Rede von
Walther
Kühn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es seinerzeit außerordentlich bedauert, daß der 1. Bundestag das Personalvertretungsgesetz nicht mehr hat verabschieden können. Sie werden sich daran erinnern, daß wir noch in letzter Minute alle Anstrengungen gemacht haben, um den Entwurf in die nötige Form zu gießen. Nachdem der 1. Bundestag bereits im Jahre 1952 mit dem Betriebsverfassungsgesetz für die Arbeitnehmer der freien Wirtschaft das Mitbestimmungsrecht geregelt und gleichzeitig entschieden hatte, daß die Regelung der Personalvertretung bei den öffentlichen Behörden und Betrieben in einem besonderen Gesetz erfolgen solle, hatten wir den ersten Entwurf vorgelegt bekommen. In der seinerzeitigen ersten Lesung konnte aber auch nur eine grundsätzliche Stellungnahme erfolgen. Für die Fraktion der Freien Demokraten habe ich damals zum Ausdruck gebracht, daß wir dem Gesetzentwurf in den Grundsätzen zustimmen. Auch heute möchte ich gleich am Anfang meiner Ausführungen sagen, daß unsere Zustimmung zu den Grundzügen des Entwurfs unverändert ist.
Ich habe mich außerordentlich über die Begründung gefreut, die der Herr Bundesinnenminister heute noch einmal zu dem Gesetzentwurf gegeben hat. Auch ihr stimmen wir in den Grundzügen zu. Ich möchte nur mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß es seit dem Zusammentritt des 2. Bundestages sechs Monate gedauert hat, bis der Gesetzentwurf dem Ausschuß zur Beratung überwiesen werden kann. Die Gründe dafür haben wir vorhin gehört. Nachdem wir die Wahlperiode der Betriebsräte bis zum 31. März dieses Jahres verlängert hatten, hatte ich mir allerdings eingebildet, daß wir es fertigbrächten, den Gesetzentwurf bis dahin zu verabschieden. Nun, es ist nicht gelungen.
Ich möchte immerhin noch einmal betonen, daß wir den Entwurf begrüßen, der vor allem dem Umstand Rechnung trägt, daß die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft wesentlich anders geartet sind als die Beziehungen im öffentlichen Dienst. Die Problematik und die sich aus ihr ergebenden wesentlichen sachlichen Erfordernisse für die gesetzliche Regelung sind nun einmal doch völlig andere. In der freien Wirtschaft steht neben den Mitwirkungsrechten in sozialen und personellen Fragen, gegen die wirklich nichts zu sagen ist, die wirtschaftliche Mitbestimmung im Vordergrund, also die Teilnahme der Betriebsangehörigen an wirtschaftlichen Entscheidungen, die geeignet sind, ihren Arbeitsplatz und letzten Endes ihre Existenz maßgeblich zu beeinflussen. Hierbei wird das Bestimmungsrecht des Eigentümers im Betrieb beschränkt, — ideengeschichtlich eine Folgewirkung des Räteprinzips, mit dem die Väter der Weimarer Verfassung zugleich mit der politischen Demokratisierung eine Art Wirtschaftsdemokratie schaffen wollten. Damals hatte das Beamtentum den Wunsch — und es ist dann auch so geschehen —, aus dem verfassungsrechtlichen Rätesystem herausgehalten zu werden. Sie wissen, daß die Weimarer Verfassung eine Vertretung der Beamten gewährleistet hat. Aber es ist niemals zu einer gesetzlichen Regelung gekommen, sondern man hat im Wege von Erlassen eine zur damaligen Zeit durchaus befriedigende Regelung gefunden. Kein Zweifel, daß es sich hier um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes handelt. Es ist wichtig, dieses gerade in diesem Zusammenhang festzustellen.
Während die inzwischen erfüllte Forderung nach Mitbestimmungsrecht in der Privatwirtschaft einen Teil der Auseinandersetzung, des Spannungsverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit darstellt, steht der Angehörige des öffentlichen Dienstes nicht dem privaten Kapital, sondern einem öffentlichen Dienstherrn als Organ des Staates und damit der Volksgesamtheit gegenüber. Hier ist der Sinn der Mitbestimmung der Ausgleich von Spannungen, die sich aus einem anderen Grunde, etwa aus dem Über- und Unterordnungsverhältnis, ergeben. Ein Mitspracherecht des Verwaltungsangehörigen bei Entscheidungen auf sozialem und personellem Gebiet ist notwendig. Dieses Mitspracherecht, das den Beteiligten gesetzlich gewährleistet wird, soll ihnen das Gefühl echter Mitarbeiterschaft geben. Wirtschaftliche Mitbestimmung scheidet im öffentlichen Dienst wesensmäßig aus. Eine Mitwirkung der Verwaltungsangehörigen bei den öffentlichen Aufgaben ihrer Behörde oder Dienststelle wäre mit ihrer Funktion der Vollziehung der Gesetze und der Weisungen der Regierung, ja mit dem Wesen der parlamentarischen Demokratie unvereinbar. Ich habe damals in der ersten Lesung auch zu diesem Thema eingehend gesprochen.
Besteht aber ein Verfassungsanspruch, wie ich vorhin sagte, auf Beamtenvertretung, so soll dies nunmehr auch für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst gelten, die selbstverständlich nach wie vor in ihrem arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis bleiben. Wenn aber von anderer Seite für alle öffentlichen Bediensteten gefordert wird, bei der Regelung der Personalvertretungen arbeitsrechtliche Prinzipien anzuwenden, so lehnen wir dies ab.
Bei den Beamten, die doch dem öffentlichen Dienst das charakteristische Gepräge geben, handelt es sich nun einmal nicht um Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Als Träger einer Verfassungsfunktion sind sie durch ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis dem Staat verbunden und, da ihre Rechtsstellung gesetzlich geregelt ist, dem sozialen Kräftespiel der Lohnbildung und des Arbeitskampfes entrückt. Mit Rücksicht auf ihre Rechtsstellung und auf die Bedeutung der Personalräte für innerdienstliche Entscheidungen ist die Materie dem öffentlichen Recht und nicht dem Arbeitsrecht zuzuzählen. Daher ist auch die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für solche Rechtsstreitigkeiten vorgesehen.
Die Vermischung von öffentlichem und privatem Recht muß unter allen Umständen vermieden werden. Sie würde zweifellos zu schwer lösbaren Konflikten führen. Die zu lösende, sicherlich schwere Aufgabe ergibt sich durch die Zusammenfassung dreier rechtlich und sozial differenzierter und in ihrer Größe sehr verschiedener Gruppen in ganz verschieden zusammengesetzten Dienststellen -
meine Herren Vorredner haben dieses Problem bereits angesprochen —, die nun in gemeinsamen Personalräten zusammengeschlossen werden sollen. Daraus folgt aber zwingend die Notwendigkeit einer getrennten Wahl der Vertreter einzelner Gruppen, um die Majorisierung der schwächeren Gruppe, der Minderheit, auszuschließen. Auch meine beiden Herren Vorredner, der Herr Innenminister wie der Kollege Sabel, haben ausdrücklich betont, daß keine Majorisierung der schwächeren Gruppe geduldet werden kann. Anschließend daran ist selbstverständlich auch die gesonderte Beratung und Entscheidung der einzelnen Gruppen in den nur ihre Angehörigen betreffenden Angelegenheiten, unbeschadet der gemeinsamen Behandlung der alle Angehörigen der Dienststelle betreffenden Angelegenheiten zu fordern. Es sind Bedenken dagegen erhoben worden, ob das überhaupt möglich ist. Aber jeder, der einmal lange Zeit einer großen Behörde als Chef vorgestanden hat, weiß doch, daß es letzten Endes auf den Geist ankommt, der in einer solchen Behörde vorhanden ist. Auch der Chef muß den größten Wert darauf legen, daß die Beamten, Angestellten und Arbeiter einer Behörde wirklich an einem Strange ziehen und die Aufgaben, die ihnen übertragen sind, gemeinsam lösen.
Nur durch die Einführung der Gruppenwahl ist es möglich, allen Teilen gerecht zu werden, den Beamten entsprechend dem hergebrachten Beamtenrecht besondere Organe für ihre Beamtenangelegenheiten zu schaffen, ohne die Angestellten und Arbeiter auch nur irgendwie schlechter zu stellen. Schließlich kommt es doch darauf an, daß jeder Personalrat, wie der Herr Kollege Sabel schon gesagt hat, ein wahrheitsgetreues Spiegelbild — dieser Ausdruck gibt die Dinge meines Erachtens richtig wieder — der in jeder Dienststelle vorhandenen Gruppierung darstellt und eine Majorisierung von Minderheiten ausschließt. Hiermit wird kein irgendwie geartetes Ausnahmerecht erstrebt, sondern nur das gleiche Recht für alle in einer Dienststelle oder einem öffentlich-rechtlichen Betrieb beschäftigten Gruppen.
Aus den gleichen Gründen und um demokratischen Grundsätzen in jeder Beziehung gerecht zu werden, um unter allen Umständen eine Vergewaltigung der Minderheit zu vermeiden, wünschen wir auch die Verhältniswahl, gegebenenfalls — darüber wird im Ausschuß zu reden sein — auch eine modifizierte Verhältniswahl. Man kann nämlich auch eine Verhältniswahl so gestalten, daß der einzelne Wähler durchaus der einzelnen Person sein Vertrauen geben kann, die auf einer Verhältniswahlliste steht.
Es kommt darauf an, ein Gesetz zu schaffen, das geeignet ist, den Arbeitsfrieden — auch das ist betont worden — und ein gutes soziales Klima, möchte ich sagen, zu gewährleisten und nicht durch Fehlkonstruktionen Störungen der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltungen und Betriebe heraufzubeschwören. Wir behalten uns selbstverständlich noch Änderungs- und Ergänzungsanträge und -vorschläge in den Ausschußberatungen vor.
Zum Schluß möchte ich die Punkte, auf die wir besonderen Wert legen, noch einmal kurz zusammenfassen:
1. Wir bestehen auf der Gruppenwahl, damit nicht zahlenmäßig schwächere Gruppen von den Majoritäten beiseite geschoben werden;
2. wir wollen die Gruppenvertretung und die Gruppenentscheidung haben, damit die gesonderten Belange jeder Gruppe gebührend berücksichtigt werden; daß über gemeinsame Angelegenheiten der gesamte Personalrat zu entscheiden hat, bedarf keiner besonderen Begründung;
3. wir wollen den Gruppensprecher haben, damit Sachkenntnis und Vertrautheit mit den einzelnen Problemen gewährleistet sind und sich die Arbeit der Personalräte nicht in endlosen unfruchtbaren Debatten erschöpft;
4. wir wollen die direkte Wahl der Personalvertretungen, damit jeder Angehörige einer Verwaltung die Männer seines Vertrauens selbst bestimmen kann;
5. wir wollen die Urwahl der Personalvertretungen, damit auch bei mehrstufigen Personalvertretungen das wirkliche Bild der tatsächlichen Kräfteverteilung zum Ausdruck kommt; wir lehnen hier das Rätesystem in jeglicher Form ab;
6. wir wollen auch die Verhältniswahl, da nur diese eine wirklichkeitsgetreue Zusammensetzung der Personalvertretung garantiert und einen ausreichenden Minderheitenschutz sichert;
7. wir wollen die Mehrstufigkeit der Personalvertretungen, soweit dies dem behördlichen Verwaltungsaufbau entspricht;
8. die Sicherung der Entschließungsfreiheit durch Fernhaltung aller betriebsfremden Kräfte; wir müssen das fordern, damit das Dienstgeheimnis gewahrt bleibt und weil nur die Verwaltungsangehörigen einer Dienststelle selbst eine genaue Kenntnis der schwebenden Probleme haben;
9. unbedingte Sicherung der parteipolitischen und gewerkschaftlichen Neutralität, damit der Arbeitsfriede nicht gestört wird und der einzelne nicht zu befürchten braucht, wegen seiner politischen oder gewerkschaftlichen Einstellung Schaden zu erleiden;
10. Schutz der Mitglieder der Personalvertretung vor dienstlicher Benachteiligung; eine Angelegenheit, die mir außerordentlich wichtig erscheint, damit jedes Mitglied des Personalrats verantwortungsbewußt, aber auch frei seine Meinung äußern kann;
11. die weitgehende Mitbestimmung in den sozialen Fragen, damit Leben, Gesundheit, Arbeitskraft des einzelnen und seiner Familie den größtmöglichen Schutz erhalten; die verantwortliche Mit wirk u n g in Personalangelegenheiten, die einerseits den einzelnen vor Rechtsbeeinträchtigung und Willkür schützt, andererseits der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Verwaltungsspitze Rechnung trägt; und schließlich
12. die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bei Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsgesetz, damit öffentlich-rechtliche Tatbestände von einem wirklich sachkundigen Gremium entschieden werden können.
Lassen Sie mich dem noch anfügen, was auch vorhin bei meinen beiden Herren Vorrednern angeklungen ist. Wir wollen unter allen Umständen bundesrahmengesetzliche Bestimmungen haben. Es geht auf die Dauer doch nicht an, meine Damen und Herren, daß in beamtenrechtlicher Beziehung in den einzelnen Ländern ein starkes Abweichen von der großen Linie festzustellen ist. Wir sind der Meinung, daß man gerade auf diesem Gebiet im Wege rahmengesetzlicher Bestimmungen eine Einheitlichkeit herbeiführen sollte.
Schließlich — lassen Sie mich auch das noch betonen — legen wir Wert auf eine beschleunigte Verabschiedung des Gesetzes, und was uns betrifft, so werden wir an dieser Beschleunigung mitarbeiten.
Ich habe namens meiner Fraktion zu beantragen, daß entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 160 an den Ausschuß für Beamtenrecht, federführend, und an den Ausschuß für Arbeit, mitberatend, erfolgt. Auf Grund der Geschäftsordnung glaube ich nicht, Herr Kollege Sabel, daß wir Ihrem Vorschlag zustimmen können.