Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag vielleicht für die Herren, die diese beiden Anträge hier zu begründen hatten, und für ihre Freunde, auf deren Hilfe sie dabei rechnen müssen, nicht ganz einfach sein, dieses traurige Bild vom Zustand der deutschen Landwirtschaft zu malen, wie es sich im fünften Jahre der Regierung Adenauer nun darstellt. Aber ich bin nicht in der Lage, diesen Schilderungen zu widersprechen; denn Sie wissen ja, daß ich diese Politik, oder besser gesagt: das Nichtvorhandensein einer Agrarpolitik während aller dieser fünf Jahre immer kritisiert habe. Mir ist also heute nichts Neues gesagt. Aber glauben Sie mir, ich habe keineswegs die Absicht, mich an der Verlegenheit zu weiden, die nun hier zum Ausdruck kommt.
Ich habe auch einiges Verständnis, wenn der Kollege Mauk jetzt daran erinnert, daß man einmal Wahlversprechungen gegeben habe. Der Zeitpunkt ist ja ganz geeignet dafür, denn wir sind wieder in Wahlen. Vielleicht hat dieser Umstand auch wesentlich dazu beigetragen, daß wir uns gerade jetzt mit diesen beiden Drucksachen befassen müssen.
Es ist völlig unbestritten, daß es in breiten Teilen der deutschen Landwirtschaft außerordentlich unbefriedigend zugeht, insbesondere für die Menschen, die dort tätig sind. Es ist völlig unbestritten, daß das sehr peinliche und schwerwiegende volkswirtschaftliche Nachteile zeitigt. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß von anderen Teilen der deutschen Landwirtschaft etwas sehr viel Erfreulicheres gesagt werden kann. Es ist sowieso eine sehr unzweckmäßige Verallgemeinerung, immer von d e r Landwirtschaft zu sprechen. Dazu ist das Bild, das die deutsche Landwirtschaft bietet, ihre ganze Struktur auch viel zu uneinheitlich, viel zu sehr voneinander abweichend, als daß man so reden
könnte. Ich habe so den Eindruck, daß aus dieser Verallgemeinerung, insbesondere aus der Verallgemeinerung des Negativen allmählich eine Stimmung entstanden ist, die der sachlichen Erörterung landwirtschaftlicher Probleme — und dazu gibt es eine ganze Menge zu sagen — leider sehr abträglich ist. Ich möchte das mit Bezug auf die Teile der Landwirtschaft sagen, in denen heute ein Grund zum Klagen glücklicherweise nicht vorhanden ist.
Darüber hinaus möchte ich glauben, daß man sich viel zuwenig mit den Gefahren für die deutsche Landwirtschaft beschäftigt, die in der Zukunft liegen. Wir alle müssen ja damit rechnen, daß die wirtschaftliche Verflechtung und die damit verbundene Zunahme der Konkurrenz sich eher steigern, als daß sie abnehmen, und daß sich daraus auch für solche Teile der deutschen Landwirtschaft noch sehr schwerwiegende Fragen ergeben werden, die heute von einer Krise nun wirklich nicht reden können und es deshalb auch nicht tun sollten. Die Frage, was man demgegenüber tun soll, ist nun sehr naheliegend, und sie wird auch hier mit den beiden Entwürfen wieder zur Diskussion gestellt.
Ich würde aber doch vorschlagen, daß man dabei auch einmal, ein bißchen jedenfalls, untersucht, wie denn die Landwirtschaft in die zum Teil recht bedrohliche Situation hineingekommen ist. Niemand wird etwa sagen können, daß das allein in den letzten fünf Jahren geschehen sei. Die eigentlichen Ursachen für den sehr unterschiedlichen Entwicklungsgrad und die unterschiedliche wirtschaftliche Stabilität der deutschen Landwirtschaft im Vergleich zur Landwirtschaft in ihren Konkurrenzländern liegen natürlich sehr viel tiefer. Wenn man einmal untersuchte, wer denn an der verfehlten Agrarpolitik schuld ist, die zu diesem sehr peinlichen Ergebnis geführt hat, zu einem Ergebnis, das wir heute nur mit außerordentlich großen Anstrengungen korrigieren können, dann würde dabei vielleicht wenigstens das herauskommen, daß man verhindern könnte, daß sich solche Leute heute wieder zu Wort melden oder auch nur zitiert werden.
Das sollte auch einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden. Wir haben am allerwenigsten ein Bedürfnis danach, daß diejenigen, die uns auch diese Suppe eingebrockt haben, nun die Zeit für gekommen halten, sich wieder einmal als Koch zu empfehlen; sie haben immer nur als Sudelköche fungiert, und bei einem kleinen Rest von Schamgefühl sollte sie das wenigstens zum Schweigen bringen.
Wenn heute festgestellt werden muß, daß das bäuerliche, insbesondere das kleinbäuerliche Element in der deutschen Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten so außerordentlich zu kurz gekommen ist, so steht dem der andere Sektor in der Landwirtschaft gegenüber, der davon profitiert hat, dem zuliebe die größere Zahl der das Land bearbeitenden Menschen nicht nur zurückgesetzt, sondern sogar aufgeopfert worden sind. Wir haben am allerwenigsten heute Lust, noch einmal mit anzusehen, wie man wieder versucht, die Kleinen, die vielen, die in echter Verlegenheit Befindlichen einzufangen als Zuhörerschaft für irgendwelche Leute, die sich immer wieder darauf zu verlassen scheinen, daß jedenfalls sie immer übrigbleiben.
Ich möchte bei der Überlegung, wie den Schwierigkeiten beizukommen ist, doch einer Bemerkung, die vorhin dem Kollegen Mauk vielleicht nur so entschlüpft ist, widersprechen. Er hat gesagt: Uns — und meint damit also: uns Landwirten — ist es ja egal, ob die Sache über Preise oder über Kosten in Ordnung gebracht werden kann. — Es wird der Landwirtschaft und den Agrarpolitikern soundso oft vorgeworfen, daß es ihnen sowieso egal sei, was aus den anderen werde, und daß sie mit einem fürchterlichen Egoismus und einer außerordentlich gefährlichen Kurzsichtigkeit immer nur ihre Interessen verträten. Nun, eine solche Formulierung, wie Sie sie vorhin gebrauchten, Herr Kollege Mauk, würde geradezu als ein Beweis für die Richtigkeit dieser Unterstellung gewertet werden können. Es kann uns gar nicht egal sein, ob es über Kosten oder über Preise gemacht wird; denn wir fühlen uns in vollem Umfange auch für gesamtvolkswirtschaftliche Angelegenheiten verantwortlich und wollen uns in gar keiner Weise vor den Konsequenzen der Dinge drücken, die wir als berechtigte Forderung der Landwirtschaft vertreten. Aber ich habe gleich gesagt, daß es Ihnen möglicherweise auch nur so herausgerutscht ist, und ich habe aus unserer bisherigen Zusammenarbeit keine Veranlassung, Ihnen zu unterstellen, daß Sie zu den Leuten gehören, die mit einer solchen Bedenkenlosigkeit einseitige Interessentenstandpunkte vertreten.
Meine Damen und Herren! Meinem Eindruck nach aus einer doch schon verhältnismäßig langen Beteiligung an der landwirtschaftlichen, agrarpolitischen Debatte besteht in weiten Kreisen Einigkeit über das, was zu Nutz und Frommen der Landwirtschaft geschehen solllte, und es ist kein
Zufall — ich habe das, glaube ich, von dieser Stelle schon einmal gesagt —, daß in den Katalogen der agrarpolitischen Maßnahmen aller politischen Richtungen eigentlich immer nur dasselbe vorkommt. Unter der Überschrift: „Lübke-Programm" haben wir nun kürzlich wieder eine solche Zusammenfassung der für die Landwirtschaft für erforderlich gehaltenen Maßnahmen gehört. Mir fällt das zustimmende Bekenntnis zu diesem Programm deshalb gar nicht schwer, weil hier weder etwa herauskommen kann, daß ich Lübke-hörig bin, noch etwa das Wunder in Erscheinung träte, daß wir zufälligerweise beide auf dieselbe Idee gekommen sind. Es handelt sich gar nicht so sehr darum, auf Ideen zu kommen, sondern vielmehr darum, ganz nüchtern und ohne Angst davor, auch einmal neuralgische Punkte zu berühren, vielen, ich möchte beinahe sagen, allen Leuten geläufige Tatsachen und Notwendigkeiten auszusprechen, also die Wahrheit zu sagen.
Nun wird aber dann gesagt, daß die Inangriffnahme eines solchen Programms und all dieser darin enthaltenen Maßnahmen zu lange dauere und daß man deshalb etwas anderes tun müsse. Wenn hier vorhin dankenswerterweise gesagt worden ist, es gebe zu jeder Politik auch eine Initiative - das wird sich natürlich nicht nur, auf die Außenpolitik, sondern auch auf die Agrarpolitik beziehen sollen, in dem Zusammenhang ist es ja auch ausdrücklich gesagt worden —, so darf man wohl getrost sagen, daß viel mehr als ein „siamesischer Bruder" der Gedanke der Parität die Alternative zu dem sogenannten Lübke-Programm ist.
Natürlich, manche Dinge währen lange, und es ist auch gar kein großes Verwundern darüber
möglich, daß jahrzehntelange Versäumnisse nicht durch einen kühnen Entschluß von heute auf morgen wieder in Ordnung gebracht werden können. Wenn man weiß — und das ist gesagt worden; es ist hoffentlich allen immer ganz gegenwärtig —, daß es sich im großen Umfang tatsächlich um unerhört schwierige Strukturprobleme handelt, dann liegt schon in diesem Wort begründet, daß man so etwas nicht von heute auf morgen ändern kann. Ich will nur nicht gelten lassen, daß es sich hier um Dinge handelt, die so viel Zeit erfordern, daß sie eigentlich gar nicht praktisch werden können. Ich will nur sagen: die Zeit, die gebraucht wird, um solche Maßnahmen zur Auswirkung zu bringen, hängt im wesentlichen von der Entschlußkraft ,ab, mit der man sich hinter solche Maßnahmen stellt. Ich hörte neulich wieder jemanden sagen: Da heißt es also, daß jetzt einmal etwas für die Flurbereinigung getan werden muß, weil soundsoviele Landwirte unter dem Nichtvorhandensein einer Flurbereinigung, unter der Flurzersplitterung leiden. Das wird nun schon 50 Jahre gemacht! Aber die Antwort darauf muß doch sein: Darüber wird zwar seit 50 Jahren geredet, und es wird daran herumgemurkst; aber gemacht worden ist eben nichts.
Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, über deren Nutzeffekt ein Zweifel überhaupt nicht erlaubt ist, die aber nur deshalb nicht zur Auswirkung kommen, weil man sie nichtenergisch in Angriff nimmt. Wir wissen ja sogar, warum man sie nicht in Angriff nimmt. Auch im Bereich der Agrarpolitik und gerade dann, wenn es sich um die Korrigierung von Fehlern ader das Nachholen von Versäumnissen handelt, geht es mit natürlichen Dingen zu, wie auch sonst in der Welt. Da kann man niemandem etwas geben, wenn man nicht einem andern etwas nehmen will, und da kann man niemandem helfen, wenn man nicht bereit ist, einem andern dafür Opfer aufzuerlegen oder ihn in die ihm gebührenden Schranken zurückzuverweisen. Wenn man ,einanal ernsthaft an die Untersuchung herangehen wollte, ob nicht von der Seite der Kasten her etwas zu tun ist, wenn man z. B. wirklich einmal die Aufgabe in den Vordergrund stellte, die Landwirtschaft möglichst billig mit den besten Maschinen zu versorgen, dann müßte man natürlich in so manches Vorrecht eingreifen und so manche Pfründe beschneiden, die heute z. B. von denen zäh verteidigt wird, die von dem Verkauf von ein paar Bulldogs sehr viel besser leben als viele von der Arbeit mit den Bulldogs.
Deshalb liegen eigentlich die Unterschiede nicht in den Programmen, nicht in der Meinungsverschiedenheit über die Maßnahmen, sondern eigentlich nur in der Möglichkeit und dem Willen, die die eine oder andere Seite hat, solche Maßnahmen auch gegen diejenigen durchzusetzen, die sich dagegen wehren, weil ihnen der gegenwärtige Zustand bequemer ist. Daß man —auch in diesem Hause — nicht so ohne weiteres bereit ist, die Dinge einmal anzupacken, davon haben wir in den letzten Wochen und Monaten einige Beispiele gehört. Und wenn der Minister hier in diesem netten Katalog, den wir eben gehört haben, aufgezählt hat, was inzwischen geschehen ist, dann sollte dem einen oder anderen doch auch einfallen, daß wir durchaus die Möglichkeit gehabt hätten, mehr zu tun und wirksamere Dinge zu tun, wenn sich dafür eine Mehrheit gefunden hätte, die bereit ist, solche Notwendigkeiten der Landwirtschaft einmal an
den Punkt zu bringen, an den sie gehören. Das ist heute und auf einige Zeit hinaus ein Punkt, der sehr weit vorn liegt. Ich erinnere nur an unsere Anträge bezüglich der Rindertuberkulose, bezüglich der Steigerung des Milchabsatzes usw.
Das Unbehagen gegenüber diesen Maßnahmen ist mir völlig begreiflich, und ich habe auch Verständnis dafür, daß nun nach einem andern, bequemeren Weg gesucht wird. Diesen bequemeren Weg glaubt man schon seit vielen Jahren — denn es wird schon sehr lange davon geredet — in der sogenannten Parität gefunden zu haben. Es ist auch gar nicht zu bestreiten und darf gar nicht übersehen werden, daß mit dieser Formulierung, die leider in vieler Leute Munde zu einem Schlagwort geworden ist, unter dem sie sich konkrete Dinge schon gar nicht mehr vorstellen können und vor dessen Konsequenzen sie auch die Augen sorgfältigst verschließen, weil ,das das Nachdenken besonders erleichtert, draußen in der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung viel Resonanz erzeugt worden ist. Es sieht auf den ersten Blick auch tatsächlich wie das Ei des Kolumbus aus: auf irgendeine Weise kriegt man die Differenz zwischen dem, was man aufgewendet hat, und dem, was man nicht auf dem normalen Wege erlöst hat, erstattet, vergütet, ersetzt. Ich habe mich nie darüber gewundert, daß diejenigen, die draußen auf den Dörfern dieses Programm anbieten, kaum Fragen in der Diskussion haben; denn daß das eine feine Sache ist, sieht jeder auf den ersten Blick ein, dazu gehört gar nicht viel. Ich möchte nicht verschweigen, daß es mir einige Sorgen bereitet, wenn man sehen muß, wie so eine Angelegenheit, ich möchte beinahe einmal sagen, Tatsachen schafft, an denen nachher kaum noch jemand vorbeikommt, die kaum noch aus der Welt zu schaffen sind. Aber, meine Damen und Herren, wenn soviel kluge Leute der Überzeugung sind und sich dabei auf die Gutachten von Wissenschaftlern und auf die Berichte und Unterlagen wissenschaftlicher Institute stützen können, daß dies ein gangbarer Weg ist, dann bin ich natürlich nicht so vermessen, nun einfach aus dem Handgelenk zu sagen, daß ich anderer Meinung bin. Ich halte es durchaus für möglich, daß man eine ganze Volkswirtschaft nach dem Prinzip der Parität organisiert. Ich will nicht annehmen, daß der Herr Kollege Lücker vorhin, als er sagte, man müsse das Denkmodell der Marktwirtschaft einmal ein bißchen zerstören, dies auch andeuten wollte, aber wir haben seine für meinen Geschmack sehr beachtlichen und vollkommen richtigen und zutreffenden volkswirtschaftlichen Ausführungen grundsätzlicher Art natürlich auch gehört. Die Frage ist nur, ob denn diejenigen, die nun die Parität wollen, tatsächlich bereit sind, sie auch mit allen Konsequenzen zu wollen oder, wenn überhaupt, eine Parität nur für einen Teil wünschen oder ob sie sich nicht nur mit einem neuen Versuch irgendeiner Parole, irgendeiner beruhigenden Formulierung begnügen möchten.
— Na also, Herr Lücker! Wir haben ja im Ausschuß und nachher auch hier wieder bei der zweiten und dritten Lesung Gelegenheit, zu sehen, was denn von den hohen Erwartungen, die ich jetzt auch in Sie setze, in Erfüllung gegangen ist.
Wir haben hier manchmal geglaubt, daß wir Ihnen
etwas zutrauen könnten — ich meine jetzt nicht
nur Sie persönlich —, und haben Ihnen ganz reizvolle Vorschläge gemacht. Aber selbst die Hoffnungen darauf, daß sie einmal vor dem Finanzminister oder vielleicht vor anderen Interessenten bestehen könnten, die ja einen großen Teil ihres Profits daraus beziehen, daß der Landwirtschaft eben nicht das zukommt, was ihr unter allen Umständen gesichert werden müßte, diese Hoffnungen sind eigentlich immer ohne Ausnahme enttäuscht worden.
Da ich weder den Ehrgeiz habe, die Landwirtschaft allein zu retten, noch wegen der Mehrheitsverhältnisse dazu in der Lage bin, bleibt mir übrigens gar nichts anderes übrig, wenn ich überhaupt die Lust an der Agrarpolitik behalten will, als immer wieder zu hoffen, daß wir Ihnen doch noch mehr zutrauen können, daß da mehr drinsitzt, sagen wir einmal, an wirklicher Konsequenz, an wirklichem Willen, nun auch einmal solche Interessen, noch dazu wenn sie volkswirtschaftlich vollkommen durchdacht und abgesichert sind, durchzusetzen und wirklich einmal den Leuten auf die Füße zu treten, die zwar mit den Stimmen der Bauern ihr politisches Gewicht bekommen, aber nachher nicht bereit sind — bisher jedenfalls noch nie dazu bereit waren —, sich dafür auch nur auf eine einigermaßen nachhaltige Weise dankbar zu erzeigen. Die Zeit, da man der Landwirtschaft mit ganz kleinen Geschenken oder gar nur etwa mit Beruhigungspillen dienen kann, sollte von uns allen ja nun als beendet angesehen werden.
Wenn ich mir diese Gesetzentwürfe ansehe, dann kommt mir eine sehr peinliche und sehr bittere Erinnerung hoch, eine Erinnerung an eine Diskussion, die wir hier einmal im Zusammenhang mit dem Getreidegesetz gehabt haben. Diese Erinnerung macht mir Formulierungen, wie sie hier vorliegen — ich werde dazu nachher noch etwas im einzelnen sagen —, eigentlich so zweifelhaft und unsympathisch. Damals haben wir festgestellt, daß es ein Getreidegesetz gibt, nach dem eine Einfuhr- und Vorratsstelle eingerichtet wird. In diesem Gesetz wurde ganz klar gesagt, was die Einfuhr- und Vorratsstelle zu tun hat und zu welchem Zweck sie funktionieren soll, nämlich im Sinne der Marktordnung, um wenigstens für dieses Produkt der Landwirtschaft Preis- und Absatzgarantie zu geben. Als wir im Bundestag ein Getreidepreisgesetz beschlossen, haben wir uns anhören müssen, wie von der Regierungsbank kaltlächelnd — mir fällt ein anderer Ausdruck, der parlamentarisch wäre, nicht ein — erklärt wurde, daß das zwar alles stimmt, daß aber trotzdem kein Rechtsanspruch für die Erzeuger besteht. Die Schriftgelehrten waren sich nachher einig, daß man es entweder vergessen oder sehr sorgfältig vermieden hatte, das, was man nach der Überschrift angeblich wollte, so klar und so konsequent zu formulieren, daß nun wirklich kein Weg mehr daran vorbeigeht. Es hat eine große Mühe gekostet — und es gehört auch nicht zu meinen angenehmen Erinnerungen —, das in diesem Fall durch eine Ergänzung des Gesetzes wenigstens hier hineinzubringen. Wir sollten uns davor hüten, auf diesem Wege fortzuschreiten, auf dem Wege, auf dem die Agrarpolitik viel mehr ein System von Versprechungen und Deklamationen als ein System von wirtschaftlich wirksamen Maßnahmen war. Es hat sich offenbar ganz leicht damit eine ganze Weile leben lassen. Ich lasse es dahingestellt, worauf es zurückzuführen ist, daß gerade die bäuerlichen Schichten so leicht zu beruhigen sind. Aber auch
diejenigen, die ein erhebliches Maß an Verantwortung dafür haben, daß es in diesem Hause eine Mehrheit, die mit dem Vertrauen der Bauern zustande gekommen ist, gibt, sollten sich klar darüber sein, daß nach alter Erfahrung jeder Krug nur so lange zu Wasser geht, bis er bricht. Wenn wir dieses Maß an Vertrauen und an einer außerordentlich großen Geduld erschöpft haben — wovon man jetzt noch zehrt —, dann sollten wir, nachdem auch diese Mehrheit trotz der nicht vorhandenen Agrarpolitik der ersten vier Jahre so zustande gekommen ist, daran denken, welche Folgen das notwendigerweise haben muß. Wir haben so etwas schon einmal erlebt. Das schlägt nachher in eine Richtung um, die niemandem von uns erwünscht ist. Deshalb kann niemand von denen, die in diesem Hause versammelt sind, nun getrost darauf warten, bis dieses Maß an Geduld erschöpft worden ist. Wir werden alle nachher davon nichts ernten können.
Wir haben nun diese beiden Gesetzentwürfe vor uns. Ich will nicht untersuchen, welcher von beiden mehr bietet. Ich will mich auch keineswegs in den Streit darüber einmischen, warum es überhaupt zwei Gesetzentwürfe gibt und ob einer besser oder nicht so gut ist. Wenn ich mir diese beiden Gesetzentwürfe ansehe — das mögen mir die Damen und Herren, die dahinterstehen, bitte nicht übelnehmen —, dann kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, daß wir uns hier wieder auf dem Wege des Getreidegesetzes befinden. Wir wollten doch und wir sollten unserer Meinung nach Deklamationen und leere Versprechungen nicht einmal mehr aufs Papier bringen, auf das Papier der Gesetze; denn wenn auch Papier im allgemeinen geduldig ist, sollte uns doch das Gesetzespapier dafür zu schade sein. Hier wird nun die Regierung verpflichtet, in Zukunft etwas zu tun, was sie offenbar bisher nicht getan hat. Ich will als Mann der Opposition nicht die Frage untersuchen oder beantworten, ob es richtig ist, der Regierung es sozusagen schriftlich zu geben, daß sie bisher die selbstverständlichen Mittel der Politik der Landwirtschaft gegenüber nicht so angewendet hat, wie man das von vornherein jeder Regierung unterstellen muß, die überhaupt regiert. Das würde ja geradezu — wenn man es also ernst nehmen soll — auf einen so unerhört schweren Vorwurf hinauslaufen, daß er eigentlich auf eine andere Weise ausgesprochen werden müßte als in einem im ganzen doch verhältnismäßig harmlosen Gesetzentwurf.
Wenn man aber diesen Weg beschreitet und es der Regierung nun mal sozusagen schriftlich gibt, dann sollte man doch sorgfältig darüber wachen — wir haben Grund dazu, wir haben lange gemeinsam Erfahrungen gemacht mit der Regierung, wenn es auch Ihre war —, daß man hier keine Lücke läßt und nichts als Gesetz abliefert, was nachher vielleicht doch bloß — günstigstenfalls — eine Entschießung ist.
Wie es uns gerade im Bereich der agrarischen Fragen mit Entschließungen gegangen ist — ich kann mich hierbei nicht sosehr an Herrn Minister Lübke wenden, denn er ist in dieser Beziehung noch neu in diesem Hause —, darüber haben wir ja Erfahrungen aus früheren Jahren und wissen, welchen Wert Entschließungen haben.
Unterstellen wir einmal, das Gesetz wird in der vorliegenden Form angenommen, und eines schönen Tages stellt irgendeine Kommission aus den Zahlen — die es, nebenbei bemerkt, jetzt schon gibt und die alle Leute, die vernünftige und sachlich begründete Agrarpolitik betreiben wollen, natürlich auch jetzt schon sehr sorgfältig lesen und studieren — fest, was bisher immer nur behauptet wurde oder privates Eigentum derjenigen war, die für ihren eigenen Bedarf diese Überlegungen und Untersuchungen so gründlich vorgenommen haben, wie es nach dieser Formulierung hier offenbar nicht geschehen ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen, daß es mir einigermaßen schwerfällt, das anzuhören, was vorhin Herr Lübke in diesem Zusammenhang — als seinen Beitrag zu diesen beiden Entwürfen - als eine Art von Zustimmung zu dem Gedankengang, der in diesen beiden Gesetzentwürfen verfolgt wird, gesagt hat. 'Ich möchte eigentlich dasselbe bemerken, was ich vorhin gegenüber dem Kollegen Mauk gesagt habe: hoffen wir, daß auch das nur einmal so herausgerutscht ist. Wäre es nämlich so, daß erst, wenn das hier angenommen ist, an die Sache herangegangen wird und sachverständige Leute die statistischen Unterlagen erarbeiten, damit man eine Grundlage für die Agrarpolitik hat, wem wollten Sie es dann übelnehmen, wenn er sagt, daß man bisher offenbar nur mit der Stange im Nebel herumgefuchtelt hat und alle Leute ihr statistisches Material so behandelt haben, wie es hoffentlich nicht das Ministerium getan hat.
- Aber nur ein bißchen, Herr Horlacher. — Das wäre doch geradezu ein fürchterlicher Vorwurf. Wir wollen annehmen, daß wir es alle miteinander nicht nötig haben, nun erst einmal mit einer gründlichen Vorbereitung unserer Forderungen, mit einer einwandfreien Untermauerung unserer Behauptungen anzufangen.
Die vorgesehene Kommission sollte übrigens nach meiner Meinung ganz anders zusammengesetzt sein, damit von vornherein niemand ihr den Vorwurf machen kann, sie sei eine reine Interessenvertretung und habe doch nicht so ganz die richtige Brille auf, noch dazu nachdem man nach dem Gedankengang dieser Gesetzentwürfe gegen die Beschlüsse der Kommission irgendeine Berufungsinstanz nicht vorgesehen hat; die Regierung ist hinterher nur noch „verpflichtet".
Es wird dann gefordert, daß man dem hier ausgerechneten und nachgewiesenen Zustand der Disproportionalität in irgendeiner Weise abhilft. Ich will nicht darauf hinweisen, wie angenehm das für die Leute wäre, die heute schon mit ihrem Milchpreis auskommen, die heute schon mit ihrem Betrieb zurechtkommen, wenn die Verhältnisse bei den kleinen Eifelbauern, bei den Bauern auf dem Vogelsberg und im Bayerischen Wald und was in solchen Fällen zum Beweis des Elends und der Not zitiert wird, zum Ausgangspunkt genommen würden. Ich will auch auf einige andere Nebenwirkungen gar nicht eingehen. Mich interessiert hier nur, welche Konsequenzen sich für das Haus und für die Landwirtschaft ergeben würden, wenn etwa die Bundesregierung sagte, daß sie zwar nach diesem Gesetz verpflichtet ist — ich möchte beinahe sagen: neuerdings verpflichtet ist —, das und das zu tun, es aber leider gar nicht kann. Sie kann ja, wenn hier vierteljährlich ausgerechnet werden soll oder pro Jahr, wie es denn eigentlich steht, nicht ihre Handelspolitik entsprechend um-
bauen. Denn wir haben uns ja schon früher, wenn wir uns — nicht nur im Plenum, sondern im Ausschuß, wo es ein bißchen ruhiger zugeht — darum bemühten, Einfluß auf die Handelspolitik zu nehmen, immer wieder von der Regierung sagen lassen müssen, daß Handelsvertragspolitik und Handelspolitik leider nicht nach einseitigen Wünschen gemacht werden können, sondern daß es da erstens einmal den Partner gibt und zweitens eine Vielfalt von Interessen, die auch von unserer Seite aus berücksichtigt werden müssen, und zum Schluß eben Verpflichtungen, die für die Landwirtschaft im gegebenen Fall unbequem sein mögen, aber sicherlich bequem sind für diejenigen, die sich unter Hinweis hierauf vor jenen Verpflichtungen drücken können, die ihnen mit diesem Gesetz auferlegt werden sollen.
So vermisse ich in diesen beiden Entwürfen — wenn der eine auch sonst vielleicht ein bißchen radikaler sein mag als der andere oder konsequenter, wie ich vielleicht besser sage; der eine vielleicht ein bißchen milder, versöhnlicher und verantwortungsbewußter —, daß der Regierung nun auch gleich alle die Möglichkeiten im Gesetz zur Verfügung gestellt werden, auf deren Anwendung man besteht. Was soll denn der Finanzminister, der vielgeplagte Finanzminister, wenn man ihn auffordert, auf die hier festgestellte Disparität mit Mitteln der Steuerpolitik zu antworten, d. h. also Steuern zu senken, anders sagen, als daß er das nicht kann, weil ihm dafür im Haushalt gar keine Reserven zur Verfügung stehen? Daß der Finanzminister etwa kommen und sagen würde: Ich habe zwar keine Reserven, aber da haben wir ein bißchen mehr eingenommen, und hier können wir ja einmal etwas für die Landwirtschaft tun, das müssen wir wohl alle miteinander erst hören. So können Sie den ganzen Katalog durchgehen.
Um eine Begründung dafür, daß man in dem Augenblick, in dem das hier festgestellt wird, diese Mittel nicht anwenden kann, wird man nie verlegen sein. Im übrigen wissen wir das schon deshalb, weil wir hier oft genug die fehlende Agrarpolitik oder die negativen Auswirkungen irgendwelcher Maßnahmen beklagt und Abhilfe gefordert haben und immer wieder gehört haben, daß das aus diesem, das andere aus einem anderen Grunde und alles zusammen nicht gehe und dafür im gesamten keine Mittel zur Verfügung stünden. Ich will gar nicht sagen, daß diese Einwendungen immer falsch waren. Manche Forderungen waren sicherlich überspitzt, und außerdem stoßen sich bekanntlich die Sachen im Raum dann sehr hart und sehr viel schneller, als man das beim Ausdenken der Sache gerne möchte. Darum habe ich den Eindruck, daß es sich auch hier mindestens um etwas handelt, was weder die eine noch die andere Fraktion in letzter Konsequenz ganz zu Ende gedacht und vor allen Dingen nicht so ausgestattet hat, wie es ausgestattet werden muß, wenn es wirksam werden soll. Die anderen Dinge sind ja alle da; wir haben die Zahlen, wir haben die Sachverständigen zur Verfügung. Wir erleben zwar immer, daß die Sachverständigen aus den gleichen Zahlen zu manchmal sehr weit auseinanderliegenden Ergebnissen kommen; aber das hat das nun einmal so an sich, und das wird auch in Zukunft kaum besser werden. Aber weil wir das alles schon haben, was hier aufgezählt wird, und weil wir es eigentlich als eine Selbstverständlichkeit unterstellen sollten, daß die Regierung auch schon bisher alles getan hat, was sie tun konnte — ich will ihr das jedenfalls zunächst weiter unterstellen —, müssen wir mehr tun, wenn wir auf diesem Weg gehen wollen, und müssen ihr gleich alle diese Mittel an die Hand geben. Ich stelle mir das etwa so vor, daß man sagt, das Gesetz kann natürlich erst in Kraft treten, wenn im nächsten Haushalt ein so großer Reserveposten vorgesehen ist, daß der Finanzminister nicht sagen kann: Ich kann jetzt mit Mitteln der Steuerpolitik zugunsten der Landwirtschaft nichts tun, weil ich kein Geld habe.
Die Handelsverträge müssen in Zukunft so abgeschlossen werden, daß sie tatsächlich auch in dem Augenblick gekündigt werden können und Einfuhren nicht mehr stattfinden, in dem man erkannt hat, daß man mit den Mitteln der Handelspolitik etwas tun muß. Es müssen meiner Ansicht nach, wenn man der Regierung die Verpflichtung auferlegt, mit den Mitteln der Preispolitik irgendeiner Situation zu begegnen, auch gleich Sicherheiten dafür geschaffen werden, daß nicht etwa nur die Last von den einen Schultern auf die anderen verlagert wird, also etwa die Butter oder das Brot teurer werden und die Rentner es bezahlen müssen. Es müssen also auch Mittel im Haushalt oder auf Grund von Gesetzen vorhanden sein, die es der Regierung erlauben, auch weiterhin alle Konsequenzen zu ziehen, die sich aus einer solchen Einzelmaßnahme ergeben, also Mittel für Rentenerhöhungen oder für Subventionierung von Lebensmitteln, deren Preis durch Maßnahmen der Regierung teurer gemacht wird.
Nur wenn man das alles akzeptierte und es wirklich in dem logischen Zusammenhang sähe, in dem es gesehen werden muß, wenn es funktionieren soll, würde bei mir der Verdacht ausgeräumt sein, daß man sich mit diesen beiden Gesetzentwürfen weiter auf dem Wege fortzuwursteln sucht, auf dem man bisher in Wirklichkeit nicht weitergekommen ist. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, in den Ausschußberatungen alle diese Fragen immer wieder und so lange zur Debatte zu stellen, bis sie tatsächlich ausdiskutiert sind. Nichts wäre hier gefährlicher als halbe Arbeit. Nichts würde der Sache weniger dienen, als wenn man hier etwas machte, von dem man dann wieder sagt, daß es zwar noch nicht gut sei, daß man damit aber vielleicht doch schon ein bißchen etwas tun könnte, womit man mindestens den Eindruck erwecken könnte, daß man etwas getan habe. Was man auf diese Weise auch in Zukunft der Landwirtschaft und damit der Volkswirtschaft — das ist für mich immer dasselbe — schuldig bliebe, was man an ihr versäumte, könnte nicht damit wettgemacht werden, daß man eine neue Formel für das Glaubensbekenntnis findet: Wer ist dafür, und wer ist dagegen? Heute heißt es so: Wer für die Landwirtschaft ist, der muß für die Parität sein; wer gegen die Landwirtschaft ist, der ist gegen die Parität. Weil ich nicht gegen die Landwirtschaft bin, habe ich nur gesagt, was noch alles dazukommen muß, wenn die Parität funktionieren soll.
Ich möchte insbesondere auch schon im Stile der Beratungen und in der Form unserer Arbeit an dem Gesetz im Bundestag vermieden wissen, daß irgendwo der Eindruck entsteht, es handle sich um ein zusätzliches Geschenk. Ich möchte niemandem die Möglichkeit geben, zu sagen: Kinder, stimmt nur zu, es wird sowieso nichts passieren! Auch wenn alle bisherigen Erfahrungen dafür sprechen, daß, wenn beide Gesetzentwürfe angenommen wer-
den, nichts geschieht, möchte ich doch diese Rede nicht ermöglichen, möchte keine Gelegenheit für sie offenlassen.
Ich bitte sehr dringend darum, daß an der Beratung auch der Wirtschaftspolitische Ausschuß beteiligt wird. Der Landwirtschaft kann überhaupt nur dann geholfen werden, wenn das erreicht wird, was bisher nicht erreicht worden ist, wenn nämlich die landwirtschaftlichen Anliegen im Zusammenhang mit allen wirtschaftspolitischen Fragen gesehen werden,
wenn man, wie es heute von einem meiner Vorredner gefordert worden ist, der Landwirtschaft den richtigen Platz in der Volkswirtschaft zuerkennt, und zwar mit allem, was dazugehört. Nur dann wird die Landwirtschaft überhaupt zu ihrem Recht kommen. Das mag etwas schwieriger sein als die einfache Anwendung des Paritätsgesetzes, oder besser gesagt, des Paritätsgedankens. Ich glaube aber, daß wir es uns in diesem Hause nicht leichter machen dürfen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn das später noch einmal bei der Überweisung der Anträge an die Ausschüsse in aller Form festgestellt und auf die Verpflichtung hingewiesen würde, die sich daraus auch für die, sagen wir mal, Wirtschaftspolitiker im Gegensatz zu den Agrarpolitikern in diesem Hause ergibt.