege MüllerHermann, eine Beförderungsteuer von 2,5 Pf/t/km für den Werkfernverkehr vorgeschlagen statt der von der Regierung gewünschten 5 Pf. Sie sind sich doch darüber im klaren, daß sie damit ein weiteres Vordringen des Werkfernverkehrs — eine Forderung, die wir erheben — wahrscheinlich schwerlich werden verhindern können. Eine weitere Ausdehnung des Werkfernverkehrs — darin wird auch der
Güterkraftverkehr zustimmen — würde letzten Endes den kontingentierten und konzessionierten Güterfernverkehr ebenfalls erheblich schädigen. Selbst der Güterfernverkehr hat von sich aus bereits im Margaretenhofplan einen Betrag von 3 bis 4 Pf/t/km vorgeschlagen.
Sie haben zur Begründung Ihrer Vorschläge weiter ausgeführt, Herr Kollege Müller-Hermann, daß die Vorschläge den Bedürfnissen der Bundesbahn Rechnung trügen. Es sei mir gestattet, dazu nur ganz kurz folgendes zu sagen.
Erstens. Die Bundesbahn wird, jedenfalls im Nahverkehr, steuerlich schlechter behandelt als die anderen Verkehrsträger.
Zweitens. Die Bundesbahn wird nicht ausreichend geschützt gegen ein weiteres Vordringen des Werkfernverkehrs, der ihr weitere Transporte abnehmen wird.
Drittens. Sie haben keine Vorschläge gemacht, woher die Mittel kommen sollen, damit der Bundesbahn die betriebsfremden Lasten abgenommen werden, wobei ich nochmals betone, daß die Forderung von diesem Platze aus allein nicht genügt, sondern daß es jetzt einer Erklärung des Bundesfinanzministers dazu bedarf.
Viertens. Sie sehen vor, daß die Schiene in drei Jahren eine Finanzierung von insgesamt 1,1 Milliarden DM erhalten soll. Dieser Betrag reicht unseres Erachtens in keiner Weise aus, um allein den Oberbau der Bundesbahn in den nächsten Jahren wieder voll instand zu setzen, geschweige denn, daß die nichtbundeseigenen Eisenbahnen, deren wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe hier gestern schon Erwähnung fand, bei diesem Betrag überhaupt damit rechnen könnten, etwas abzubekommen.
Und schließlich fünftens: Ihr Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn enthält neben dem Postulat der Abnahme der betriebsfremden Lasten lediglich eine Reihe organisatorische Vorschläge, mit denen allein die Lage der Bahn nicht geändert werden kann. Hier liegt nach Auffassung meiner Freunde eine Überschätzung des organisatorischen Elements in der Angelegenheit vor. Solange die unerläßliche Voraussetzung eines gesunden Bundesbahnbetriebs — die Deckung der Betriebskosten durch die Betriebseinnahmen — nicht geschaffen wird, ist jede organisatorische Änderung von höchst zweifelhaftem Wert.
Die Bundesbahn ist bekanntlich nicht zuletzt deshalb in ihre Schwierigkeiten geraten, weil die jetzige Organisationsform zusammen mit den Aufgaben, die sie zu erfüllen hat, und zusammen mit der Arbeit, die sie mit staatlichen Behörden usw. zu leisten hat, ihr große Schwierigkeiten bereitet haben.
Jedenfalls halte ich es auch für abwegig, ein sogenanntes Bundesbahngericht zu schaffen. Es geht meines Erachtens nicht an, daß Maßnahmen des Parlaments oder der Regierung diesem Bundesbahngericht unterworfen werden.
Die Vorschläge, die Sie bezüglich der Straßenverkehrssicherheit gemacht haben, decken sich, wie auch der Herr Verkehrsminister gestern schon ausgeführt hat, im allgemeinen mit dem, was auch von der Bundesregierung vorgeschlagen worden ist. Ich kann es mir deswegen ersparen, darauf einzugehen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen. Es war leider nötig, hier etwas trocken zu sein. Ich mußte zu den einzelnen Punkten der Vorschläge meines Kollegen Müller-Hermann Stellung nehmen.
Meines Erachtens kann das ganze Verkehrsproblem nicht nach rein wirtschaftlichen, sondern es muß insbesondere nach verkehrspolitischen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten gelöst werden, wobei wir die großen Zusammenhänge im Auge behalten müssen und uns selbstverständlich, unbeeinflußt durch all die Vorwürfe und Wünsche, die uns von den vielerlei Interessenten zugetragen werden, nur von sachlichen Argumenten leiten lassen dürfen. Wir müssen uns bei der Regelung der Sache im klaren sein, daß es — ich habe das schon einmal gesagt — in dieser Angelegenheit wirklich Matthäi am letzten ist und daß es jetzt gilt, ganze Maßnahmen zu treffen. Was wir heute nicht tun oder nur halb tun, müssen wir, da stimme ich wiederum dem Verkehrsminister bei, morgen in viel schärferem Maße tun.
Es ist besser, überhaupt etwas zu tun, als die Dinge weiterhin schlugen zu lassen. Meine Damen und Herren, ich will nicht etwa dem Standpunkt: „Seid nett zueinander!" das Wort reden; aber ich glaube, nach den erheblichen Eskapaden der letzten Wochen ist jetzt der ganzen Sache die Schärfe genommen, und der Weg für eine sachliche Beratung ist frei. Es ist ja auch zwischen den Regierungsstellen, dem Parlament und den Interessenten, und es ist ja auch gestern schon hier ein versöhnlicher Ton besonders vom Kollegen Donhauser in dieser Richtung angeklungen.
Es ist abwegig —das stelle ich hier noch einmal ausdrücklich für meine Fraktion fest —, zu behaupten, daß diese Gesetze geschaffen worden seien, um auf Kosten der Straße die Bundesbahn zu sanieren, und es ist abwegig, anzunehmen, daß es auch nur einen einzigen Abgeordneten in diesem Hause gäbe, der ein Interesse daran hätte, einen Wirtschaftszweig zu vernichten, noch dazu einen mittelständischen Wirtschaftszweig. Aber man darf nicht übersehen, daß es auch noch andere Dinge zu beachten gibt und daß wir das Verkehrsproblem nur in einem annehmbaren Kompromiß regeln können. Jedenfalls haben wir die Angelegenheit zu regeln, im Interesse der Wirtschaft, insonderheit aber auch im Interesse der Menschen selbst.
Ich bedaure, daß zu dieser Debatte zwar eine ungeheure Vielfalt von Material vorgelegen hat, daß aber keine zentrale Stelle eine sachliche Auswertung dieses Materials vorgenommen hat — das hätte die Regierung sein müssen —, so daß das Operieren mit Zahlen hier in den letzten Tagen immer sofort den Gegner auf den Plan rufen mußte, der mit andern Zahlen das Gegenteil bewies. Ich möchte deshalb den Appell an die Bundesregierung richten, dafür zu sorgen, daß wir wirklich stichhaltige und sachliche Unterlagen bekommen.
Daß die wichtigen Entscheidungen, die anstehen und die die staatlichen Instanzen treffen müssen, nicht immer den Beifall aller Beteiligten finden werden, darüber sind wir uns, glaube ich, heute schon im klaren. Aber wir werden in gemeinsamer Arbeit an die Sache herangehen, und ich bin überzeugt, daß diese gemeinsame Arbeit ein brauchbares Ergebnis zeitigen wird.
Bei den Beratungen selbst wollen wir uns nicht nur von wirtschaftlichen, verkehrspolitischen und anderen Gesichtspunkten leiten lassen, sondern, wie ich es zu Anfang schon gesagt habe, steht auch bei der Beratung dieser Angelegenheit im Mittelpunkt der Mensch.