Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier — um es gleich vorweg zu sagen — nicht um eine politische, sondern um eine Rechtsfrage, und ich werde das dem Hohen Hause erläutern.
Ich glaube, es wird nötig sein, zunächst den Tatbestand zu klären, der dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zugrunde liegt. Der Antrag richtet sich gegen das im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen ergangene Rundschreiben meines Hauses vom 11. Februar 1954 und den dieses Rundschreiben bekanntgebenden Erlaß des Bundesministers für Arbeit vom 5. März 1954. Von den Antragstellern wird anscheinend völlig übersehen, daß das Rundschreiben nicht etwa eine Regelung auf Grund freien Ermessens darstellt, die nach Belieben zurückgenommen werden könnte; es zieht vielmehr lediglich die Folgen aus den geltenden gesetzlichen Vorschriften.
Der Personenkreis, den das Rundschreiben betrifft, umfaßt ausschließlich Berufssoldaten. Sie blieben auch während der Zeit ihres Einsatzes bei der Legion Condor Angehörige der deutschen Wehrmacht und haben als solche einen Rechtsanspruch auf Anrechnung dieser Zeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit.
Daß zusätzlich Kriegsjahre zu berücksichtigen sind, beruht nach der ursprünglichen Fassung des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes auf § 83 des Deutschen Beamtengesetzes, jetzt auf § 181 Abs. 5 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes. Nach der zu § 83 des Deutschen Beamtengesetzes erlassenen Durchführungsverordnung hatte das Staatsoberhaupt zu bestimmen, „was als Krieg und Kriegsdienstzeit gilt, unter welchen Voraussetzungen bei Kriegen von längerer Dauer mehrere Kriegsjahre anzurechnen sind und ob Soldaten, die auf Befehl einem Kriege ausländischer Truppen beigewohnt haben, Kriegsjahre anzurechnen sind". Eine solche Bestimmung ist hinsichtlich des Dienstes in der Legion Condor während des Spanischen Bürgerkrieges in der Verordnung vom 7. Juli 1939 getroffen worden. An diesem Rechtszustand hat das Bundesbeamtengesetz nichts geändert; es sieht in § 181 Abs. 5 Nr. 1 ausdrücklich vor, daß sich die ruhegehaltfähige Dienstzeit um die nach bisherigem Recht anrechenbaren Kriegsjahre erhöht.
Damit, meine Damen und Herren, habe ich Ihnen bis auf drei Punkte, auf die ich gleich noch kommen werde, in kurzen Zügen die Rechtslage geschildert. Daß sie bezüglich der Anrechnung von Kriegsjahren so ist, beruht — ich möchte nicht unterlassen, dies hervorzuheben — auf einer Änderung, die der Bundestag am Regierungsentwurf des
Bundesbeamtengesetzes vorgenommen hat. Der Entwurf hatte allgemein die Beseitigung der Erhöhung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit durch „Kriegsjahre" vorgesehen. Demgegenüber vertraten damals alle Fraktionen im Beamtenrechtsausschuß des Bundestags die Auffassung, daß das bisherige Recht bestehenbleiben müsse. Das Plenum des Bundestags beschloß entsprechend.
Schon aus dieser nüchternen Rechtsbetrachtung folgt, daß der Vorwurf, mit dem Rundschreiben meines Hauses sei der Kriegseinsatz der Legion Condor in Spanien legitimiert worden, völlig unsachlich und unrichtig ist. Die Rechtsstellung der in der Legion Condor eingesetzten Berufssoldaten hängt nicht von der Legitimität dieses Hitlerschen Unternehmens ab. Es gilt insoweit nichts anderes als das, was hinsichtlich aller Soldaten gilt, die sich während des zweiten Weltkriegs im militärischen Einsatz befunden haben.
Übrigens ist es tatsächlich unzutreffend, daß diese Soldaten — das ist ja schon mehr oder weniger anerkannt worden — freiwillig zur Legion Condor gegangen seien. Die „Freiwilligkeit" war nur eine Tarnung, um den Schein aufrechtzuerhalten, daß sich Deutschland nicht am Kriege beteilige.
Hiernach kann eine Aufhebung oder Änderung des Rundschreibens, solange es bei der gegenwärtigen gesetzlichen Lage verbleibt, aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommen.
Noch ein abschließendes Wort zur Bedeutung der Angelegenheit. Die Zahl der betroffenen Personen dürfte keinesfalls groß sein, da lediglich Berufssoldaten in Frage kommen, die vor dem im Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes bestimmten Stichtag vom 8. Mai 1935 in den berufsmäßigen Wehrdienst eingetreten oder in ein dem berufsmäßigen Wehrdienst vorausgegangenes Beamtenverhältnis berufen worden sind. Die Anrechnung von Kriegsjahren bedeutet nicht etwa — wie fälschlich behauptet worden ist — eine Verdoppelung der Pension, sondern lediglich deren Erhöhung tun oder 2% je Kriegsjahr nach Maßgabe der Pensionsskala. Soweit ohnehin das Höchstruhegehalt erreicht ist oder eine von der Dienstzeit unabhängige Unfallversorgung gewährt wird, entfällt eine Erhöhung durch Anrechnung von Kriegsjahren. Ich glaube also, es fehlt auch schon aus diesem Grunde jeder Anlaß, die Versorgung der in der Legion Condor eingesetzten Berufssoldaten zu einer politischen Affäre zu stempeln und künstlich Ressentiments hervorzurufen. Gegenüber Hinweisen auf Reaktionen des Auslandes kann ich nur feststellen, daß mir solche nicht bekanntgeworden sind. Ein Artikel der „Times" vom 28. Mai 1954 nimmt rein sachlich unter der Überschrift „German Pensions Controversy" Stellung. Im übrigen hätten Reaktionen auch nur infolge der bedauerlichen Aufbauschung und entstellenden Behandlung der Angelegenheit eintreten können.
Ich darf mich jetzt drei Punkten zuwenden, die der Herr Kollege vorhin behandelt hat.
Ich beginne mit der Zuschrift in der „Frankfurter Rundschau" vom 22. Juni 1954. Der Verfasser dieser Zuschrift mit dem Titel „Innenministerium gegen Innenministerium" glaubt, einen Widerspruch zwischen dem Rundschreiben vom 11. Februar 1954 und einem aus dem Zusammenhang gerissenen Satz aus der Klagebeantwortung in
einem Wiedergutmachungsverfahren konstruieren zu können. Tatsächlich besteht ein solcher Widerspruch nicht. In dem Wiedergutmachungsverfahren hatte der Kläger zur Begründung des Umfanges seines Wiedergutmachungsanspruches geltend gemacht, daß er als einziger Batteriechef eines Lehrgangs nach Spanien abkommandiert und nach Beendigung des Krieges um einige Monate vorpatentiert worden sei. Darauf wurde entgegnet, eine solche Abkommandierung eines einzelnen Offiziers sei nur möglich gewesen, wenn er sich um sie beworben habe, und es bestünden daher Zweifel an der ablehnenden Haltung des Klägers gegenüber dem Nationalsozialismus. Es ist wohl klar, daß diese wiedergutmachungsrechtliche Würdigung nichts mit der allgemeinen versorgungsrechtlichen Behandlung der bei der Legion Condor eingesetzten Berufssoldaten zu tun hat.
Dann zu dem, was über das Wehrmachtfürsorge-
und -versorgungsgesetz ausgeführt worden ist. Dazu ist zu sagen, daß mit der Aufhebung des Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetzes die Rechtsgrundlage für die Anrechnung von Kriegsjahren nicht entfallen ist. Die insoweit für die Wehrmacht erlassenen Vorschriften waren nach § 83 des Deutschen Beamtengesetzes auch Bestandteil des Beamtenversorgungsrechts. § 83 bestimmte ausdrücklich, daß die Zeit eines Kriegsdienstes in der Wehrmacht auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit der Beamten mit der gleichen Erhöhung anzurechnen sei wie bei Angehörigen der Wehrmacht. Diese Vorschrift ist durch das vorläufige Bundespersonalgesetz vom 17. Mai 1950 ohne jede Einschränkung in das Bundesbeamtenrecht übernommen worden. Damit galt die Verordnung vom 7. Juli 1939 über die Anrechnung von Kriegsjahren für den Einsatz in der Legion Condor auch für die Bundesbeamten und die entsprechend zu behandelnden Angehörigen des Personenkreises des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes. Die gleiche Rechtslage besteht nach dem Bundesbeamtengesetz; dieses bestimmt in § 181 Abs. 5 Nr. 1, daß sich die ruhegehaltfähige Dienstzeit um die „nach bisherigem Recht anrechenbaren Kriegsjahre" erhöht.
Schließlich zu der Frage, wie es sich mit dem Einsatz bei der Legion Condor in Beziehung zu der Verordnung über Verhinderung der Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg verhält. Dazu ist zu sagen, daß die Verordnung vom 18. Februar 1937 ergangen ist, nachdem der Einsatz der Legion Condor bereits begonnen hatte. Ferner bezog sie sich nur auf Einreisen von Einzelpersonen, nicht auf den Einsatz von Truppenteilen. Die den Angehörigen dieser Truppenteile erwachsenen Versorgungsrechte wurden durch die Verordnung nicht berührt.
Damit glaube ich dem Hause nachgewiesen zu haben, daß hier eine Rechtsfrage und nicht eine politische Frage zur Entscheidung steht. Ich für meinen Teil möchte abschließen, indem ich sage: ich halte es nicht für richtig, daß wir die politischen Fehlentscheidungen der Großen mit den Knochen der Kleinen bezahlen lassen.