Rede von
Lothar
Kunz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion des GB/BHE ist gerne bereit, daran mitzuarbeiten, daß die Volksernährung und insbesondere die Existenz unserer Landwirtschaft gesichert werden. Sie wird deshalb alle Maßnahmen unterstützen, die auf diesem Gebiet in diesem Hause vorgeschlagen werden, denn sie ist der Meinung, daß die Landwirtschaft ein bleibendes Fundament unserer Volkswirtschaft ist. Außerdem hat unser Bauerntum stets die Grundlage des Volkstums gebildet.
Dem GB/BHE gehört wahrscheinlich nur eine geringe Zahl von heute tatsächlich wirtschaftenden Bauern an, aber wir haben eine sehr große Zahl von Mitgliedern und Wählern, die einst, bevor man sie aus der Heimat vertrieben hat, zu der Gilde der Bauern mit Ar und Halm gehört haben. Sie sind jetzt Heimatlose, die nicht mehr die Möglichkeit haben, die Scholle zu bewirtschaften.
Die Fraktion ist der Meinung, daß der Antrag der Freien Demokraten mit der Forderung nach Angleichung des Index für landwirtschaftliche Erzeugnisse an den Index der gewerblichen Wirtschaft das Problem nicht lösen kann. Festlegungen dieses Index und der Handelsspannen in der Landwirtschaft müßten automatisch zu Forderungen des Mittelstandes und auch zu Forderungen der Arbeiterschaft führen. Die Lohnschraube würde in Bewegung geraten, und Sie wissen ja, wie stark immer die Volkswirtschaft leidet, wenn es zu derartigen Lohnkämpfen kommt. Wir haben das alles schon miterlebt, und wir kennen ja auch schon die Resultate.
Die im Antrag der FDP geforderte Herstellung der Parität bedeutet nichts anderes als eine Einkommensübertragung. Dieses System blockiert jedoch jede Konjunktursteuerung und den freien Wirtschaftsablauf. Parität bedeutet hier Einkommensparität. Das liegt aber nicht im Interesse der bäuerlichen Familienbetriebe, die unserer Meinung nach errichtet werden müssen, damit auch hier in Westdeutschland eine Gesundung der Landwirtschaft möglich wird.
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE sieht in dem Antrag der CDU/CSU und der Deutschen Partei in Verbindung mit dem von unserem Herrn Bundesminister Dr. Lübke hier bereits vorgetragenen Agrarprogramm die bessere Lösung. Herr Bundesminister Lübke hat schon vor Monaten all das vorgetragen, was seiner Meinung nach notwendig ist, um sowohl die Agrarstruktur verbessern als auch die Kosten senken und intensiver wirtschaften zu können. Hinter diesen grundsätzlichen Erklärungen unseres Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stehen wir. Es ist sicherlich notwendig, daß zunächst die Allgemeinbildung auf dem Lande gehoben wird und daß besonders die jungen Bauern auch die Möglichkeit bekommen, sich in den Fachschulen das Wissen anzueignen, das sie dann später als praktische Landwirte benötigen.
Eine der wichtigsten Fragen, die hier unserer Meinung nach zur Debatte stehen, ist die Flurbereinigung. Besonders in den ausgesprochenen Erbteilungsgebieten werden die Höfe immer und immer wieder zersplittert, und die entstehenden Zwergbetriebe können dann nicht mehr intensiv bewirtschaftet werden. Wir glauben, daß die Flurbereinigung das erste sein muß, was in Angriff genommen wird. Die heutigen rund 2 Millionen landwirtschaftlichen Betriebe haben eine Durchschnittsgröße von 6,8 ha. Das bedeutet, daß der Durchschnitt aller Betriebe unter der Ackernahrung liegt. Diese Betriebe unter der Ackernahrung sind ungesund und müssen irgendwie aufgestockt werden, damit sie ordnungsgemäß und intensiv bewirtschaftet werden können. Wir wissen weiter, daß es in vielen Gebieten der Bundesrepublik — ich denke besonders an die gottgesegnete Wetterau in Hessen — Höfe gibt, die in den Dörfern so ineinandergeschachtelt sind, daß sie einfach nicht ordnungsmäßig bewirtschaftet werden können. Hier ist eine Dorfauflockerung, also die Herausnahme dieser eingeengten Betriebe aus den Dörfern und ihre Verlegung dorthin, wo sie die Möglichkeit einer Entwicklung haben, vordringlich und notwendig. Besonders auch auf diesem Gebiete wollen wir alles unterstützen, was der Ermöglichung einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung dient.
Sicherlich — und darauf hat Herr Kollege Kriedemann schon hingewiesen — kosten diese Verbesserungen Geld. Es wird Sache unseres Herrn Bundesministers Dr. Lübke sein, den Kontakt mit unserem Herrn Bundesfinanzminister zu finden, damit für diese Zwecke auch Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Nur wenn hier die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung besteht, werden wir eine Gesundung der gesamten Landwirtschaft erreichen.
— Ja, wenn Sie einen besseren Rat wissen, lieber Herr Kollege, dann bitte ich Sie, das doch hier auch zum Ausdruck zu bringen. Ich habe auch nichts anderes gehört als die Begründungen der beiden Anträge. Ich muß auch sagen, Herr Kollege Kriedemann hat mit dem Florett gefochten; aber auch er
hat nicht gesagt, wie man es endlich besser machen soll.
Es ist doch auch so: Wir haben ungefähr 14 Millionen ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Auch Herr Bundesminister Dr. Lübke hat erklärt — der Herr Bundeskanzler sagte es schon in der Regierungserklärung —, daß von diesen 14 Millionen 7 Millionen umgelegt werden müssen, d. h. daß die Flurbereinigung vorgenommen werden muß. Wir haben schon davon gesprochen, wie lange es dauern würde, wenn nicht entsprechende Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Ich sage Ihnen aber nur das eine: Die ganze Flurbereinigung kann zu keinem Ziele führen, wenn nicht gleichzeitig auch das angekündigte Gesetz über eine Grundstücksverkehrsordnung herauskommt. Denn ansonsten wird weiter geteilt, wie es in den verschiedenen Gebieten üblich ist, und kaum werden wir mit diesem Programm fertig sein, muß die andere, zurückgebliebene Hälfte schon wieder neu umgelegt werden. Das gäbe also Umlegungen und Flurbereinigungen am laufenden Band, und ich glaube, daß sich auch unsere Volkswirtschaft das nicht leisten kann.
Meine Fraktion ist der Meinung, das Gesetz über die Grundstücksverkehrsordnung müßte vordringlich herausgebracht werden, damit endlich die ewige Teilerei aufhört, weil wir mit diesen Zwergbetrieben keine ordnungsmäßige Landwirtschaft betreiben können. Erst in den letzten Wochen kam ein Bürgermeister aus dem Kreis Eschwege zu mir. Dort ist im Jahre 1926 umgelegt, also die Flurbereinigung durchgeführt worden, und jetzt wollen sie es schon wieder tun. Ein Bauer aus dem Kreis Usingen sagte mir vor drei oder vier Tagen: Ich habe den Hof übernommen; wir haben in den 20er Jahren die Flurbereinigung durchgeführt, und ich habe heute bei 42 Morgen 87 Parzellen. Meine Damen und Herren, da ist es unmöglich, wirklich ordnungsgemäß zu wirtschaften.
Die im Antrag der Freien Demokraten geforderte Parität bedeutet aber nichts anderes als eine Einkommensübertragung. Von den 2 Millionen landwirtschaftlicher Betriebsinhaber Westdeutschlands sind 45 % zwischen 60 und 70 Jahre alt, 10 % über 70 Jahre. 10 %aller Betriebsinhaber sind Frauen, davon über ein Fünftel über 65 Jahre. Ich bin mir dessen bewußt, daß dieses Zahlenbild eine Folge des Krieges ist und daß wahrscheinlich in diesen Betrieben die Söhne gefallen sind oder, wenn heute Frauen allein wirtschaften müssen, daß die Männer draußen im Krieg geblieben sind. Aber immerhin ist uns doch bekannt, daß die einzelnen Betriebsführer in diesem Alter nicht mehr in der Lage sind, den Betrieb so zu bewirtschaften und auch die notwendige Arbeit zu leisten, wie es erforderlich wäre.
Ich hätte namens meiner Fraktion eine Bitte auszusprechen, und zwar an die Vertreter der Bauernverbände, die hier im Hause anwesend sind. Wir haben noch ungefähr 160 000 bäuerliche Familien, die aus dem Osten vertrieben worden sind und die noch siedlungswillig sind. Ich bitte Sie: Helfen Sie mit, damit wir zumindest eine größere Anzahl von diesen 160 000 bäuerlichen Familien wieder zur Scholle bringen; denn letzten Endes, wenn tatsächlich einmal wieder die Ostprovinzen zu Deutschland zurückkommen sollten, wird es sehr, sehr wichtig sein, daß zumindest ein Teil
dieses ostdeutschen Bauerntums noch besteht. Ich bin der Meinung, es ist möglich, wenn diese Aktion nicht nur von seiten der Regierung und der Behörden, sondern in erster Linie auch von seiten 'der Vertreter des Bauerntums, also von den Bauernverbänden, unterstützt wird.
Ich sagte ,schon, daß die Dorfauflockerung notwendig ist, um ordnungsgemäß wirtschaften zu können. Ich möchte hier auch an die Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Bitte richten, insbesondere diese Maßnahme, die ja in erster Linie der einheimischen Bauernschaft, aber selbstverständlich auch der gesamten Landwirtschaft dient, entsprechend verstärkt fortzusetzen.
Es ist richtig, daß Maßnahmen im Blick auf die Integrationsentwicklung in Europa rechtzeitig vorgenommen werden müssen. Eine Eingliederung der Landwirtschaft in die Wettbewerbsordnung ist im Hinblick auf diese Integrationsentwicklung in Europa unerläßlich. Festpreise, Richtpreise, feste Handelsspannen usw. dürfen nur dort Anwendung finden, wo es unbedingt notwendig ist. Integrationspolitik erfordert Anpassung der deutschen Landwirtschaft an die europäische Wettbewerbsordnung. Ich bin überzeugt, daß der eine oder andere von uns, wenn er hört, was sich auf dem Sektor Integration tut, sehr 'enttäuscht sein wird. Aber dessen ungeachtet dürfen wir diese Zielsetzung nicht außer acht lassen. Wir müssen trachten, daß unsere Landwirtschaft, wenn es einmal dazu kommen sollte, auch in diesem Augenblick konkurrenzfähig ist.
Wir wissen —und das anerkennt die Fraktion des Geamtdeutchen Blocks/BHE —, daß die deutsche Landwirtschaft ihre Pflicht erfüllt hat. Sie hat die Produktion wesentlich erhöht und dazu beigetragen, daß nicht mehr so viel an Nahrungsgütern eingeführt werden muß, wie es noch vor vier oder fünf Jahren der Fall gewesen ist. Die Landwirtschaft soll das Bewußtsein bekommen, daß sie nicht allein steht, sondern daß auch in diesem Hause der gute Wille vorhanden ist, alle Maßnahmen zu treffen, damit ihre Existenz in der Zukunft gesichert wird.