Wir kommen zur Begründung des Gesetzentwurfs unter Punkt 5 b. Das Wort hat der Abgeordnete Lücker .
Lücker (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei haben sich entschlossen, dem Hohen Hause einen eigenen Gesetzentwurf Drucksache 448 vorzulegen, der den gleichen Fragenkomplex zum Inhalt hat. Unsere Fraktionen haben das nicht deswegen getan, um zu dem gleichen Fragenkomplex einen zweiten Gesetzentwurf einzubringen, sondern aus sachlichen Gründen und aus Gründen der allgemeinen politischen Verantwortung. Die sachlichen Gründe sind darin zu suchen, daß wir gegen die Vorlage der FDP in der Formulierung der Drucksache 405 Bedenken haben. Nun haben wir aus den Worten unseres Kollegen Mauk doch sicherlich alle den Eindruck gewinnen können, daß die Ausführungen, die von diesem Pult aus gemacht wurden, mit der Formulierung des Antrags zumindest nicht völlig übereinstimmen.
— Wir lassen uns gern überzeugen. Insbesondere bin ich dafür dankbar, daß der Sprecher der FDP-Fraktion darauf hingewiesen hat, daß es auch ihm und seinen politischen Freunden in erster Linie darauf ankomme, zwischen dem Erlös der Landwirtschaft und ihren notwendigen Aufwendungen einen Ausgleich herbeizuführen. Dann ist es aber zum mindesten etwas zweifelhaft, wenn in § 2 des Gesetzentwurfs der FDP festgelegt wird, daß der Index der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in einem angemessenen Verhältnis zum Preisindex der landwirtschaftlichen Betriebsmittel und Löhne stehen soll. Ich will diese Frage hier nicht vertiefen; in den Ausschußberatungen wird sicherlich noch hinreichend Zeit sein, hierüber des näheren zu befinden.
Ein Zweites, das in den Ausführungen des Herrn Kollegen Mauk durchklang und das ich im Namen meiner politischen Freunde und auch im Namen der Fraktion der DP zurückweisen muß, ist die Bemerkung, daß sich die FDP deswegen zur Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfs entschlossen habe, weil man mit den anderen Fraktionen der Koalition nicht zu einer Übereinstimmung habe kommen können, wobei in der Formulierung nach außen hin der Eindruck erweckt wurde, als ob das bedauert würde. Das möchte ich doch auf den wahren Kern des Sachverhalts zurückführen. Sowohl die CDU als auch die CSU wie die DP haben sich im vergangenen Jahre in ihren Parteiprogrammen
ganz eindeutig zu einer gesetzlichen Regelung der Paritätsfrage bekannt.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung keinen Zweifel darüber gelassen — er stimmt darin mit unserer Auffassung durchaus überein —, daß diese Frage im 2. Bundestag nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfe, sondern sehr schnell in Angriff genommen werden müsse. Es muß schon eine Portion Böswilligkeit dazu gehören, die Regierungserklärung falsch zu verstehen. Als der Kanzler davon sprach, daß in den letzten zwei Jahren die Landwirtschaft an der allgemeinen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung nicht mehr im notwendigen und wünschenswerten Ausmaß teilgenommen habe, und als er andeutete, daß erfolgversprechende Verhandlungen zwischen den Wirtschaftsgruppen gepflegt würden, die hoffentlich sehr bald zu einem günstigen Abschluß gelangten, da war nichts anderes gemeint als dieser Fragenkomplex der Parität. Wir haben nach der Regierungserklärung dann in der Fraktion der CDU/CSU sehr bald eine Studienkommission, einen Arbeitsausschuß, wenn Sie so wollen, gebildet, der sich mit der Regelung der Paritätsfrage eingehend befaßt hat. Wir haben das gründlich getan; denn es ging uns darum, hier nicht lediglich von landwirtschaftlicher Seite her zu operieren, sondern die Landwirtschaft als einen integralen Bestandteil der Gesamtwirtschaft zu sehen, sie in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung richtig zu behandeln und ihren rechten Standort festzulegen. Daß unter diesem Gesichtspunkt die Verhandlungen bei uns vielleicht etwas länger, dafür aber gründlicher geführt wurden, darf heute jedoch nicht zu der Behauptung führen, wir hätten uns in dieser Frage etwa jungfräulich verhalten und nichts tun wollen.
Als Ergebnis dieser Beratungen — das darf ich hier feststellen — haben wir unseren eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Ich darf weiterhin bemerken, daß die jüngste Presseerklärung des agrarpolitischen Ausschusses der FDP in dieser Beziehung sicherlich einen falschen Eindruck hervorruft, wenn sie meint, daß auf Grund der Initiative der FDP die CDU/CSU und die DP aus ihrem „Dornröschenschlaf" hätten wachgerüttelt werden müssen, um nun ihrerseits möglichst schnell nachzuziehen. Ich will aber diese Unterschiedlichkeiten nicht allzu sehr strapazieren, sondern glaube nur einleitend diese wenigen Bemerkungen machen zu müssen, um klarzustellen, daß unsere Fraktionen der CDU/ CSU und der DP in den vergangenen Jahren doch wohl in erster Linie die Hauptlast der Verantwortung auch auf dem Gebiete der Agrarpolitik getragen haben. Man braucht nur daran zu erinnern, daß diese Fraktionen sowohl im ersten wie auch im zweiten Kabinett Adenauer den Bundesernährungs- und Landwirtschaftsminister gestellt haben. Wir sind uns dieser Verantwortung durchaus bewußt und aus dieser Verantwortung heraus auch bemüht, künftig unseren entscheidenden Beitrag zur Lösung der agrarpolitischen Fragen zu leisten.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die derzeitige agrarpolitische Situation durchaus nicht so ist, daß sie in ihrer Gesamtheit befriedigen würde. Wir wollen allerdings auch nicht verkennen, welche Fortschritte in den letzten Jahren gemacht wurden. Als Mitglied des 2. Deutschen Bundestages ist es mir ein aufrichtiges Bedürfnis, zu erklären, daß sich der 1. Deutsche Bundestag mit Erfolg bemüht hat, konstruktive Arbeit zu leisten. Ich brauche nur an die Verabschiedung der Marktordnungsgesetze, an die Verabschiedung des Zolltarifgesetzes zu erinnern, — alles agrarpolitische Entscheidungen, auf denen konstruktiv in die Zukunft zu bauen wir heute in der Lage sind.
Wie sieht die heutige Situation aus? Ich stimme mit dem Herrn Kollegen Mauk darin überein, daß die Rentabilitätslage unserer bäuerlichen Betriebe nicht so ist, daß sie mit dem augenblicklichen Status in der Lage wären, in die großen Aufgaben einzusteigen, die ihnen insbesondere durch das agrarpolitische Lübke-Programm des zweiten Kabinetts Adenauer — wie es mit dem Namen unseres Bundesministers Lübke in der Öffentlichkeit immer wieder genannt wird — gestellt werden und deren Durchführung unter allen Umständen gesichert werden muß.
Die Rentabilitätslage dieser Betriebe ist, wie gesagt, nicht befriedigend. Daran wird auch von niemandem gezweifelt. Es kommt darauf an, daß wir angesichts der hoch gestiegenen landwirtschaftlichen Produktion, die heute rund 20 % über dem Stand der Vorkriegszeit steht, daß wir angesichts des relativ hohen Standes auch der Produktivitätsleistung, d. h. der Leistung je Flächeneinheit und je Arbeitskraft in der Landwirtschaft, die ebenfalls in den letzten Jahren ganz entscheidend gesteigert werden konnte, feststellen müssen, daß die Rentabilität der bäuerlichen Betriebe nicht gesichert ist. Das ist unbefriedigend, und aus diesem Zustand muß ein Weg gezeigt werden. Denn wir sind heute in unserer agrarpolitischen Entwicklung auf einem Stand angelangt, der von unserer Landwirtschaft erfordert, den ungeheuer aufgestauten Investitionsnachholbedarf zu befriedigen, aber auch durch große Investitionen sich „fit" zu machen, sich gegenüber den Entwicklungen wettbewerbsfähig zu machen, wie sie mit einem stärkeren und organischen Hineinwachsen unserer deutschen Landwirtschaft in den wirtschaftlichen Bereich in Sonderheit der westlichen Welt verbunden sind.
Hierbei müssen wir die Entwicklung der landwirtschaftlichen Verschuldung in den letzten Jahren zu unserer Ausgangsbasis machen. Die landwirtschaftliche Verschuldung hat in den letzten Jahren pro anno rund zwischen 500 bis 700 Millionen DM zugenommen. Wir stehen heute vor der Tatsache, daß die normale Investitionstätigkeit der letzten Jahre nicht ausreicht. Es geht ja um das große Anliegen — wie es häufig in der Öffentlichkeit genannt wird; ich selber will mich nicht in allen Nuancierungen mit diesem Wort identifizieren —, die sogenannte „agrarische Revolution" auf dem Lande durch unsere Landwirtschaft und unsere Landbevölkerung zu vollziehen, d. h. eine Modernisierung des produktionellen Apparats unserer Landwirtschaft durchzuführen, um ihre Leistungen im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu steigern und insbesondere für das Hineinwachsen in die Wirtschaft der westlichen Welt noch zu erhöhen. Das erfordert praktisch neue Investitionen, das erfordert damit praktisch neue Kreditaufnahmen, und damit ist die Notwendigkeit und die voraussichtliche Zunahme einer weiteren Verschuldung der Landwirtschaft verbunden.
Diese Aufgabe muß nun psychologisch entsprechend abgesichert werden. Ich glaube, in diesem Hohen Hause besteht kein Zweifel darüber, daß diese Aufgaben, vor denen die Landwirtschaft heute steht, nur gelöst werden können, wenn die nach Hunderttausenden, ja nach Millionen zählenden landwirtschaftlichen Betriebe auf einer festen Basis des Vertrauens in diese Entwicklung hinein-
gehen können. Diese feste Basis des Vertrauens muß hergestellt werden, wenn der Erfolg unserer agrarpolitischen Entwicklung gesichert werden soll, die darauf hinausläuft, Produktion und Produktivität zu steigern und unsere Landwirtschaft in den Wettbewerb der europäischen und der Wirtschaft der westlichen Welt einzugliedern.
Dieses Ziel der Agrarpolitik, die Vertrauensgrundlage zu schaffen und den notwendigen Ausgleich zwischen Erlös und Aufwand über eine Preisangleichung nach oben herbeizuführen, ist in den vergangenen Jahren nicht erreicht worden. Wir haben diese Politik versucht — ich muß hier auch die Rhöndorfer Konferenz nennen —, aber sie ist nicht zu einem befriedigenden Erfolg gelangt. Nun geht es darum, daß wir in zweckmäßiger Abstimmung der Bedürfnisse und Notwendigkeiten gesamtwirtschaftlicher Aspekte unter Berücksichtigung des Konjunkturverlaufs den richtigen Weg finden, um diese Aufgabe trotzdem zu lösen.
Der Bundesernährungsminister hat in seinem, in der Öffentlichkeit „Lübke-Programm" genannten Programm den Weg begonnen, der zweifellos geeignet ist, auf eine Unkostensenkung größeren Ausmaßes hinzuwirken. Wenn ich nun zu dem Entwurf der CDU/CSU und der DP spreche, dann möchte ich meinen, daß diese Gesetzesvorlage so zu dem Lübke-Programm paßt, wie die siamesischen Zwillinge zusammengehören. Wenn wir schon an Stelle der Preisangleichung nach oben in erster Linie — ich betone diese Worte — eine Senkung unserer Ausgaben über die Betriebsmittelpreise und über die steuerliche Belastung der Landwirtschaft in den Vordergrund stellen, dann müssen zusätzliche aktive Maßnahmen ergriffen werden, damit die Ausführung dieser Maßnahmen nicht allzu früh im Sand stecken bleibt. Wir müssen zu einer Beeinflussung der Unkostenseite der Landwirtschaft kommen, die nach objektiven Berechnungsmethoden ausreicht, um sowohl in allgemein-gesamtwirtschaftlicher Hinsicht wie auch in spezifisch landwirtschaftlich-betriebswirtschaftlicher Hinsicht zu einem gerechten Ausgleich zu gelangen.
Nun ist eine nicht zu verkennende psychologische Gefahr in unsere Überlegungen mit einzubeziehen. Unsere Landwirtschaft hat die Entwicklung der letzten Jahre mit offenen Augen und Ohren verfolgt und hat zur Kenntnis genommen, daß der notwendige Ausgleich über eine aktive Preisangleichung nach oben offensichtlich nicht erzielt werden kann. Die Verhandlungen mit der Betriebsmittel- und Kunstdünger-Industrie sind bisher nicht zu einem solchen Ergebnis gelangt, daß unsere Bauern daraus bereits das notwendige Vertrauen für die Maßnahmen der nächsten Jahre schöpfen könnten. Diese psychologische Gefahr muß aber überwunden werden. Es ist deshalb notwendig, daß die Absichten unseres Bundesernährungsministers zusätzlich durch die Aktivität, wie sie in unserem Gesetzentwurf durch bestimmte Richtlinien und Grundsätze für die Fortführung der Agrarpolitik postuliert wird, Unterstützung erfahren, damit die großen gesteckten Ziele, wie ich sie eben kurz umrissen habe, auch auf dem Sektor der Agrarwirtschaft erreicht werden.
Die Ziele, die wir mit unserem Gesetzentwurf verfolgen, laufen logischerweise darauf hinaus, daß unsere Agrarwirtschaft in die Lage versetzt wird, im Rahmen einer expansiven Gesamtwirtschaftspolitik, wie sie vom Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard immer und immer wieder in der deut-
schen Öffentlichkeit vertreten wird, Fortschritte zu machen. Ich glaube, es bestehen keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß es notwendig ist, unsere agrarische Produktion nicht nur zu halten, sondern sogar zu steigern, und daß diese Agrarpolitik von der Produktionsseite her selbstverständlich zu einer reichlicheren und preiswürdigeren Versorgung der Gesamtbevölkerung mit Lebensmitteln führen soll. Insofern ist unser agrarpolitisches Programm durchaus expansiv gedacht. Das soll mit diesen Maßnahmen einer aktiven Wirtschafts- und Agrarpolitik gesichert werden. Wenn es volkswirtschaftlich sinnvoll erscheint — darüber besteht wohl auch kein Zweifel —, daß die landwirtschaftliche Produktion erhalten und gesteigert wird, dann ist es falsch, sich mit engen dogmatischen wirtschaftspolitischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Theorien zu befassen. Es kommt dann vielmehr darauf an, daß wir uns experimentell an eine optimale Lösung der Probleme heranbewegen, um die es bei der Aufgabenstellung geht.
Es wird in diesem Zusammenhang notwendig sein, darauf hinzuweisen, daß hier Formen des Ausgleichs, der Abstimmung zwischen dem Binnenmarkt — sprich: speziell Agrarwirtschaft — und unserer Außenwirtschaft gefunden werden. Lassen Sie mich dazu ein kurzes Wort sagen. Wir bemühen uns heute um die Erschließung von Exportmärkten in aller Welt. Das ist zum Teil mit sehr hohen Kosten verbunden. Wir scheuen diese Kosten nicht; wir setzen Kampfmittel ein, um die Exportmärkte zu erschließen. Im Prinzip will ich dagegen — damit ich nicht falsch verstanden werde — gar nichts sagen; wir wissen, wie sehr wir angesichts der ökonomischen Grundlagen unserer deutschen Volkswirtschaft auf einen starken Export angewiesen sind. Wenn wir in unserem Volke 357 Menschen auf 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche zu erhalten haben z. B. gegenüber lediglich 34 Menschen in den USA oder 10 Menschen in Kanada, dann ist erwiesen, daß wir sowohl eine starke landwirtschaftliche Produktion als auch eine starke Produktion der industriell-gewerblichen Wirtschaft und einen starken Export brauchen. Aber ich glaube, daß das Erkämpfen von überseeischen Märkten in einem gesunden volkswirtschaftlichen Zusammenhang mit der Möglichkeit gesehen werden sollte, auch den Binnenmarkt in einem entsprechenden Umfange zu mobilisieren. Hier liegt ein Markt vor der Haustür, der ohne besondere Kosten erschlossen und aktiviert werden kann. Diese Aktivierung des Binnenmarktes führt sicherlich sehr konsequent zu einem sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich, der auch eine gesunde gesamtpolitische Entwicklung garantieren kann. Auf die Notwendigkeit, aus Gründen der nationalen Sicherheit eine starke landwirtschaftliche Produktion bei uns aufrechtzuerhalten, will ich nur am Rande hinweisen.
Es wird im Zusammenhang mit unseren Gesetzentwürfen immer wieder darauf hingewiesen, daß hier der Versuch gemacht werde, die Landwirtschaft aus dem System der sozialen Marktwirtschaft herauszulösen, sie ökonomisch und soziologisch zu isolieren. Diese Auffassungen sind absolut falsch und sind barer Unsinn. Wir denken nicht daran; im Gegenteil, das Ziel unserer Gesetzentwürfe ist es gerade, die Landwirtschaft stärker in das System der sozialen Marktwirtschaft einzugliedern und die landwirtschaftliche Produktion in den Dienst der gesamtwirtschaftlichen Interessen unseres Volkes zu stellen.
Man könnte über diese Dinge jetzt lange volkswirtschaftliche Kollegs oder Seminare halten. Es wird vornehmlich eine Aufgabe der Beratung in den Ausschüssen sein, die wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen und insbesondere die wirtschaftspolitischen Erfahrungen miteinander abzustimmen. In der Zusammenfassung muß ich aber doch auf eines hinweisen. Nach dem chemisch reinen Denkmodell einer Marktwirtschaft können wir auf dem ganzen Erdenrund suchen; das gibt es nicht. Was wir heute etwa in England, in den Vereinigten Staaten, bei uns oder sonstwo sehen, läuft immer darauf hinaus, durch staatliche Interventionen und Eingriffe in den Ablauf der Wirtschaft eine optimale Lösung der wirtschaftlichen Probleme zu erreichen, um die es geht. Es ist interessant, daß wir weite Teilbereiche unserer Gesamtwirtschaft haben — ich nenne hier nur den Verkehr, den Wohnungsbau, das Postwesen, die Grundstoffindustrien usw. —, die auch nicht in der Form in die Marktwirtschaft eingegliedert sind, wie es nach dem Denkmodell notwendig und richtig wäre. Wenn man da bestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen zugunsten der genannten Wirtschaftszweige trifft, muß man sich immerhin überlegen, ob es nicht richtig ist, das gleiche für denjenigen Teilbereich der Wirtschaft zu tun, der nach der Begründung zum Kartellgesetz, für das unser Bundeswirtschaftsminister Erhard verantwortlich zeichnet, für sich in Anspruch nehmen kann, der wichtigste Teilbereich der Wirtschaft zu sein, der die größten „unvollständigen Wettbewerbsmöglichkeiten" hat.
Ich glaube also, daß wir in der theoretischen Diskussion weitgehend an den praktischen Dingen vorbeireden. Wenn man sich schon dazu bekennt, daß es notwendig ist, wirtschaftspolitische Maßnahmen zugunsten der Landwirtschaft zu ergreifen, geht es lediglich noch um die Frage, wie man das tut, also um die Frage der Zweckmäßigkeit.
Es ist eine falsche Behauptung, daß mit diesen Gesetzen der Versuch gemacht würde, den landwirtschaftlichen Erlös, den Gesamtertrag der Landwirtschaft in die Kosten hineinwachsen zu lassen, was automatisch mit Kostensteigerungen verbunden wäre. Die Lösung dieses Problems geht entweder nur über eine Angleichung der Preise oder über eine Senkung der Kosten. Wir haben uns in unserem Entwurf im Prinzip vordergründig zu einer Senkung der klassischen Betriebsmittelkosten und der steuerlichen Belastung entschieden. Das haben wir mit Rücksicht auf die Gesamtwirtschaft getan. Wir wollen nicht irgendwie an der Lohn-Preis-Spirale drehen. Es wäre gut, wenn sich alle Wirtschaftsgruppen und Bevölkerungskreise nach dem gleichen Rezept richteten.
Es gibt heute in der Öffentlichkeit Forderungen, die in eine ganz andere Richtung weisen. Wir wollen aber von der landwirtschaftlichen Seite her bewußt alles tun, um die Stabilität unserer D-Mark nicht zu gefährden. Mit dieser Politik wollen wir auch unseren Beitrag dazu leisten, daß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft auf den Auslandsmärkten nicht von unserer Seite unnötig erschwert oder kompliziert wird.
Über ein Prinzip muß man sich jedoch einig sein. Wenn wir uns schon zu einer solchen, auf das gesamtwirtschaftliche Wohl ausgerichteten Politik entschließen, dürfen wir auch erwarten, daß man gewillt ist, der Landwirtschaft Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; denn es handelt sich nicht um einen Wirtschaftszweig der deutschen Gesamtwirtschaft, auf den man mehr oder weniger verzichten könnte. Unsere landwirtschaftliche Produktion stellt immerhin einen Gesamtwert von über 15 Mil. liarden DM pro anno dar. Die Gesamtproduktion der Grundstoffindustrie im Kohlenbergbau, bei Stahl und Eisen liegt mit über einer Milliarde DM darunter, denn sie überschreitet knapp die 14-Milliarden-Grenze. Sie sehen daraus, um welche Größenordnungen es in unserem gesamtwirtschaftlichen Konzept geht.
Wir glauben, daß das Prinzip der Ertrags-Aufwands-Parität, das wir unserem Gesetzentwurf zugrunde gelegt haben, ein dynamisch wirkendes Prinzip ist, d. h. eines, das den Fortschritt und die Leistungssteigerung nicht gefährdet. Bewußt haben wir uns nicht zu dem Indexprinzip bekannt. Es ist aber in unserem Entwurf vorgesehen — das werden insbesondere unsere Freunde von der FDP gerne hören —, daß wir in unserer Arbeit die Indexvergleiche mitheranziehen. Wenn Sie § 3 unseres Entwurfes betrachten, werden Sie feststellen, daß solche Indexvergleiche selbstverständlich eine Rolle spielen; denn wir sprechen von der Erstellung und Auswertung volkswirtschaftlich-statistischer Unterlagen. Wir bauen aber darauf nicht unseren Gesetzentwurf auf, legen ihm also nicht das Prinzip der Indexparität zugrunde. Wir weisen vielmehr den Indexvergleichen nur eine Hilfsstellung, nur eine Kontrollfunktion zu unserem Prinzip der Ertrags-Aufwands-Parität zu. Wir befinden uns dabei in einer glücklichen Übereinstimmung mit einem einstimmigen Votum des Deutschen Bauernverbandes. Ich darf das hier sagen, weil infolge einiger Zitate meines Vorredners ein Eindruck hervorgerufen wurde, der nicht bestehen bleiben darf. Der Deutsche Bauernverband hat sich nämlich auch für das Prinzip der Ertrags-AufwandsParität ausgesprochen. Ich brauche von dieser Stelle aus kein Wort zu dem Erfolg oder mehr oder weniger großen Mißerfolg ausländischer Paritätssysteme zu sagen. Diese Paritätssysteme sind von uns eingehend studiert worden. Sie haben aber nicht zu dem Gesetzentwurf geistig Pate gestanden, den wir vorlegen. Alle diese Systeme, ob in den USA, in Schweden, in England oder in der Schweiz, können uns in unserer besonderen wirtschaftlichen Situation nicht helfen. Wir sind deswegen unseren eigenen Weg gegangen, einen Weg, der im System der sozialen Marktwirtschaft, der in Unterstützung der Politik der sozialen Marktwirtschaft auch zum Erfolg führen kann.
Wir haben für die Durchführung dieses Systems der Ertrags-Aufwands-Parität bestimmte Grundsätze gesetzt. Sie sind in § 1 unseres Entwurfs niedergelegt. Es handelt sich darum, daß wir bäuerliche Betriebe mit durchschnittlichen Produktionsbedingungen mit den Mitteln der normalen Wirtschaftspolitik gesund erhalten wollen, wie sie bisher auch mit mehr oder weniger Erfolg angewandt worden sind. Wir erwarten in Zukunft eine bessere Koordinierung dieser wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Das zu erzwingen oder zu erleichtern — wie Sie wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren —, ist insbesondere auch das Anliegen dieses Gesetzentwurfs.
Wir haben in unserem Entwurf eine Sachverständigen-Kommission vorgesehen, die die Aufgabe haben soll, die notwendigen Unterlagen zu erarbeiten, und die in Form von Empfehlungen Vorschläge an die Bundesregierung machen soll. Im
einzelnen brauche ich darauf nicht einzugehen. In den Beratungen der Ausschüsse wird es noch genügend Gelegenheit geben, sich hierüber zu unterhalten.
Ich möchte zum Schluß kommen und darf feststellen: Man kann sich nur die Frage vorlegen: Gibt es hierzu eine Alternativpolitik? Sie gibt es wie bei jeder Wirtschaftspolitik so auch in dieser Frage. Der eine Weg wäre der, daß wir unter Ablehnung unseres Entwurfs wieder zu der früheren Gepflogenheit zurückgehen und über eine aktive Anziehung der Agrarpreise nach oben den Weg in die Zukunft suchen. Der zweite Weg wäre der, daß man die Dinge so weitergehen läßt, daß man heute hier und morgen dort ein Loch stopft, indem man an anderer Stelle ein neues aufreißt. Ich glaube. beide Wege sind nicht das Richtige. Wenn wir hier den ernstgemeinten Versuch unternehmen, eine Konzeption, eine Grundlinie zu finden und eine konstruktive Agrarpolitik zu begründen, in deren Rahmen dann in den einzelnen Jahren die Einzelmaßnahmen entwickelt werden können, dann, glaube ich, haben wir in unserem Wirtschaftssystem von der Landwirtschaft den Beitrag geleistet, auf den die Volkswirtschaft mit Recht hoffen kann. Wir wünschen uns von diesem Beitrag auch den Erfolg für unsere landwirtschaftlichen Betriebe. Wir müssen wirklich zu dem Ergebnis kommen, daß die Landwirtschaft sich in praxi auch wirklich als ein fester, ein integraler Bestandteil der ganzen Wirtschaft und der ganzen Gesellschaft fühlen kann.
Das Ergebnis unserer Politik dürfte wohl darin liegen, daß wir für den Landwirt die notwendige Grundlage für das Vertrauen in die Bewältigung der zukünftigen Aufgaben schaffen; es zielt dahin, daß wir für den Verbraucher eine reichlichere und preiswürdige Versorgung mit Lebensmitteln gewährleisten, daß wir für die industrielle gewerbliche Wirtschaft den Binnenmarkt, der durchaus vorhanden ist, erweitern und bereichern. Ich glaube, in diesem Sinne können wir uns alle mutig zur Annahme dieses Gesetzentwurfs bekennen, um damit die Grundlage für eine Politik zu schaffen, die allen Teilen unseres Volkes zugute kommt.