Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP kann auch ich erklären, daß wir der Grundlinie dieses
Gesetzentwurfes zustimmen und daß wir durchaus das unterschreiben, was der Herr Bundesjustizminister zur Begründung angeführt hat.
Mein Herr Vorredner hat sehr beachtliche Gesichtspunkte in der Richtung angeführt, daß dieses Gesetz dazu dienen solle, Richterpersönlichkeiten heranzuziehen, also nebenbei eine Art Richtererziehungsgesetz zu sein. Ich möchte dem nicht widersprechen. Aber ich möchte nun die Sache gerade von der anderen Seite, von der Seite des Rechtsuchenden betrachten. Dogmatisch wäre es natürlich sehr klar, wenn man diese beiden Vermutungen hier hereinbringen würde: in der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Vermutung für die Zuständigkeit des Rechtspflegers, in streitigen Dingen die Vermutung für die Zuständigkeit des Richters. Für die Rechtsanwendung scheint mir aber die Abgrenzung, die hier im Entwurf getroffen worden ist, praktikabler zu sein, wenn sie auch äußerlich in den drei verschiedenen Kategorien etwas kompliziert aussieht.
Ich möchte einige Bedenken zu einzelnen Punkten anmelden, in denen mir die Übertragung von Geschäften an den Rechtspfleger zu weit zu gehen scheint. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, nur zwei Beispiele. Selbstverständlich ist es klar, daß das Mahnverfahren, die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen usw. dem Rechtspfleger übertragen werden sollen. Dagegen habe ich z. B. Bedenken, Entscheidungen im Falle des § 125 ZPO, also betreffend die Nachzahlungspflicht nach gewährtem Armenrecht, oder im Falle des § 118 a ZPO dem Rechtspfleger zu überlassen. Hier soll nach dem Entwurf der Rechtspfleger sogar befugt sein, Vergleiche zu protokollieren. Da versagt dann die Bremse, die sonst eingebaut ist, die Erinnerung; denn der Vergleich ist ja, wenn er abgeschlossen ist, unwiderruflich und nur noch unter dem Gesichtspunkt der Drohung und des Irrtums anfechtbar. Ich würde auch keine Bedenken tragen, etwa die Durchführung des Konkursverfahrens dem Rechtspfleger zu überlassen. Dagegen erscheint es mir wieder fraglich, ob man das beim Vergleichsverfahren machen kann, bei dem doch die Befugnisse des Richters sehr weitgehend sind. Im ganzen gesehen, dürfte aber der Katalog des Entwurfs immerhin eine sehr brauchbare Grundlage für die Aufteilung der Befugnisse sein.
Bedenken dagegen erwecken die Ausweitungstendenzen des Bundesrats. Der Bundesrat will sogar sämtliche Verschollenheitsangelegenheiten dem Rechtspfleger überlassen. Es handelt sich hier nicht nur um rein formale Entscheidungen, sondern um Entscheidungen, die sehr tief eingreifen. Ferner will er die Entscheidungen des Vormundschaftsgerichts bei Anfechtung der Ehelichkeit dem Rechtspfleger überlassen. Gerade diese Entscheidung ist aber oft für den praktischen Ausgang der Sache maßgebend, weil das Gericht ja nachher nur zu prüfen hat, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Vor allem ist mir der Vorschlag des Bundesrates bedenklich, die Strafverfügungen ebenfalls dem Rechtspfleger zu überlassen. Hier findet sich in der Begründung des Bundesrates der ominöse Satz:
Eine besondere juristische Vorbildung ist nicht
Voraussetzung der Richtereigenschaft im Sinne
des Art. 92 des Grundgesetzes.
Ich darf annehmen, daß der Bundesrat hierbei nicht etwa an die „Volksrichter" als Vorbild gedacht hat. Er erwähnt die Laienrichter und Arbeitsrichter.
Das Beispiel der Laienrichter zieht nicht; denn der Laienrichter entscheidet ja nicht allein, sei es als Richter für Handelssachen, sei es als Schöffe oder Geschworener, und ob es glücklich war, die Besetzung der Arbeitsgerichte mit Nichtjuristen zuzulassen, darüber kann man verschiedener Ansicht sein. Es scheint mir ein falscher Gedankengang zu sein, wenn man sagt: als Richter für den kleinen Mann genügt auch ein Nichtjurist. So kommt es, daß der kleine Mann in vielen Fällen, sei es vor dem Arbeitsgericht, sei es vor dem Rechtspfleger, sei es bei uns in Württemberg vor dem Friedensgericht — eine besonders unerfreuliche Erscheinung! —, überhaupt ohne Juristen steht. Der kapitalkräftige Mann kann sich wenigstens einen Rechtsanwalt leisten; er hat, wenn auch der Richter kein Jurist ist, doch einen Anwalt. Es ist mir also unverständlich, daß man gerade hier die Anliegen des kleinen Mannes für gering erachtet. Ich kann aus meiner Praxis als Anwalt sagen, daß der Klient es immer sehr bedauert, wenn man ihm sagen muß: „Mit einem Beleidigungsprozeß mußt du vor dem Friedensgericht Recht suchen." Ich habe es noch nie erlebt, daß jemand darauf gesagt hätte: „Das freut mich aber, daß ich ein volksnahes Gericht habe! Hier ist ein Mann ohne juristische Verbildung tätig!" Im Gegenteil, jeder möchte vor den Amtsrichter, vor den ordentlichen Richter.
Es scheint mir auch aus solchen Äußerungen, wie sie hier vom Bundesrat zur Begründung der Übertragung der Strafverfügungen auf den Rechtspfleger vorgebracht werden, noch ein gewisses Mißtrauen gegen den Richter zu sprechen, das vom „Dritten Reich" unbewußt herrührt, das aber doch, wenn man die Haltung unserer Richterschaft in dieser Zeit bedenkt, in keiner Weise gerechtfertigt ist. Ich möchte diesen Gesichtspunkt hier nicht weiter vertiefen; ich wollte ihn nur andeuten.
Namens unserer Fraktion kann ich also sagen, daß wir im großen und ganzen dem Vorschlag der Bundesregierung durchaus zustimmen können und der Verweisung in den Rechtsausschuß ebenfalls zustimmen.