Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde mich sehr freuen, wenn es ein klein wenig ruhiger würde; die jetzt zur Diskussion stehenden beiden Gesetzentwürfe sind für uns alle so eminent wichtig, daß sich damit nicht nur die Angehörigen der sogenannten Grünen Front, sondern alle Mitglieder dieses Hauses befassen sollten.
Die anerkannten großen Leistungen der deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege, die fast zu einer Verdoppelung der Produktion führten, konnten nicht verhindern, daß ihr Anteil am Wirtschaftserfolg gegenüber dem anderer Wirtschaftsgruppen erheblich zurückblieb. Die Tatsache der Disparität begründete mein Fraktionskollege Herr Dr. Preiß schon am 10. Dezember 1953 in diesem Hohen Hause, als die Große Anfrage der Fraktion der Freien Demokraten hier zur Debatte stand. Auch der Bundesernährungsminister Dr. Lübke bestätigte damals im großen und ganzen die Richtigkeit der Ausführungen meines Kollegen Dr. Preiß und trug zusätzlich Zahlenmaterial vor. Auch seine Darlegungen liegen fest und sind jederzeit im Protokoll nachzulesen. In der Zwischenzeit ist ihnen ebenfalls nicht widersprochen worden. Sie werden es mir ersparen, alle Einzelheiten zu wiederholen.
Es ist unbestritten, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: Von den von der Landwirtschaft völlig unbeeinflußten Instituten, z. B. dem Ifo-Institut, aber auch von anderen wissenschaftlichen Forschungsinstituten, ist errechnet worden, daß die Disparität im vergangenen Wirtschaftsjahr etwa 1,5 Milliarden DM ausgemacht, also die deutsche Landwirtschaft 1,5 Milliarden DM weniger eingenommen hat, als sie entsprechend dem gesteigerten Aufwand für die Produktion hätte einnehmen müssen. Es ist auch unbestritten geblieben: Die deutsche Landwirtschaft war bei einem Beschäftigtenanteil von rund 22 % nur etwa mit 12 % am gesamten Volkseinkommen beteiligt.
Ich glaube ganz kurz darauf hinweisen zu müssen, daß sich diese Disparität hauptsächlich erst nach der Währungsreform durch die Zweigleisigkeit unserer Wirtschaftspolitik ergeben hat. Wir haben nach der Währungsreform der gewerblichen Wirtschaft sofort die Möglichkeit gegeben, sich der freien Marktwirtschaft anzupassen, ihre Preise und alles, was damit zusammenhängt, sich frei entwikkeln zu lassen, während für die Landwirtschaft, wenigstens zum 'größten Teil, noch eine sogenannte Zwangswirtschaft beibehalten worden ist. Sie kennen die Folgen: eine enorme Preiserhöhung bei allen Rohstoffen in der gewerblichen Wirtschaft und insbesondere bei der gewerblichen Grundstoffindustrie. Sie wissen von der allgemeinen Teuerungswelle in der gewerblichen Wirtschaft, teils ausgelöst seinerzeit durch die Korea-Krise, bei gleichzeitiger Drosselung der meisten der Agrarpreise. Diese Tatsache führte im Frühjahr 1950 und schon zuvor zu den damaligen Besprechungen und dann zu der berühmt gewordenen Rhöndorfer Besprechung mit dem Herrn Bundeskanzler.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich einige Sätze der damaligen Ausführungen unseres Herrn Bundeskanzlers wörtlich zitieren. Er sagte:
Nun möchte ich einige Sätze sagen, die ich schriftlich niedergelegt und mir überlegt habe, nicht hier, sondern viel eher. Ich darf diese Sätze vorlesen:
Das landwirtschaftliche Preisniveau, das
weitgehend durch innerwirtschaftliche und
handelspolitische Maßnahmen beeinflußt werden kann, muß meiner Überzeugung nach in einer Parität zu den übrigen Preisen der deutschen Wirtschaft gehalten werden, insbesondere auch zu den Löhnen und hier wieder in erster Linie zu ,den landwirtschaftlichen Löhnen.
Das sind, wörtlich zitiert, die Ausführungen unseres Herrn Bundeskanzlers. Damals also wurde das schon erkannt, was wir heute fordern.
In der Zwischenzeit hat sich aber die Preisschere, die Kluft zwischen den Einnahmen und den Ausgaben in der Landwirtschaft noch vergrößert, noch weiter geöffnet. Die Situation hat sich weiter wesentlich verschlechtert. Ich möchte hier nochmals anziehen die Veröffentlichungen des Ifo-Instituts, die Berichte des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften und insbesondere auch die Arbeiten von Herrn Ministerialrat Dr. Padberg, alles Stellen, die nicht etwa einseitig von der Landwirtschaft beeinflußt worden sind, sondern völlig unabhängig ihre Resultate gefunden und ihre Folgerungen gezogen haben.
Ein weiterer Beweis ist der erst dieser Tage veröffentlichte Bericht der Rentenbank. In ihm wird festgestellt, daß die Verschuldung der westdeutschen Landwirtschaft auf 5,57 Milliarden DM angewachsen ist. Dabei erscheint besonders wesentlich die Zuwachsrate des letzten Jahres, die weit über 100 Millionen DM im Schnitt mehr ausmacht als in den Jahren zuvor.
Vor der Wahl am 6. September haben sich alle Parteien daran erinnert, daß die Landwirtschaft bei dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft etwas zu kurz gekommen ist. Man hat der Landwirtschaft damals — vor dem 6. September — deshalb einige Versprechungen gemacht und ihr insbesondere zugesagt, daß das, was bisher versäumt worden ist, nach der Wahl, nach dem Wiederzusammentritt des Bundestags nachgeholt werden soll. Wir haben deshalb sehr hellhörig die Regierungserklärung verfolgt und darauf aufgepaßt — wir und die praktischen Landwirte draußen —, was zur Einlösung dieses Versprechens geschehen wird, was der Bundestag tun und was die Bundesregierung in Angriff nehmen wird.
Als wir sahen, die Sache würde anscheinend doch nicht so schnell gehen, wie wir es erwartet hatten, richtete die Fraktion der Freien Demokraten am 12. November eine Große Anfrage an die Bundesregierung, in der wir wissen wollten, bis wann und mit welchen Mitteln sie die zugesagte Gleichstellung herbeizuführen gedenke. Der Herr Bundesernährungsminister hatte seinerzeit die von amtlichen und wissenschaftlichen Stellen festgestellte Disparität völlig anerkannt. Er gab uns aber leider keine ganz befriedigende Antwort, wie diese Disparität abgestellt werden soll. Er hat uns auf das Strukturwandlungsprogramm, auf das Reformprogramm, das wir im Grundsatz in jeder Beziehung bejahen, im übrigen aber in erster Linie auf den Weg der Kostensenkung verwiesen.
Wir haben geglaubt und gehofft, daß die von ihm durchgeführten Besprechungen wenigstens zu einem Teilerfolg führen würden, obwohl wir keine allzu großen Hoffnungen hegten. Aber selbst diese Teillösungen der Kostensenkungen ließen sich nicht durchführen, ja, leider ist das Schlimmste von allem, was man befürchtete, eingetroffen: Das Ge-
genteil ist der Fall. Wir wissen: Nur mit Mühe konnte vermieden werden, daß da und dort sogar erneut die Preise erhöht worden sind, was gerade wieder die landwirtschaftliche Produktion in erster Linie getroffen hätte.
Nun zu der Frage, ob die Disparität von der Preisseite her oder aber über die Kostensenkung beseitigt werden kann. Dazu muß ich auch im Namen meiner Kollegen sagen, daß der Weg für uns gleichgültig ist. Wir würden es in erster Linie begrüßen, wenn eine Preiserhöhung und damit eine allgemeine Teuerung vermieden werden könnte; denn es geht uns ja hier nicht um Preise, um eine Preiserhöhung, sondern es geht uns einzig und allein darum, daß auch in diesem wichtigen Betriebszweig unserer deutschen Wirtschaft die Kostendeckung gefunden wird. Es ist auf die Dauer einfach undenkbar, daß ein Teil unserer Wirtschaft produzieren soll und muß und die Einnahmen aus dem Ertrag nicht die Ausgaben, die bei der Produktion entstehen, decken sollen. Einzig und allein entscheidend ist vielmehr für uns die Relation zwischen Erlös und Produktionskosten.
Dieser Gedanke ist nicht neu. Schon im März 1953 hat der Deutsche Bauernverband einen entsprechenden Vorschlag veröffentlicht. Ich darf ihn mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier wörtlich zitieren:
Erstens. Die Regierung wird durch Gesetz verpflichtet, die ihr verfügbaren marktkonformen Mittel der Preis-, Handels-, Steuer- und Kreditpolitik künftig so einzusetzen, daß der Grundsatz der Kostendeckung, der Kapitalverzinsung und eines für familieneigene und familienfremde Arbeitskräfte gleichen Lohnes, der dem Lohn der vergleichbaren Gruppen der übrigen Wirtschaft entspricht, auch im Bereich der Landwirtschaft Verwirklichung findet.
Zweitens. Unbeschadet der grundsätzlichen Forderung, daß als Maßstab dieser staatlichen Agrarpolitik durch eine neutrale Stelle die hierfür erforderlichen Betriebsübersichten hergestellt werden, fordert die Landwirtschaft, daß bis zum Vorliegen dieser Betriebsübersichten der Preisindex der landwirtschaftlichen Erzeugnisse mindestens auf den Stand eines Indexes gebracht wird, der sich zu 50% aus dem Index der Preise der landwirtschaftlichen Betriebsmittel und zu 50 % aus dem Index der landwirtschaftlichen Löhne zusammensetzt.
Mit dieser Forderung bekannte sich der Deutsche Bauernverband zu der nunmehr geradezu klassisch gewordenen These des Herrn Bundeskanzlers in Rhöndorf und zu einer Entschließung, die der Deutsche Reichstag übrigens schon im Jahre 1931 gefaßt hatte.
Es lag deshalb nahe, daß meine Bundestagsfraktion, die sich in ihrem Agrarprogramm schon seit 1950 zu denselben Grundsätzen bekannte, dieser Forderung einen realpolitischen Niederschlag in einem entsprechenden Gesetzentwurf gab. Nachdem die Große Anfrage in der Sitzung vom 10. Dezember nicht zu einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung geführt hatte und die wechselweisen Gespräche mit anderen Parteien dieses Hauses keine Hoffnung zugelassen hatten, daß die Situation der Landwirtschaft noch im Laufe des Wirtschaftsjahres 1953/54 mit einem Initiativgesetz auf Koalitions- oder sonstiger Grundlage geändert werden könnte, sahen wir uns genötigt, das von der
Landwirtschaft in uns gesetzte Vertrauen durch den — entsprechend der Ankündigung — fristgemäß am 1. April 1954 eingereichten Gesetzentwurf zu rechtfertigen.
Für diesen Gesetzesvorschlag gelten zunächst einige grundsätzliche Voraussetzungen. In der Marktwirtschaft vermag auf die Dauer nur marktgerechtes Verhalten den Ertrag zu sichern. Dazu sind die rasche Anpassung der Erzeugung an den wechselnden Bedarf auf Grund ständiger Beobachtung des Marktverlaufes und der Marktpreise sowie die Ausnützung des technischen Fortschrittes zum Zwecke der Kostensenkung und der Rationalisierung notwendig. Beide Wege stehen der Landwirtschaft infolge ihrer Bindung an Natur und Boden nicht in demselben Maße wie der Industrie zur Verfügung.
Der Preis übt in Anbetracht der Produktionsdauer und ihrer Bindung an den jahreszeitlichen Produktionsablauf nur sehr beschränkt eine ähnliche Steuerungsfunktion wie in der gewerblichen Wirtschaft aus. Bei der Geburt eines Kalbes z. B. kann nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden, ob es wirtschaftlicher ist, es sofort dem Schlachtviehmarkt zuzuführen, oder ob es richtiger ist, es mehrere Jahre lang zu einem Rind großzuziehen. Bei der Pflanzung eines Obstbaumes, den in der Regel der Vater pflanzt, wenn der Sohn davon ernten will, kann nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden, wie das Marktgeschehen dann aussehen wird, wenn der Baum Früchte trägt. Es ist heute auch nicht möglich, die etwas zu reichlich vorhandenen Zwetschgenbäume z. B. mit Bananen und Apfelsinen umzupfropfen. Auch die Vielgestaltigkeit der Landwirtschaft, welche uns zwingt, zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit immer wieder mit Kulturen unseren Boden zu bebauen, die nicht unbedingt gerade jetzt marktkonform sind, gibt hier Grenzen auf.
Während Maschinen und sonstige technische Errungenschaften, insbesondere aber neuzeitliche Maschinen, in der Industrie in ganz anderer Weise eingesetzt werden können — man rechnet hier im Jahresdurchschnitt bei arbeits- und zeitsparenden Maschinen ungefähr mit 500 Schichten —, ist dies bei der Vielseitigkeit der landwirtschaftlichen Kulturen bei uns ganz anders. Wir rechnen bei sehr viel Maschinen — die wir allerdings benötigen, um in der Erntezeit möglichst Zeit und Arbeitskräfte zu sparen — nur mit 5 bis 10 Schichten, lediglich bei einzelnen Maschinen mit bis zu 50 Schichten.
Vergleiche mit der gewerblichen Wirtschaft, wie sie da und dort immer wieder angestellt werden, sind deshalb nicht möglich. Es ist einfach nicht möglich, die gleichen Grundsätze wie in der gewerblichen Wirtschaft anzuwenden. Wenn ein Vergleich möglich ist, dann vielleicht noch teilweise mit der Urproduktion, mit der Grundstoffindustrie. Es ist bekannt, daß auch dort die Maßstäbe der gewerblichen Wirtschaft nicht voll angelegt werden können und daß auch dort bestimmte Gesetze gelten.
Diese Tatsache wurde von den meisten Industriestaaten längst erkannt. Ich möchte hier nur kurz die Gesetze anführen, die in einzelnen Staaten zum Teil schon erlassen worden sind, in Amerika, in England, in Schweden, in der Schweiz usw. Wie Sie wissen, ist dort längst erkannt worden, daß die Landwirtschaft eine Eigengesetzlichheit hat und ihr deshalb irgendwie geholfen werden muß, damit sie leistungsfähig bleibt. Am deutlichsten zeigt
uns England, was es bedeutet, die landwirtschaftliche Produktion zu vernichten oder wenigstens teilweise zu vernichten. England mußte es sehr teuer bezahlen, zweimal in seiner Geschichte seine landwirtschaftliche Produktionsfähigkeit einem allzu freien Außenhandel geopfert zu haben. Ich kann hier nicht näher darauf eingehen. Sie wissen aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß erst heute, 9 Jahre nach dem Kriege, in England die Bewirtschaftung wesentlicher Lebensmittel aufgehoben werden konnte.
Man darf bei der Betrachtung der heutigen Disparität auch nicht vergessen, daß zur Zeit noch etwas über ein Drittel der landwirtschaftlichen Produktionspreise absolut gesetzlich festgelegt sind, und zwar auf Grund von politischen Erwägungen, und daß weitere annähernd 50%, mindestens jedoch 45%, durch andere, teils handelspolitische, teils sonstwie dirigistische und preispolitische Maßnahmen beeinflußt werden. Mindestens 75% unserer landwirtschaftlichen Produkte können sich heute nicht frei im Preis entwickeln, wie es eigentlich in einer freien Marktwirtschaft notwendig wäre. Das geschieht aus zwei Gründen, über die wie heute nicht allzusehr diskutieren wollen: einmal, weil man dem Erzeuger — das wird jetzt zugegeben — die allzugroßen Schwankungen am Weltmarkt nicht zumuten kann, zum andern aber, weil man sie dem Verbraucher ebensowenig auflasten kann. Wenn wir aber solche Wege gehen, dürfen wir nicht einseitig von politischen Erwägungen ausgehen, sondern müssen gesamtwirtschaftliche Grundsätze bei der Gestaltung der Preise anwenden. Dabei darf man nicht nur eine Seite, sondern muß die gesamte Wirtschaft sehen.
Es muß hier einmal ganz besonders — ich bedaure, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister im Moment nicht im Saale ist — betont werden, daß, hätte man damals die Preise, als sie am Weltmarkt hoch waren, nicht niedergehalten, sondern entsprechend dem Markt sich entwickeln lassen, die Landwirtschaft dann die notwendigen Geldpolster bekommen hätte, die ihr heute einfach fehlen, die sie aber jetzt zur Rationalisierung benötigt. Damals hat man die Preise im Interesse unserer Verbraucher künstlich niedergehalten. Wir hatten volles Verständnis dafür. Die anderen müssen dann aber auch Verständnis haben, wenn wir heute Preise wollen, die unsere Unkosten decken. Bisher fehlte einfach das richtige Barometer, der Pegel, die gesamte Wirtschaft auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft abzustellen. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen: es ist unmöglich, die landwirtschaftlichen Erlöse im Preise zu lenken, dabei aber nicht an die Komponenten zu denken, also an das, was wir zur Erzeugung unserer Produkte aufwenden und ausgeben müssen.
Zur Einzelbegründung des Gesetzentwurfs möchte ich nur noch einige grundsätzliche Dinge kurz anführen, weil einigen Behauptungen, die bereits aufgetaucht sind, widersprochen werden muß. Es geht uns nicht darum, den sogenannten Grenzkostenoder fußkranken Betrieben, die nicht leistungsfähig sind, zur Gesundung zu verhelfen, sondern es geht uns darum, die bei „ordnungsmäßiger Bewirtschaftung" notwendige Produktivität zu erreichen. Ich bitte, den Gesetzentwurf zur Hand zu nehmen. Sie werden alles, was Gegenteiliges geschrieben worden ist, darin widerlegt finden.
Es geht uns auch nicht um ein starres Preissystem und ebensowenig um einen Automatismus.
Es gibt so viele Möglichkeiten, diese Preisdisparität zu beseitigen. Wir haben sie in unserem Gesetzentwurf angeführt. Zum Beispiel können wir Maßnahmen der Handels-, der Steuer- und der Wirtschaftspolitik anwenden. Preiserhöhungen brauchen wir nicht unbedingt durchzuführen. Aber ein Ziel muß erreicht werden: Der Ertrag soll wenigstens den Aufwand decken. Daß hierbei der Ertrag und der Kostenaufwand zugrunde gelegt werden müssen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit.
Weil wir wissen, daß, wenn man sogenannte Testbetriebe schafft, frühestens in ein oder zwei oder gar erst in drei Jahren ein Ergebnis zu erzielen und Grundlagen zur Berichtigung gegeben wären, sind wir im Gegensatz zu dem Entwurf der CDU/CSU und DP der Meinung, daß man auf das Ergebnis dieser Testuntersuchungen nicht warten kann. Inzwischen würde unsere Landwirtschaft untergehen. Deshalb muß ein Barometer vorhanden sein, das jederzeit und sofort ablesbar ist. Das kann unseres Erachtens nur der Indexvergleich sein, wie er in unserem Gesetzentwurf vorgesehen ist. Dieses Barometer erscheint uns notwendig.
Nur mit dem Indexvergleich kann unseres Erachtens eine Disparität rechtzeitig erkannt werden. Die Disparität kann aber nur beseitigt werden, noch während sie besteht, nicht nachträglich. Wie wollen Sie eine nachträglich festgestellte Disparität beseitigen? Etwa mit Subventionen? Ich glaube, daß es kaum möglich sein wird, die dann notwendigen Beträge aus dem Staatshaushalt herauszuholen. Die Disparität kann aber beseitigt werden, wenn man sofort die Sache an den Wurzeln anfaßt. Auch wird bei einem Testvergleich, bei dem evtl. die Disparität im großen und ganzen, im Durchschnitt festgestellt werden soll, noch lange nicht abzulesen sein, daß für einzelne Erzeugnisse durchaus noch weitere Disparitätsherde vorhanden sind, die nur nach einem Indexvergleich beseitigt werden können.
Da das Licht aufleuchtet, muß ich mich leider kürzer fassen, als ich vorgesehen hatte. Ich bitte aber den Herrn Präsidenten, mir noch einige Minuten Redezeit zu geben. Ich glaube, dieses Gesetz ist so wichtig, daß ich meine Schlußbemerkungen vollends anbringen muß.
Ich darf ausdrücklich sagen: Mit diesem Entwurf ist noch lange nicht gesagt, welche Methoden zur Beseitigung der Disparität angewandt werden müssen. Es ist auch nicht die Rede davon, daß die Parität unbedingt durch eine Preiserhöhung herbeigeführt werden muß. Da und dort wird es notwendig sein, Preisberichtigungen durchzuführen. Ich sehe auch nicht ein, warum sie nicht durchgeführt werden sollen, wenn sie unbedingt notwendig sind, und warum durch eventuelle kleine Berichtigungen gleich die Lohn- und Preisschraube in Bewegung gesetzt werden soll. Wir haben doch durchaus auch in der anderen Wirtschaft immer und immer wieder solche Preiserhöhungen erlebt, und es ist weder eine Inflation eingetreten noch ein allgemeiner wirtschaftlicher Zusammenbruch erfolgt. Ich erinnere an die Postgebühren, an die Kohlenpreise und andere Dinge. Sie alle, meine Damen und Herren, wissen, was alles in den letzten Jahren geschehen ist. Nur wenn es um landwirtschaftliche Preisangleichungen geht, dann schreit man immer gleich Zeter und Mordio.
Es gibt aber, glaube ich, durchaus andere Wege, solche Preisangleichungen durchzuführen. Wir könnten Preisangleichungen für den Erzeuger z. B. bei der Milch erzielen, ohne daß der Verbraucher
damit belastet würde, wenn wir uns einmal Gedanken darüber machen würden, ob man nicht die Umsatzsteuer bei der Milch und den Milchprodukten wegfallen lassen sollte, oder wenn wir beim Zucker die für ein so wichtiges Nahrungsmittel viel zu hohe Steuer etwas senken würden. Auch solche Erwägungen können durchaus zum Ziel führen. Man müßte sich überhaupt einmal Gedanken darüber machen, ob es moralisch ist, eine Umsatzsteuer auf Grund-Lebensmittel zu erheben.
Es gibt aber auch andere Maßnahmen, und zwar handelspolitischer Art, die den Verbraucher nicht beschweren würden. Ich habe heute früh vor Beginn der Plenarsitzung einen Telefonanruf bekommen, in dem mir mitgeteilt wurde, daß vom 22. Juni 1954, also vorgestern, auf dem Zollbahnhof in München noch 150 Waggons italienische Frühkartoffeln stehen, die inzwischen krank geworden sind und um jeden Preis verschleudert werden, obwohl der letzte Verzollungstag für Frühkartoffeln schon 12 Tage vorher, am 10. Juni, gewesen ist.
Die Folge war, daß am selben Tage, am 22. Juni, also vorgestern, auf den deutschen Verladestationen für deutsche Frühkartoffeln in Nordrhein-Westfalen, in der Pfalz und in Baden-Württemberg insgesamt etwas über 400 Waggons Kartoffeln stehengeblieben sind, die unverkäuflich waren. Warum stehen diese 400 Waggons seit vorgestern? Das ist eine Tatsache, die nicht bestritten werden kann. Der Preis für Frühkartoffeln ist in Süddeutschland auf 8,50 DM und in Nordrhein-Westfalen auf 7,50 DM je Ztr. gesunken, liegt also heute niedriger als im vorigen Jahr der Preis für die Einkellerungskartoffeln. Ich glaube, hier hätte man schon etwas tun können. Ich möchte den Herrn Ernährungsminister fragen, ob es wahr ist, daß nach dem 10. Juni noch über 400 Waggons Kartoffeln, obwohl es eigentlich verboten gewesen wäre, verzollt worden sind und daß heute noch — außer den auf der Bahn stehenden Waggons in München — sehr viele Frühkartoffeln in den Lagerhäusern des Großhandels liegen.
Ich glaube, ich habe angedeutet, daß es sehr viele Möglichkeiten gibt, die Disparität zu beseitigen. Ich glaube, auch die deutsche Öffentlichkeit, wenn ihr diese Dinge richtig dargelegt werden, hat Verständnis dafür, daß — auf die Dauer gesehen — ein Wirtschaftszweig nicht einfach als zweitrangig behandelt werden kann. Ich traue dem deutschen Volk und jedem einzelnen Deutschen soviel Gerechtigkeitssinn zu. Es geht hier nicht um „höhere Schweinepreise", wie damals, als wir unsern Gesetzentwurf eingebracht haben, in einer der größten deutschen Tageszeitungen unter der Überschrift „FDP fordert höhere Schweinepreise" geschrieben worden ist. Es geht einzig und allein darum, einen wichtigen Wirtschaftszweig und einen unserer besten Bevölkerungsteile nicht vor die Hunde gehen zu lassen, sondern am Leben zu erhalten, nicht zu seinem Wohl allein, sondern zum Wohle des gesamten Volkes.
Zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, noch einen Satz aus einer kürzlich gehaltenen Rede eines der hervorragendsten Vorkämpfer des Paritätsgedankens für die Landwirtschaft, des Freiherrn v o n L ü n i n c k, zu zitieren.
— Da bitte ich ganz besonders diejenigen, die jetzt gelacht haben, zuzuhören. Er sagt:
Gerecht und sozial ist eine Wirtschaftsordnung dann, aber auch nur dann, wenn jedes Glied der Wirtschaftsgemeinschaft einen Anteil am gemeinsamen Arbeitserfolg erringen kann, der seiner Arbeitsleistung und seiner Tüchtigkeit entspricht.