Das bedarf gar keiner Frage. Ich habe eben sehr vernehmlich gesagt, daß sie unserer ganzen Fürsorge und unserer ganzen Hilfe bedarf, daß wir sie aber als Erscheinung in unserer Zeit insofern nicht gutheißen können, als wir darin eine soziologische Fehlentwicklung sehen.
— Ich glaube, es ist nicht nötig, daß wir dieses Problem im Zusammenhang mit den Fragen, um die es sich bei dem technischen Aufbau einer Familienhilfe handelt vrertiefen.
— Gar nicht! Im Gegenteil, wir unterhalten uns gern zu einer anderen Zeit darüber.
Es wurde gesagt, die unfallversicherungstechnischen Grundsätze seien nicht die richtige Basis für die Errechnung. Die Berufsgenossenschaften sind Träger der Unfallversicherung, gewiß, aber sie können sehr wohl auch Träger einer anderen Aufgabe sein. Die Familienausgleichskassen stellen eine weitere Aufgabe der Berufsgenossenschaften dar, die aber insofern mit der Unfallversicherung gar nichts zu tun hat.
Es ist die kinderreiche Familie, die bei unserer Hilfe den Vorrang hat. Es ist nicht die Familie an sich. Die Familie an sich ist nicht fürsorgebedürftig nur deswegen, weil sie Familie ist und Kinder hat.
Ich habe mich bei der Vorbereitung der Vorlage in der Literatur umgeschaut und bin auf eine Ausarbeitung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge gestoßen, auf ein Bändchen von Achinger: „Reicht der Lohn für Kinder?"
In diesem Material wird statistisch nachgewiesen, daß eine Familie bis zu zwei Kindern im Durchschnitt durchaus in der Lage ist, mit dem Einkommen die Lasten der Familie zu bestreiten, und daß das Problem beim dritten Kinde anfängt.
Man kann sehr wohl Vater und Mutter zumuten, zwei Kinder, die ja nur sie selbst einmal ersetzen, mit eigenen Opfern großzuziehen. Vergessen wir doch auch nicht die Ursprungsbeziehung zwischen Eltern und Kindern, die den Eltern die Pflicht auferlegt, das letzte zu tun, ehe sie diese Pflicht an eine außerfamiliäre Stelle abtreten.
— Die Zahlen, die immer genannt werden, bedürfen einer genauen Durchleuchtung. Man kann nicht eine einzelne Zahl aus dem Zusammenhang gerissen nehmen. Für denjenigen, der diese gewissenhaften Ausarbeitungen in aller Ruhe auf sich wirken läßt, büßt manche Zahl ihren Schrecken ein, wenn man ihr auf den Grund geht.
Schließlich wurde gesagt, daß die Auszahlung durch den Arbeitgeber eine Gefahr in sich berge. Ich gebe zu, daß, wenn der Familienausgleich auf der Ebene des Betriebs erfolgte, eine Benachteiligung der kinderreichen Arbeitskräfte eintreten kann. Die Ebene des Betriebes ist zu klein. Aber auf der Ebene der Wirtschaftsgruppe, der Berufsgenossenschaft, gleichen sich diese Dinge bereits aus. Es wird gar nicht sichtbar, welcher Arbeitnehmer kinderreich ist oder nicht, höchstens bei der Auszahlung im Betrieb, wenn der Betreffende seinen Zuschlag für die Kinder bekommt. Aber warum soll denn das nicht ersichtlich sein? Ich bin im Gegenteil der Auffassung, daß es nichts schadet, wenn sich bei der Auszahlung des Lohns ein Unterschied zwischen der kinderreichen Arbeitskraft und der anderen Arbeitskraft ergibt. Denn der kinderreiche Vater muß auch sehen, daß die Arbeitskollegen, die nicht durch eine größere Familie belastet sind, sich in ihrem privaten Leben mit ihren Einkünften ganz anders einrichten können, als er das kann. Er hat einen Anspruch auf einen gerechten Ausgleich, der keine Fürsorge sein darf.
Auch der SPD-Entwurf verpflichtet die Arbeitgeber zu einer Abgabe in Höhe von 1 %, will aber diese Leistung der Arbeitgeber durch die Finanzämter, also die Behörden, auszahlen lassen und die Unternehmer von dem Vollzug des Ausgleichs ausschalten. Unsere Vorlage fußt auch auf einer Leistung der Unternehmer, gibt ihnen aber gleichzeitig das Recht, diesen Ausgleich selber zu vollziehen. Das ist ein psychologisches Moment. Wir wollen uns doch nicht unnötig Schwierigkeiten machen, indem wir Kräfte gegen uns mobilisieren. In diesem Punkt ist jeder einzelne — wie jede Gruppe — empfindlich, wenn man ihm Verpflichtungen auferlegt und ihm nicht gleichzeitig die Rechte gibt, auf die er einen Anspruch zu haben glaubt. Da Unternehmer bereits in großem Umfange vorangegangen sind und den Familienausgleich bei sich eingerichtet haben, ist es überhaupt nicht denkbar, daß man diesen die bereits geschaffenen Einrichtungen wegnimmt und daraus eine staatliche Einrichtung macht.
Ich hoffe, daß wir über diese grundsätzlichen Unterschiede in der Auffassung bei der Ausschußberatung hinwegkommen. Tröstlich ist der Gedanke, daß wir alle dasselbe Ziel anstreben und es möglichst bald erreichen wollen.