Rede von
Dr.
Ernst
Schellenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige Klarstellungen, damit keine Irrtümer entstehen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat mich bezüglich der Finanzierung der Rentenzulagen sehr mißverstanden. Ich habe das Stenographische Protokoll hier vorliegen. Danach habe ich erklärt, daß Änderungen im Währungsgefüge nach Auffassung unserer Fraktion grundsätzlich aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu decken sind, was dem einstimmigen Beschluß des Hauses auf Grund des CDU-Antrages vom 22. Februar 1951 entspricht.
Ich habe aber weiter erklärt, daß wir uns ein Urteil darüber bilden wollen, ob und inwieweit die Rentenversicherung ganz oder teilweise an der Aufbringung der Mittel für die Altrentenerhöhung beteiligt werden kann, und ich habe deshalb den Herrn Bundesarbeitsminister um Vermögensübersichten gebeten. Ich habe drittens erklärt:
Es darf durch diese Finanzfragen die tatsächliche Auszahlung der Erhöhungen nicht verzögert werden; denn die schnelle Durchführung
der Erhöhungen ist eine sozialpolitische Notwendigkeit.
Ferner habe ich gesagt:
Die sozialdemokratische Fraktion wird über die Finanzierung erst eine Entscheidung treffen, wenn wir die Vermögensunterlagen, die beim Bundesarbeitsministerium vorliegen müssen, erhalten haben.
Nun noch etwas anderes. Der Herr Bundesarbeitsminister hat über die von ihm beabsichtigte
Gestaltung der Erhöhung der Altrenten hier keine genaue Auskunft gegeben. Er hat sich darauf berufen, daß es in unserer Anfrage nur heißt: Wann wird der entsprechende Gesetzentwurf vorgelegt? Ich bedauere eine solche formale Auffassung des Herrn Bundesarbeitsministers. Nachdem der Herr Bundesarbeitsminister, wie ich bereits durch einen Zwischenruf zum Ausdruck gebracht habe, in der Öffentlichkeit vielfach über Altrentenerhöhung gesprochen hat, wäre es seine Verpflichtung gewesen, heute hier Klarheit zu schaffen,
weil Millionen von Rentnern über diese Dinge, wie wir alle wissen, im unklaren sind. Ich muß sagen: ich gehe von dieser Aussprache und nach der Auskunft, die der Herr Minister gegeben hat, unbefriedigt wieder an die laufende Arbeit, weil ich den Menschen draußen keine Mitteilung machen kann.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat erklärt, ich sei in der Sitzung des Verbandes der Rentenversicherungsträger gewesen. Da habe er einen Vortrag gehalten, und die Rentenversicherungsträger hätten seine Konzeption erfahren. Ich darf dazu folgendes feststellen. In dieser Sitzung fand auf ausdrücklichen Wunsch der Veranstalter oder des Vortragenden — das weiß ich nicht genau —
keine Aussprache statt,
und es war noch nicht einmal die Möglichkeit gegeben, eine Frage an den Herrn Bundesarbeitsminister oder die Beteiligten zu stellen.
Das sind die Tatsachen.
— Herr Sabel, ich glaube mich nicht zu täuschen.
Auf Grund einer Vereinbarung — das muß man im Protokoll dieser Veranstaltung nachlesen — bestand damals keine Fragemöglichkeit. Deshalb habe ich diese Fragen, die eine große praktische Bedeutung für die Rentner haben, was niemand bestreiten kann, heute gestellt. Ich muß feststellen, daß diese Fragen leider nicht beantwortet worden sind.
Wir wissen nicht, ob man mit durchschnittlich 30 DM Erhöhung rechnet; wir wissen nicht, welcher Personenkreis nun wirklich in Frage kommt; wir wissen nicht, von welchem Zeitpunkt an nach Auffassung des Ministers das praktisch durchgeführt werden soll. Das ist außerordentlich bedauerlich.
Nun noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Atzenroth. Herr Dr. Atzenroth hat bedauert, daß ich so von konkreten Dingen der Sozialversicherung gesprochen habe, die gewissermaßen Kleinigkeiten seien, und nicht über große Zielsetzungen. Ja, meine Damen und Herren, was sollen wir denn eigentlich tun? Wenn wir Sozialdemokraten hier im Bundestag Zielsetzungen grundsätzlicher Art entwickeln, dann hält man uns entgegen: Ach, ihr entwickelt eine Zukunftsmusik, Pläne für die nächsten Jahre und Jahrzehnte! Wenn wir dann konkrete Fragen aufwerfen, mit denen sich das Haus beschäftigt hat und die, wie wir wissen, leider noch nicht erledigt sind, dann
sagt man: Na, ihr sprecht ja bloß von solchen praktischen Kleinigkeiten!
Ich glaube, meine Herren, wir Sozialdemokraten haben heute hier im Hause sowohl grundsätzliche Fragen aufgeworfen. Das war gewissermaßen die Arbeitsteilung zwischen meinem Freund Preller und mir —; er hat die grundsätzlichen Fragen der Sozialreform aufgeworfen, und ich habe die praktischen nächsten Schritte für die Reform der Sozialversicherung aufgezeigt und den Minister gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Er hat das leider nicht getan.
Meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Arndgen. Herr Kollege Arndgen, Sie haben davon gesprochen — ich möchte das ganz offen sagen —, daß auch ich im Jahre 1946 gewisse Dinge über Sozialversicherung geäußert habe. Selbstverständlich haben wir alle gelernt, der Herr Minister und auch ich. Ich habe heute nicht vorgetragen, was der Herr Minister im Jahre 1947 über die Gestaltung der Sozialversicherung gesagt hat; da waren unsere Auffassungen einander wohl wesentlich näher, als sie es heute sind.
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe Stellung genommen zu den Dingen, die der Herr Minister in der letzten Zeit ausgesprochen hat. Darüber müssen wir doch wohl hier im Hause Klarheit haben. Im übrigen, Herr Kollege Arndgen, haben Sie beanstandet, daß wir Sozialdemokraten zur Frage der Inanspruchnahme aus den Mitteln der Rentenversicherung hier im einzelnen gesprochen haben, und haben das gewissermaßen bedauert. Herr Kollege Arndgen, ich darf Sie an folgendes erinnern. Ich habe den Minister gefragt, wie sich der Wandel in der Auffassung des Bundesarbeitsministeriums seit dem 11. Juni 1953 bis jetzt erklärt. Auch darüber hat der Herr Minister keine Aufklärung gegeben. Er hat dazu geschwiegen. Das bedauere ich außerordentlich.
Im übrigen, Herr Kollege Arndgen, hat niemand von uns die Schwierigkeiten bei der Gestaltung sozialpolitischer Maßnahmen, die in den Jahren des Aufbaus überwunden werden mußten, bestritten. Jeder von uns — auch wir Sozialdemokraten in den Ländern und Gemeinden — hat das seine getan, um die sozialen Dinge damals möglichst in Ordnung zu bringen. Wir kennen die Probleme und Schwierigkeiten. Was wir dem Herrn Minister zum Vorwurf machen, ist, daß er immer wieder die Sozialreform als in naher Zukunft durchführbar bezeichnet hat und daß dann in dieser Hinsicht nichts Konkretes geschehen ist. Diese Tatsachen kann man doch nicht bestreiten. Das wurde doch von vielen Seiten des Hauses heute genau so wie von unserer, der sozialdemokratischen Seite kritisiert.
— Herr Kollege Arndgen, Sie wissen genau so gut wie wir alle, daß wir Sozialdemokraten uns sehr rege und tüchtig an den Ausschußarbeiten beteiligen. Das werden Sie niemals bestreiten können. Aber grundsätzlich — grundsätzlich! — sind Ausschußarbeiten nicht öffentlich. Nachdem der Herr Minister diese Fragen, insbesondere die Frage der Erhöhung der Altrenten, in der Öffentlichkeit angesprochen hat, darf darüber nicht nur in Ausschüssen oder sonstwo vertraulich verhandelt werden,
sondern es muß vor der gesamten Öffentlichkeit klargestellt werden, welche Maßnahmen geplant sind und wann sie durchgeführt werden.