Rede von
Dr.
Heinrich
Lübke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es wäre mir sehr viel lieber gewesen, wenn ich im Lauf der Debatte in die Diskussion hätte eingreifen können. Leider aber muß ich um 14 Uhr 45 von hier weggehen, um an einer sehr wichtigen Aussprache teilzunehmen, die nicht verschiebbar ist.
Bevor ich mich grundsätzlich zu dem Problem äußere, möchte ich gerne auf die Rede des Herrn Kollegen Mauk eingehen. Er meinte, daß der das Paritätsgesetz betreffende Antrag der FDP notwendig gewesen sei, weil sich keine Ansätze zu einer Verbesserung der Situation gezeigt hätten und insbesondere wohl auch entscheidende Maßnahmen von seiten der Regierung nicht getroffen worden seien. Zunächst einmal ist dazu zu sagen, daß Maßnahmen, die z. B. auf der Preisseite sofort wirksame Erfolge haben, außerordentlich schwierig und nur mit äußerster Vorsicht durchführbar
sind. Auf dem Gebiet der Unkostensenkung habe ich ja versucht, einiges zu exerzieren. Die Ergebnisse sind außerordentlich sparsam, sind aber immerhin vorhanden, wenn auch noch nicht in dem Umfang, der in irgendeiner Weise befriedigen könnte. Ich komme auf diesen Punkt nachher bei meinen grundsätzlichen Auseinandersetzungen mit der Frage noch einmal zurück.
Der Preisindex für landwirtschaftliche Produktionsmittel und der für landwirtschaftliche Erzeugnisse standen im Jahre 1952/53 bei 211 und 197, wiesen also eine Differenz von 14 Punkten auf. Die Situation ist heute so, daß die Zahlen auf 207 und 201 zusammengedrückt worden sind. Während also die Differenz bisher 14 Punkte betrug, beträgt sie jetzt 6. Damit ist gleichzeitig gegenüber dem allerdings sehr schwierigen Jahr 1952/53 mit geringer Ernte eine Steigerung der Erträge verbunden, die sehr viel größere Produktionsmengen gebracht hat. Auf der andern Seite ist als Negativum — nicht deswegen, weil es nicht notwendig gewesen wäre — auf der Ausgabenseite der Landwirtschaft festzustelien, daß vor kurzem eine Reihe von Lohnerhöhungen stattgefunden haben, die einen erheblichen Teil dieser Verbesserungen wieder annulliert haben, so daß praktisch wahrscheinlich — für das gesamte letzte Jahr gerechnet — ein Fortschritt in der Erhöhung der Rentabilität kaum zu verzeichnen sein wird.
Mit Bezug auf Frühkartoffeln wurde gefragt, ob es richtig sei, daß noch 400 Waggons mit Frühkartoffeln am Bahnhof München ständen, die noch verzollt werden müßten, obwohl der 10. Juni der letzte Verzollungstag gewesen sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der letzte Verzollungstag war der 10. Juni, und nachher ist nichts mehr verzollt worden. Aber diese 400 Waggons stehen noch in München. Es ist ja leider bei dem heutigen Verfahren noch nicht zu verhindern, daß in der Zeit etwa vom 1. bis 10. ein Quantum über den Bedarf hinaus hereinkommt. Das haben wir immer erwartet. Dafür sind aber auch in den zehn Tagen vor dem Beginn der Frühkartoffelrodung in Deutschland keinerlei Ladungen mehr nach Deutschland hereingekommen. Diese Waggons sind also nicht etwa in der Zeit seit dem 10. Juni erschienen — dieser Termin bedeutet eine klare Sperre —, sondern vor dem 10. Diese Frühkartoffeln haben sich in der Zeit vom 10. bis 20. nicht verkaufen lassen. Im nächsten Jahre wird dafür Sorge getragen werden müssen, daß eine derart unmögliche Anhäufung auch im Süden unseres Landes vermieden wird.
Im übrigen darf ich mir erlauben, Ihnen kurz einmal die kurzfristig wirksamen Maßnahmen, die seit dem 20. Oktober getroffen worden sind, zur Kenntnisnahme vorzulesen:
1. Stopp der weiteren Liberalisierung für agrarische Erzeugnisse;
2. Gleitzoll für Malz;
3. Förderung der Ausfuhr von landwirtschaftlichen und ernährungswirtschaftlichen Produkten ;
4. Trinkmilchpreiserhöhung;
5. Maßnahmen zur Stützung der Magermilchpreise, u. a. durch Bereitstellung von Mitteln durch den Bund in Höhe von 5 Millionen DM;
6. bei der Behandlung der Steuerreform erfolgreiche Abwehr gewisser Vorschläge, die die nicht buchführenden Landwirte erheblich benachteiligt hätten;
7. Kreditbeschaffung in Höhe von 400 Millionen DM zu ermäßigten Zinssätzen für Besitzbefestigung und Strukturverbesserung, Selbsthilfemaßnahmen, Absatzverbesserung usw.;
8. zur Verstärkung des Kampfes gegen die Rindertuberkulose 10 Millionen DM aus dem Bundesetat.
Dann noch einige Maßnahmen, die ich hier nicht erwähnen werde.
Das Ergebnis der Verhandlungen über Landarbeiterlöhne im Bundesgebiet habe ich ebenfalls vorliegen. In Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern und Westfalen-Lippe sind die Löhne erhöht worden. Ich will damit nichts dagegen sagen, daß diese Erhöhung notwendig gewesen ist. Genau so wie wir in allen übrigen Fragen sowohl in der Preisgestaltung als auch durch Unkostensenkung zur Rentabilität kommen müssen, muß auch in der Lohnzahlung dahin gestrebt werden, daß wir in der Landwirtschaft Löhne zahlen, die den vergleichbaren Gruppen im gewerblichen Sektor angepaßt sind. Hier hat die Landwirtschaft einen entsprechenden weiteren Schritt getan.
Über die sachliche Debatte der sehr schwierigen und weitschichtigen Probleme habe ich mich gefreut. Ich habe am 10. Dezember vorigen Jahres über diese Probleme alles gesagt, was notwendig war. Ich habe die verschiedenen Paritätssysteme erörtert, die Definitionen gegeben und erklärt, daß meiner Meinung nach nur eine Aufwand-ErtragParität möglich sei, weil sie praktisch das einzige Paritätssystem ist, mit dem weder eine Einkommensparität noch eine Indexparität noch ein Automatismus, der die Lohn-Preis-Spirale in Bewegung setzen würde, verbunden ist. Der vorliegende Entwurf der CDU/CSU und DP jedenfalls vermeidet diese Ecken.
Nun ist durchaus nicht gesagt, daß eine Ertragsparität nur durch Unkostensenkung möglich sei. Wenn es nicht möglich wäre, die Unkosten zu senken, würde man bei einer entsprechenden Grundlage auch dazu übergehen müssen, die Preise zu erhöhen. Man kann nicht von der Landwirtschaft erwarten, daß sie dauernd etwa unter den eigenen Selbstkosten produziert. Das tut niemand und hält auch niemand aus.
Wenn heute auf dem Gebiet der Grundstoffindustrie, auf dem wir ähnliche Verhältnisse haben, auch die Vertreter der sozialen und sogar die der freien Marktwirtschaft durchaus kräftig die Forderung erheben, die heutigen Grundstoffpreise nach den Kosten zu orientieren, dann kann man das auch im landwirtschaftlichen Sektor tun.
Wenn Sie sich aber ein Bild machen wollen, wie man z. B. auch jetzt, nachdem man sich bemüht hat, die Landmaschinenpreise und die Handelsdüngerpreise zu senken, in erheblichem Maße helfen kann, dann wäre z. B. folgender Vorschlag zu machen. Es ist sowieso notwendig, weitere erhebliche Investitionen in unserer Grundstoffindustrie vorzunehmen, um sie in den Stand zu setzen, billiger zu produzieren und damit die Preise für Kohle und Stahl herabzusetzen. Dann könnten wir billigere Landmaschinen und Geräte bekommen und könnten, von uns aus gesehen, vor allen Dingen den Stickstoff verbilligen, der in seiner Preisgestaltung wesentlich von Kohle und Stromabhängig ist. Des weiteren brauche ich nur darauf hinzuweisen, daß wir jährlich erhebliche Beträge aufwenden, damit der Finanzminister die Aufschläge für den Dieselkraftstoff hereinbekommt.
Um die Landwirtschaft gerade in der heutigen Zeit ertragsfähig und leistungsstark zu machen, damit sie in größeren, übernationalen Wirtschaftsräumen wettbewerbsfähig ist, wäre es weiter notwendig, eine Abschreibungsmöglichkeit für Neuanschaffungen, für Rationalisierungs- und Mechanisierungsmaßnahmen zu schaffen, und zwar in einer 'degressiven Form, wie sie die Landwirtschaft brauchen kann. Zur Zeit ist es so, wenn man die Klagen aus der Landwirtschaft richtig versteht und ihnen im einzelnen nachgeht, daß diejenigen, die Bücher führen, oder die „Schätzungslandwirte", also die Landwirte, die zur Buchführung verpflichtet sind, aber keine Bücher führen, eine ganz wesentliche Entlastung bei der Rationalisierung und Mechanisierung ihrer Betriebe finden würden, wenn man eine vernünftige 'degressive Abschreibung durchsetzen könnte. Das sind auf der Unkostenseite ganz beachtliche Positionen. Wenn wir dann noch die Möglichkeit hätten, in einem entsprechenden Ausmaß für einen Mehrverbrauch im Konsumentensektor zu sorgen — und das kann man in erster Linie durch stabile Preise —, dann würden die Bauern gleichzeitig im Rahmen der Mengenkonjunktur erhöhte Einnahmen haben, ohne den Verbraucher zu belasten.
Ich darf dazu sagen, daß die Stabilisierung z. B. der Butterpreise durch eine gleichmäßige Belieferung des Marktes zu einer ganz beachtlichen Ausweitung des Butterkonsums in Deutschland geführt hat, und zwar ohne die Preise zu erhöhen. Wir hatten im vorigen Jahre einen Butterpreis frei Molkerei von 5,20 DM pro Kilogramm, d. h. im Frühjahr, also bei sinkendem Preise, und im Herbst von 5,70 DM pro Kilogramm. In diesem Jahr wird sich diese Spanne wahrscheinlich etwa von 5,40 bis 5,70 DM bewegen. Während im vorigen Jahr die Butterverbrauchssteigerung etwa 22 000 t gegenüber dem Vorjahr betrug, werden wir in diesem Jahr wahrscheinlich auf über 30 000 t kommen.
Sie sehen daraus, daß es viele Wege gibt, die nach Rom führen. Das Haus wird sich nach dieser Vorlage der Paritätsgesetzentwürfe darüber schlüssig werden müssen, an welchem Punkte es ansetzen will. Ich möchte nur ganz klar zum Ausdruck bringen: wenn es nicht die Unkostenseite sein kann, dann muß es die Preisseite sein. Da beißt keine Maus den Faden ab; das muß hier ganz klar erkannt werden.
Auf der andern Seite muß ich ebenso klar aussprechen, daß es unmöglich ist, diejenigen neuralgischen Punkte innerhalb der Landwirtschaft, die zu den ständigen Krisenerscheinungen führen, wie etwa die ausgesprochenen Grünlandgebiete an der Nordsee oder im württembergischen und bayerischen Allgäu, oder bei den Kleinbetrieben, die auf völlig zersplittertem Grund und Boden wirtschaften müssen, oder bei unseren Kleinstbetrieben oder im Gemüse- und Obstbau, der unter der Handelspolitik ganz besonders schwer zu leiden hat, anders zu beseitigen als außerhalb dieser Paritätsbemühungen. Sie wissen, daß wir damit begonnen haben. Wenn also das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Wirtschaftsministerium besonders darauf hingewiesen hat, daß es notwendig sein würde, ganz erhebliche Zuschüsse und Kreditverbilligungen für die Landwirtschaft aufzubringen, um ihr die Möglichkeit zu geben, gegenüber der ausländischen Konkurrenz leistungsstark und
wettbewerbsfähig "zu sein, dann müssen wir uns darüber klar sein, daß das kein Ausweg ist, sondern eine Sache, deren Notwendigkeit sich von selbst ergibt.
Ich möchte glauben, daß mit diesen Erklärungen zu den vorliegenden Paritätsgesetzentwürfen, die nun im Ausschuß beraten werden müssen, von seiten des Ministeriums genug geschehen ist. Wir haben vom Ministerium aus seit Übernahme des Amtes durch mich nicht ohne Erfolg gearbeitet; das kann nicht 'bestritten werden. Aber es ist für mich eine Erleichterung, wenn stichhaltige Unterlagen geschaffen werden können, von denen jeder einzelne Kenntnis nehmen kann, die jeder einzelne kritisieren kann und auf die mir z. B. auch bei den Verhandlungen mit dem Herrn Finanzminister oder dem Herrn Wirtschaftsminister keine Einwendungen gebracht werden können. Das erleichtert die Arbeit auch hier im Bundestag. Wenn wir also in Zukunft beim Aufbau und bei der Durchsetzung neuer landwirtschaftlicher Programme miteinander reden, dann werden wir es einfacher haben, da wir wissen, daß die Berechnungsgrundlagen in Ordnung sind.