Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat heute morgen den Gesetzentwurf über die Schaffung der Personalvertretungen begründet und hat der Begründung, die bereits schriftlich dem Entwurf beigegeben war, noch eine ganze Reihe von Argumenten hinzugefügt. Man kann mit wesentlichen Teilen, die der Herr Bundesinnenminister hier vorgebracht hat, einverstanden sein; aber eine ganze Reihe von Begründungsmomenten veranlassen mich, gerade zu diesen Ausführungen des Herrn Bundesministers einiges zu sagen.
Einig gehe ich mit dem Herrn Bundesminister, wenn er sagt, daß das Personalvertretungsgesetz die logische Fortsetzung der Gesetzgebung über das Mitbestimmungsrecht sein soll und daß das Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst nicht anders geregelt werden kann als in der privaten Wirtschaft, mit Ausnahme der Bestimmungen, die im öffentlichen Dienst zwingend notwendig sind. O Die damalige Beratung im Bundestag über die Mitbestimmung hat eine ganze Reihe von Argumenten für und gegen ein eigenes Gesetz für den öffentlichen Dienst gebracht. Wenn wir den Standpunkt vertreten haben, daß das gesamte Mitbestimmungsrecht in einem einheitlichen Gesetz behandelt werden sollte, dann wollten wir mit dieser Bejahung eines einheitlichen Gesetzes die Fragen der Mitbestimmung als etwas Ganzes betrachten. Sicherlich tauchen im öffentlichen Dienst eine ganze Reihe von Problemen auf, die eine Sonderregelung in einzelnen Paragraphen erfordern. Dazu war aber unserer Auffassung nach ein solch umfangreiches Gesetz nicht notwendig, und wir hätten die Frage der Mitbestimmung auch im öffentlichen Dienst längst erledigen können. Wir sind der Auffassung, daß der Gesetzentwurf, der von der Bundesregierung vorgelegt wurde, weder dem Grundsatz gerecht wird, das Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst nicht schlechter und nicht anders zu regeln als in der privaten Wirtschaft, noch dem anderen Grundsatz, daß nur da von dem Recht, wie es im Betriebsverfassungsgesetz niedergelegt ist, abgewichen werden soll, wo es für den öffentlichen Dienst unbedingt notwendig ist.
Der Herr Bundesinnenminister hat schon in seiner schriftlichen Begründung und auch heute morgen in seiner mündlichen Begründung darauf hingewiesen, daß das Betriebsverfassungsgesetz und das Mitbestimmungsrecht in der privaten Wirtschaft geschaffen wurden und geschaffen werden sollten, um die Wirtschaftsdemokratie zu verwirklichen oder um zum mindesten in der Wirtschaft den Arbeitnehmern eine Rechtsstellung nach demokratischen Grundsätzen zu geben. Nach der schriftlichen und auch der heute morgen gegebenen mündlichen Begründung ist dazu für den öffentlichen Dienst keine Notwendigkeit gegeben. Gestatten Sie mir hierzu ein paar Worte. Wenn der Herr Bundesinnenminister sagt, daß letzten Endes im öffentlichen Dienst nicht die Notwendigkeit bestehe, die Rechtsstellung der Bediensteten nach demokratischen Grundsätzen zu regeln — denn darauf läuft es hinaus —, weil dort die letzte Entscheidung bei den Parlamenten liege, so bin ich persönlich der Meinung, daß hier Legislative und Exekutive etwas miteinander vermischt worden sind. Es gibt auch im öffentlichen Dienst eine ganze Reihe von Fragen, die nicht der Zuständigkeit der Parlamente unterliegen, sondern sowohl in Betrieben wie in Verwaltungen in eigener Zuständigkeit erledigt werden.
Herr Kollege Sabel hat bereits darauf hingewiesen, wo bisher ein Behördenleiter oder ein anderer Beauftragter die letzte Entscheidung gehabt habe, müsse sich dieser leider gefallen lassen, daß für die Zukunft die Frage der Mitbestimmung etwas anders geregelt werde. Diese Ausführungen des Kollegen Sabel unterstreiche ich Wort für Wort. Ich bin der Meinung, daß es im öffentlichen Dienst eine ganze Reihe von Fällen gibt, die anders geregelt werden müssen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir werden uns dabei von dem Grundsatz leiten lassen müssen, daß im öffentlichen Dienst die Anwendung demokratischer Grundsätze ebenso erfolgen muß wie in der privaten Wirtschaft. Bei diesem Gesetzentwurf hat man, glaube ich, einen Grundsatz überhaupt nicht verwirklicht, und zwar den, daß öffentliche Betriebe Musterbetriebe sein sollen.
Das sollte sich nicht nur auf innere Organisation, auf Leistung, auf Verwaltung beziehen, Musteranordnungen sollten auch davon ausgehen, daß der Staat und seine Verwaltungen in erster Linie dazu berufen sind, eine demokratische Ordnung auch in ihren Betrieben zu schaffen.
Wenn ich den Gesetzentwurf im einzelnen durchgehe, stoße ich auf eine ganze Reihe von Dingen, die meiner Meinung nach auf dem Wege der Verhandlungen in den Ausschüssen geregelt werden müssen. Ich möchte mich hier auf die drei Punkte beschränken, die der Herr Minister in seiner Begründung selbst angegeben hat und die die Mitbestimmung im Betrieb ausmachen sollen: a) die Mitbestimmung bei personellen Angelegenheiten der Arbeitnehmer, b) Dienstvereinbarungen in den wichtigsten sozialen Fragen und c) die Mitwirkung oder Anhörung in Angelegenheiten der Beamten sowie in arbeitstechnischen und betriebsorganisatorischen Fragen.
Der Unbefangene, der das Gesetz nicht in seinen einzelnen Paragraphen vor sich liegen hat und nur die Begründung des Herrn Bundesinnenministers zur Kenntnis genommen hat, könnte sagen: Damit ist doch genau so wie in der privaten Wirtschaft auch im öffentlichen Dienst die Mitbestimmung garantiert. Die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten der Arbeitnehmer ist nur ein Anhörungsrecht, ein Mitspracherecht, und hat keineswegs die Bedeutung, daß die Mitbestimmung gewährleistet wird. Selbst da, wo die Mitbestimmung auch in personellen Angelegenheiten festgelegt ist, liegt die letzte Entscheidung beim Herrn Minister, sofern eine Einigung mit der Personalvertretung ) nicht zustande kommt. Eine grundsätzliche Regelung wird von dem Herrn Minister damit begründet, daß es sich hier um einen Punkt handle, der anders geregelt werden sollte als in der privaten Wirtschaft. Ich bin persönlich der Meinung, daß diese letzte Entscheidung des Herrn Ministers, ganz gleich, welcher Minister es ist, nicht die endgültige Garantie dafür ist, daß in den öffentlichen Betrieben alles nach demokratischen Grundsätzen geordnet wird, obwohl der Minister von sich aus den besten Willen dazu haben wird; und wir setzen bei jedem Minister diesen Willen voraus. Aber es hat Beispiele genug dafür gegeben, daß selbst der Herr Minister das Opfer des Apparats geworden ist.
Darum sind wir der Meinung, daß gerade im Apparat selbst die Frage der Mitbestimmung und der Mitwirkung unter anderen Gesichtspunkten geregelt werden muß, als das in diesem Entwurf der Fall ist. Wir werden bei der Beratung im Ausschuß Gelegenheit haben, unsere Anträge zu stellen.
Eine andere Frage ist die der Dienstvereinbarungen. Der Herr Bundesminister des Innern weiß, daß diese Dienstvereinbarungen durch das Gesetz selbst ihre Begrenzung finden. Nach § 64 können Betriebsoder Dienstvereinbarungen nur da getroffen werden, wo sie zugelassen sind. In Abs. 3 von § 64 heißt es: „Durch Dienstvereinbarungen können die Befugnisse des Personalrats weder erweitert noch beschränkt werden". Es handelt sich also um Dienstvereinbarungen ohne jeden praktischen Erfolg. Ich weise hierauf aus folgendem Grunde hin. Der Herr Bundesinnenminister hat gesagt, das Kontrollratsgesetz Nr. 22 sei nur eine unzureichende Regelung des Mitbestimmungsrechts gewesen. Herr Minister, ich mache darauf aufmerksam, daß nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 22 der Abschluß von Betriebsvereinbarungen zu diesem Gesetz ein wesentlicher Bestandteil der Mitbestimmung in den Betrieben seit 1946 war. Durch Ihr Gesetz werden diese Betriebsvereinbarungen nicht mehr möglich sein; wo sie bestehen, müssen sie aufgehoben werden. Wir werden keine Möglichkeit mehr haben, gemäß den Eigenarten des Betriebes und der einzelnen Dienststelle irgendwelche Vereinbarungen zu treffen. Aber diese Betriebsvereinbarungen sind in den einzelnen Betrieben und auch in den Verwaltungen des öffentlichen Dienstes im Laufe der letzten Jahre praktisch gehandhabt worden. Wenn der Bundesrat eine Reihe von Vorschlägen zu diesem Gesetz gemacht hat, so deshalb, weil auch er mit diesen Betriebsvereinbarungen zum Kontrollratsgesetz eine ganze Reihe von guten Erfahrungen gemacht hat. Wir haben mehrere Ländergesetze, die weit über dieses Gesetz hinausgehen, weil die Mitbestimmung nicht nur im Interesse der Bediensteten, sondern auch im Interesse der Verwaltungen selbst liegt. Die Verwaltungen werden Ihnen bestätigen, daß diese Gesetze und ihre Handhabung in der Vergangenheit weder den Betriebsfrieden gefährdet noch in irgendeiner Weise die Verwaltungsbefugnis eingeschränkt oder irgendwie zu Komplikationen geführt haben.
Etwas zu der Wahl selbst! Der Kollege Sabel hat mehrfach auf das Technische bei der Durchführung der Wahl hingewiesen. Ich meine, die Verhältniswahl ist sicher kein Grund, sich besonders zu erregen. Wir stehen auf dem Standpunkt: einheitliche Wahlen und einheitliche Vertretungskörper! Wir können eine ganze Reihe von Begründungen dafür aus der Vergangenheit anführen. Wenn es in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen nach dem Zusammenbruch 1945 möglich war, verhältnismäßig schnell zu einem gesunden Aufbau zu kommen, dann hat doch diese einheitliche Vertretung in den Betrieben ein gerüttelt Maß von Anteil an diesem Aufbau.
In diesem Zusammenhang muß eine ganze Reihe von Problemen angesprochen werden. Wenn heute draußen in der Öffentlichkeit die Frage des Berufsbeamtentums erledigt ist, und zwar im Sinne des Berufsbeamtentums, und wenn es im Zusammenwirken der drei Gruppen Arbeiter, Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst im Laufe der letzten Jahre vermieden wurde, den Gruppenegoismus zu züchten, dann war es damit nicht möglich, daß sich von dem übriggebliebenen Stück Sauerteig — denn von Rosinen und Kuchen konnte man doch 1945 nicht mehr reden — jeder sein Teil nahm. Gerade dieses Zusammenwirken zwischen Arbeitern, Angestellten und Beamten in den öffentlichen Betrieben und nicht zuletzt auch in den Vertretungen in den Betrieben hat uns die Überzeugung vermittelt, daß man die guten Erfahrungen, die da gemacht worden sind, auch in dem neuen Gesetz verwerten sollte.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Begründungen, die wir hierbei anführen möchten. Daß gegen das Gesetz und gegen die Anträge, die wir zu stellen haben, eine ganze Anzahl von Bedenken geltend gemacht werden, liegt in der Natur der Sache. Es wäre heute interessant, oder man könnte sich zumindest dazu verleiten lassen, einiges aus der Rede unseres Herrn Bundesinnenministers bei der Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes zu zitieren.
Man könnte dann darauf hinweisen, daß es nicht allein darum geht, mit diesem Gesetz ein vorhandenes Übel zu beseitigen und damit von dem jetzigen Zustand herunterzukommen, sondern daß man — ich spreche es ganz offen aus — mit diesem Gesetz entweder den sozialen Fortschritt bejahen oder sich aber zu einer Restauration vergangener Jahrzehnte bekennen muß.
Ich weiß, der Herr Bundesinnenminister wird zu der Rede, die er damals gehalten hat, auch heute noch in allen Einzelheiten stehen. Unser Herr Bundesinnenminister hat damals gesagt:
Meine Damen und Herren, worum dreht es sich denn? Es handelt sich um die Frage, ob der Arbeiter für die Zukunft als gleichberechtigter Mensch unter uns leben kann. Wir haben politische Gleichheit, wir haben keine wirtschaftliche Gleichheit. Im wirtschaftlichen Leben hat man es bisher verstanden, dem Arbeiter zu sagen: Wirtschaft ist ein Gebiet, das so heilig ist, daß daran nicht gerüttelt werden darf.
Der Herr Bundesinnenminister hat aber vorher
noch einen anderen Satz gesprochen. Er sagte:
Ich kann mir jedenfalls denken, daß es hier viele unter uns gibt, für die es 1945, 1946 unter dem Eindruck des damaligen Schocks — der Schock hat ja das Ergebnis, plötzlich Erkenntnisse aufzuzeigen, die jahrelang verschüttet waren — sehr viel leichter gewesen wäre, auf diesem Gebiet zu einer Lösung zu kommen,... Inzwischen haben sich die Kräfte der trägen Beharrung, des Gestrigen längst wieder gefunden, ...
Wenn ich das betone und auf diese Begründung des Herrn Bundesinnenministers eingehe — man könnte noch eine Reihe anderer Ausführungen zitieren, ich will es nicht —, dann will ich damit nur sagen, daß mit diesem Personalvertretungsgesetz nicht nur eine Fortsetzung der Gesetzgebung nach dem Betriebsverfassungsgesetz gewährleistet werden muß, sondern daß darüber hinaus auch die Neuordnung unserer gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse im öffentlichen Dienst nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden kann. Soweit das Mitbestimmungsrecht, das Zusammenwirken der einzelnen Vertretung mit der Verwaltung, in Frage kommt, glauben wir, daß die Vertretung in der Vergangenheit genügenden Beweis dafür erbracht hat, daß ihr an diesem demokratischen Aufbau und an der Leistung in der Verwaltung, in der Gesamtheit außerordentlich viel gelegen ist. Wir glauben, man sollte auch das, was in der Vergangenheit im öffentlichen Dienst geleistet wurde, nicht vergessen. Wer erinnert sich denn heute noch an die Eisenbahner, die, ausgestattet mit ein paar Mohrrüben als Frühstück, in 84 Stunden pro Woche ihre Pflicht und Schuldigkeit getan haben?
Solche Feststellungen könnte man auf alle Verwaltungen ausdehnen. Ich weise nur darauf hin, daß auch in diesem Gesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, daß auch die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst als gleichberechtigter Faktor neben der übrigen privaten Wirtschaft stehen.
Sicher ist im wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht manches anders zu regeln. Man kann die Wirtschaft des öffentlichen Dienstes bestimmt nicht nach den Grundsätzen der Montanindustrie regeln.
Das hat auch kein Mensch verlangt. Neben dem personellen und dem sozialen Mitbestimmungsrecht gibt es aber auch in den Betrieben der öffentlichen Hand eine ganze Reihe von Wirtschaftsproblemen, an deren Lösung die Arbeitnehmer in diesen Betrieben, die Bediensteten der öffentlichen Wirtschaft, maßgeblich beteiligt werden sollen. In dieser Beziehung stimme ich mit dem Abgeordneten Sabel durchaus überein. Ich stimme auch darin mit ihm überein, daß sich nicht nur der Beamtenrechtsausschuß, sondern auch der Arbeitsausschuß mit diesen Dingen beschäftigen soll. Wir werden dann Gelegenheit nehmen, den Ausschüssen unsere Anträge zu unterbreiten.