Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mir Mühe geben, meine Ausführungen so kurz wie möglich zu halten, was mich allerdings nicht abhalten wird, .auf das einzugehen, was notgedrungen bei der heutigen Grundsatzdebatte, bei der Debatte über ein landwirtschaftliches Grundgesetz — denn ein solches ist es — gesagt werden muß.
Ich bedauere außerordentlich, daß eine sonst von mir hochgeschätzte Zeitung, deren Wirtschaftsteil einer der besten ist, es sich nicht hat verkneifen
können, es in ihrer heutigen Ausgabe so darzustellen, als wenn diese Anträge, ganz gleich ob es die unsrigen oder die der CDU sind, praktisch Wahlmanöver seien. Ich bedauere außerordentlich, daß diese Presse anscheinend noch nicht begriffen hat, daß es sich wirklich um ein Notproblem allergrößten Ausmaßes handelt.
— Nun, es ist die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", damit Sie es wissen. Herr Kollege Kriedemann hat hier ähnliche Ausdrücke gebraucht. Nun, ich kenne meinen Freund Kriedemann von der anderen Fakultät lange genug, um zu wissen, daß er immer wieder derartige Extratouren reitet.
Ich werde mich sehr freuen, Herr Kriedemann, wenn Sie eines Tages einmal die Verantwortung für das deutsche Landvolk zu übernehmen haben sollten. Weniger erfreut würde allerdings, davon bin ich überzeugt, das deutsche Landvolk sein.
Um aber nun auf die grundsätzlichen Dinge einzugehen: Ich glaube, unser Paritätsgesetzentwurf ist mehr als maßvoll zu nennen. Wir haben ja nicht einmal die wirklichen Zahlen gebracht, d. h. die Zahlen, die man einander gegenüberstellen müßte, wenn man hinsichtlich der Bezahlung ländlicher Arbeit den Dingen wirklich auf den Grund kommen wollte, nämlich die Zahlen von 1913. 1938, meine sehr verehrten Anwesenden, war es schon kein Zahlenspiel mehr, das den Gang der Dinge ohne Subventionierung klarstellte. Im Jahre 1938, unter dem nationalsozialistischen Regime, hatten wir durch Einsatz von Landarbeitsdienst und dergleichen schon eine versteckte Subventionierung der landwirtschaftlichen Arbeit.
Aber es wird Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, doch einmal interessieren, weil immer wieder, leider Gottes auch in den Ausführungen des Herrn Ministers, von Preissteigerungen gesprochen wird, wie die Dinge denn im Jahre 1913 ausgesehen haben. Ich habe mich der Mühe unterzogen, einmal die Preise für einzelne agrarische Produkte hier anzuziehen. Ich darf Ihnen sagen, daß im Jahre 1913 das Kilo deutscher Butter bereits 2,80 Mark im Durchschnitt kostete, der Milchpreis in allen deutschen Großstädten zwischen 20 und 22 Pfennig je Liter schwankte und die Eier im Jahresdurchschnitt 8 bis 9 Pfennig kosteten. Stellen Sie dem vergleichsweise einmal die heutigen Preise gegenüber respektive die Kaufkraft — denn schließlich lebt der Kleinbauer ja von dem Verkauf der Produkte seiner Hände Arbeit —, dann werden Sie nicht mehr davon sprechen, daß jetzt eine Umschichtung des Einkommens stattfinde. Diese Umschichtung hat seit 1913 laufend stattgefunden, und zwar nicht auf Kosten der Verbraucher, sondern auf Kosten der landwirtschaftlichen Erzeuger.
Das einmal mit aller Deutlichkeit herauszustellen, erscheint mir notwendig, um eine Grundlage zu finden, wie man dieses — ich bin mir völlig klar darüber — außerordentlich schwierige Problem meistern kann.
Wir haben heute eine Landflucht. Das ist eine Tatsache, die kein Mensch wird bestreiten können.
Welches sind denn die Gründe dieser Landflucht? Ich bin nicht der Meinung, daß sie rein materieller Natur sind. Nicht wegzudiskutieren dürfte aber doch wohl sein: die Landflucht ist in erster Linie dadurch verursacht, daß die an und für sich besonders schwere Arbeit — denn Landarbeit ist schwerste Arbeit — nicht so bezahlt wird, wie man erwarten dürfte.
Das trifft für alle Sparten der ländliche Arbeit verrichtenden Bevölkerung zu.
Bei dieser Gelegenheit ist es notwendig, auch einmal auf die Überbelastung gerade unserer bäuerlichen Bevölkerung mit Arbeit einzugehen. Ich kenne die Zahlen nicht genau, sie schwanken je nach der Quelle. Fest steht, daß weit über eine halbe Million landwirtschaftlicher Arbeitskräfte seit der Währungsreform abgewandert ist. Ja, warum sind die denn abgewandert? Doch nicht etwa deshalb, weil die deutsche Scholle keine Arbeit für die Leute hätte, sondern einzig und allein deshalb, weil ein großer Teil gerade unseres Klein- und Mittelbauerntums einfach nicht mehr in der Lage ist, bei der jetzigen Preisrelation Arbeitskräfte so zu bezahlen, daß diese Bezahlung dem Lohne eines Industriearbeiters annähernd gleichkäme!
Man muß doch das Problem in seinen Ursachen anpacken, wenn man es lösen will.
Wenn ich z. B. lese, daß die Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie durch ihre Untersucher, die nicht nur einfach einmal hingeguckt haben, sondern die ein Jahr lang in diesen bäuerlichen Betrieben tätig waren, feststellt, daß auf einem Hof in Süddeutschland eine Bäuerin jährlich 4239 Arbeitsstunden leistet, während der Bauer selber etwa 400 Stunden weniger leistet, dann ist doch die Frage mehr als berechtigt: Ist denn die Preispolitik wirklich richtig, die unsere bäuerliche Bevölkerung zwingt, 50 % mehr Arbeit zu leisten, um existenzfähig zu bleiben, oder sind hier Krankheitsherde vorhanden? Ich glaube, es wird notwendig sein, sich in den Ausschüssen über diese Dinge einmal mit aller Deutlichkeit zu unterhalten.
Wenn es hier dann weiter heißt — auch das ist interessant —, daß die Zahl der Fehlgeburten in der bäuerlichen Bevölkerung prozentual viel höher liegt als in der übrigen deutschen Bevölkerung, und wenn dann noch ausgeführt wird, daß die Kleinbauernkinder den Schulbesuch als Erholung betrachten, dann, glaube ich, hat auch hier der Herr Minister Wuermeling als Familienminister eine Aufgabe zu erfüllen.
Es geht uns darum, daß auch das bäuerliche Kind froh großwerden kann und nicht gezwungen ist, vom 10. oder 11. Lebensjahr an schon mit körperlicher Arbeit seinen Lebensunterhalt praktisch selbst zu verdienen.
Wenn man durch das Dorf kommt — und Herr Kriedemann kommt ja auch durch das Dorf —, dann sieht man auf der einen Seite die Bäuerin, die durch ihre Arbeit mit 40 Jahren meist schon verbraucht ist, und sieht auf der anderen Seite, daß in demselben Dorf durch eine völlig verfehlte Sozialpolitik junge deutsche kräftige Staatsbürger ein Rentnerdasein führen. Da stehe ich allerdings
auf dem Standpunkt, daß eine Sozialpolitik, die derartiges zuläßt, falsch ist.
Was werden die Folgen einer solchen Entwicklung sein? Ich befürchte — mehr, als mir lieb ist —, daß auf die Dauer, wenn wir hier nicht eingreifen und durchgreifen, auf dem platten Lande eine politische Radikalisierung nicht zu verhindern sein wird. Ich glaube, alle in diesem Hause sind sich wohl darüber klar, daß wir eine politische Radikalisierung in Deutschland unter gar keinen Umständen brauchen können. Gewiß wäre vielleicht durch eine Änderung der gesamten Struktur der westdeutschen Landwirtschaft hier und da Erleichterung zu schaffen. Aber können wir uns denn aus nationalpolitischen Gründen überhaupt erlauben, auch nur einen einzigen kleinen oder mittleren Bauer von der Scholle weggehen zu lassen?
Steht denn vor uns Deutschen nicht die große nationalpolitische Aufgabe, hoffentlich in absehbarer Zukunft den deutschen Osten wieder mit deutschen Menschen zu besiedeln? Wenn wir dann keine bäuerlichen Elemente mehr haben, dann mag der Zeitpunkt viel näher liegen, als wir glauben, wo einmal wieder die schwarz-rot-goldenen Grenzpfähle jenseits von Ostpreußen stehen, aber in dem Raum jenseits der Elbe nicht deutsche Bauern, sondern slawische die Furchen ziehen — ein Zustand, der demjenigen, der diesen Raum als deutsch betrachtet, doch weiß Gott bitter aufstoßen wird.
Wenn man jetzt auf die Unterschiede zwischen dem CDU-Entwurf und unserem Entwurf eingeht, so glauben wir, daß der Entwurf, der die Preisparität verfolgt, am schnellsten wirksam werden kann. Darin gehen wir mit Ihnen einig, Herr Kollege Kriedemann, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Man weiß das bei Ihrer orakelhaften Sprache nicht immer!
— Das ist sehr nett; ich würde mich freuen, wenn Sie da Wort halten würden.
— Nun regen Sie sich doch nicht auf, meine Herren von der Linken! Sie sind doch sonst so friedliche Menschen; warum jetzt auf einmal so wild? Wild, weil wir endlich einmal das Problem unserer bäuerlichen Bevölkerung mit allem Ernst anpacken wollen! Denn hier nützt kein Maulspitzen mehr, Herr Kollege Kriedemann, hier muß auch preispolitisch einmal gepfiffen werden.
Wir sind der Meinung, daß wir uns ja auch bei der Durchsetzung der Preisparität in weiß Gott guter Gesellschaft befinden. Denn der Herr Bundeskanzler — und das ist doch wohl gute Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren — hat in Rhöndorf eindeutig erklärt, daß die Preisparität zwischen landwirtschaftlicher Arbeit und der Arbeit der gewerblichen Wirtschaft vordringlich hergestellt werden muß. Ich hoffe, daß Sie, meine Herren von der CDU — mit Ihnen rechne ich nicht mehr, Herr Kollege Kriedemann —, sich dazu entschließen werden, unseren Anträgen im Ausschuß den notwendigen Ernst entgegenzubringen, und ich hoffe darüber hinaus — auch das sage ich mit
tiefem Ernst —, dieses landwirtschaftliche Grundgesetz möge dazu dienen, daß das deutsche Landvolk in Zukunft bei fleißiger Arbeit auch weiterhin seine Ernährung und sein Auskommen findet.