Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es nicht für meine Aufgabe, den einzelnen Angaben nachzugehen, die Herr Kollege Kalbitzer vorgetragen hat. Sozusagen die Dessous der Bundesregierung zu studieren, scheint mir auch mehr Aufgabe der Opposition zu sein.
Im übrigen bin ich auch der Meinung, daß ein so jugendschöner und eleganter Fechter wie der gegenwärtige Bundesinnenminister das Sekundantentum eines verfetteten Sechzigjährigen nicht benötigt.
Aber ich halte es für eine ernsthafte Aufgabe, im Anschluß an diese Dinge etwas über das gesellschaftliche Verhältnis von Presse, Parlament, Regierung und Verwaltung zu sagen.
Meine Damen und Herren, noch immer geistert das Wort über die Presseleute von den „verfehlten Existenzen" in der Welt herum. Hat sich was mit verfehlten Existenzen! Nach zwei Demobilmachungen, drei politischen Umwälzungen und zwei Währungsentwertungen! Da geht es mitunter nicht mehr mit dem großen Befähigungsnachweis, sondern da muß man Unterkunft finden.
Übrigens: das Wort von den verfehlten Existenzen
stammt von dem Herrn Großvater unseres Kollegen Fürsten Bismarck. Er ist ja nicht hier. Die
vornehmen Leute sind ja wohl alle in Straßburg.
In Bonn ist nur die Dorfbevölkerung zurückgeblieben.
Nun war dieser Fürst Bismarck ja selber im Zeitalter des Assessorismus kein Vollendeter, ich will nicht gerade sagen: eine verfehlte Existenz. Er ist als preußischer Auskultator abgegangen. Das war damals die Bezeichnung für den späteren preußischen Regierungsreferendar. Im übrigen aber war er ein trefflicher Schreiber von Artikeln und hätte nach seinem Abgang als Reichskanzler eigentlich Chefredakteur bei den „Hamburger Nachrichten" werden können.
Aber dieses Wort hat er seinerzeit — so habe ich es in Erinnerung — wohl im Zorn gesprochen, als er wieder einmal böse war auf seinen Standesgenossen, den Freiherrn von Hammerstein, den Chefredakteur der „Kreuzzeitung".
Wie gesagt, dieses Wort geistert noch immer in der Welt herum und erregt bei den Presseleuten diese üblen Minderwertigkeitskomplexe, die Überempfindlichkeiten. Die Presseleute ziehen sich dann förmlich in das zurück, was man im letzten Welt- krieg eine Igelstellung nannte.
Ich war im letzten Krieg Nichtkombattant; aber ein Igel, das ist mir als Dorfjunge ein Begriff. Ich habe mir als kleiner Junge bei dem Versuch, eine solche Igelstellung aufzubrechen, einmal eine Blutvergiftung zugezogen.
Damit will ich aber nicht sagen, daß jede Berührung mit der Presse, also beispielsweise des Herrn Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers mit einem gewissen Herrn Rapp
und des Herrn Bundesministers Wuermeling mit einem gewissen Herrn Friedländer, gleich eine Blutvergiftung zur Folge hat.
Aber sehen Sie, bei dem westgermanischen Normaltypus stellt sich im Anschluß an dieses Wort gleich eine hochmütige Haltung ein. Zu dem westgermanischen Normaltypus rechne ich so etwa den Herrn Generaldirektor, den Herrn Kolonialwarenhändler, den Herrn Regierungsrat und den Herrn Buchhalter. Ich habe nur einige Typen herausgegriffen.
Sie sehen dann in dem Journalisten so etwas wie ein leichtgeschürztes Mägdelein.
Ja, meine Damen und Herren, wer es in Germanien unternimmt, Dinge, dazu noch schwierige Dinge, in kurzweiliger Form darzustellen, der ist eben nicht seriös.
„Er läßt doch den rechten Ernst vermissen", wie es in einem Gelegenheitsgedicht des verstorbenen Kollegen Theodor Fontane hieß. Dieses Gedicht endet übrigens mit der resignierenden Feststellung: „Man bringt es nicht weit bei fehlendem Sinn für Feierlichkeit".
Nun darf ich etwas aus der eigenen Erfahrung sagen. Ich hatte zum Schlusse meines Lebens, das trotz Kreislaufstörungen doch noch etwas dauern möge, die Absicht, eine feste Stellung zu beziehen. Aber die Katze läßt das Mausen nicht und der Journalist das Artikelschreiben nicht. Da meinten meine Arbeitgeber, ich hätte mit diesen Artikeln vorbeigefochten; da bin ich als unbrauchbar abgegeben worden.
Dann beschloß ich, ein Politiker zu werden.
Aber, meine Damen und Herren, der Politiker gehört auch nicht zum westgermanischen Normaltypus.
Der Herr Kollege Kalbitzer hat von den siamesischen Zwillingen gesprochen. Ich bin der Meinung, daß wir alle draußen als Abnormitäten betrachtet werden.
Deshalb sollte jedenfalls zwischen Presse und Politikern gar keine Feindschaft sein, im Gegenteil Solidarität.
Und nun etwas über das Niveau der Presse. Da ist neulich mal aus Anlaß der Haushaltsdebatte vom Herrn Kollegen Dr. Schild das Wort von der Nivellierung in den Jahren 1918 bis 1933 gefallen. Ich habe ihm damals zugerufen: „Das klingt schon fast wieder wie „Systemzeit!" Aber der Herr Kollege Dr. Schild hat diese Dinge wohl vornehmlich unter dem Gesichtspunkt gesehen, daß damals der große Befähigungsnachweis für das Handwerk noch nicht wieder eingeführt worden war.
In geistiger Hinsicht kann ich doch nur sagen — ich will nicht gerade wie Ulrich von Hutten sagen: Es war eine Lust zu leben —: Wenn ich an diese Geistesfülle, an diese bunte Mannigfaltigkeit denke vom „Vorwärts" über „Berliner Tageblatt", „Vossische Zeitung", „Germania", „Frankfurter Zeitung", „Kölnische Zeitung", „Kölnische Volkszeitung" bis zur „Deutschen Tageszeitung" und zur „Berliner Börsenzeitung", — meine Damen und Herren, ganz ernsthaft gesprochen, wer will dort sagen, daß das eine Nivellierung geistiger Art gewesen sei?!
Diese Nivellierung ist erst mit der üblen Gleichschaltung im „Dritten Reich" begonnen worden,
an der sich ja einige Mitglieder dieses Hohen Hauses seinerzeit beteiligt haben sollen.
Aber da ich ein wahrer Christ bin, bin ich geneigt, ihre Sünden zu verzeihen.
In jene Zeit fällt aber auch die Standessenkung der Presse, obschon man sie öffentlich-rechtlich machte. Damals hat sich der Brauch der Befehlsempfänge, Pressekonferenzen genannt, eingebürgert, Waschzettel-Entgegennehmen usw. Und es soll ja so sein, daß sich auch heute manche Menschen die Presse nur noch bei Pressekonferenzen und ähnlichen kollektiven Veranstaltungen vorstellen können. Da sitzen dann die „Pressebengels", nicht wahr, den Füllfederhalter gezückt,
um dem zu lauschen, was dem Zahngehege von Wirtschaftskapitänen, Bundesministern und solchen, die es noch werden wollen,
entfleuchen könnte.
Die Presse zu belehren gilt auch als gesellschaftlich höherstehend denn selber zu schreiben. Ich bin von einem guten Freund in diesem Hause mal gewarnt worden, ja hin und wieder mal zu schreiben, aber nicht zu viel. „Das erniedrigt Sie!"
Sehen Sie, das Presse-Belehren ist auch einfacher; denn man kann sich nachher immer damit zurückziehen, man sei mißverstanden worden.
Aber bei dem, der selber schreibt, da gilt das Wort meiner Heimat: „Wer schrievt, der blievt".
Dabei ist natürlich in erster Linie an die Ausstellung von Wechseln gedacht; aber man kann es auch hier nehmen.
Zum Thema Schematisierung der Presse. Ich stelle mir manchmal vor, ein Mann wie Theodor Wolff hätte seine geistige Nahrung nur in Pressekonferenzen bezogen. Für die jüngeren Mitglieder des Hauses: er war wohl einer der potentesten Leute des deutschen Journalismus nach der Jahrhundertwende und Chefredakteur des „Berliner Tageblatts". Meine Damen und Herren, es mag sein, daß gleichmäßige Behandlung der Presse in der Demokratie naheliegt. Aber man sollte es nicht zu weit treiben. Man sollte den Verkehr — und das hat ja auch der Herr Bundesinnenminister dankenswerterweise anerkannt — nicht nur auf den Besuch der amtlichen Pressestelle der Bundesregierung beschränken.
Gestern haben wir über den Finanzausgleich gesprochen, ein Thema, das mir nun seit Jahrzehnten nahe liegt. Sehen Sie, was hätte es denn für einen Zweck gehabt, wenn ich in solchen Dingen — es sind auch politische Dinge, denn sie reichen ins Verfassungspolitische hinein, wie wir gestern aus der Kontroverse zwischen meinen bayerischen Freunden und mir gehört haben —, wenn ich wegen dieser Dinge nun zur Pressestelle gegangen wäre und hätte dort einen Waschzettel in die Hand bekommen?! Nein, meine Damen und Herren! In früheren Jahren bin ich in solchen Fällen zu den Finanzausgleichs-Referenten im Reichsfinanzministerium gegangen, zu dem Herrn Markull, zu dem Herrn Augustin. Ich würde mir auch heute, wenn ich noch Redaktor wäre, den Weg zu Herrn FischerMenshausen nicht versperren lassen, und der Herr Bundesfinanzminister würde sich sicherlich in diesen Weg auch nicht einschalten.
Ich möchte nun noch etwas zur Presse sagen. Gestern ist von den Gemeinden als dritter Kraft gesprochen worden. Ich möchte diese Presse als selbständige dritte Kraft wissen. Sie ist nicht nur dazu da, Paraphrasen zu schreiben zu den Reden von Politikern, Wirtschaftskapitänen, Syndici, Gewerkschaftsfunktionären und anderen erleuchteten Geistern. Sie soll natürlich auch nicht nur Wegweiserin auf dem Markt der Eitelkeiten sein, auch nicht auf dem Markt der Bosheiten.
Zum Recht der Information! Ich darf hier eine Erinnerung aus meiner Zeit als Redakteur der „Kölnischen Zeitung" auffrischen, an meine Besuche bei dem ja wohl noch lebenden Kommerzienrat Hermann Röchling, einem der besten Informatoren, die ich in meinem Leben kennengelernt habe. Er pflegte zu sagen: „Bis hierhin zur Veröffentlichung; aber Sie sollen über alles unterrichtet sein, Sie sollen wissen, was in der Welt vorgeht, und ich habe das Vertrauen zu Ihnen, daß Sie dieses Vertrauen, das ich Ihnen schenke, wahren werden." Meine Damen und Herren, ins Vertrauen gezogen werden, ist eine größere gesellschaftliche Anerkennung als die Veranstaltung eines Presseballs oder sonstigen Juxes!
So ein Pressemann kann doch auch mal Ratschläge geben. Es ist doch nicht nur das Recht ausschließlich der Beamten, Syndici und Gewerkschaftsfunktionäre, Rat zu geben. So ein Pressemann kann
unter Umständen mal klüger sein als Diplomaten. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel nennen. Der seinerzeitige Vertreter der „Kölnischen Zeitung" in St. Petersburg, Dr. Ullrich, meldete — es war vor dem ersten Weltkrieg — von den Aufmärschen der Russen. Der damalige kaiserliche Botschafter in Petersburg, Graf Pourtalès, war darob bestürzt und berichtete nach Berlin zum Auswärtigen Amt: „Stimmt nicht, und der Kerl muß in Strafe genommen werden!" — Gestimmt hat's doch! Das Auswärtige Amt sollte die Zeitung und den Redakteur belangen; aber das Auswärtige Amt lehnte dieses Ansinnen ab, weil wir ein Rechtsstaat waren. Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Carlo Schmid hat neulich aus Anlaß der Saardebatte etwas diffamierend über die konstitutionelle Monarchie gesprochen. Aber es waren damals doch noch sehr nette Zeiten in dieser konstitutionellen Monarchie.
Ich meine, wir sind uns alle darüber klar: die eigentliche Schweinerei hat doch erst 1933 angefangen!
— Verzeihen Sie, die ehemaligen Mitglieder der NSDAP dieses Hohen Hauses, wenn ich Ihr einstiges Idol
so kurzerhand als Schweinerei bezeichnet habe.
Ich bin der Meinung, daß wir heutzutage in der gleichen rechtsstaatlichen Situation sind. Oder können Sie sich vielleicht vorstellen, daß der Herr Bundeskanzler den ihm ja manchmal nicht gerade angenehmen Redakteur Sethe von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" belangen lassen wollte, unter Umständen sogar über den Verleger?
— Nein, das kann ich mir bei dem ausgesprochenen Rechtssinn meines verehrten Herrn Bundeskanzlers nicht vorstellen.
Meine Damen und Herren! Man soll tunlichst — weil ich schon vom Verlag gesprochen habe — den Einfluß auf die Zeitungen nicht über die Verleger und deren heiligsten Gefühle, die ja meist im Geldbeutel, Abonnement und Anzeigenteil einbeschlossen liegen, nehmen.
Das stört den Redakteur; das beleidigt ihn wiederum in gesellschaftlicher Hinsicht. Gewiß, auch die Verleger gehören zur Presse, und es gibt so'ne und solche — solche, die auch jedes andere Gewerbe ausüben könnten, und solche, die bestimmt mit großer Passion dabei sind und sogar im redaktionellen Teil der Zeitung eine produktive Angelegenheit sehen, nicht nur im Anzeigenteil.
Das Recht zur Information steht aber auch der Bundesregierung, der Regierung, der Verwaltung zu. Das Volk hat das Recht darauf, die Meinung seiner Regierung zu hören, auch ohne Kommentar, rein nachrichtenmäßig.
Da müssen die Herren von der Presse mit den
Kommentaren mal etwas zurückstehen, und der
Chronist, der Mann der Dokumentation, der der
Journalist ja auch ist, muß in den Vordergrund treten.
Zu den Informationen der Bundesregierung darf ich nun schließlich doch sagen, daß sie gar nicht so schlecht sind. Ich erinnere daran, daß Herr Kollege Gülich beispielsweise die finanzpolitischen Informationen im Bulletin immer als wohltuend informierend recht gut herausgestrichen hat. Für solche Zwecke — das hat der Kollege Kalbitzer anerkannt —, für Informationszwecke muß eine Regierung eigene Mittel haben.
In der kaiserlichen Zeit ist einmal ein Fall passiert: da wollte das Reichsamt des Innern unter Leitung des Staatssekretärs Graf PosadowskyWehner — der Mann mit dem langen Barte — die Presse beeinflussen, hatte aber keinen Titel im Haushalt und ließ sich vom Zentralverband der Industrie etwas schenken; ich glaube, 20 000 Mark. Das kam heraus; ich habe es so in der Erinnerung, daß die „Leipziger Volkszeitung" es aufgedeckt hat. Nun ja, der Herr verantwortliche Mann, der Ministerialdirektor von Woodtke, wurde in die Wüste geschickt; der Chef blieb. Das soll ja mehr vorkommen, daß der Chef bleibt und der Diener abtreten muß!
Aber ich bitte, hier keine „Lettres persanes" aus
meinen historischen Erinnerungen herauslesen
zu wollen, also etwa eine Relation Adenauer-Lenz.
Ich stelle fest, daß mein Kollege Lenz nicht in die Wüste geschickt, sondern freigestellt worden ist für wahrhaft freies geistiges Schaffen als Parlamentarier.
Zum Thema Pressegesetz — ja, meine Damen und Herren, ich muß ehrlich gestehen, ich habe noch nie eines gelesen. Brauchen wir wirklich ein Pressegesetz?
Wenn schon, bitte, Herr Bundesinnenminister, möge Ihnen doch der Lapsus linguae Ihres verehrten Herrn Vorgängers nicht passieren! Er leitete dieses Pressegesetz damals mit den Worten ein, es werde nicht liberalistischen Geistes sein.
Das Wort „liberalistisch" ist, glaube ich, so eine Art Superlativ; erfunden ist es in der Zeit des Nationalsozialismus. Wir schleppen sowieso, auch in unseren Worten, noch viel zu viel Ballast aus jener Zeit mit; deshalb bitte ich Sie, diesen Passus nicht wieder aufgreifen zu wollen.
Meine Damen und Herren! Ich habe eben gesagt: wir haben im Nationalsozialismus die Presse im öffentlich-rechtlichen Gewande der Organisation erlebt. Jetzt sollen auch wieder solche Bestrebungen umgehen: eine Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Presseorganisation. Meine Damen und Herren, das Korrelat jeder Körperschaft öffentlichen Rechts ist die Staatsaufsicht! Also, meine Herren Propagandisten für diese Idee, wollen Sie wieder ein Propagandaministerium? Und, meine Damen und Herren, müssen wir denn nun für jede Tätigkeit ein Berufs- und Berufsordnungsgesetz haben?
Heinrich Heine: „Und teile wieder ein das Volk nach Ständen, Gilden und Zünften!"
Meine Damen und Herren, gerade in diesem Beruf, der doch erst durch den Durchbruch des Liberalismus möglich geworden ist, will mir eine ständische Verfassung kurios erscheinen. — Ich darf hier meine politischen Freunde bitten, nicht Anstoß daran zu nehmen, wenn ich das Wort „Liberalismus" gebraucht habe, ohne direkt Anstoß daran zu nehmen.
Ich denke ja auch nicht an unser etwas gespanntes Verhältnis zu der liberalen Partei, sondern ich denke an die Ursprünge des Liberalismus, wo selbst die Gebrüder Reichensperger — das wird meine katholischen Freunde sicher beruhigen — sich zum rheinischen Liberalismus gerechnet haben.
Aber, meine Damen und Herren, nochmals: dieses Presseproblem will mir nicht als ein Rechtsproblem erscheinen, sondern als ein gesellschaftliches. Man braucht nicht immer von der gleichen politischen Couleur wie die Regierung und die Verwaltung zu sein. Man braucht auch nicht immer ein Offiziosus zu sein. Sehen Sie, ein Mann wie August Stein, der seinerzeitige Vertreter der „Frankfurter Zeitung" in Berlin, war nie ein Offiziosus der kaiserlichen Regierung; aber er war ein Vertrauensmann, und das gründete sich auf die gesellschaftliche und intellektuelle Qualität.
Deshalb, meine Damen ,und Herren: Fort in der Presse mit den Minderwertigkeitskomplexen! Ich habe Ihnen eben eine Reihe von Namen genannt, auf die die Presse durchaus stolz sein kann. Sie braucht diese Minderwertigkeitskomplexe nicht zu haben. Sie soll aber auch einmal den Mut haben, dies und jenes in den eigenen Reihen als dreckig zu bezeichnen.
Selbstbewußtsein gegenüber allen Anfechtungen — Herr Kalbitzer, nicht nur gegenüber der Bundesregierung und dem Ausgehaltenwerden, sondern auch gegenüber der Wirtschaft und einschließlich der Gewerkschaften. Der Kollege Gülich und ich haben uns neulich einmal in Rede und Zwischenruf über das Allzuviel von Einladungen und Frühstücken unterhalten. Ich warne die Presseleute, allzu viele Einladungen anzunehmen. Nun wollen Sie aber in mir nicht etwa einen Feind von Küche und Keller sehen!
In dieser Beziehung habe ich den Puritanismus meines bergischen Heimatdorfes längst aufgegeben, schon bevor ich bei der CDU aktiv wurde,
und habe mich mehr den lebensfreudigen Gewohnheiten meiner rheinischen katholischen Freunde angeschlossen.
Meine Damen und Herren, die Unkosten des Redakteurs trägt der Verlag. Ich darf Ihnen versichern, daß ich in der Beziehung nie eine billige Arbeitskraft gewesen und nie zimperlich verfahren bin. Ich habe nach dem Bismarckschen Wort gehandelt: ..Wenn sich der Deutsche seiner Kraft recht bewußt werden soll, dann muß er erst eine halbe Flasche Wein im Leibe haben, oder besser noch eine ganze."
Und die ist auch auf die Rechnung gekommen.
Der Kollege Eckhardt hat neulich etwas zaghaft angefragt, ob man den Alten Fritz zitieren dürfe, und da habe ich zwischengerufen: „Ist couleur-fähig!" Nun möchte ich einen Mann zitieren, dem man doch nach 1945 auch wieder etwas die Couleur entzogen hat und den man in den Schwarzwald geschickt hat. Verzeihen Sie, meine Herren, mit dem Begriff „Schwarzwald" verbinde ich keinen politischen Begriff,
sondern ich falle immer wieder in die reaktionäre Sprache der alten Korporationsstudenten zurück; ich bitte, das zu entschuldigen. — Also, meine Damen und Herren, einige Worte Bismarcks zum Abschluß. Eines fand ich neulich noch zitiert bei Heinrich Mann in dem Buch: „Ein Zeitalter wird besichtigt". Es ist das berühmte Wort: „Wo ich sitze, ist immer oben." Es ist an die Presse gerichtet. Ich meine nicht oben auf der Pressetribüne, sondern auch anderswo, auch bei den imitierten Hofgesellschaften dieser republikanischen Welt.
Und ein weiteres Bismarckwort, das er einmal gebrauchte, als er die preußischen höheren Beamten gegen die süddeutschen herausstrich. Ich bitte aber die Freunde aus Bayern, nicht wieder Anstoß zu nehmen; ich gebrauche es ganz allgemein, ohne die Mainlinien-Demarkierung. Er spricht einmal davon — und ich darf es ergänzen —: Wir brauchen Menschen, „deren Gerechtigkeitsgefühl durch ihren Bildungsgrad geschärft wird." Möge die Presse immer mit solchen Menschen in der Regierung, in der Verwaltung, in der Wirtschaft usw. zu tun haben; dann kann es nicht fehlen.
Meine Damen und Herren! Ich denke nicht an den Zustand ewigen. Sonnenscheins und brüderlicher Umarmung oder an die schönen Trinksprüche zwischen Suppe und Fisch bei Festessen und anderen festlichen Gelegenheiten. Ich darf zum Schluß ein Wort aus den Sprüchen Salomonis zitieren, das mein hoher Lehrmeister Wilhelm Raabe einmal als Motto einem Roman vorangestellt hat, und so denke ich mir das Zusammenleben: „Ein Messer wetzet das andere und ein Mann den anderen."