Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Betrachtung des Hauhaltsplans des Auswärtigen Amts sollte man die Karte heranziehen, die das Auswärtige Amt über den augenblicklichen Stand der Auslandsvertretungen der Bundesrepublik hat drucken lassen. Man wird mit großer Befriedigung feststellen, daß der Umfang der diplomatischen und konsularischen Vertretungen, wie er vor 1939 bestand, im wesentlichen wieder erreicht ist, mit Ausnahme natürlich des „weißen Flecks".
Bei meinen Ausführungen über die Auslandsvertretungen möchte ich insbesondere die konsularischen Vertretungen behandeln. Ich glaube, daß ich dabei als hanseatischer Abgeordneter auch der Befriedigung derjenigen Deutschen Ausdruck geben darf, die nicht in diesem Hause vertreten sein können, weil sie im Ausland, insbesondere in Übersee, leben. Deren Schicksal bildet ja eine der Hauptsorgen der konsularischen Vertretungen.
Man muß sich darüber klar sein, daß in diesem Augenblick, in dem das Leben der Auslandsvertretungen wieder anfängt, sich wirklich lebendig zu gestalten, doch der Ausgangspunkt ein sehr viel anderer ist, als er ursprünglich zu der Zeit war, in der die konsularischen Vertretungen geschaffen wurden. Wann wurde ein Konsulat errichtet? Wenn es sich als notwendig erwies, den Handel Deutschlands im Auslande zu unterstützen und die Deutschen, welche im Auslande lebten, zu betreuen. Heute ist das leider in mancher Beziehung ganz anders. Ich kam auf einer Reise in Ostasien vor einem Jahre in eine der großen Handelsemporien jenes Gebietes. Dort lebten sieben Deutsche, einschließlich Frauen und Kinder. Heute hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt; denn an diesen Ort ist eine konsularische Vertretung gekommen, die ebenso viele Personen mitgebracht hat. Ich glaube, an diesem Beispiel zeigt sich sehr deutlich, was ich sagen möchte. Wir haben die Stäbe draußen, aber wir haben noch kein Fußvolk. Die Auslandsniederlassungen sind während des Krieges zerstört worden, ihr Vermögen ist mit den 20 Milliarden DM Auslandsvermögen, die verlorengegangen sind, untergegangen, und die Deutschen, welche dort lebten, sind in die Heimat zurückgekehrt, soweit sie nicht ein härteres Schicksal gehabt haben. Unter den sieben Personen, die ich an jenem Orte fand, war keiner, der eine Niederlassung einer der Firmen zu betreuen gehabt hätte, die zum Teil schon vor hundert Jahren an diesem Orte bestanden haben.
Hier komme ich auf den Punkt, der mir wichtig zu sein scheint: daß es nämlich die Aufgabe des Auswärtigen Amts sein müßte, nicht nur draußen für den Handel und für die Deutschen zu sorgen, sondern auch von der Zentrale aus mehr, als das bisher in der Zuständigkeit des Auswärtigen Amts gelegen hat — wie ich sehr wohl weiß —, die Betreuung zu übernehmen. Stellen Sie sich die Bundesrepublik einmal als ein sehr großes, sehr stark produzierendes Unternehmen vor. Ein solches Unternehmen hat verschiedene Sparten. Die eine ist die Produktion; hier liegt der Schwerpunkt. Die Produktion der Bundesrepublik ist zweifellos in einem ganz überraschenden Maße — wenn man an 1945 denkt — wieder in Gang gekommen. Auch die Verkaufsabteilung scheint mir völlig in Ordnung zu sein; denn die Exportziffern, die wir erleben, sind sehr beträchtlich. Auch die Finanzabteilung ist im wesentlichen in Ordnung, mit einer Ausnahme: es scheint mir, daß die Inkassoabteilung dieses Unternehmens Bundesrepublik in mancher Beziehung noch nicht so ist, wie sie sein sollte. Dasselbe gilt für die Einkaufabteilung. Diese Einkaufsabteilung ist der Überseehandel. Er kann nur wiederhergestellt werden, wenn die Auslandsniederlassungen wiederhergestellt werden.
Wir haben zur Zeit auf die Preisgestaltung der bedeutenden Rohstoffe in der Welt praktisch gar keinen Einfluß. Sie werden mich vielleicht fragen, ob wir denn früher Einfluß gehabt haben. Ich glaube, diese Frage ist zu bejahen. Wenn Sie sich daran erinnern wollen, daß die Bremer Baumwollkaufleute es im Laufe der Jahre durch Fleiß und Geschicklichkeit erreicht hatten, an ihrer Baumwollbörse mehr Geschäft zu bewältigen, als es in Liverpool der Fall war — einer der beträchtlichen Siege des deutschen Handels —, dann wird Ihnen klar sein, daß wir natürlich auch auf die Preisgestaltung eines solchen Rohstoffes Einfluß hatten, einen Einfluß, den wir uns wiedergewinnen sollten. Dasselbe gilt für manche andere Rohstoffe, vor allem im afrikanischen und im asiatischen Raum. Beim Bremer Baumwollhandel liegt es nun nach zuverlässigen Ziffern, die mir zugegangen sind, etwa so, daß infolge der Riesenverluste des Handels im Ausland die Kapitalbasis auf etwa ein Drittel zurückgegangen ist; die Baumwollpreise aber find auf das Vierfache gestiegen. Angesichts der etwa auf ein Zwölftel des Bedarfs herabgesunkenen Kapitalbasis gilt es, aufbauend zu helfen.
In dieser Richtung haben wir eine besondere Bitte an das Auswärtige Amt: beim Bundesfinanzminister mit uns dahin vorstellig zu werden, daß die Unterstützung durch das Rembourskreditgesetz, das im Kielwasser der Schuldenregelung erschien, nunmehr durchgeführt wird. Diejenigen Damen und Herren — ich gehörte nicht dazu —, welche an diesem Gesetz mitgewirkt haben, sind der Auffassung, daß es in einer bestimmten Weise durchgeführt werden muß. Schließlich muß der Bundestag am besten wissen, was er beschlossen hat, nicht die Herren Referenten, wenn sie ihre Kommentare schreiben. Ich hoffe, daß diese Sache bald bereinigt wird; denn sie wird eilig. Die Auslandskredite werden nach der Schuldenregelung nun abgerufen, und man muß wissen, wo man steht. Es wäre schade, wenn die Kreditwürdigkeit von Firmen, die zum Teil über hundert Jahre alt sind, durch ihre ausländischen Gläubiger in Zweifel gezogen würde.
Nun zur Frage der Unterstützung von Auslandsniederlassungen. Ich bin bestimmt kein Freund von Subventionen. Wir dürfen wohl sagen, daß die Hansestädte niemals Freunde von Subventionen gewesen sind. Wohl aber glauben wir, daß der Anteil, den der Überseehandel bisher an den gegebenen Kreditmöglichkeiten hatte, ungewöhnlich klein ist. Ich habe hier den Jahresbericht des Füllhorns, aus dem die Bundesregierung die Unterstützung an die Wirtschaft gibt, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, und ich habe mich bemüht, den Handel darin zu finden. Es sind da im ganzen 6 660 Millionen DM verplant worden. Der Handel findet sich unter den Krediten an die „sonstigen Industrien", wobei eine Fußnote besagt, daß wegen der „Geringfügigkeit der Beträge" der Handel nicht aus den sonstigen Industrien ausgegliedert sei. Der Handel figuriert darin mit 7 Millionen DM. Das ist also nicht einmal mit Prozentsätzen auszudrücken, sondern nur mit etwa 1 bis 2 Tausendstel des verplanten Geldes zu bemessen. Das ist wirklich keine richtige Proportion. Die Mittel, welche durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau ausgeteilt werden, kosten nicht viel Zinsen. Sie werden sich erinnern, daß dieses Haus im vorigen Jahre das Abkommen mit den Vereinigten Staaten über die Nachkriegshilfe verabschiedet hat. Der Prozentsatz, der dort in Frage kommt, ist 2 1/2%. Wenn eine Spanne von 2 1/2 bis 7 1/2%, also 5 % einbehalten wird, so ist das reichlich; und wenn wir berücksichtigen, daß die Unternehmungen, für die wir Kredite wünschen, mit viel niedrigeren Zinsbedingungen als in Deutschland in Konkurrenz stehen, so ist es, glaube ich, nicht zuviel, wenn wir erwarten, daß diese merkwürdige Lage überprüft wird.
Noch etwas anderes macht uns auf diesem Gebiete Schwierigkeiten. Das ist die verwirrende Form der Zuständigkeiten hier. Ich habe mich schon ziemlich lange mit diesem Gebiet beschäftigt und, wie ich schon erwähnte, auch einige Reisen gemacht, um wirtschaftliche Fragen sowohl in Ostasien als auch in den Vereinigten Staaten zu prüfen. Das Auswärtige Amt hat uns eine sehr schöne Übersicht über die Ordnung in seinem Hause gegeben. Es wäre sehr dankenswert, wenn dieses kleine Werk ergänzt werden könnte durch einen Führer durch diejenigen Dienststellen, welche für Übersee zuständig sind. Ich habe mindestens vier Ministerien feststellen können; es sind das das Auswärtige Amt, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium. Meine Damen und
Herren, es ist für den Überseedeutschen leichter, sich in Buenos Aires oder in Singapur zurechtzufinden als in Bonn.
Ich habe hierbei etwas sehr Ernsthaftes im Sinne. Ich glaube, daß die handelspolitische Arbeit des Auswärtigen Amtes, welche in den Auslandsvertretungen jetzt erst wieder voll zum Zuge kommt, auf Grund der Berichterstattung vom Ausland her und auf Grund der besonderen Kenntnis, die sich die Beamten des Auswärtigen Amtes im konsularischen Dienst erwerben und die sie dann hierher mitbringen, auch in der Zentrale sehr viel mehr Gewicht haben müßte. Es gibt in verschiedenen Auswärtigen Ämtern des Auslands Planungsabteilungen. Das ist insbesondere beim State Department der Fall, jedenfalls auf politischem Gebiet. Mir liegt es völlig fern, etwa die Einrichtung einer Planungsabteilung des Auswärtigen Amtes anregen zu wollen. Ich bin überzeugt, daß sie nach wie vor im Palais Schaumburg liegt und dort ausgesprochen gut untergebracht ist. Aber wäre nicht eine Art zentrale Planung auf handelspolitischem Gebiet zu erwägen?
Ich sage das noch aus einem anderen Grunde. Die anderen Länder sind uns in dieser Beziehung zweifellos voraus. Ich denke z. B. daran, daß der in der internationalen Presse viel zitierte Randall-Bericht in den Vereinigten Staaten in der zweiten Hälfte des Januar herausgekommen ist und wir jetzt lesen, daß er bereits Ende März zum Gegenstand gesetzgeberischer Vorschläge des Präsidenten gemacht worden ist. Wenn wir andererseits aus der Presse eninehmen, wie das englische Unterhaus und andere Instanzen in England sich mit dem Schicksal des Ostasienhandels beschäftigen, so muß ich sagen, daß dies doch den Gedanken nahelegt, daß bei uns auf diesem Gebiet noch manches geschehen könnte, z. B. etwa eine Auswertung des Straßburg-Planes oder der Ergebnisse der Westminster-Konferenz.
Dabei fällt aber noch ein Weiteres auf. Die Vereinigten Staaten, die bereits über ein sehr beträchtliches Auslandsvermögen verfügen, bearbeiten nunmehr Gesetzesvorschläge, die zum Inhalt haben, daß die Investierung im Ausland besondere Vorzüge steuerlicher und anderer Art genießen soll. Man hat uns oft gesagt, daß man daran bei uns ja gar nicht denken könne; denn so viel Kapital hätten wir nicht und wir hätten auch nicht die nötigen Devisen. Meine Damen und Herren, diese Stufe ist bereits überschritten. Sonst wären die Ereignisse in Brasilien nicht möglich gewesen, wo wir nun gezwungen werden zu investieren. Der Herr Bundeskanzler wird zweifellos in der Türkei den Eindruck gewonnen haben, daß die allgemeine Politik mit der Handels-, aber auch der Finanzpolitik gegenüber diesem Lande untrennbar verbunden ist.
Ich komme auf den letzten Punkt: die Finanzpolitik. Wo liegt eigentlich die internationale Finanzpolitik bei uns? Wenn ich es recht verstanden habe, liegt sie beim Auswärtigen Amt; denn das größte internationale finanzpolitische Ereignis, das wir nach 1945 erlebt haben, die Londoner Schuldenkonferenz, lag in der Kompetenz des Auswärtigen Amtes, und der Herr Bundeskanzler delegierte in seiner Eigenschaft als Außenminister Herrn Abs, um diese Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Ich glaube, auf diesem Gebiet wird noch mancherlei auf uns zukommen, und zwar recht bald. Unsere Position in der internationalen
Finanz ist nicht so blühend, wie sie nach den Ausweisen, die veröffentlicht werden, zu sein scheint. Erst bei der Analyse weiß man genau, wie prekär sich manches herausstellen wird, wenn es einmal zu einer außerordentlichen Krise kommen sollte. Gott möge sie verhüten, aber immerhin muß sie rechtzeitig ins Auge gefaßt werden.
Um zusammenzufassen, was ich meine, darf ich vielleicht folgendes sagen: Der Herr Bundesfinanzminister hat manches Mal in seinen Reden auf die Gestaltung des persönlichen Haushalts zurückgegriffen, den jeder einzelne von uns führt. Wenn im persönlichen Haushalt die Einkäufe nicht auf dem Wochenmarkt oder beim Krämer an der Ecke, sondern in der teuersten Delikatessenhandlung auf der Hauptstraße getätigt werden, so wird das allgemeine Entrüstung beim Haushaltsvorstand erregen. Aber, meine Damen und Herren, was wir zur Zeit tun, ist, daß wir, international gesehen, in den Delikatessenläden kaufen, viel zu teuer. Das, glaube ich, kann durch zweckmäßiges Zusammenarbeiten und insbesondere mit Hilfe des Auswärtigen Amtes anders werden.