Herr Minister Schäffer, Herr Minister Erhard, Herr Minister Storch. Den damaligen Verhandlungen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß wurde ein Wiederaufbauplan zugrunde gelegt, der von den betroffenen Industrien zusammen mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmt worden war. Dieser Remontageplan sah damals einen mit 1,2 Milliarden DM errechneten Kreditbedarf vor. Der Ausschuß diskutierte darüber, welche Laufzeit dieser Plan haben solle, und man einigte sich darauf, daß er in drei Jahren — d. h. in den Jahren 1952, 1953 und 1954 — abgewickelt sein müsse. Nun stehen wir im Jahre 1954 und können eine Art von Zwischenbilanz ziehen, um festzustellen, was gegeben worden ist.
Ich darf noch erwähnen, daß 95 % des ganzen Kreditbedarfs, der damals errechnet worden ist, sich auf Grundstoff- und Exportindustrien bezogen. Nur der Rest von 5 % bezog sich auf andere Industrien. Die Wichtigkeit der Kreditgewährung ist, glaube ich, damit unterstrichen.
Bis jetzt haben wir nun rund 535 Millionen DM von diesem Kreditbedarf gedeckt, zum Teil aus zentral steuerbaren Mitteln des Bundes, aber auch aus Mitteln der Länder und durch die Investitionsanleihe. Es bliebe also noch ein Rest von rund 665 Millionen DM abzudecken, wenn wir den Wiederaufbau so durchführen wollen, wie er für dieses Jahr beabsichtigt war. Der größte Teil dieser 665 Millionen DM — mehr als 400 Millionen DM — entfällt auf die Eisen- und Stahlindustrie. Ich glaube, ich brauche nicht mehr darauf hinzuweisen, wie wichtig Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie heute sind. Ich hatte vor einigen Tagen Gelegenheit, mit einigen Kollegen des Bundestags im Rundfunk über Fragen der Montan-Union zu diskutieren. Kollege D r. Pohle von der CDU stellte auf einen Angriff des SPD-Diskussionsteilnehmers hin fest, daß die augenblickliche Lage bei Stahl und Eisen und die dadurch bedingte Lage bei der Kohle nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß ein erheblicher Mangel an Investitionen in unserer Stahl- und Eisenindustrie besteht. Die Anleihe von 100 Millionen Dollar, die die Montanbehörde aus den Vereinigten Staaten bekommen hat, bringt uns keinen Vorteil, da aus ihr keinerlei Ausschüttungen an die Eisen- und Stahlindustrie vorgenommen werden. Schon deswegen sollten wir mit allen Mitteln versuchen, auch vom Bunde aus den demontierten Betrieben in diesem Bereich weiter zu helfen; denn es fehlt bei allen Betrieben, die einen schweren Demontageschaden hatten, noch an der notwendigen Abrundung des Betriebsablaufs. Darüber hinaus haben diese Betriebe meist einen großen Prozentsatz von Eigenmitteln in den Wiederaufbau hineingesteckt. Deshalb müssen wir sie jetzt bei ihren Rationalisierungsmaßnahmen unterstützen. Wir müssen ihnen Kredite gewähren, damit sie die Möglichkeit haben, ihre Eigenmittel auf die Rationalisierung zu konzentrieren. Das erscheint gerade unter den Wettbewerbsverhältnissen im Montanbereich dringend notwendig.
Wenn allein 1600 Betriebe von den rund 2000 von der Demontage betroffenen Betrieben überhaupt noch keine Kreditmittel bekommen haben, dann, glaube ich, ist zusätzlich erwiesen, wie notwendig eine weitere Hilfe ist. Ich erinnere mich, in der damaligen Sitzung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses — ich habe daran als Gast teilgenommen — gehört zu haben, daß eine Anzahl anderer Stützungsmaßnahmen und Erleichterungen angeregt worden sind, z. B. Steuererleichterungen, Erleichterungen bei der Vermögensabgabe usw. Aber von diesen Anregungen ist wohl nichts mehr übriggeblieben. Eine Selbstfinanzierung ist heute auch kaum möglich. Auch der Kapitalmarkt gibt für Betriebe, die demontiert worden sind, nichts oder nur sehr wenig her, weil diese meist gar nicht an den Kapitalmarkt herangehen können. Sie sind überhaupt erst emissions- oder kapitalmarktfähig, wenn sie einen Minimalstand der Produktionskapazität erreicht haben. Das ist bei vielen Betrieben, vor allen Dingen denen, die noch lange Jahre nach der Demontage der Verbotsgesetzgebung unterlegen haben, noch nicht der Fall.
Ich glaube, damit dargetan zu haben, daß die wirtschaftspolitische Notwendigkeit, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, um diesen Remontage-plan zu Ende zu führen, unbedingt gegeben ist. Die Ministerien und vor allen Dingen auch die Ausschüsse haben sich nun mit der Frage befaßt. Ich muß sagen, daß das Wirtschaftsministerium sich sehr intensiv um diese Betriebe gekümmert hat, die sich in ihren Interessen durchaus verstanden sahen. Nur das Finanzministerium hat nicht immer so mitgezogen, wie man das gewünscht hätte, und darauf bezieht sich unsere Große Anfrage. Ich habe so manchmal das Gefühl gehabt, daß die beiden Ministerien bei der Betrachtung der Frage „Remontage" den Akzent etwas unterschiedlich auf dieses Wort verteilt haben. Das Wirtschaftsministerium hat so den ersten Teil, das Remontenhafte vertreten, temperamentvoll, und hat viel getan. Dagegen hatte ich den Eindruck, daß das Finanzministerium auf den letzten Teil des Wortes, auf „age", auf das etwas bedächtige und zurückhaltende Alter den größeren Wert gelegt hat. Es wäre wünschenswert, wenn auch hier eine Einheitlichkeit zustande korn-men könnte und wenn das Finanzministerium etwas mehr täte, um diesen Industriegruppen zu helfen.
Ich habe niemals verstehen können — und ich verstehe es auch jetzt noch nicht —, warum die 100 Millionen DM aus dem außerordentlichen Haushalt nicht geflossen sind, zumal man doch den Eindruck haben kann, daß für andere Zwecke, die vielleicht nicht diesen Vorrang gehabt haben, öffentliche Mittel vorhanden gewesen sind. Ich erinnere an einen Fall, wo man immerhin von seiten des Bundes mit Genehmigung des Finanzministers nicht zur Schaffung, sondern zur Erhaltung von Arbeitsplätzen Subventionen — noch nicht einmal Kredite! — von ungefähr 5770 DM per Arbeitsplatz gezahlt hat. Wenn man die Zuschüsse des betreffenden Landes hinzurechnet, dann ergeben sich fast 8000 DM, die man nur zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes an Subventionen gezahlt hat. Es handelt sich hier um Sontra. Ich will damit gar nicht sagen, daß das sozialpolitisch unnötig ist. Sie kennen unsere Stellungnahme, die dahin geht, die Beschäftigten in Sontra unter allen Umständen auf Dauer weiterzubeschäftigen. Wir haben aber den Ein-
druck — ich habe das auch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß zum Ausdruck gebracht —, daß man das unter sparsamerer Verwendung öffentlicher Mittel tun kann.
Es gibt Möglichkeiten, und zwar gerade in den Fällen der Remontage, mit billigsten Mitteln Dauerarbeitsplätze zu beschaffen, die wir wahrhaftig noch nötig haben. Eine Umfrage bei Betrieben, in deren Bereich 80 Millionen DM ausgegeben worden sind — es sind ungefähr 125 Betriebe gewesen —, hat ergeben, daß man im Schnitt für die Errichtung eines Dauerarbeitsplatzes bei der Remontage nur 2700 DM benötigt. Das sollte uns ganz besonders veranlassen, diesem Problem noch größere Aufmerksamkeit zu schenken.
Gerade in den letzten Tagen habe ich davon gehört, daß es einem Konzern der öffentlichen Hand möglich gewesen ist, die Bergwerksgesellschaft Emscher-Lippe anzukaufen. Die Verhandlungen sind in der Presse bekanntgegeben worden. Solange man noch Millionenbeträge zur Ausdehnung der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ausgeben kann, erscheint es mir völlig unverständlich, daß es nicht möglich sein soll, für diejenigen Unternehmen Kredite auszuschütten, die ja doch für uns alle in der Tat erhebliche Vorleistungen erbracht haben.
Meine Damen und Herren, ich erwähnte schon, daß die Besprechung des Punktes 1 der Großen Anfrage etwas verspätet kommt; aber ich wollte doch Ihre Aufmerksamkeit auf das Problem gelenkt haben. Vor allen Dingen möchte ich die Ministerien — vordringlich das Wirtschaftsministerium — darum bitten, die bisherigen Maßnahmen, zentral steuerbare Mittel des Bundes für diesen Zweck einzusetzen, fortzuführen. Was bis jetzt gegeben worden ist, ist sehr dankbar aufgenommen worden und hat sich außerdem bewährt. Ich bitte darum, daß nicht etwa jetzt Schluß damit gemacht wird, weil es aktuellere Probleme geben könnte. Es ist unmöglich, den einmal anfinanzierten zusammenhängenden Plan des Wiederaufbaus unserer demontierten Industrie in der Mitte abzubrechen, vielmehr ist es notwendig, die Gesamtfinanzierung der Projekte seitens des Bundes durchzuführen, wenn möglich in dem vorgesehenen Zeitraum.