Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Wir haben nun noch 'Beschluß zu fassen über die Anträge des Petitionsausschusses, die Sie in der Ubersicht 5, Drucksache 508, verzeichnet finden. Das Haus wird mich wohl von der Pflicht dispensieren, diese Übersicht 5 zu verlesen.
Meldet sich jemand zum Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über diese Anträge und lasse abstimmen. Wer sie annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Pressepolitische Pläne der Bundesregierung )
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kalbitzer.
Kalbitzer , Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der pressepolitischen Pläne der Bundesregierung, mit der wir uns heute befassen, stellt ein sehr ernstes Anliegen des Parlaments dar, weil
*) Siehe Anlage Seite 1435
Parlament und freie Presse siamesische Zwillinge sind, die nur in Freiheit gedeihen und die ohne einander nicht leben können. Wird die Freiheit der Presse bedroht, so ist auch die Freiheit eines Parlaments in Gefahr. Kurz, für unsere parlamentarische Demokratie ist die Pressefreiheit eine Existenzfrage, wobei wir uns alle darüber einig sein werden, daß es nicht um grenzenlose Anarchie geht, sondern daß bei der Freiheit der Presse die Eingrenzung durch die allgemeinen Strafgesetze zum Schutz gegen Verleumdungen privater und öffentlicher Art notwendig ist.
Dieser speziellen Anfrage liegen eine ganze Reihe von Vorfällen der letzten Monate zugrunde, die die Befürchtung aufkommen ließen, daß in einigen Teilen der heutigen Bundesregierung Akzente spürbar werden, die eine Gleichschaltung der Presse langsam, aber sicher vermuten lassen. Dabei handelt es sich nicht darum, daß die Politik der Pressegleichschaltung so, wie wir das von den Nazirabauken her kennen, hier praktiziert wird, sondern daß ein schleichendes Gift in die Presse eingeträufelt wird, das durch Geldzuwendungen und leider auch durch Bespitzelung gekennzeichnet ist.
Meine Damen und Herren, diese Debatte hat das Schicksal, schon zweimal vertagt worden zu sein, und so ist in der Öffentlichkeit bereits ein Großteil einzelner Vorgänge diskutiert worden. Ich selber habe eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen bekanntgemacht, und zwar habe ich über die Hergabe von Geldern aus Reptilienfonds gesprochen. Ich hatte Beispiele genannt. So wurde regelmäßig der Informationsdienst einer Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauen finanziert. Der Verlag UnionPress, der eine Wahlbroschüre des Herrn Bundeskanzlers herausbrachte, wurde subventioniert. An den Michael-Verlag wurde aus Geldern des Presse-und Informationsamtes ein Zuschuß gegeben, womit eine Sonderbeilage für junge Arbeiter gedruckt wurde. Schließlich stellte man zum Bundestagswahlkampf für den Herrn Bundeskanzler — also in seiner Eigenschaft als CDU-Parteivorsitzender — einen Lautsprecherwagen zur Verfügung.
Wie zu erwarten war, sind alle diese meine Feststellungen von der Regierung dementiert worden. Aber interessanter noch als die Tatsachen selbst erscheint mir die Art der Dementis, weil diese an den von mir festgestellten Dingen haarscharf vorbeigingen. Ich habe z. B. festgestellt, daß auch der „Rheinische Merkur" Gratisabonnements mit einem Anschreiben versendet, wozu ihn das Presse- und Informationsamt aufgefordert hat. Ich habe die Dokumente — die Photokopien der betreffenden Briefe — vorgelegt. Darauf hat man dann geantwortet, daß man garantiert ;keine Tageszeitungen unterstützt habe. Nun, gerade das war von mir auch nicht behauptet worden; es ist ja darum gegangen, daß hier ganz speziell einzeln genannte Publikationen und Propagandamittel bezahlt wurden. Ich habe dann darauf hingewiesen, daß das Presse-und Informationsamt enge Beziehungen zu einer sogenannten Bundeskorrespondenz pflege, die es sich zur Aufgabe mache, kleinere Zeitungen zu bedienen, und daß diese Bundeskorrespondenz ganz oder nahezu umsonst an diese Zeitungen abgegeben werde und man dadurch gegenüber freien Korrespondenzen einen unlauteren Wettbewerb betreibe; dadurch mache man die Empfänger dieser Gratis-oder beinahe Gratisinformationen von der Finanzierung des Presse- und Informationsamtes abhängig. Der Chef des Presse- und Informationsamtes, Herr von Eckardt, hat versucht, diese Feststellung zu
dementieren. Aber ich muß sagen, daß sein Dementi eine Bestätigung war; er hat nämlich selber erklärt, daß er diese Absicht inzwischen fallengelassen habe. So kann man erfreulicherweise sagen, daß in der Frage der Bundeskorrespondenz sowohl der Protest der Presse als auch die Einbringung dieser Anfrage vor etlichen Wochen die Bundesregierung beizeiten dazu gebracht hat, von ihren dunklen Absichten zu lassen.
Ich habe weiterhin eine Reihe von Belegen vorgelegt, nach denen Herr Staatssekretär Globke die bekannten verlorenen Verleumdungsprozesse des CDU-Parteivorsitzenden, also des Herrn Dr. Adenauer, bezahlt habe. Herr Staatssekretär Globke hat das daraufhin sofort dementiert. Er hat gesagt, das habe er nicht getan, das Geld sei von der CDU gezahlt worden. Ich muß offen sagen, wir wünschten, daß diese Darstellung der Wahrheit entspräche.
— Darüber brauchen Sie nicht voreilig zu lachen! Die Belege, nach denen Herr Globke gezahlt hat, liegen mir vor und sind allgemein bekannt.
Es wäre Aufgabe des Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofes, diese Frage schnellstens zu prüfen und darüber öffentlich zu berichten, da der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, daß die verlorenen Prozesse des Parteivorsitzenden der CDU aus geheimen Fonds der Bundesregierung bezahlt worden sind.
Wir haben noch weitere Subventionen zu verzeichnen. Die „Deutsche Soldatenzeitung" existiert offenbar nicht aus eigenen Geldern, sondern erhält regelmäßig etliche tausend DM monatlich aus Bundeskassen. Ebenso ist es bei der Zeitschrift „Der Frontsoldat erzählt", der außerdem durch die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise des Herrn Kollegen Dr. Lenz Freiabonnements zugeschanzt werden. Diese Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise bezweckt offenbar nichts anderes als eben diese Art von Finanzierungen, Subventionierungen, Beeinflussungen mit Hilfe öffentlicher Gelder.
Angesichts dieser langen Liste von Tatsachen, die man fortführen könnte, ist es natürlich ein Hohn — worauf wir in der Etatdebatte bereits hingewiesen haben —, daß die geheimen Fonds der Bundesregierung auf 10 Millionen DM erhöht, also verdoppelt worden sind. Dabei möchte ich ganz klarstellen, daß wir durchaus Verständnis dafür haben und daß auch nichts dagegen einzuwenden wäre, daß die Bundesregierung einen Fonds zur freien Verfügung hat. Nur kommt es darauf an, daß die Bundesregierung — jede Bundesregierung, die solche Fonds zur freien und Geheimverfügung hat — ehrliches Spiel mit ihm treibt. In der Verfügung über einen solchen Fonds darf kein Mißbrauch der Staatsgewalt zu erblicken sein. Unsere Befürchtungen gehen aber in dieser Richtung.
Nun lassen Sie mich noch auf etwas anderes zu sprechen kommen, nämlich auf die Deutsche Presseagentur. Ich hatte festgestellt, daß man der dpa von seiten des Bundesfinanzministeriums einen Kredit angeboten habe, ohne daß er erbeten worden sei. Ich muß mich in diesem Punkt tatsächlich berichtigen; aber die Berichtigung bestätigt wiederum nur die Tatsache. Es handelte sich damals tatsächlich nicht, wie ich irrtümlich gesagt hatte, um das Finanzministerium, sondern um das Wirtschaftsministerium. Es handelte sich auch nicht um einen Kredit, sondern um eine Bürgschaft. Die Frage der Umsiedlung der Deutschen Presseagentur von Hamburg nach Bonn hat deshalb besondere Verwunderung erregt, weil die Deutsche Presseagentur selbst bisher in dieser Hinsicht keinerlei Anträge an die Bundesregierung gestellt hatte. Man sieht natürlich darin eine Gefahr, daß die dpa gegen ihren eigenen Willen in finanzielle Verflechtungen eingespannt wird, die sie zu tragen gar nicht in der Lage ist. Wie Sie wissen, ist die Deutsche Presseagentur ein unabhängiges Unternehmen von Zeitungen aller Parteirichtungen und -schattierungen. Die deutsche Presse war vor wenigen Jahren noch finanziell derart geschwächt, da sie 1945 aus dem Nichts aufbauen mußte. 15 Millionen DM an GARIOA-Krediten wurden ihr zu billigen und günstigen Bedingungen zur Verfügung gestellt. Jetzt, vier Jahre nachher, soll einem Unternehmen dieser Presse, die also noch vor wenigen Jahren eine in Höhe von 15 Millionen DM in Anspruch nahm, die sie selber nicht beschaffen konnte, zugemutet werden, selbst einen Umzug zu finanzieren, der schätzungsweise 4 Millionen DM kosten wird. Ich bitte Sie, daran zu denken, daß dieser Umzug ja in kleinem Maßstab etwa dieselbe Situation herbeiführen würde, wie sie beim Aufbau dieser provisorischen Bundeshauptstadt bestand. 1949 sagte man, daß der Umzug bzw. Aufbau 3,8 Millionen DM kosten würde, und die niedrigsten Schätzungen der Kosten beliefen sich im Jahre 1954 auf mindestens 200 Millionen DM.
Wir halten es für außerordentlich bedenklich, die Deutsche Presseagentur in eine Situation zu bringen, in der ihr Verpflichtungen auferlegt werden, denen sie nachher nicht aus Eigenem nachkommen kann, womit sie in finanzielle Abhängigkeit kommt. Das voreilige Angebot einer Bürgschaft von seiten der Bundesregierung läßt Befürchtungen in dieser Richtung als berechtigt erscheinen.
Wir haben dann in unserer Großen Anfrage — die ja schon Anfang März an die Bundesregierung gerichtet wurde, also über zwei Monate alt ist — eine Reihe spezieller Fragen behandelt. Es handelt sich zunächst darum, ob die Bundesregierung künftig Presseinformationen aus den Regierungsbehörden n u r über das Presse- und Informationsamt lenken will. Der Bundespressechef hat diese Befürchtung verneint, aber mit einer Einschränkung, indem er gesagt hat: Nein, man wolle das Informationsrecht der einzelnen Ministerien keinesfalls beschränken, wenn es sich nicht um wichtige und um außenpolitische Fragen handle. Aber die Presse hat ja gerade ein Interesse daran, sich bei wichtigen Fragen frei informieren zu können, weil unwichtige Fragen bekanntlich auch für die Presse nicht von großem Nutzen sind. Man hat deshalb daran die Frage geknüpft, ob man damit etwa die Disziplin innerhalb der Regierung, innerhalb des Kabinetts künstlich stützen müsse und ob man damit etwa eine Zensur der Minister verfolge.
Punkt 1 b der Großen Anfrage habe ich schon kurz behandelt. Er betrifft die Frage der PresseKorrespondenz. Ich kann hierzu mit Freude sagen, daß die bloße Anfrage die Bundesregierung zu einer Berichtigung ihrer Haltung geführt hat.
Wir kommen dann zu der Frage 1 c, die sich auf das Verhältnis des Presse- und Informationsamts zum Verfassungsschutzamt bzw. zu anderen Geheimdiensten bezieht. Auch diese Frage wurde dem Bundespressechef vor längerer Zeit, am 25. Februar, vorgelegt. Er wurde gefragt, ob Spitzelei eines Geheimdienstes durch das Presseamt erfolgt sei. Darauf hat Herr von Eckardt, der zunächst versuchte, die Sache in Bausch und Bogen abzutun, dann doch ins einzelne gehend festgestellt, daß auch seine Telephonate, also die Telephongespräche des deutschen Bundespresse-und Informationsamtschefs, abgehört werden.
Aber er schlug vor, daß man sich um dieses Abhören der Telephongespräche gar nicht kümmern
sollte. Nun frage ich Sie: wie soll es den einzelnen
Journalisten und den einzelnen Bürgern in
Deutschland gehen, wenn schon der Presse- und
Informationschef der Bundesregierung selber zugeben muß, daß er auf diese Art bespitzelt wird?!
Man darf daran wohl die Frage knüpfen, ob der in der Beamtenhierarchie Herrn von Eckardt vorgesetzte Staatssekretär Globke, dem in seiner Eigenschaft als Staatssekretär auch ein Geheimdienst untersteht, etwa darüber Auskunft geben könnte, wer Herrn von Eckardt bespitzelt.
— Das kann man wie bei Geheimdiensten immer ad infinitum fortsetzen, und so ergibt sich das „spaßige" Spiel des Kampfs der Geheimdienste unter- und gegeneinander, von dem wir in den letzten Wochen in der deutschen Presse etliches lesen mußten.
Die Arbeit des Presse- und Informationsamts zeigt sich auch in einem anderen Fall, den ich kurz zur Sprache bringen möchte. Zur Bundestagswahl wurde ein französischer Journalist, der hier in Bonn arbeitet, eingeladen, im Zuge des Bundeskanzlers die Wahlkampfreise mitzumachen. Der Journalist hat dieses Angebot selbstverständlich gern angenommen, hat aber dabei gefragt, ob er die Fahrkarte für diese Reise beim Presse- und Informationsamt oder bei der CDU zu bezahlen habe. Er mußte erleben, daß das Presse- und Informationsamt auf diese berechtigte Frage des Journalisten gar keine Antwort wußte, weil man gar nicht im Sinn hatte, daß es eine selbstverständliche Grundanschauung der freien Journalisten ist, daß sie sich zwar Gefälligkeiten zur Vereinfachung ihrer schweren Arbeit gerne bieten lassen, daß sie aber auf ihre finanzielle Unabhängigkeit in jedem Falle aufs schärfste bedacht sind.
Lassen Sie mich zu dieser Frage der Unabhängigkeit der Presse und der Unabhängigkeit von aller
Einflußnahme durch die Bundesregierung zum
Abschluß ein Zitat bringen, welches der Beauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung,
der wohl in Personalunion mit dem Präsidenten
des Bundesrechnungshofs vereinigt ist, bei einer
Prüfung in einem Gutachten über das Presse- und
Informationsamt vor etwa zwei Jahren gesagt hat.
Ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus
diesem Gutachten zitieren. Das Gutachten heißt:
Als weitere Aufgabe des Bundespresseamts ist
die staatspolitische Aufklärung anzuerkennen,
d. h. die Unterrichtung der Öffentlichkeit im
Inland und Ausland über die Ziele der Maßnahmen der Bundesregierung. Es ist selbstverständlich, daß es dabei die immer nur schmalen Grenzen zwischen staatspolitischer und parteipolitischer Aufklärung sorgsam zu achten und sich insbesondere von einseitiger Propaganda fernzuhalten hat. Parteipolitik zu vertreten, ist Aufgabe der Parteien selbst.
Diese schmale Grenze, von der das Gutachten spricht, zwischen staatspolitischen Aufgaben und Parteipropaganda ist von einer kleinen Gruppe, wie mir scheint, innerhalb der Bundesregierung längst überschritten worden.
Wenn nicht endlich auch von Ihrer Seite, meine Damen und Herren von der Koalition, hiergegen energisch protestiert wird, wird uns die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse auf leisen Sohlen abhanden kommen.
Den fälligen Dementis der Bundesregierung zu meinen Feststellungen sehe ich mit Interesse entgegen. Aber wichtiger, als Dementis zu fabrizieren, ist es, den guten Willen aufzubringen, diese Mißstände zu beenden; denn sonst quälen wir die Pressefreiheit und damit schließlich das freie Parlament eines Tages zu Tode.
Ich bitte deshalb, in diesem Sinne auch dem Umdruck 18*) Ihre Zustimmung zu geben und sich von der Seite der Bundesregierung nicht darauf zu beschränken, die über zwei Monate alte Große Anfrage der Form nach zu beantworten, sondern zu den hier getroffenen Feststellungen freimütig und offen Rede und Antwort zu stehen.