Rede von
Dr.
Gerhard
Lütkens
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausgaben im ordentlichen Haushaltsplan des Auswärtigen Amts werden in diesem Jahre auf 152 Millionen veranschlagt. Es soll eine Erhöhung um 37 Millionen eintreten, von der nur ein Teil auf die Errichtung neuer Auslandsvertretungen zurückzuführen ist. Meine Fraktion muß die Art und Weise beanstanden, in der dieser Haushaltsplan dem Hause vom Ministerium zugeleitet worden ist. Er ist so verspätet vorgelegt worden, daß in den Ausschüssen kaum, in Wirklichkeit keine Zeit für eine sachgemäße Prüfung gegeben worden ist. Der Auswärtige Ausschuß hat überhaupt keine Gelegenheit gehabt, sich mit dem Haushaltsplan zu beschäftigen. Schlimmer aber ist, daß auch der Haushaltsausschuß dazu nicht hat kommen können.
Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan des Auswärtigen Amts wurde diesem Hohen Hause für die erste Lesung in einer nicht vollendeten Form vorgelegt und in dieser Form dem Haushaltsausschuß überwiesen. An zwei Stellen, sowohl was den Organisations- und Stellenplan der Zentrale in Bonn wie was die Pläne für die Auslandsvertretungen anlangt, fand sich in dieser Vorlage der Vermerk, daß Pauschbeträge eingesetzt worden seien. Es heißt dann weiter wörtlich:
Ein von dem Bundesfinanzministerium anerkannter Organisations- und Stellenplan . . . sowie Vorschläge für eine Neufassung dieses Ausgabenabschnitts werden baldigst nachgereicht.
Fertiggestellt — in den interministeriellen Besprechungen fertiggestellt! -- sind diese Pläne, wie man den später nachgereichten Drucksachen entnehmen kann, am 18. Dezember vorigen Jahres. Vorgelegt worden sind sie im Haushaltsausschuß zwei Monate später, am 18. Februar, d. h. an dem einzigen Tage, an dem der Haushaltsausschuß nach den zeitlichen Plänen dieses Hohen Hauses in eine sachliche Kritik dieser Pläne hätte eintreten können. So, meine Damen und Herren, wird, wie ich glaube, eine ordnungsmäßige Kontrolle der Ausgaben eines Ministeriums verhindert, und mir scheint dieser Ablauf in der Tat symptomatisch zu sein für eine Haltung gegenüber der Volksvertretung, die sich auch bei anderen Anlässen auf seiten dieses Ministeriums, nämlich des Auswärtigen Amts, gezeigt hat.
Ich will hier nicht lange in die Materie eintreten; die Zeit läuft schnell, und wir haben heute schon sehr viel Zeit für natürlich notwendige Beratungen gebraucht. Aber ich darf Sie daran erinnern, daß schon in der ersten Wahlperiode im Auswärtigen Ausschuß immer wieder darauf hat hingewiesen werden müssen, daß gerade dieses Ministerium bei den Beratungen des Ausschusses nicht immer vertreten gewesen ist, daß er sehr oft in Abwesenheit sowohl des Herrn Außenministers wie des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, also in Abwesenheit von Sprechern der Bundesregierung, die sich für die Regierung verantwortlich äußern können, hat verhandeln müssen und daß wir es leider auch haben erleben müssen, daß solche im Grunde nicht verantwortliche Sprecher der Bundesregierung bei ernsten Angelegenheiten im Auswärtigen Ausschuß Aufklärungen gegeben und Feststellungen getroffen haben, von denen ich nicht weiß, ob verantwortliche Sprecher der Regierung sie gegeben bzw. getroffen hätten, die aber in deren Abwesenheit vom Ausschuß haben hingenommen werden müssen und von denen festzustellen ist, daß sie in der Sache nicht zutreffend gewesen sind.
Ich beziehe mich hier insbesondere auf den Fall eines Herrn, der lange Zeit Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts bzw. Delegations-
führer gewesen ist, der aber jetzt, wie ich höre, aus dem Dienst ausgeschieden ist, so daß man auf die Sache nicht mehr lange einzugehen hat. Ich stelle fest, daß ich manchmal jedenfalls für meine Person den Eindruck bekommen habe, daß diese Auskünfte geradezu mit irreführender Absicht abgegeben worden sind.
Ich wäre vielleicht auf diese Verhältnisse im Auswärtigen Ausschuß gar nicht eingegangen, wenn sich in den letzten Wochen nicht auch gezeigt hätte, daß dieses reichlich „kavaliersmäßige" Verhalten des Auswärtigen Amts .und seiner verantwortlichen Leiter die Arbeiten des Plenums und die darin zum Ausdruck kommenden Rechte der Volksvertreter und des Hohen Hauses als Ganzen zu gefährden droht. Ich beziehe mich darauf, daß wir gemäß unserem Recht in der Fragestunde Fragen an das Auswärtige Amt bzw. seine Verantwortlichen gestellt haben und keine Antwort bekommen konnten, weil niemand anwesend war. Die Herren waren auf Reisen, der Herr Bundesminister in wichtigen politischen Geschäften, der Herr Staatssekretär im Gefolge, wie ich annehme. Jedenfalls war es unmöglich, in diesem Hohen Hause das zu tun, was Aufgabe dieses Hohen Hauses ist. Ich bin der Meinung, daß es mit diesem Ministerium in dieser Weise nicht fortgehen kann.
Ich bedaure, daß der Herr Bundesfinanzminister — ich glaube, er ist nicht anwesend —, der sich doch sonst mit gutem Recht auf seine Härte viel zugute tut, in den interministeriellen Besprechungen mit dem Auswärtigen Amt es an dieser Härte, wie mir scheint, hat fehlen lassen. Ich habe den Eindruck, daß die bürokratische Leitung des Auswärtigen Amts allmählich einen sehr großen Magen bekommen hat, der viel verdauen will. Ihre Ansprüche beginnen offenbar allmählich ins Maßlose zu wachsen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, hat der Herr Bundesfinanzminister 12 neue Auslandsvertretungen zugebilligt. Gefordert hatte das Auswärtige Amt nach meinen Informationen nicht weniger als 35. 30 neue Stellen bei schon bestehenden Auslandsvertretungen hat der Herr Bundesfinanzminister zu meinem Bedauern in diesen interministeriellen Besprechungen zugebilligt. Soviel mir bekannt ist, hatte die bürokratische Leitung des Auswärtigen Amts nicht weniger als 183 neue Stellen für höhere Beamte und Angestellte für schon bestehende und meistens seit langer Zeit arbeitende Auslandsvertretungen neuerdings angefordert.
Ich für meine Person habe guten Grund, anzunehmen, daß sich der Auswärtige Dienst schon bisher einer Überfülle an höheren Beamten und Angestellten erfreut, und zwar dürfte das mehr für die Auslandsvertretungen als für die Zentrale in Bonn gelten. Ich darf mich zur Stützung dieser meiner Ansicht auf folgenden Tatbestand beziehen. Auf Anregung meiner Fraktion ist der Rechnungshof gebeten worden, bei Gelegenheit Auslandsvertretungen zu prüfen und zu untersuchen. Es ist in der Tat in einigen Fällen geschehen. Wie ich gehört habe, ist es den Beamten des Rechnungshofes bei ihren Besuchen in Auslandsvertretungen in allen Fällen aufgefallen, daß es dort zu viele Beamte oder Angestellte in höheren Stellen gibt, und sie haben dieser ihrer Meinung auch in schriftlich an das Auswärtige Amt eingereichten Gutachten Ausdruck gegeben. Sie äußern sich — ich glaube, das kommt in den Berichten ebenfalls vor — auch dahin, daß, selbst wenn die Leiter dieser Auslandsvertretungen ihrer Zentrale zur Kenntnis bringen, daß sie innerhalb ihrer Behörden — sinngemäß — keine neuen Beamten mehr beschäftigen könnten, ihnen einfach planmäßig, verplant, wie mir scheint, neue Kräfte zugeleitet werden, nur um das Soll zu erfüllen. Das, glaube ich, sind Zustände, die auch unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit — ich will hier gar nicht von den Gesichtspunkten sachlicher Arbeit sprechen — nicht zugelassen werden dürfen. Ich gebe der Erwartung Ausdruck, daß solche Berichte des Rechnungshofes aus der Vergangenheit und auch in der Zukunft dem Haushaltsausschuß zugeleitet werden.
Dasselbe gilt für eine Denkschrift, die meines Wissens im Auswärtigen Amt hergestellt worden ist, nämlich eine Denkschrift, die von seiten des Haushaltsausschusses angefordert worden war und die sich damit beschäftigen sollte, welche Bezüge andere Staaten ihren im Ausland beschäftigten Beamten' geben, um auf diese Weise einen Vergleich der im deutschen Auswärtigen Dienst im Ausland gezahlten Bezüge mit den Bezügen zu ermöglichen, die von anderen Staaten für angemessen gehalten werden. Wir geben der Erwartung Ausdruck, daß diese Denkschrift dem Haushaltsausschuß zugeleitet wird, bevor über die noch gesperrten Stellen beraten wird, die erst nach Prüfung durch den Herrn Sparkommissar im Haushaltsausschuß wieder zur Erörterung gestellt werden sollen, damit eine bessere Basis für eine sachliche Beurteilung der Notwendigkeiten gegeben ist.
Ich mache darauf aufmerksam, daß eine allzu hohe Bezahlung der Auslandbeamten — ich glaube, aus der Denkschrift, von der die Rede ist, wird auch ersichtlich sein, daß die Bundesrepublik in sehr vielen Fällen in dieser Hinsicht recht großzügig und großzügiger als andere Staaten vorgeht —, daß ein unnötig großer Niveauunterschied zwischen den im Inland und den im Ausland gezahlten Gehältern und Zuschlägen dahin führen muß, daß bei den im Auswärtigen Dienst und insbesondere in der Zentrale beschäftigten Beamten ein ungebührlicher Drang ins Ausland Platz greift.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Antrag verweisen, den meine Fraktion auf Umdruck 25 vorgelegt hat. Herr Präsident, ich darf Sie bitten, ein Versehen, das auf diesem Umdruck 25 passiert ist, zu berichtigen. Wir legen hier nicht eine Entschließung zur Beratung des Haushaltsplans, sondern einen Antrag vor. Der Antrag geht dahin, den bisher schon im Haushaltsplan vorgesehenen Inspekteur nunmehr zu ernennen, ihm zwei befähigte und geeignete Beamte zur Verfügung zu stellen, damit die Auslandsstellen in einer systematischen Weise durchgekämmt und auf ihre zweckmäßige Organisation, die sachgemäße Verwendung von Mitteln und natürlich auch die Notwendigkeit der vorliegenden Arbeiten hin geprüft werden können. Für eine solche Aufgabe ist das Auswärtige Amt in seiner Zentrale nicht befähigt. Diese Aufgabe kann es nicht übernehmen. Die Versuche, die, wie ich glaube, seit einiger Zeit gemacht werden, willkürlich eine große Anzahl — wie mir scheint — von Beamten auf Reisen zu schicken, um durch Stippvisiten die Verhältnisse an diesen oder jenen Orten zu prüfen, können zu keinen vernünftigen Ergebnissen führen.
Es ist nicht möglich, bei Gelegenheit dieser Aussprache im Plenum des Hohen Hauses das nachzuholen, was durch Versäumnis, Zaghaftigkeit oder vielleicht aus Absicht des Auswärtigen Amts im Haushaltsausschuß nicht hat geschehen können.
Diese Arbeit wird in Zukunft in den Ausschüssen
und insbesondere natürlich im Haushaltsausschuß
— aber, wie ich glaube, zweckmäßigerweise auch in einer Art Vorbesprechung im Auswärtigen Ausschuß — getan werden müssen. Meine Fraktion glaubt, daß man im Bereich des Auswärtigen Amts und des Auswärtigen Dienstes eine Übersetzung mit Personal, insbesondere eine Kopflastigkeit in der Besetzung mit Personal — nämlich eine zu große Anzahl von höheren Beamten und Angestellten im Verhältnis zu einer zu geringen Zahl von Beamten des gehobenen und mittleren Dienstes sowie sonstiger Hilfskräfte — feststellen kann,
— Zustände, die dahin führen, daß, wie man sich auch gelegentlich durch Augenschein im Ausland überzeugen kann, höhere Beamte oder Angestellte damit beschäftigt sind, Zeitungsausschnitte auf Papier zu kleben und derartige Arbeiten zu verrichten, für die höchstfalls Hilfskräfte eingesetzt werden sollten. Dies geschieht einfach deshalb, damit diese unglücklichen Menschen mit hoher Bezahlung eine Beschäftigung finden.
Wir glauben auch nicht, daß bisher im Auswärtigen Amt — und nicht nur aus Gründen, die beim Auswärtigen Amt liegen — eine sachlich unbedingt befriedigende Personalauswahl hat stattfinden können. Wir glauben auch nicht, daß eine unbedingt zweckmäßige Organisation der Arbeit im Auswärtigen Amt vorliegt. Wir bedauern aus diesem Grunde und aus den Gründen, die ich angedeutet habe, ganz besonders, daß der hierfür in erster Linie verantwortliche Staatssekretär des Auswärtigen Amts sich dieser seiner Hauptaufgabe so wenig widmet oder so wenig widmen kann.
Ich möchte einige wenige Worte über das nun seiner Vollendung entgegengehende Gebäude für das Auswärtige Amt sagen, das mit großen Kosten in Bonn errichtet worden ist. Ich ersehe mit Überraschung aus dem Haushaltsplan, daß die Absicht besteht — wenn auch nicht ganz in dem Umfang, der im Haushaltsplan angedeutet wird —, neben diesem sehr großen Gebäude noch weitere gepachtete oder angemietete Gebäude für die Zwecke des Auswärtigen Amts zu benutzen.
Diese Absichten betreffen, soviel ich unterrichtet bin, insbesondere eine Reihe von Gebäuden, die in der Koblenzer Straße stehen. Ich für meine Person behaupte, Herr Bundeskanzler, daß in dem recht teuren neu errichteten Gebäude reichlich Platz ist, um die ganze Behörde des Auswärtigen Amts unterzubringen, ja, daß sogar mehr Platz ist, als für diese Zwecke notwendig wäre, sofern nur endlich einmal der bürokratische Apparat des Auswärtigen Amts zweckmäßiger organisiert würde, als das zur Zeit der Fall ist.
Hinsichtlich der Frage der inneren Organisation des Auswärtigen Amts will ich mich auf wenige Bemerkungen beschränken. Ich möchte besonders die Aufteilung in der Bearbeitung der politischen Angelegenheiten zwischen zwei Abteilungen kritisieren. Ein Teil der politischen Aufgaben wird in der Abteilung III, der Länderabteilung, ein anderer Teil in der Abteilung II behandelt. Ich glaube, daß das sachlich unzweckmäßig und im übrigen unnötig kostspielig und unnötig umständlich ist. Es führt dazu, daß die Länderabteilung ohne Fühlung mit den politischen Entscheidungen arbeiten muß. Es führt dazu, daß das von der Länderabteilung auf Grund des ihr zufließenden Materials Erarbeitete nicht in einer zweckmäßigen Weise für die politischen Entscheidungen fruchtbar gemacht werden kann. Ich bin auch der Meinung, daß die vor allen Dingen von Chefs von Auslandsbehörden so oft beklagten Zustände damit zusammenhängen, daß sie ohne Weisungen dastehen, und daß die von ihnen übersandten Berichte in Bonn nicht ausgewertet werden. Ich kann mich zu den Einzelheiten dieser Behauptungen nicht äußern, aber ich habe den Eindruck gewonnen, daß sie nicht einfach aus der Luft gegriffen sein können. Ich bin der Meinung, daß die Abteilung II möglichst bald derart aufgeteilt werden müßte, daß der größere Teil dieser Abteilung mit der Abteilung III in eine Politische Abteilung zusammengefaßt und der Rest dem Büro des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts angegliedert wird.
Hier darf ich am Rande folgendes bemerken. Mich berührt es eigenartig, und es wird, glaube ich, viele eigenartig berühren, daß das Saarreferat nach dem neuen Ordnungsplan mit den vielen Nullen in die Unterabteilung für zwischen- und überstaatliche Organisationen und nicht, wie man doch wohl erwarten sollte, in die Unterabteilung „Allgemeine Außenpolitik", und zwar inbesondere in das dort vorhandene Deutschlandreferat, eingegliedert ist.
Diese Aufteilung der politischen Aufgaben auf zwei verschiedene Abteilungen ist, wie ich glaube, in ihren Konsequenzen durch die räumliche Trennung verschlimmert, die jetzt besteht und die, wie es scheint, auch nach Errichtung dieses neuen großen Gebäudes nicht beseitigt werden soll. Im Auswärtigen Amt zeigen sich gewisse Neigungen zur Entwicklung eines neuen Organisationsprinzips. Auch das hängt mit der Aufteilung der politischen Angelegenheiten auf zwei verschiedene Abteilungen zusammen. Es ist, wie ich vielleicht sagen darf, das Organisationsprinzip des Gefolges, des Heeresgefolges, möchte man beinahe sagen. Es besteht die Neigung gewisser leitender Beamter, ihren Platz im Palais Schaumburg zu behalten und darauf zu verzichten, sich in dieses für das Auswärtige Amt besonders errichtete Gebäude zu begeben. Nach meiner Ansicht wäre der erste, der in dieses große Gebäude übersiedeln müßte, der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts, damit er vom Beginn an darauf sehen könnte, daß nun die in dem neuen Gebäude glücklich vereinigten Beamten zu einer zweckmäßigen, von gutem Geist und von der guten Sache erfüllten Arbeit zusammengeführt werden.
Es ist eine schlimme Sache, Herr Staatssekretär -wenn ich Sie auch im Plenum dieses Hohen Hauses ansprechen darf —, daß Ihnen, soweit ich richtig unterrichtet bin, noch nicht einmal die höheren Beamten des Auswärtigen Amts persönlich bekannt geworden sind.
Ich werde einige Worte über das Ausbildungswesen für das Auswärtige Amt zu sagen haben. Ich sehe mit einer gewissen Freude, daß in dem Haushaltsplan für die beiden nächsten Jahre Kurse vorgesehen sind, in denen, wie ich glaube, 40 neue Anwärter im ersten und etwa 60 im zweiten Jahr ausgebildet werden sollen. Jedoch, Herr Bundeskanzler, soweit ich richtig unterrichtet bin, bedarf es jetzt schon einer Frist von zehn Jahren, bevor diese dort in Speyer oder vielleicht später, ich fürchte, in Bonn auszubildenden Anwärter hoffen können, etatmäßig in eine Beamtenstelle eingewiesen zu werden.
Wir sind der Meinung, daß es von größter Wichtigkeit ist, für den auswärtigen Dienst und das Auswärtige Amt einen guten Nachwuchs heranzubilden. Wir würden bereit sein, erhebliche zusätzliche Mittel zu bewilligen und große Anstrengungen zu ermöglichen, damit das geschieht. Aber wie denkt man sich die Laufbahn solcher jungen Menschen, wenn von Anfang an für sie feststeht, daß sie Jahre und Jahre werden warten müssen, bis sie in ein festes Beamtenverhältnis im Rahmen des Auswärtigen Dienstes und des Auswärtigen Amts kommen können? Das ist eine Konsequenz dieser verschwenderischen Übersetzung, die man mit der Einberufung von Beamten und Angestellten von oft sehr fraglicher Eignung in den Dienst insbesondere auch der auswärtigen Vertretungen seit zwei Jahren getrieben hat. Jetzt ist der Weg für den Nachwuchs blockiert. Ich würde daher doch sehr dazu raten, nach Mitteln zu suchen, um diese Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen.
Ich habe kürzlich von einem maßgeblichen Beamten der Personalabteilung des Auswärtigen Amts vernommen, er mache sich Sorgen darüber, daß die durchschnittliche Qualität der sich meldenden Bewerber zu wünschen übriglasse, und Sorgen darüber, wie man eigentlich zur Bildung eines wirklich qualifizierten neuen Auswärtigen Dienstes gelangen könne. Wenn man größere Auslandsvertretungen besucht, hat man in der Tat manchmal den Eindruck, daß vieles zu wünschen übrigbleibt hinsichtlich der Art und Weise, wie diese Dienststellen — ich kann nur sprechen von Form und Takt und auch von dem, was man Repräsentation nennt — und wie insbesondere manche der bei ihnen beschäftigten „mittelalterlichen" Kräfte die Bundesrepublik im Ausland vertreten.
Wer Gelegenheit gehabt hat, die Kurse in Speyer zu besuchen — ich sage das ohne alle Kritik, ohne den Wunsch nach irgendeiner Kritik an irgendeinem dort zu findenden Anwärter —, wird sich in der Tat meiner Ansicht nach nicht immer eines etwas besorgten Gefühls haben erwehren können, wie aus wenigstens einem Teil dieses Materials ein wirklich arbeitsfähiger, leistungsfähiger und guter Auswärtiger Dienst herauswachsen soll. Es gibt dort sehr viele gute, auch sehr viele hoffnungsvolle Anwärter. Aber in manchen Fällen hat man doch, soweit man sich solche Eindrücke in kurzer Zeit bilden kann, einige Beklemmungen.
Ich halte es im übrigen nicht für eine gute Idee, so großes Gewicht darauf zu legen — wie das wenigstens eine Zeitlang geschehen ist —, gerade Philologen als Anwärter für den Auswärtigen Dienst zu suchen. Ich sehe darin die richtige Einsicht, daß spezialisierte Juristen, wie die Erfahrung immer wieder gezeigt hat, nicht sehr gute Diplomaten sind. Aber ich darf doch, da von Bismarck die Rede gewesen ist, an eine Anekdote erinnern, an den Besuch einer Dame bei Bismarck, die ihm ihren Sohn als Anwärter für den Auswärtigen Dienst empfehlen wollte mit der Anpreisung, er spreche mehrere Sprachen perfekt. Daraufhin sagte ihr der alte Herr, das täten Friseure auch. Darauf kommt es in der Tat nicht an, so sehr das, zu einer gewissen Zeit jedenfalls, im Auswärtigen Amt von denen, die für die Auswahl der Bewerber maßgebend waren, in den Vordergrund geschoben worden ist. Statt die Anwärter Sprachen ochsen zu lassen und alle möglichen, im Grunde unwichtigen Kenntnisse mit einer Art Nürnberger Trichter in diese Menschen hineinzupfropfen, sollte die Ausbildung vielmehr dahin zielen, die Anwärter als
Menschen aufzulockern, sie als freie Menschen zu entwickeln, die sich im Ausland richtig bewegen und die Bundesrepublik in würdiger Weise vertreten können.
Ich weiß, daß es schwierig ist, geeignete Bewerber für diese Laufbahn zu gewinnen, und ich weiß, daß es außerhalb der Einflußmöglichkeiten jeder Behörde, also auch des Auswärtigen Amts, liegt, diese Schwierigkeiten völlig zu überwinden. Aber die Blockierung der etatmäßigen Anstellung auf lange Zeit hinaus durch eine ungeeignete Personalpolitik, dazu ein weiteres, auf einer anderen Ebene liegendes Moment, auf das ich noch zu sprechen kommen muß, erklären zum Teil, warum sich gute Bewerber oft nicht entschließen können, in den Auswärtigen Dienst einzutreten.
Die leitenden Beamten und in erster Linie der Staatssekretär des Auswärtigen Amts müssen, anstatt in der Welt herumzureisen, auf diese verwaltungsmäßige Aufgabe viel größeres Gewicht legen, als sie das bisher getan haben, damit allmählich eine Beamtenschaft mit guter Eignung, aber auch in einem guten Geist entsteht.
Man muß sie ermuntern — das gehört auch dazu, meine Damen und Herren! —,
freimütig ihre sachlich begründeten Meinungen zu äußern. Im Auswärtigen Amt herrscht ein Geist der Furchtsamkeit.
Das ist keine gute Sache. Die Beamten wagen sich ja gar nicht mehr zu äußern, und das hat schlechte Konsequenzen.
Herr Bundeskanzler, ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß die Note des Herrn Bidault in Bonn vorlag, als Sie nach Paris abreisten,
und daß man nicht wagte, sie Ihnen zu geben, so daß Sie bei Ihrer Ankunft in Paris mit dieser Note überrascht wurden.
Ich habe von dem guten Geist gesprochen, der in der Beamtenschaft, wenn er dort noch nicht vorhanden ist, entstehen müsse. Ich habe Ihnen für die Fragestunde schon vor vielen Wochen eine Frage über den Zollschmuggel angemeldet, der in einem Fall mit dem Kuriergepäck getrieben worden ist. Der Zollschmuggel, wenn er allgemein üblich sein sollte, deutet auf einen wenig guten Geist in der Beamtenschaft im Ausland
und vielleicht auch im Inland hin. Ich schneide die Frage jetzt an, weil es vielleicht auf diese Weise möglich sein wird, dem Ministerium in der Fragestunde zu ersparen, noch Zusatzfragen beantworten zu müssen; denn das ist ja in der Fragestunde immer die größere Schwierigkeit. Ich stelle fest, und ich glaube, man kann mir nicht widersprechen, daß zwei Drittel des Inhalts der Kuriersendung, die von der Zollfahndungsstelle Köln beschlag-
nahmt wurde, nicht aus amtlichen Sendungen bestanden haben. Ich möchte das Hohe Haus daran erinnern, daß die Erfahrungen gezeigt haben, wann es vorkommt, daß Kuriergepäck durch einen Zufall leck wird. Es kommt immer dann vor, wenn Zollverwaltungen aus langer Beobachtung den Eindruck gewonnen haben, daß in großem Umfang und über lange Zeit Mißbrauch getrieben wird, und ich weiß nicht, ob dies das einzige Kurierstück war, das innerhalb der letzten Monate zu Bruch gekommen ist und nicht nur solchen Inhalt enthüllte, der auf den Begleitdokumenten angegeben war. Ich möchte das Auswärtige Amt und den Herrn Bundeskanzler als Außenminister ersuchen, diese Sache dem Auswärtigen Ausschuß vorzutragen.
Das gleiche, meine Damen und Herren und Herr Bundeskanzler, erwarten wir hinsichtlich eines anderen Komplexes, der seit dem frühen Sommer vorigen Jahres als eine Wolke einigermaßen peinlicher Gerüchte über Bonn hängt. Es handelt sich um Dinge, die, wie mir scheinen will, unter Umständen zu Fragen der Staatssicherheit Beziehung haben. Ich habe keinen Zweifel, daß das, worauf ich hier anspiele, auch Ihnen bekannt ist. Meine Fraktion wünscht nicht, über diese Frage in eine öffentliche Diskussion zu treten, aber wir geben der Erwartung Ausdruck, daß die Bundesregierung es endlich als notwendig erachten möge, die Lage dem Auswärtigen Ausschuß darzulegen und zu erklären, wie es mit dieser Sache steht, welche Maßnahmen sie für notwendig hält bzw. welche Maßnahmen sie getroffen hat.
Ich habe mir aus vielen Gründen vorgenommen, über einzelne Fälle der Personalpolitik heute und bei dieser Gelegenheit nicht zu sprechen; aber abschließend darf ich auf einen Fall kurz eingehen. Es handelt sich um die Bestellung eines neuen Beobachters bei den Vereinten Nationen. Beschäftigen will ich mich ausschließlich und, wie ich sagte, kurz mit der Form und der Art des Vorgehens. Das Auswärtige Amt hat monatelang mit der Regierung der Vereinigten Staaten über technische Fragen hinsichtlich der Abwicklung der geplanten Entsendung verhandelt. Ich glaube, man hat über Einreisevisen, j a sogar über den Status des zu Entsendenden in der Erwartung verhandelt, die Regierung der Vereinigten Staaten werde ein Sondergesetz erlassen, um dem Beobachter bei den Vereinten Nationen einen diplomatischen Status zuzubilligen, der ihm wie allen anderen Beobachtern bei den Vereinten Nationen, die von Ländern entsandt sind, die nicht Mitglied der Vereinten Nationen sind, nicht zukommt. Während dieser monatelangen Verhandlungen und aus der Natur und Art solcher Verhandlungen ist die Frage des neu zu entsendenden Beobachters in New York in die öffentliche Diskussion gekommen. Es hat eine Pressekonferenz stattgefunden, in der dem Generalsekretär Hammarskjöld der Vereinten Nationen Fragen über eine Person und über eine Sache gestellt wurden, über die er nicht unterrichtet war, und bei der er nicht wußte, daß ein neuer Beobachter entsandt und wer es sein würde.
Das ist eine Situation, die herbeizuführen nach Begriffen der Diplomatie unvorstellbar ist.
Während all dieser Monate hat das Auswärtige Amt es nicht für notwendig gehalten, auch nur
Fühlung mit dem Gastgeber dieses Beobachters zu nehmen.
Die Organisation der Vereinten Nationen wurde vor eine, wenn auch noch nicht ganz vollendete zweite Tatsache gestellt und in die peinliche Lage versetzt, daß der Generalsekretär in einem Fall, der ihm überhaupt noch nicht bekanntgeworden war, hypothetische Antworten geben mußte. Und abschließend stellt das Auswärtige Amt in Bonn fest, daß eine einseitige Mitteilung an die Vereinten Nationen rechtlich genüge, um die Sache ordnungsgemäß über die Bühne gehen zu lassen. Ist das die Diplomatie des Stockes oder die Diplomatie des Taktes,
auf die sich das Auswärtige Amt unter Ihrer Führung, Herr Staatssekretär, ausrichten soll?
Es sind etwa vier Jahre her, seitdem dieses Hohe Haus einen Antrag angenommen hat, wonach ein Auswärtiges Amt — damals ist es anders genannt worden — eingerichtet und dafür ein Staatssekretär zur Wahrnehmung der einem solchen obliegenden Aufgaben eingesetzt werden sollte. Dieser Antrag ist damals von meiner Fraktion bei einer Etatberatung gestellt und am Tage darauf nach einer Beratung im Auswärtigen Ausschuß fast einstimmig angenommen worden. Wenn wir uns heute den Aufbau des Auswärtigen Amts betrachten, scheint es uns, daß noch sehr viel zu tun ist, um es in eine gute Form zu bringen und zu guter Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Es ist sehr viel mehr zu tun, als eigentlich nötig sein sollte, nachdem fast vier Jahre darüber hingegangen sind, in denen man sich bemüht hat, aber, wie mir scheint, nicht immer sehr erfolgreich, und zwar hauptsächlich deshalb, weil es im Auswärtigen Amt keine Person gibt, die sich dieser wichtigen Aufgabe wirklich widmen würde. Die Organisation des Auswärtigen Amts ist nicht befriedigend, und sie ist nicht geeignet, für eine Außenpolitik als Instrument zu dienen. Ich fürchte, sie ist ein recht stumpfes Instrument, und die Arbeitsüberlastung, Herr Bundeskanzler, unter der Sie in Ihrem doppelten Amt leiden — da Sie j a beide Ämter beibehalten wollen —, ist sicher zum Teil darauf zurückzuführen, daß dieses Instrument und die Hilfe, die Ihnen zur Verfügung steht, eben nicht genügend und gut ist. Ich fürchte, der Geist, der dieses Amt durchwaltet, ist nicht das, was man sich wünschen könnte. Er bedürfte einer sorgsamen Pflege. Das Gericht, das dort zubereitet ist — ich bitte um Entschuldigung, wenn ich mich nicht so in Lyrismen ausdrücken kann —,
scheint mir nicht sehr schmackhaft, — ein Schnitzel à la Hallstein — —
— Man lernt ja durch Erfahrung; vielleicht würde es bei einer zweiten Probe bekömmlicher sein.
Auf Umdruck 24 hat Ihnen meine Fraktion eine Entschließung vorgelegt, die das Ersuchen beinhaltet, der im Auswärtigen Amt schon bestellte
Staatssekretär — nicht ein zweiter! — möge dazu angehalten werden, sich den Aufgaben des Aufbaues der Organisation und den Bemühungen, daß diese Organisation gut und leistungsfähig bleibt, in erster Linie und mit seiner ganzen Kraft zu widmen. Ich bitte das Hohe Haus, dieser Entschließung in demselben Sinne zuzustimmen, wie auch die Entschließung vom Jahre 1950, auf die sie sich bezieht: „Der Bundeskanzler wird ersucht, alsbald einen Staatssekretär für das Auswärtige Amt zu ernennen," von dem ganz überwiegenden Teil dieses Hohen Hauses angenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion lehnt den Etat des Auswärtigen Amts ab.
Sie lehnt ihn nicht nur aus allgemein politischen Gründen ab. Es bedarf da gar keiner Zwischenrufe, es ist doch eine Selbstverständlichkeit in einem demokratischen — —
Wir lehnen ihn nicht nur aus allgemein politischen Gründen ab. Wir lehnen ihn auch aus den besonderen Gründen ab, die ich dargelegt habe, nämlich deshalb, weil es innerhalb dieser vier Jahre nicht gelungen ist, eine arbeitsfähige Behörde zu schaffen, wie wir sie wünschen und für die Mittel zu bewilligen im Rahmen dessen, was wirklich als notwendig erwiesen werden kann, wir immer bereit sein werden, wie wir es in der Vergangenheit waren.