Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich lasse abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
betreffend Legion Condor .
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Schmitt (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat Ihnen einen Antrag vorgelegt, in dem die Bundesregierung ersucht wird, den Erlaß des Bundesministers des Innern und den Erlaß des Bundesministers für Arbeit betreffend die Anrechnung der Zeit einer Zugehörigkeit zur Legion Condor auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit und als Kriegsjahr nach dem Gesetz zu Art. 131 aufzuheben.
Zur Begründung dieses Antrags ist es notwendig, daß ich bis in die Zeit des Beginns des spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936 zurückgehe. Die jüngeren und auch sonst viele Menschen in unserem Volke wissen heute nicht mehr, was sich damals in Spanien zugetragen hat. Wenn man in den Veröffentlichungen aus den Archiven des Auswärtigen Amts die damaligen Vorgänge nachliest, wird man feststellen, daß es sich hier um einen jener typischen Fälle handelt, in denen der Nationalsozialismus in völkerrechtswidriger Weise in die inneren Verhältnisse eines anderen Landes eingegriffen hat. Es war damals ein Kaufmann namens Johannes Bernhardt, der, wie es so oft geschieht, Geschäft und Politik verquickte und bei der Grün-
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dung von zwei Firmen beteiligt war, der Hisma und der Rowak, einer spanischen und einer deutschen Handelsgesellschaft, die die Aufgabe hatten, gegen Lieferung von Rohstoffen und gegen die Erteilung von Konzessionen an deutsche Firmen Kriegsmaterial von Deutschland zu beziehen. Dieser Kaufmann wurde im Auftrage General Francos nach Berlin geschickt. Es gelang ihm sehr schnell, über die Dienststellen der NSDAP — alle diese Vorgänge finden Sie in den Veröffentlichungen aus den Archiven des Auswärtigen Amts — Kontakt mit den Stellen der damaligen Reichsregierung zu finden. Tatsächlich lieferte auch die Reichsregierung sofort Flugzeuge, obwohl sie noch normale diplomatische Beziehungen zur spanischen Republik unterhielt. Und während noch die deutsche Gesandtschaft in Madrid amtierte, bombardierten bereits deutsche Junkersmaschinen die spanische Hauptstadt und ihr Regierungsviertel. All das geschah gegen eine Regierung, an deren Spitze damals ein konservativer spanischer Politiker stand. Das wird so oft vergessen, und allzu leicht sagt man, es habe sich vielleicht um ein Eingreifen gegen den Bolschewismus gehandelt.
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren stets den Standpunkt vertreten, daß es sich hier um ein völkerrechtswidriges Eingreifen gehandelt hat. Ich darf dabei auf die Beratungen über das Bundesversorgungsgesetz hinweisen, wo die Bundesregierung diese Auffassung nachdrücklich vertreten hat. Ich habe hier einen Brief von einem der maßgebenden Herren aus dem Bundesministerium für Arbeit vom 13. September 1951, in dem diese Ansicht noch einmal bekräftigt wird. Auch der Herr Bundesinnenminister hat in der Vergangenheit den gleichen Standpunkt vertreten.
Vor einigen Tagen haben Sie in der Presse gelesen, daß sich ein Offizier an das Innenministerium gewandt und die Anrechnung seiner Dienstzeit in der Legion Condor beantragt hat. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich die Begründung der Ablehnung dieses Antrags vortragen. Das Innenministerium hat unter dem Aktenzeichen IV K 702/52 am 7. Januar 1953 mit Bezug auf die Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg geantwortet:
„Dem Antragsteller, der dem Nationalsozialismus angeblich kritisch und ablehnend gegenüberstand, machte es nichts aus, an diesem
völkerrechtswidrigen Unternehmen des Nationalsozialismus gegen ein neutrales Land teilzunehmen."
Diese Antwort hat das Innenministerium vor 18 Monaten erteilt. Der Referent ist, wenn ich recht unterrichtet bin, inzwischen Bundesverwaltungsrichter geworden. Die Person des Ministers hat inzwischen auch gewechselt. Offensichtlich hat sich auch die Auffassung des Bundesinnenministeriums in der Zwischenzeit gewandelt.
Selbst die nationalsozialistische Regierung hielt sich damals offiziell an den mit den anderen interessierten Mächten abgeschlossenen Nichteinmischungspakt. Ich habe hier die Abschrift eines Gesetzes zur Verhinderung der Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg vom 18. Februar 1937. Darin wird ausdrücklich allen deutschen Staatsangehörigen die Einreise nach Spanien und nach den spanischen Besitzungen einschließlich SpanischMarokkos verboten, das damals bereits vollständig in der Hand von General Franco war. Sie wissen ja, daß von Spanisch-Marokko aus und mit Hilfe der marokkanischen Truppen die „Befreiung" vorwärtsgetragen wurde. Dieses Gesetz ist übrigens — das wird Sie auch interessieren — erst am 4. Mai 1939, nach dem Einmarsch in Madrid, aufgehoben worden und zeigt, wie es der Nationalsozialismus verstanden hat, unter der Maske der Rechtlichkeit Gesetzesbestimmungen zu bringen, die in Wirklichkeit laufend in flagranter Weise verletzt worden sind.
Sie wissen alle, daß die deutsche Jugend dort ihr Blut vergießen mußte und daß niemand in Deutschland offiziell davon Kenntnis nehmen durfte. Auch ist Ihnen bekannt, meine Damen und Herren, daß damals die deutsche Presse nicht über die Teilnahme Deutscher an den Kriegshandlungen in Spanien schreiben durfte. Die Goebbels-Propaganda, die sonst stets vornedran war, wenn es um nationales Pathos ging, gab die Anweisung, darüber hinwegzugehen. Die Angehörigen Vermißter oder Gefallener der Legion Condor durften sogar keine Trauerkleidung tragen. Wer es womöglich wagte, im Hinblick auf die dem ganzen Volk bekannte Tatsache der deutschen Aggression davon zu sprechen, daß Deutsche in Spanien kämpften, der mußte ein Verfahren wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz gewärtigen. Ich kenne eine ganze Reihe von Menschen, die dadurch mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, indem sie einzig und allein deshalb vor den Richter gezerrt wurden, weil sie die Wahrheit sagten: daß Deutsche in Spanien auf seiten Francos kämpften. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß dieses Vergehen gegen das sogenannte Heimtückegesetz einfach damit begründet wurde, daß es hieß: Nach dem Gesetz vom 18. Februar 1937 ist deutschen Staatsangehörigen die Einreise nach Spanien verboten; ergo kann mit Unterstützung der deutschen Regierung niemand in Spanien kämpfen.
Nun, inzwischen hat Spanien ja eine bessere Presse bekommen. Und seit Franco in die Reihe der Verteidiger westlicher Freiheit eingerückt ist, hat sich ganz offensichtlich auch in Deutschland ein Meinungsumschwung über die damaligen, nunmehr schon historischen Vorgänge angebahnt.
— Sehr richtig, wenigstens bei gewissen Leuten, die wahrscheinlich mit Franco, Bao Dai und anderen zusammen die westliche Freiheit und Zivilisation verteidigen wollen.
Der Tendenz, diese Jahre doppelt anzurechnen, müssen wir aber entgegentreten. Der Minister des Innern beruft sich in seinen grundsätzlichen Ausführungen auf den § 181 Abs. 5 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes. Dieser Paragraph bestimmt, daß das Versorgungsrecht nach dem Stande vom 8. Mai 1945 — hierüber hat im Ausschuß für Beamtenrecht eine Aussprache stattgefunden — weitergelte. Dieser Rechtsauffassung kann unsere Fraktion nicht beitreten. Die doppelte Anrechnung der Kriegsdienstzeit beruht auf einer Verordnung vom 7. Juli 1939. Diese Verordnung ist ihrerseits auf Grund des Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetzes ergangen. Das Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetz aber ist durch das Gesetz Nr. 34 aufgehoben worden. Zwar hat das Gesetz Nr. 16 vom 16. Dezember 1949 seinerseits das Gesetz Nr. 34 wieder aufgehoben, aber es bestimmt ausdrücklich, daß die Rechtsfolgen früherer Gesetze dadurch nicht wieder aufleben und daß es besonderer Vorschriften bedarf, wenn sie wieder
aufleben sollen. Für die beiden von uns beanstandeten Erlasse des Herrn Ministers des Innern und das Herrn Ministers für Arbeit ist jedenfalls keine Rechtsgrundlage vorhanden.
Ich will nicht untersuchen, was es mit dem Begriff der Freiwilligkeit in Spanien auf sich hat. Ich will auch gar nicht auf die Tätigkeit der einzelnen Mitglieder der Legion Condor eingehen. Wir alle in Deutschland wissen zur Genüge, was Freiwilligkeit im Dritten Reich bedeutet hat. Darüber besteht kein Zweifel.
— Herr Haasler, Sie werden gleich feststellen, daß Sie wahrscheinlich zu den gleichen Schlußfolgerungen wie ich kommen. — Aber die Teilnahme an diesem rechtswidrigen und völkerrechtswidrigen Unternehmen nun durch eine doppelte Anrechnung jener Jahre zu quittieren, das geht uns zu weit.
Meine Damen und Herren, wir zahlen ja viel zuwenig für die Opfer des Krieges. Wir haben Sorgen und Nöte genug. Wie oft muß von dieser Tribüne aus die deutsche Öffentlichkeit darauf hingewiesen werden, wie groß die Not der Opfer des Krieges ist und wie wenig wir zur Verfügung haben, um dieser Not zu steuern.
Ich darf Sie nur an die Diskussion über die Rentenerhöhungen erinnern. Wir haben noch vor vierzehn Tagen die Diskussion über die Änderung des Lastenausgleichsgesetzes geführt. Wir alle wissen, wie viele und wie brennende soziale Probleme wir haben. Dann können wir es nicht verstehen, daß hier eine Dienstzeit doppelt angerechnet werden soll.
Ich will auch gar nicht auf die Wiedergutmachung eingehen. Wir hätten allen Grund, auch hier einige Vergleiche anzustellen. Der Herr Bundesminister der Finanzen ist leider heute nicht hier. Er hat uns vor einiger Zeit die Auskunft darüber erteilt, warum sich die Verkündung der Verordnungen zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes so sehr verzögert hat. Die Antwort war wenig befriedigend, und die Zusatzfrage, die der Herr Kollege Greve in einer der letzten Fragestunden gestellt hat, hat gezeigt, daß sich das Bundesfinanzministerium offensichtlich in nicht genügender Weise um die Durchführung dieser Verordnungen gekümmert hat.
Ich will dabei nicht länger verweilen. Es kommt uns darauf an, daß die Dienstzeit in der Legion Condor nicht 'doppelt angerechnet, sondern normal wie jede andere behandelt wird. Ich glaube, das ist kein unberechtigtes Anliegen, sondern ein Anliegen, dem Sie alle zustimmen können.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Bei dem Antrag auf Aufhebung dieser beiden Erlasse handeln wir auch nicht aus irgendwelchen Ressentiments.
— Nein, Herr Schneider, davon dürfen Sie überzeugt sein, wir haben keinerlei Ressentiments. Ich möchte im Gegenteil annehmen, daß diejenigen, die der Meinung sind, wir hätten Ressentiments, eher noch Ressentiments gegen die SPD oder gegen die Gewerkschaften haben als wir gegen die Angehörigen der Legion Condor. Wir wollen jedenfalls keine verspätete Solidaritätserklärung für das nationalsozialistische Regime und für sein Eingreifen im spanischen Bürgerkrieg.
— Dann ist es ja gut. Nur das ist 'unser Anliegen, und nur darum geht es.
Ich bitte das Haus, dem Antrag zuzustimmen, der Ihnen in der Drucksache 553 vorliegt, wonach die Bundesregierung ersucht wird, den Erlaß des Bundesministers des Innern vom 11. Februar 1954 und denjenigen des Bundesministers für Arbeit vom 5. März 1954 betreffend Anrechnung der Zeit der Zugehörigkeit zur Legion Condor auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit und als Kriegsjahr nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes aufzuheben.