Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie zunächst einmal auf einige Druckfehler in unserem Änderungsantrag hinweisen. Unter Buchstabe h) Zeile 1 muß es heißen „die heimatvertriebenen Bauern" und nicht „die heimatertriebenen Bauern". In Zeile 2 muß es heißen „in weitestgehendem Umfange einzugliedern" und nicht „anzugliedern".
Das Ziel jeder Agrarpolitik ist die Erhaltung und Stärkung des Bauerntums. Zum deutschen Bauerntum gehören auch die heimatvertriebenen Bauern. Die Substanz dieser heimatvertriebenen Bauern muß weitgehend erhalten bleiben, wenn nicht das deutsche Bauerntum in seiner Gesamtheit nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden soll. Deshalb darf diese vordringliche Aufgabe bei der Neuordnung der deutschen Agrarwirtschaft nicht vergessen werden, und keine agrarpolitische Maßnahme darf der Erfüllung dieser bedeutsamen Aufgabe hinderlich sein. Auch der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung die Erhaltung der Lebenskraft des ost- und mitteldeutschen Bauern als eine Hauptvoraussetzung für den Erfolg seiner auf Einheit und Freiheit Deutschlands gerichteten Politik bezeichnet.
Um die Tragweite und Bedeutung dieser Aufgabe klar herauszustellen, ist es notwendig, sie in ein paar knappen Zahlen zusammenzufassen. Nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes befinden sich in der Bundesrepublik 320 000 ehemals selbständige ostvertriebene Bauern und Landwirte mit ihren Familien. Diese Zahl hat sich durch den Zustrom der Bauern aus der Sowjetzone auf 400 000 Familien erhöht. Sie repräsentieren rund 2 Millionen Menschen. Hierbei sind die unselbständigen Landwirte, Landarbeiter und Landhandwerker noch nicht erfaßt. Die Kopfzahl dieser weiteren Gruppe dürfte sich auf schätzungsweise 2 Millionen belaufen. Insgesamt also umfaßt das ostvertriebene Landvolk über 4 Millionen Menschen, das sind rund 40% aller Vertriebenen.
Hieraus ergibt sich die außerordentliche Tragweite und Bedeutung der anstehenden Aufgaben und zugleich auch die Verantwortung von Regierung und Parlament. Diese bäuerliche Substanz, soweit ihre Träger noch nicht berufsfremd geworden und noch eingliederungswillig sind, zu erhalten und einzugliedern, muß vordringliche Aufgabe in einem Programm zur Neuordnung der Agrarwirtschaft sein.
Aus staatspolitischen Erwägungen kann es nicht hingenommen werden, daß noch weitere wertvolle Teile der heimatvertriebenen Bauern berufsfremd werden.
Von den rund 400 000 ehemals selbständigen Bauern- und Landwirtsfamilien wurden bisher insgesamt nur 45000 Familien eingegliedert. davon ein Drittel auf Vollerwerbsstellen und zwei Drittel auf landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. Landarbeiterstellen und Landhandwerkerstellen, und zwar auf dem Kauf- und Pachtwege. Die durchschnittliche Eingliederungszahl beträgt nach den bisherigen Ergebnissen etwa rund l0 000 pro Jahr. Nach den Erhebungen der Siedlerberatungsstellen in den Ländern sind noch etwa 160 000 Familien
eingliederungswillig; 190- bis 200 000 Familien sind entweder berufsfremd geworden, überaltert oder nicht mehr eingliederungsfähig. Um 160 000 Familien einzugliedern, würden wir bei dem bisherigen Tempo 16 Jahre benötigen. Das hätte zur Folge, daß der größte Teil der Eingliederungswilligen in seinem Nachwuchs berufsfremd würde.
Daraus geht hervor, daß diese Aufgabe unter einem gefährlichen Zeitdruck steht. Es muß daher versucht werden, das Tempo der bäuerlichen Eingliederung so zu verstärken, daß diese Aufgabe in sechs bis acht Jahren gelöst werden kann. Eine Verzögerung über den genannten Zeitraum hinaus würde allerschwerste Verluste an bäuerlicher Substanz mit sich bringen. Was nützt uns dann, meine Damen und Herren, die Rückgewinnung des deutschen Ostens, wenn das Landvolk fehlt, wenn es berufsfremd geworden ist und niemand mehr dort den Pflug führen will! Bauer zu sein ist nicht ein Beruf wie irgendein anderer, sondern das Bauerntum ist eine Lebensform, in die man hineinwächst. Geht sie infolge Berufsentfremdung verloren, so ist sie meist endgültig dahin. Deshalb müssen die Aufgaben rasch und durchgreifend angepackt werden.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat einen Zweijahresplan zur Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern aufgestellt, der ganz im Sinne der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers liegt und die Zustimmung des Kabinetts gefunden hat. Nach diesem Plan sollen jährlich 20 000 Bauernfamilien eingegliedert werden.
Das ist das Doppelte der bisherigen Eingliederung. Der Plan kann nach Auffassung der einschlägigen Fachleute bei gutem Willen aller Beteiligten verwirklicht werden. Wenn dieses Tempo gehalten oder womöglich noch verstärkt wird, so ist die Aufgabe, die heimatvertriebenen Bauern einzugliedern, in sechs bis acht Jahren zu lösen. Zum Gelingen dieser entscheidenden Aufgabe sollten alle Kräfte aus Politik, Verwaltung und berufsständischen Organisationen sinnvoll zusammengefaßt werden und zum Einsatz kommen. Im besonderen geht hierbei mein Appell an die einheimische Landwirtschaft; ohne ihre positive Mitarbeit und ihren guten Willen ist diese Frage nicht zu lösen.
Im Hinblick auf die Bedeutung und Tragweite der anstehenden Aufgabe und aus der Erkenntnis, daß zur Beschleunigung der Durchführung nicht nur erhöhte Haushaltsmittel, sondern auch die Landbeschaffung und die Vereinfachung der verwaltungsmäßigen Durchführung gehören, vertritt meine Fraktion den Standpunkt, daß diese Aufgabe in einem Programm, das der Neuordnung der Agrarwirtschaft dienen soll, unter keinen Umständen fehlen darf.
Die Punkte a bis g bzw. 1-7 der Drucksachen 251 und 79 sind ausführlich behandelt worden, so daß ich darauf verzichten kann, erneut darauf einzugehen. Meine Fraktion stimmt den Punkten von a bis f uneingeschränkt zu, während sie dem Punkt g ihre Zustimmung nicht geben kann, weil sie den Standpunkt vertritt, daß die Frage der Federführung für die Wasserwirtschaft zumindest im Verkehrsausschuß und im Wirtschaftsausschuß mitberaten werden sollte; ja, meine Fraktion vertritt die Auffassung, daß es sachlich richtig wäre, die Federführung bei dem Bundesverkehrsministerium zu belassen.
Ich stelle daher den Antrag, über die einzelnen Buchstaben und Ziffern getrennt abzustimmen.