Rede von
Eva Gräfin
Finckenstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich will versuchen, das Problem auf einen ganz einfachen Gedankengang
zurückzuführen. Ich sage dabei meine persönliche' Meinung, wenn ich auch glaube, daß ich die Meinung der meisten weiblichen Mitglieder meiner Partei, des Gesamtdeutschen Blocks / BHE, ausspreche.
Der Gesetzentwurf, der zur Beratung ansteht, führt uns in die tiefsten persönlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau. Es ist noch gar nicht lange her, da schien es, als ob diese Beziehung einer Ordnung unterlegen sei, die Ewigkeitsdauer beanspruchte. Mit einfachen Worten gesagt lautete diese Ordnung: Der Mann als Ernährer der Familie hat in den entscheidenden Dingen zu bestimmen, und die Frau hat sich zu fügen. Nun ist es aber so, daß jede Ordnung von äußeren Faktoren abhängig ist, die die innere Bewußtseinslage der Dinge bestimmen. So hatte die althergebrachte Ordnung zur äußeren Voraussetzung, daß der Mann der alleinige Ernährer der Familie sei. Wir wissen alle, daß diese Voraussetzung heute nicht mehr gegeben ist.
Schon zu Beginn des neuen Jahrhunderts setzte eine Bewegung ein, die den Frauen das freie Berufsleben eröffnete. Heute ist es so, daß die Frau in zahllosen Fällen wesentlich zum Unterhalt der Familie beiträgt. Es erscheint selbstverständlich, daß eine solche Änderung der sozialen Voraussetzungen auch eine Änderung der Ordnung zwischen den Eheleuten bedingt. Die Bewußtseinslage hat sich eben geändert, und sie hat sich nicht zuletzt deshalb so gründlich gewandelt, weil die Frauen in den schrecklichen Jahren im Krieg und nach dem Krieg und auf der Flucht vor gleichen Rechten gleiche Pflichten auferlegt bekamen und weil sie diese gleichen Pflichten auch trugen.
So kann man heute nicht mehr von der althergebrachten Ordnung, die dem Mann die Vorhand in wichtigen Entscheidungen ließ, sprechen. Man kann es bedauern oder auch nicht, daß sich diese Ordnung überlebt hat. Man wird es ebenso wenig ändern können, wie man die Ordnung des Feudalsystems oder der Zünfte, die sich zu ihrer Zeit ja auch sehr bewährt haben, zurückrufen kann. Diese Wirtschafts- und Sozialordnungen sind von den Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts wie ausgewachsene Kleider abgelegt worden, und wo dies zu spät geschehen ist, sind die Folgen des Festhaltens an einer überlebten Ordnung verhängnisvoll gewesen. Man denke z. B. an Rußland.
Es ist deshalb zu begrüßen, daß wir in der Bundesrepublik rechtzeitig im Grundgesetz die Folgerungen aus solchen Überlegungen gezogen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert haben. Heute müssen wir lediglich noch die Gesetzgebung im einzelnen diesem Grundsatz anpassen. Die Schwierigkeit dabei gipfelt in der Entscheidungsgewalt.
Ich glaube, daß man kein gutes Werk tut, wenn man eine Regelung trifft, die versucht, die alte Ordnung wiederherzustellen. Überlebte Ordnungen lassen sich nicht zurückrufen, weil sich das Bewußtsein der Menschen geändert hat und weil sich die Bewußtseinslage einer Zeit nicht willkürlich steuern läßt. So ist es auch hier. Wenn wir bei der Anerkennung der allgemeinen Gleichberechtigung zwischen den Eheleuten dem Mann doch die Entscheidungsgewalt zubilligen, so erleichtern wir damit nicht das friedliche Zusammenleben in der Familie. Wir beleidigen vielmehr das Gefühl des Rechts in der Frau, weil wir an einer wichtigen Stelle das zurücknehmen, was wir ihr im Gesetz und im öffentlichen Bewußtsein ja längst gewährt haben. Mit
der Freiheit ist es eine sonderbare Sache. Wenn man sie erst einmal versprochen hat, muß man sie auch voll gewähren; denn auch die, die ursprünglich gar nicht darum gekämpft haben, verlangen später das Versprochene. Das Beste, was wir nach Lage der Dinge tun können, scheint mir die ersatzlose Streichung des § 1354 zu sein, d. h. die Herstellung der völligen Gleichwertigkeit von Mann und Frau bei allen Entscheidungen. Wir entsagen damit bewußt dem Anspruch, etwas gesetzlich regeln zu wollen, was sich nicht regeln läßt. Wir stellen statt dessen beide Ehegatten als vollwertige Menschen nebeneinander. Nur wenn jegliche Benachteiligung oder gar Unterdrückung eines Ehegatten fehlt, kann der moralisch wertvollere Teil — wer immer es auch sein mag — das natürliche Übergewicht gewinnen. Dieses natürliche Übergewicht wird ihm dann von selbst die berechtigte und damit dauerhafte Führung in der Ehe zuschieben. Ich hoffe zum Segen der Eheleute von ganzem Herzen, daß dies der Mann sein möge. Aber er soll sich diesen schönen Führungsanspruch bei fairer gleicher Chance selber erringen. Auf eine gesetzliche Hilfestellung bei solchem Unterfangen sollte er freiwillig verzichten.