Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Hause wiederholt eine Diskussion des Problems erlebt, das uns nun auch heute wiederum beschäftigt. Ich darf an die Auseinandersetzungen um das Betriebsverfassungsgesetz und an die Diskussionen mit den beteiligten Kreisen, ich darf auch an die erste Lesung des Personalvertretungsgesetzes im September des vergangenen Jahres erinnern.
Der Herr Bundesminister des Innern hat schon darauf hingewiesen, daß es in der ersten Legislaturperiode nicht mehr möglich war, auch dieses Stück des Mitbestimmungsrechtes im Bundestag zu verabschieden. Er hat auf die Gründe hingewiesen. Ich weiß, daß man zum Schluß der ersten Legislaturperiode noch versuchte, dieses Gesetz zu verabschieden. Dann wäre aber nicht die Möglichkeit gegeben gewesen, die verschiedenen Probleme, die in dem Gesetz enthalten sind, eingehend zu diskutieren. Zweifellos wäre die Verabschiedung zu dem damaligen Zeitpunkt für die Sache nicht gut gewesen.
In der ersten Legislaturperiode ist eingehend darüber diskutiert worden, ob es zweckmäßig sei, das Problem in einem besonderen Gesetz zu regeln, oder ob man die Regelung in das allgemeine Betriebsverfassungsrecht einbeziehen solle. Ich glaube, es ist abwegig, diesen Streit heute fortzusetzen, da ja durch die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes eine Entscheidung erfolgt ist.
Die Bedeutung dieses Gesetzes mag daran erkennbar sein, daß nach Verabschiedung des Gesetzes eine beträchtliche Zahl von Arbeitern, Angestellten und Beamten den in ihm getroffenen Regelungen unterstellt sein wird. Rund 900 000 Bundesbedienstete sind vorhanden. Auch die indirekte Wirkung eines solchen Gesetzes auf die Landesbediensteten, die Bediensteten der Gemeinden und die der nicht bundesunmittelbaren Körperschaften muß noch beachtet werden.
Aber ich glaube, rein zahlenmäßig, mit dem Blick allein auf die Beschäftigtenziffern, ist die Bedeutung des Gesetzes, das zur Diskussion steht, nicht zu erfassen. Ich möchte sagen, im Rahmen der ganzen Mitbestimmungsprobleme soll dieses Gesetz mit dazu helfen, auch im öffentlichen Dienst von einem Untertanenverhältnis zu einem echten Mitarbeiterverhältnis zu kommen.
Das soll wohl letztlich der Sinn dieser gesetzlichen Regelung sein. Ich will damit nicht sagen, daß nun noch allüberall Situationen vorhanden sind, die nicht der Zeit entsprechen, aber da und dort wird es notwendig sein, daß auch im öffentlichen Dienst ein etwas frischerer Wind weht und daß man hier — sagen wir es ruhig — zu etwas zeitgemäßeren Auffassungen kommt.
Niemand verkennt, daß wir im öffentlichen Dienst eine Sondersituation haben. Die Dinge können nicht genau so wie in der privaten Wirtschaft betrachtet und behandelt werden. Ich glaube wohl feststellen zu dürfen, daß ganz allgemein der Grundsatz bejaht wird, daß der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst dort eine Grenze gesetzt ist, wo das Recht parlamentarischer Körperschaften beginnt. Das ist wohl eine allgemeine Auffassung, und das erleichtert uns zweifellos die Diskussion über das ganze Problem.
Allerdings wird zu prüfen sein — auch der Herr Bundesinnenminister hat das Problem eben angeschnitten —, ob nicht bestimmte Differenzierungen zwischen den Hoheitsverwaltungen einerseits und Regiebetrieben andererseits auch eine gewisse Differenzierung im Gesetz erforderlich machen.
Bei der Diskussion des ganzen Fragenkomplexes in der vergangenen Zeit haben sich einige Grund' herauskristallisiert. Wir haben gerade von uns aus wiederholt auf diese Grundsätze hingewiesen. Einer von ihnen ist: Für den öffentlichen Dienst soll kein schlechteres, sondern ein passenderes Recht geschaffen werden. Schon in der ersten Diskussion des Problems vor wenigen Jahren in den Ausschüssen des Bundestages, als es um das Betriebsverfassungsgesetz ging, hat der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ritter von Lex, diese Auffassung vertreten. Weiterhin ist der Grundsatz aufgestellt worden, daß Abweichungen vom Betriebsverfassungsgesetz nur dort erfolgen sollen, wo sie auf Grund der besonderen Situation des öffentlichen Dienstes notwendig sind. Und ein dritter Grundsatz scheint mir wesentlich zu sein. Er lautet: Wo der Behördenleiter allein das Recht auf Entscheidung hat, muß
er sich gleichermaßen wie der Unternehmer in der Privatwirtschaft ein Mitwirkungs- oder ein Mitbestimmungsrecht gefallen lassen.
Nun ist zu prüfen, ob bei dem uns heute vorliegenden Gesetzentwurf diese Grundsätze, die ich eben angedeutet habe, beachtet worden sind. Das ist bei den organisatorischen Bestimmungen zweifellos geschehen. Aber bei der materiellen Gestaltung des Rechts in diesem Gesetz bestehen noch manche Lücken,
und manche berechtigte Wünsche sind noch nicht erfüllt worden.
Ich will es mit einigen Hinweisen deutlich machen. Es sollen nur Hinweise sein, weil ja heute nicht die Möglichkeit besteht, das Gesetz in allen Details zu diskutieren.
In § 9 beispielsweise ist eine Bestimmung eingefügt worden, nach der das aktive Wahlrecht nur solche Personen haben sollen, die mindestens drei Monate im öffentlichen Dienst stehen. Eine derartige Regelung haben wir im Betriebsverfassungsgesetz nicht. Wohl haben wir bestimmte Voraussetzungen für das passive Wahlrecht verlangt. Sie sind auch in diesem Gesetz enthalten, und ich halte sie für notwendig; dagegen habe ich keine Bedenken. Aber ich halte es nicht für notwendig, daß man das aktive Wahlrecht an eine längere Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst bindet.
§ 30 besagt — es geht da um den Vorsitz im Personalrat —, daß eines der Mitglieder Beamter sein muß, ein anderes Angestellter bzw. Arbeiter. Ich glaube, es besteht kein Anlaß, hier eine Gruppe besonders hervorzuheben.
Es genügt vollkommen, wenn man im Gesetz sagt, daß die Vorsitzenden nicht der gleichen Gruppe angehören sollen. Wir wissen ja aus der Praxis, daß es Verwaltungen gibt, bei denen die Zahl der Beamten sehr niedrig ist. Da würde eine solche Bestimmung doch eine nicht berechtigte Differenziertheit in der Wertung bedeuten.
In der Diskussion bzw. in den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers ist noch ein anderer Punkt angeschnitten worden, nämlich die Frage, wer in bestimmten Streitfällen entscheiden soll. Die Regierungsvorlage sieht hier vor, daß für diese Streitfälle der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden soll. Nach den Ländergesetzen unterstanden diese Fragen bisher der Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit. Gegen die hier vorgeschlagene Regelung haben wir gewisse Bedenken, und zwar Bedenken praktischer Art. Es besteht hier nämlich die Gefahr einer Zweigleisigkeit der Arbeitsrechtsprechung. Daran aber können wir nicht interessiert sein. Wir haben durch das Arbeitsgerichtsgesetz wiederum die drei Instanzen in der Arbeitsgerichtsbarkeit geschaffen. Dadurch haben wir dafür Sorge getragen, daß die Rechtsprechung hier in Ordnung geht. Ich glaube nicht, daß die Verwaltungsgerichte in diesem Fragenkomplex sonderliche Erfahrung haben. Jedenfalls läßt sich nicht bestreiten, daß die größere Erfahrung bei den Arbeitsgerichten vorliegt. Ich habe, wie gesagt, die Sorge, daß die Rechtsprechung sich zersplittert und voneinander abweichende Entscheidungen trifft.
Lassen Sie mich nun etwas sagen zu dem Problem der Gruppenwahlen und der Verhältniswahlen. Ich stimme hier den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers zu und sage in aller Offenheit: ich halte es auch nicht für möglich, dieses Problem anders zu regeln als im Betriebsverfassungsgesetz. Was wir bei der Diskussion des Betriebsverfassungsgesetzes zu dieser Frage gesagt haben, gilt noch heute. Wir möchten wirklich die Garantie dafür geschaffen wissen, daß jede Gruppe im Personalrat durch Personen vertreten wird, die das Vertrauen der Gruppe haben. Das ist der Sinn dieser Regelung.
Zu dem Einwand, diese Regelung führe dazu, die Menschen im Betrieb aufzuspalten, möchte ich nur sagen: diese Kritik wäre dann berechtigt, wenn wir besondere Gruppenräte schafften. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen den gemeinsamen Personalrat, der sich dann aus den Angehörigen der einzelnen Gruppen zusammensetzt. Eine Bestimmung des Gesetzes birgt allerdings die Gefahr in sich, daß es auf Umwegen unter Umständen doch zum Gruppenrat kommen kann. Im Satz 2 des § 36 heißt es:
Bei Angelegenheiten, die lediglich die Angehörigen einer Gruppe betreffen, sind nur ihre Vertreter zur Beschlußfassung berufen.
Der Herr Bundesinnenminister hat versucht, diese Bestimmung noch näher zu begründen. Ich sage: ich habe Bedenken, weil ich glaube, daß hier unter Umständen das erreicht wird, was wir nicht wollen: daß Wir praktisch dann doch weitgehend zu Gruppenräten kommen, wenn alle die Detailfragen nur immer in dem engeren Kreis der Gruppe zur Diskussion stehen.
Zur Frage des Verhältniswahlrechts möchte ich folgendes sagen. Was wir wünschen, haben wir bei der Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes zum Ausdruck gebracht. Wir wollen es auch hier wieder zum Ausdruck bringen. Es ist dies, daß die Personalvertretung ein echtes Spiegelbild der Belegschaft darstellen soll. Das ist für uns das Entscheidende, und das kann eben nur durch das Verhältniswahlrecht sichergestellt werden. Sonst besteht die Gefahr, daß eine Mehrheitsgruppe eine Minderheitsgruppe ausschaltet, ein Zustand, den wir nicht wünschen, den wir auch nicht für glücklich halten.
Nun sind, um zu einigen anderen materiellen Bestimmungen des Gesetzes zu kommen, in dem Gesetzentwurf verschiedene Stufen der Beteiligung der Bediensteten an bestimmten Entscheidungen festgelegt worden: das Recht zur Anhörung, ein Mitwirkungsrecht und ein Mitbestimmungsrecht. Auch hier bin ich der Auffassung, daß wir zu einer weitgehenden Anpassung an die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes kommen müssen. Ich habe nicht den Eindruck, daß hier schon das letzte geschehen ist. Bei aller Anerkennung der Sondersituation im öffentlichen Dienst muß doch zum Ausdruck gebracht werden, daß hier noch eine weitergehende Anpassung an das Betriebsverfassungsgesetz möglich ist. Ich darf daran erinnern, daß einige der im § 65 angeführten Tatbestände nicht nur ein Anhörungsrecht, sondern ein Mitbestimmungsrecht rechtfertigen; ich darf daran erinnern, daß im § 69 andere Tatbestände enthalten sind, bei denen man das Anhörungsrecht durch ein Mitwirkungsrecht ablösen kann, um nur einmal einige Beispiele zu nennen.
Lassen Sie mich noch auf ein letztes Anliegen hinweisen. Es scheint mir notwendig zu sein, zu
prüfen, ob nicht bestimmte Vorschriften über das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen aus dem Betriebsverfassungsgesetz auch hier Anwendung finden können. Ich denke an die Vorschriften in den §§ 67 bis 75 des Betriebsverfassungsgesetzes bzw. ihre Anwendung auf Regiebetriebe. Warum sollte nicht auch in solchen Betrieben ein Wirtschaftsausschuß gemäß den Bestimmungen des § 67 des Betriebsverfassungsgesetzes gute Dienste leisten können, um auch hier alle Kräfte zum größtmöglichen Erfolg für beide Teile einzuschalten. Es wäre auch zu überlegen, ob nicht die Bestimmungen des § 72 des Betriebsverfassungsgesetzes, bei denen es um die Sicherung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer geht, eine Anwendung auf die Regiebetriebe finden können. Ich sage noch einmal, die Gründe, die für eine derartige Regelung im Betriebsverfassungsgesetz sprechen, gelten meines Erachtens auch für die Regiebetriebe.
Ich möchte zum Schluß kommen. Ich darf feststellen, daß der Gesetzentwurf eine Grundlage für die Beratung des Problems bietet. In den Ausschußverhandlungen muß der Versuch gemacht werden, die Lücken auszufüllen. Auch ich möchte dem Wunsche Ausdruck geben, daß eine baldige Verabschiedung des Gesetzentwurfs möglich ist.
Namens meiner Fraktion beantrage ich, die Drucksache 160 den Ausschüssen für Arbeit und Beamtenrecht — gleichberechtigt — zu überweisen, und zwar mit der Maßgabe, daß die Beratungen in einem aus diesen Ausschüssen gebildeten Unterausschuß erfolgen. Das bedeutet eine Abweichung von der Geschäftsordnung; aber es ist nur die Übernahme der Praxis, die wir im 1. Deutschen Bundestag geübt haben. Diese Regelung erscheint uns zweckmäßig, weil beide Ausschüsse Entscheidendes zu dem ganzen Problemkreis zu sagen haben. Es ist schlecht abzuwägen, wo das größere Gewicht liegen soll. Deswegen bitte ich, diesem Vorschlag zu entsprechen.