Rede von
Dr.
Fritz
Czermak
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE sagt zur vorliegenden Fassung des Antrags des Rechtsausschußberichtes ein klares, deutliches, einheitliches Ja.
Jedes Bekenntnis zum Gedanken einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft, zum freien demokratischen Westen, zur abendländischen Kultur, ist eine Frage der Gesinnung, der innersten Überzeugung und verlangt daher auch in entscheidender Stunde eine offene und klare Entscheidung aller, die gleichen Sinnes sind.
Wir sind uns dabei auch gleichfalls voll bewußt, daß es sich heute nur um den er st en Bericht handelt, wie der Herr Berichterstatter von Merkatz ausdrücklich festgestellt hat, um die Entscheidung der zwei vordringlichsten Fragen, einmal die verfassungsrechtliche Klarstellung, die Verfassungsverdeutlichung, eine authentische Interpretation der Wehrhoheit des Bundes durch den Gesetzgeber, die verfassungsmäßig zweifellos zulässig ist, und zum andern die endgültige Zustimmung und Verwirklichung der Verträge von Bonn und Paris. Alle weiteren Fragen, auf die ich hier nicht näher eingehen will, bleiben anhängig und müssen zur rechten Zeit nach Recht und Gesetz verhandelt und entschieden werden.
Wir stimmen zunächst der verfassungsrechtlichen Feststellung der Wehrhoheit des Bundes im Art. 73 Abs. 1 zu mit einer Wehrpflicht nur für wehrfähige Männer über 18 Jahre, besonders auch zum Schutze der wehrlosen Zivilbevölkerung, unserer Frauen, Kinder und alten Menschen. Dabei wird im Grundgesetz ausdrücklich nur von der Verteidigung gesprochen, einer gemeinsamen Verteidigung unseres Lebens, unserer Sicherheit, unserer Freiheit, unserer Familien, unserer geistigen und materiellen Güter vor jeder drohenden Gefahr, die immer noch nur allzu deutlich vor uns steht. Man wird es wohl auch im Ausland gerade unserer Generation, die zwei Weltkriege erlebt hat, glauben müssen, daß wir keinen dritten Weltkrieg wollen, daß wir unser gutes Recht nur auf friedlichem Wege, ohne Haß und Rache, nicht über frische Soldatengräber hinweg, erreichen wollen. Wir möchten es doch endlich einmal in dieser Welt erleben, daß nicht die Idee der Gewalt, sondern die Gewalt der Idee zur Geltung kommt.
Aber unser ganzes Leben, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Arbeit am Wiederaufbau unserer Heimat, am Glück und Wohlstand unserer Familien, an der Eingliederung in eine bessere, schönere Zukunft, wäre sinnlos, wenn wir nicht bereit wären. uns im Ernstfall zu verteidigen und dafür rechtzeitig alle Vorbereitungen zu treffen. Wer von uns den kommunistischen Osten kennt, wer drüben in Rußland war, die Besetzung und Austreibung aus unserer Heimat miterlebt hat, wer von uns weiß, daß drüben im Osten vielfach ganz andere Begriffe von Menschheit und Religion, Zeit und Raum und Recht und Gesetz herrschen als hier bei uns, der kennt auch die Gefahr aus dem Osten, die uns allen droht. Wir können und dürfen daher dieser anderen Welt nicht wehrlos und schutzlos gegenüberstehen. Wir müssen Verbündete suchen und finden, weil wir allein zu schwach sind und uns nur die Eingliederung in die große Europäische Verteidigungsgemeinschaft stark macht. Dem kommunistischen Osten imponiert man nur durch eine Politik der Stärke. nicht durch Zweifel und durch Schwäche. Der gefährliche, höchst bedenkliche Spruch ..Si vis pacem, para bellum" —,,Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg" — ist leider trotz Völkerbund und Abrüstungskonferenzen aus unserer Welt immer noch nicht verschwunden. Wir wollen keinen Krieg bereiten; wir wollen Ruhe und Frieden. Aber dieser Frieden muß gesichert, muß verteidigt werden, und nur darin sehen wir den Sinn und Zweck einer künftigen Wehrmacht im Rahmen einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Das soll und muß eine demokratische Wehrmacht werden, Staatsbürger in Uniform, dem Geist unserer Zeit entsprechend.
Wir stimmen auch dem Zusatz in Art. 79 bezüglich künftiger völkerrechtlicher Verträge, besonders Friedens- und Verteidigungsverträge, zu, ebenfalls dem Art. 142 a in der Fassung des Berichts, worin ausgesprochen wird, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß der beiden Verträge von Bonn und Paris nicht entgegenstehen. Wenn wir aber diese Verträge bejahen — und dies hat die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes getan,
wie die Wahl im September des Vorjahres bewiesen hat --, dann muß man auch ihre Verwirklichung wollen. Hier handelt es sich zweifellos um eine hochpolitische Frage, die daher auch zunächst politisch gelöst werden muß, und zwar mit der im Grundgesetz vorgeschriebenen Mehrheit.
Wenn dies nun tatsächlich geschieht, wenn diese Fragen legal nach der Verfassung gelöst werden, dann sollte man sich als Demokrat davor hüten, von einer Mißgeburt zu sprechen.
Bei allem schuldigen Respekt vor der Justiz — Justitia regnorum fundamentum — muß ich Ihnen, meine Damen und Herren, ganz offen erklären, daß man draußen im Volk für alle diese Streitfragen, für diese positiven und negativen Kompetenzkonflikte zwischen Justiz und Politik herzlich wenig Verständnis hat.
Grillparzer hat vor etwa 100 Jahren schon gesagt:
Hört, ihr Leut und laßt euch sagen: Die Politik hat die Justiz erschlagen.
Heutzutage könnte man manchmal fast den Eindruck haben, daß man auch das Gegenteil sagen könnte.
Dabei ist es uns allen aber selbstverständlich, daß neben den politischen auch alle rechtlichen, besonders verfassungsrechtlichen Fragen gründlich verhandelt und geklärt werden müssen. Die Diskussion über alle diese Fragen ist auch durch die heutige große Debatte nicht abgeschlossen; sie geht bezüglich der offenen Fragen, die ja hier bereits erwähnt wurden, weiter.
Zum Schluß aber — ich will mich hier nicht auf Wiederholungen einlassen — möchte ich nochmals feststellen: meine politischen Freunde stehen mit mir auf dem Standpunkt, daß man ein begonnenes Werk auch vollenden muß, insbesondere wenn es sich um entscheidende Fragen der ganzen Nation handelt.
Bezüglich aller weiteren Fragen, die heute nicht zur Entscheidung stehen, behalten wir uns unsere Stellungnahme vor. Dem vorliegenden Ausschußantrag aber werden wir, wie ich bereits eingangs erklärt habe, einstimmig zustimmen.