Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr e s b a c h hat, wenn ich es richtig aufgefaßt habe, mit der Feststellung begonnen, alle vornehmen Leute seien heute eigentlich in Straßburg. Ich will nicht untersuchen, ob es zutrifft, daß alle vornehmen Leute aus diesem Hause heute in Straßburg sind;
aber ich möchte sagen, selbst wenn das zuträfe, haben wir doch einen Teil der anregendsten und amüsantesten Leute auf jeden Fall hierbehalten.
Mit diesem Kompliment an meine Vorredner wollte ich beginnen. Danach aber möchte ich folgendes mit allem Ernst sagen.
Die Bundesregierung hat keine Pläne, die geeignet sind, die Unabhängigkeit und die Freiheit der Presse zu beeinträchtigen. Die Pressefreiheit ist ein durch das Grundgesetz gewährleistetes Grundrecht, und die Bundesregierung muß sich auf das ernsteste dagegen verwahren, daß ihr Pläne unterstellt werden könnten, die das Grundgesetz und die Grundrechte verletzen würden.
Deswegen glaube ich, daß Sie diese Erklärung als eine Erklärung der Politik der Bundesregierung hinnehmen und den von Ihnen auf Umdruck 18 vorgelegten Antrag damit als erledigt erklären sollten.
Jedenfalls möchte ich namens der Bundesregierung diese Bitte an das Hohe Haus richten.
Ein Teil der Ausführungen, die schon Herr Kollege Kalbitzer gemacht hat, laufen darauf hinaus, daß die Mittel, deren Bewirtschaftung der alleinigen Prüfung durch den Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofes unterliegt, hier noch einmal in die Debatte gezogen werden sollten. Wir haben das bereits bei der Haushaltsdebatte erlebt, und dies ist insoweit eigentlich nur ein kleiner Nachklang der Haushaltsdebatte. Ich möchte dazu sagen, daß es in allen Regierungen von - wenn wir mal in Deutschland bleiben — Otto von Bismarck bis Otto Braun Mittel gegeben hat, die in dieser Weise behandelt worden sind. Der einzige Punkt der Debatte kann der sein, ob über diese Mittel mit der genügenden staatspolitischen Verantwortung verfügt wird. Zu diesem Punkt möchte ich sagen, daß diese Regierung eine hohe Meinung von der Trennung zwischen dem, was man vielleicht ein Parteigeschäft nennen könnte, und den Funktionen einer Regierung hat. Auf jeden Fall nehme ich das für mich in Anspruch, und ich werde an keiner Stelle anders als diesem Grundsatz entsprechend handeln. Das ist die Grenzlinie, die eingehalten werden muß. Das ist die Grenzlinie, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den ausländischen, zum Vergleich geeigneten, nicht totalitären Staaten unter allen Umständen beachtet werden muß.
Man darf darüber hinaus nicht übersehen, daß diese Regierung einen sehr, sehr großen Teil der Wählerschaft vertritt und daß allein schon deswegen — weil sie einen so großen Teil der Wählerschaft vertritt — mindestens die Wahrscheinlichkeit dafür sprechen wird, daß sie sich in ihrem Verhalten von staatspolitischen und nicht von parteipolitischen Gesichtspunkten leiten lassen wird.
Ich darf nun auf einzelne Punkte eingehen, die in der Debatte erwähnt worden sind. Es ist auf den früheren Pressegesetzentwurf hingewiesen worden - er war ja nicht einmal bis zur Kabinettsreife gediehen, wenn ich nicht irre —, für den ich nun in der Tat keinerlei Verantwortung trage und zu dem ich mich deswegen auch gar nicht äußern möchte.
Wenn in der Debatte aber die Frage durchgeklungen ist, wie die Regierung denn jetzt über ein Pressegesetz denkt, so würde ich sagen: eine endgültige Meinung darüber hat sie noch nicht formuliert, aber sie nähert sich diesem Problem mit großer Bedächtigkeit und sieht es nicht als eine Priorität hohen Ranges an; wenigstens kann ich das aus der Perspektive meines Ressorts sagen. Ich habe leider, so darf ich hinzufügen, sehr viel größere Sorgen als das beschleunigte Einbringen eines Pressegesetzes in diesem Hohen Hause.
Ich möchte aber ein Weiteres dazu sagen. Ich folge der Diskussion, die außerhalb dieses Hohen Hauses und in der Presse selbst über Umfang, Notwendigkeit oder Wünschbarkeit eines Pressegesetzes betrieben wird, mit äußerstem Interesse, und ich begleite diese Diskussion mit vielen guten Wünschen für ein fruchtbares Ergebnis, ein Ergebnis, auf dem vielleicht einmal die Regierung aufbauen könnte, wenn Sie das nicht für allzu optimistisch ansehen möchten.
Von zwei oder drei Seiten ist in der Diskussion auf Beschlagnahmen hingewiesen worden, die auf Grund des § 94 der Strafprozeßordnung vorgenommen worden sind. Meine Damen und Herren, niemand von Ihnen wird glauben, daß das Dinge sind, die zur Zuständigkeit der Bundesregierung gehören. Es sind in der Tat Vorgänge, die sich im Rahmen der Justiz abgespielt haben, und ich habe den Wunsch, daß dieses Problem, das ja ein reines Rechtsproblem ist, durch entsprechende gerichtliche Entscheidungen weiter gefördert werden möchte. Sollte sich dann aus anderer Praxis oder anderer Beurteilung durch die Gerichte ergeben, daß hier etwa Anlaß bestünde, auf diesem Gebiet gesetzgeberische Vorschläge zu machen, so stehen sie dem Hause frei und können von der Regierung in Erwägung gezogen werden.
Ich darf mich dann dem Herrn Kollegen Brandt zuwenden. Er hat in liebenswürdiger Weise, möchte ich sagen, auf ein Stichwort angespielt, das ihm vorher von dem verehrten Kollegen von der Freien Demokratischen Fraktion zugespielt worden ist, nämlich von der Opposition innerhalb der Regierungskoalition. Wenn ich den Prinzen Löwenstein richtig verstanden habe, hat er die Opposition innerhalb der Regierungskoalition als ein belebendes und ein mitkontrollierendes Element aufgefaßt und dargestellt. Da gleichzeitig von allen Seiten des Hauses der Appell zur Duldsamkeit gekommen ist, wird, glaube ich, auch das niemand unduldsam auffassen wollen. Wenn nun der Kollege Brandt eine Stelle aus der Korrespondenz unserer verehrten Freunde von der Freien Demokratischen Fraktion zitieren konnte, die von einem Generalangriff auf Güter der Freiheit gesprochen haben soll - ich habe die Sache selbst nicht gelesen —, so würde ich glauben, daß das Wendungen sind, die sich nicht auf konkrete Regierungspolitik beziehen, sondern die in irgend etwas anderem, aber sicher nicht in der Politik dieser Regierung begründet sein können.
Der Kollege Brandt hat noch etwas anderes angesprochen, nämlich, wenn ich ihn richtig verstehe, einen in dieser Zeit allgemein zu bemerkenden gesellschaftlich-staatlichen Zug zur Unduldsamkeit. Er hat das, jedenfalls für mein Gefühl, nicht im einzelnen belegt. Ich neige eigentlich eher dazu, das für richtig zu halten, was der letzte Vorredner, Herr Kollege Becker, ausgeführt hat, der auf seiten der Regierung — ich will mich nicht zu den übrigen gesellschaftlich-staatlichen Vorgängen äußern — doch eher ein großes Maß von Duldsamkeit verzeichnen zu können glaubte.
Meine Damen und Herren! Die Regierung erhebt keinen Anspruch darauf, als besonders duldsam gefeiert zu werden. Sie braucht dabei nicht weiter zu gehen und wird dabei nicht weiter gehen, als sich innerhalb der durch die Verfassung gezogenen Schranken zu halten. Das gilt aber für alle Deutschen und nicht nur für die Regierung.
Ich habe allerdings sehr bedauert — das gilt sowohl für das, was der Herr Kollege Kalbitzer an einigen Stellen gesagt hat, wie auch für einiges von dem, was Herr Kollege Brandt gesagt hat —, daß nicht doch Roß und Reiter bei beanstandeten Vorgängen genauer bezeichnet worden sind. Sehen Sie, meine Damen und Herren, ich habe ja leider neulich hier schon einmal einen anderen Fall dieser Art aufgreifen müssen. Es dient nicht der Aufhellung von Vorgängen, an der uns allen liegen sollte, wenn wir bei gewissen Vorgängen uns allzusehr nur auf Andeutungen beschränken. Das war z. B. — um nur den einen Fall zu nennen — die Behandlung der Steuerreformvorlage damals. Es scheint mir besser zu sein, wenn wir wirklich klipp und klar die Vorgänge nennen, sie zur Kenntnis der verantwortlichen Minister bringen oder sie sonst in irgendeiner anderen Form hier behandeln. Je klarer wir uns dabei verhalten und je mehr wir uns mit den Tatsachen und nicht mit den Vermutungen beschäftigen, desto besser wird es, glaube ich, für die Bereinigung der Atmosphäre sein.
Herr Kollege Brandt hat dann etwas anderes gesagt. Er hat geglaubt, bemerken zu können, daß gewisse Journalisten bevorzugt würden. Er hat das, glaube ich, für in- und ausländische gesagt, und zwar solche, die Zeitungen, vielleicht große Zeitungen, vertreten, und andere, die nicht das Glück — oder das Unglück, ich weiß nicht, wie man das nennen muß — haben, eine große Zeitung zu vertreten. Ich möchte sagen, daß mir jedenfalls aus meiner eigenen Praxis und soweit ich die Praxis meiner Kollegen beurteilen kann, das nicht gegenwärtig ist. Ich glaube, daß alle Informationsmittel — ich sehe hier von persönlichen Nettigkeiten des einen oder anderen ab — ohne Ansehen der Person a 11e n Journalisten zur Verfügung gestellt werden.
Und dann ist das Presse- und Informationsamt auch nicht etwa als eine Nachrichtenschleuse gedacht, in der das von den anderen Ministerien für die Veröffentlichung gedachte Material eigentlich erst durchgesiebt und möglichst vielleicht sogar festgehalten werden könnte. Ich würde doch annehmen, daß Sie, wenn Sie die Tatsachen — gehen wir ruhig zurück in die ganzen vergangenen vier Jahre — würdigen, sagen müssen, daß es nicht die Praxis der Ressortchefs gewesen ist, diesen Weg über das Presse- und Informationsamt etwa in sklavischer Weise zu befolgen. Sie alle hier sind doch Zeugen dafür, daß es eine sehr, sehr unmittelbare Information eigentlich über alle wichtigen Dinge gegeben hat.
Herr Brandt hat gemeint, ich hätte mich einmal „quergelegt", als mein Kollege, der Bundesminister für Wirtschaft, seinen Beamten empfohlen habe, auf vernünftige Fragen vernünftige Antworten zu geben. Herr Brandt, ich kann allein diese Vermutung schon nicht als genügend liebenswürdig empfinden. Denn was anders sollten Beamte sagen, als daß sie auf vernünftige Fragen vernünftig antworten! Das gehört also auch zu den Vorwürfen, von denen ich nicht das geringste weiß und bei denen ich Ihnen nur dankbar wäre, wenn Sie mich, wenn das irgendwie urkundlich oder sonstwie zu fassen wäre, darauf aufmerksam machen würden. Von diesem Vorwurf möchte ich mich allerdings dann in aller Geschwindigkeit reinigen; ich sage schon jetzt: er trifft mich nicht.
Herr Brandt hat etwas Weiteres gesagt. Er hat von Dementis der Bundesregierung gesprochen, die keine seien. Nun, das mag vorkommen. Es gibt in allen Staaten Dementis, und vielleicht irrt man sich auch einmal in einem Augenblick. Aber er hat Pech gehabt. Das Beispiel, das er aus dem Auswärtigen Amt nannte, paßt nun in der Tat gar nicht. Ich weiß nicht, ob wir denselben Professor meinen; aber wenn Sie den Professor meinen, den ich jetzt auch meine
und auf den sich möglicherweise — —
— Na, Herr Brandt hat sich sehr diskret ausgedrückt, und ich möchte sein Maß von Diskretion nicht unterbieten.
Außerdem — Herr Heiland gibt mir das richtige Stichwort — spreche ich hier sozusagen für den Bundesminister des Auswärtigen, den zu vertreten ich weiter keinen Anlaß habe. Aber ich nehme es nur als ein Beispiel für meine Argumentation. Ich sage noch einmal: Wenn Sie den Professor meinen, den ich jetzt meine und über den es möglicherweise ein Dementi gegeben hat, dann kann ich Ihnen nur sagen: dieses Dementi stimmt außerordentlich; denn das betreffende Amt macht in der Tat sehr starke Versuche, vielleicht sogar erfolgreiche Versuche, diesen Mann zu halten. Ich glaube also, daß, wenn ein Dementi einmal gestimmt hat, dies ein Dementi ist, das tatsächlich stimmt.
Nachdem die Sache hier so diskret behandelt worden ist, bin ich gern bereit, sie mit Herrn Brandt anschließend noch einmal durchzugehen, um weiterhin auf demselben Niveau von Diskretion zu bleiben.
Dann hat sich Herr Brandt mit der Pressestelle meines Hauses beschäftigt. Ich gebe ihm zu, daß es mir bisher — gestern waren ziemlich genau sieben Monate meiner Amtsführung vergangen — noch nicht gelungen ist, die ideale Pressestelle zusammenzubringen, und ich beneide jeden, der es bereits geschafft hat, darum, eine ideale Pressestelle zu haben. Aber die Sache ist im Werden. Beschäftigen wir uns also einmal mit der Pressestelle, so wie sie jetzt ist.
Herr Brandt hat ganz richtigerweise und kollegialerweise, wenn ich mich so ausdrücken darf, zugegeben, daß man jemandem, der in einer Pressestelle sitzt, nicht die Kenntnis aller Gegenstände eines so großen, so weit verzweigten und so schwierigen Ressorts zutrauen und zumuten kann und daß die Pressestelle dann eigentlich nichts weiter sein kann als ein guter Mittler zwischen dem Journalisten, der sie angeht, und dem betreffenden Referenten, Unterabteilungsleiter, Abteilungsleiter, oder wer immer es sein mag. Aber, Herr Kollege Brandt, ich würde gar nicht in Abrede stellen, daß vielleicht mal dieser und mal jener nicht ganz so bedient worden ist, wie er es vielleicht gern gehabt haben möchte. Vielleicht erstreckte sich sein Interesse auch auf ein Gebiet, das in bestimmten Zeiten einmal ein größeres Maß von zurückhaltender Behandlung braucht. Sie kennen die vielen heißen Eisen, die in diesem Ressort zusammengefaßt sind, und sie können eben nicht zu jeder Zeit gleichmäßig angepackt werden. Trotzdem möchte ich meinen, daß sich sowohl in diesem Hohen Hause
wie auf der Pressetribüne oder sonst im Hause zahlreiche Leute befinden, die als Zeugen aus der letzten Zeit dafür auftreten könnten, daß sie nicht nur etwa mit einer unvollkommenen Pressestelle, sondern mit dem Referenten, Unterabteilungsleiter, Abteilungsleiter, Staatssekretär gesprochen haben. Ich bin zwar nicht in der Lage, eine komplette Statistik darüber vorzulegen, aber es würde nicht schwerfallen, da ich mich auch meinerseits als Zeugen für viele Dutzende von Unterhaltungen mit Damen und Herren der Presse in der letzten Zeit zur Verfügung stellen kann. Ich glaube also, daß die Behandlung, die die Pressepolitik des Bundesministers des Innern erfahren hat, den Tatsachen nicht ganz adäquat ist.
Ich komme zum Schluß und möchte meinen, daß hier vieles gesagt worden ist — hinsichtlich § 94 der Strafprozeßordnung habe ich es z. B. ausgeführt —, was sich hier nicht unmittelbar zur konkreten Erledigung anbietet, weil es Fragen sind, die zum Teil auch in den Länderjustizverwaltungen weiter behandelt werden müssen. Das Problem der Verfassungsschutzämter der Länder ist ebenfalls angesprochen worden. Ich werde vielleicht in der nächsten Woche die Ehre haben, mich vor diesem Hohen Hause etwas näher mit diesem Gegenstand zu beschäftigen.
Es ist manches gesagt worden, was ein förderlicher Beitrag zur Klärung der Atmosphäre und eigentlich zur Fundierung der Auffassung gewesen ist, daß in der Tat bei uns eine freiheitliche Pressepolitik betrieben wird und eine Presse existiert, die sich einer sehr, sehr großen Freiheit erfreut. Meine Damen und Herren — ich sage das nun mit großem Ernst —, ich möchte mit einem doppelten Gedanken schließen. Das eine ist der Gedanke, den ich von Herrn Kollegen Dresbach übernehmen kann, der gesagt hat, es sei wesentlich, sich ins Vertrauen zu ziehen. Es wird sicherlich ein hohes und wichtiges Anliegen der Bundesregierung sein, ständig den Versuch zu machen, mit der Presse auf gutem und vertrautem Fuß zu stehen. Aber alle von Ihnen, meine Damen und Herren, die die Gelegenheit haben — und das werden hoffentlich alle sein —, täglich eine komplette Übersicht über die Publikationen in Deutschland zu bekommen, werden doch, glaube ich, mit mir in der Auffassung übereinstimmen müssen, daß wir in einem Lande leben, das uns gerade auf diesem Gebiet ein sehr hohes Maß von Freiheit gibt. Wenn mich ein Gedanke während dieser ganzen Debatte bewegt hat, dann ist es der, daß ich den herzlichen Wunsch habe, daß uns und unserem Volke dieses Maß von Freiheit für lange Zeit erhalten bleiben möge.