Rede von
Dr.
Rudolf
Vogel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einem so brillanten Feuerwerk wieder in die karge Steppe des Bundeshaushalts zurückzukehren, ist ein gewagtes Unternehmen. Allerdings hatte ich manchmal den Eindruck, daß mein sehr verehrter Herr Vorredner die den Geigenvirtuosen nicht unbekannte Technik des Springbogens anwandte und zu sehr in gewisse artistische Formulierungen verfallen ist.
Ich möchte auf der anderen Seite meine Freude darüber aussprechen, daß mit der heutigen Debatte der Versuch gemacht worden ist, die alte Tradition, von der bereits Herr Dr. Krone sprach, wiederherzustellen und in eine, ich möchte einmal sagen, generelle Gewissenserforschung über das Verhältnis von Parlament zu Regierung einzutreten, dabei uns darüber klarzuwerden, welche Stellung wir hier einnehmen, auch wir von der führenden Regierungspartei und von der Koalition.
Lassen Sie mich zunächst auch auf etwas hinweisen, was schon vorhin in den Worten meines verehrten Ausschußvorsitzenden, des Herrn Kollegen Schoettle, anklang, als er sich über den heute im deutschen Volk herrschenden Mangel an Kenntnissen über den Haushalt beklagte. Gerade in den letzten Tagen las ich darüber ein Beispiel, das mich sehr nachdenklich gestimmt hat. In einer niederrheinischen Stadt von 450 000 Einwohnern, so wird berichtet, habe der Millionenhaushalt dieser großen Kommune, wie es nach der Satzung der Stadt zu geschehen hat, den Bürgern eine Woche lang zur Einsichtnahme offengelegen. Zwei von den 450 000 machten von diesem Bürgerrecht Gebrauch!
Ich halte es infolgedessen für ein sehr begrüßenswertes Beginnen, daß uns der Herr Bundesfinanzminister diesen „Wegweiser" an die Hand gegeben hat, die Kenntnis über den Haushalt, der das Kernstück des staatlichen Wollens darstellt, ein wenig mehr in das Volk hineinzutragen, als es bis jetzt der Fall war. Er nimmt damit eine sehr gute Übung wieder auf, die bis 1933 bestand. Nichts kennzeichnet ja das Wesen eines totalitären Staates stärker als sein Bestreben, den Haushalt dem Volke überhaupt fernzuhalten.
Wir sind allerdings auch in einer sehr schwierigen Situation, wenn wir nun zu einem Kompendium von 2000 Seiten Stellung nehmen sollen und uns der zu wenigen Hilfsmittel bewußt werden, die uns dabei zur Verfügung stehen. In den Haushaltsjahren vor dem ersten Weltkrieg und bis 1933 vermochten die Parlamente angesichts des weitaus geringeren Umfangs der damaligen Haushaltspläne diese Aufgabe bei rechtzeitiger Vorlage auch ohne weiteres zu bewältigen. Aber seit der Begründung der Bundesrepublik steht dieses Hohe Haus vor der äußerst schweren Aufgabe, einen gegenüber den Reichshaushalten von vor 1933 in seinem Umfang verdreifachten, ja noch darüber hinausgehenden Haushalt in kürzester Frist zu verabschieden.
Diese Aufgabe wird deshalb so ungemein schwierig, weil sich Wirtschaft und Steuerpolitik in einem früher unbekannten Maße heute verzahnt haben. Ja man kann wohl ohne Übertreibung aussprechen, daß die wirtschaftliche Entwicklung in weiten Gebieten steuerabhängig geworden ist, so daß zur Kontrolle dieser Wechselbeziehungen umfassende Erhebungen, Informationen und Einblicke für uns notwendig sind. Sie stehen uns leider nicht in dem wünschenswerten Ausmaß zur Verfügung. Auch das, was Gewerkschaftsinstitute, was die Institute der freien Wirtschaft und der öffentlichen Hand, was Universitätsinstitute auf diesem Gebiet in dankenswerter Weise leisten, kann nur Notbehelf sein. Das Parlament ist insgesamt in eine bedrükkende Abhängigkeit von den Angaben, Statistiken und Mitteilungen der Exekutive geraten. So wird es eine der kommenden Aufgaben dieses Hohen Hauses sein — und vor allen Dingen auch des Haushaltsausschusses —, einmal nachzuprüfen, welche Maßnahmen zur Beseitigung dieses Mißverhältnisses getroffen werden können.
Hier bieten sich die Erfahrungen anderer Länder an. Ich denke da z. B. an den Reference-Service des amerikanischen Kongresses, eine großartige, allerdings höchst komplizierte und kostspielige Einrichtung, die zur Verfügung der beiden Häuser des amerikanischen Kongresses steht. Wir sollten uns vielleicht auch an die erprobten Einrichtungen des britischen Parlaments, nämlich an die Einsetzung von königlichen Kommissionen zur Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für besonders brennende Probleme erinnern. In der Bundesrepublik werden der Bundesrechnungshof und der Bundesbeauftragte und ihre künftigen Funktionen in den Mittelpunkt einer solchen künftigen Erwägung zu stellen sein.
Trotz alledem, Herr Kollege Schoettle, bin ich in bezug auf die Möglichkeiten einer termingerechten Verabschiedung des Haushaltes ein wenig optimistischer. Ich teile ja in dieser Beziehung auch den „fröhlichen Optimismus" des Herrn Bundesfinanzministers ein wenig mehr, als Sie das getan haben. Wenn ich es auch nicht für möglich halte, Herr Bundesfinanzminister, den Haushalt bis zum 1. April in beiden Häusern zu verabschieden, halte ich es doch immerhin für denkbar, daß wir im Haushaltsausschuß so viel Zeit gewinnen, daß die Überschreitung des Termins vom 1. April Sie nicht in allzu große Verlegenheit bringt.
Für uns ergeben sich bei einem kritischen Blick auf die Ihnen allen vorliegenden Zahlenbilder des Gesetzentwurfs des ordentlichen und außerordentlichen Haushaltsplanes insgesamt folgende Fragestellungen.
Erstens. Ist dieser vorgelegte Haushaltsplan in sich ausgeglichen?
Zweitens. Enthält er noch Reserven?
Drittens. Erlauben etwaige Reserven noch Neubelastungen im kommenden Haushalt?
Viertens. Mit welchen Belastungen in den kommenden Haushaltsjahren, auf die wir uns jetzt schon einrichten müssen, werden wir mit Sicherheit zu rechnen haben?
Die Opposition hält im Gegensatz zum Bundesfinanzminister den vorgelegten Haushaltsplan für durchaus „nicht so stabil". Sie hat den „fröhlichen Optimismus" des Herrn Bundesfinanzministers kritisiert. Das ist ihr gutes Recht. Indes wird sie wohl kaum bestreiten, daß der vorgelegte Haushalt 1954/55 in sich wesentlich stabiler ist als alle Haushalte, die wir vorher seit 1949 vorgelegt bekommen haben. Er zeigt sehr bemerkenswerte Anzeichen einer Konsolidierung. W o aber, meine Damen und Herren, gäbe es heute in der gesamten freien Welt noch Haushalte, die sich mit der Ausgeglichenheit der Haushalte der sogenannten klassischen parlamentarischen Zeit vor dem ersten Weltkriege vergleichen könnten, bevor diese zwei grauenhaften Weltkriege, bevor die internationale Wirtschaftskrise von 1930, die Inflationen usw. das Wirtschaftsbild und damit die Wirtschaftsstruktur der gesamten Welt grundsätzlich verändert haben?! Darf man allerdings aus dem Vorwurf der Opposition, Herr Kollege Schoettle, dieser Haushalt sei nicht stabil genug, ihre feste Entschlossenheit und den guten Willen ableiten, bei mit Ausgaben verbundenen Initiativanträgen im kommenden Haushaltsjahr besonders vorsichtig zu sein
und dadurch die schon angezweifelte Stabilität nicht noch mehr zu gefährden?
Ich komme damit auf eine grundsätzliche Frage von außerordentlicher Bedeutung zu sprechen, und die geht die Koalition nicht weniger an als die Opposition. Nicht nur Herr Kollege Schoettle, sondern auch Herr Kollege Dehler haben sich ja mit der Grundsatzfrage des Initiativrechtes hier auseinandergesetzt. Lassen Sie mich dazu noch einige grundsätzliche Auffassungen vortragen.
Wir kennen zweierlei Auffassungen von diesem Problem des Verhaltens und der Wechselbeziehungen von Koalition und Regierung zueinander und darüber hinaus von Legislative und Exekutive überhaupt. Die erste Auffassung stützt sich auf das britische Vorbild. Auch viele Staatsrechtler in Deutschland sehen in der Regierung im Grunde genommen nichts weiter als einen Exekutivausschuß der herrschenden oder der regierenden Koalitionsparteien.
Wer sich dieser Auffassung anschließt, muß daraus gewisse Konsequenzen ziehen, wie sie das britische Parlament bereits seit 1713 gezogen hat. Denn — Herr Kollege Schoettle, hier ist Ihnen ein Irrtum unterlaufen — das britische Parlament hat zwar keine offizielle Geschäftsordnung, aber es hat die Ordinances, die einen umfassenden — —
— Das ist richtig, da stimme ich Ihnen vollkommen bei. Aber in diesem umfassenden Kompendium der britischen Ordinances, nach denen ja das Parlament verfährt, heißt es wörtlich in Ordinance Nr. 78 von 1713:
Das Haus wird kein Gesuch um Zuwendung von öffentlichen Fonds annehmen oder auf Anträge eingehen, die eine Geldbewilligung oder sonst eine Belastung von öffentlichen Einnahmen zum Inhalt haben, außer, wenn sie von der Krone empfohlen worden sind.
Das heißt heute: von der Regierung eingebracht worden sind. Mit vollem Recht weist Professor Dr. Bühler, München, in seiner Betrachtung in der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" darauf hin, daß dies ein Akt äußerster Selbstverleugnung der Koalition und der Regierungspartei gegenüber der eigenen Regierung ist. Aber er weist auch darauf hin, daß dadurch England seit 240 Jahren von der Misere der kontinentalen Staaten befreit gewesen ist.
— Ja, einen Augenblick! Auch das tun sie nicht immer so ohne weiteres.
— Nein, nicht ohne weiteres.
Nun, meine Damen und Herren, keine Bestimmung hat, glaube ich, so sehr zur Wahrung des Parlamentarismus schlechthin in der modernen Welt beigetragen wie gerade diese Bestimmung. Dieses anziehende Beispiel können wir aber leider nicht ohne weiteres befolgen, sei es auch nur in einer Geschäftsordnung, wie das hier versucht worden ist. Sie ist bekanntlich am Einspruch des Bundesverfassungsgerichts gescheitert, das eine Beschränkung des Initiativrechts des Bundestages für verfassungswidrig erklärte. Allerdings richtete damals das Bundesverfassungsgericht an das Hohe Haus auch den Appell zur Selbstdisziplin, einen Appell, den wir durchaus beherzigen sollten.
Nach der auch im Grundgesetz verankerten zweiten Auffassung über das Verhältnis von Regierung und Parlament wird eine scharfe Trennung von Exekutive und Legislative gefordert. Damit wird automatisch das ja auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Initiativrecht der Koalition bejaht, und zur Vermeidung von Haushaltsverschlechterungen stellt das Grundgesetz der Bundesregierung den hier schon öfter, auch von meinen Herren Vorrednern angezogenen Art. 113 und dem Herrn Bundesfinanzminister ganz besonders den Art. 112 zur Verfügung. Es könnte auch daran gedacht werden, einen Ausweg zu finden, Herr Kollege
Schoettle, in einer Sonderstellung des Haushaltsausschusses. Ich fürchte nur, das Hohe Haus wird uns nicht darin folgen, diesem Ausschuß ein Sonderrecht zu bewilligen.
Meine Freunde und ich sind nun der Auffassung, daß bei künftig eintretenden Divergenzen — und solche sind ja keineswegs ausgeschlossen — oder bei drohender Gefährdung des Haushalts der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung sich — eben zur Vermeidung von Schwebezuständen, wie wir sie in der Vergangenheit manchmal erlebt haben — der Art. 112 und 113 energischer bedienen sollten, als das bis jetzt der Fall war, falls wir uns von der Regierungskoalition nicht dazu entschließen sollten, notfalls Überweisungen von Ausgaben verursachenden Initiativanträgen ohne Deckungsnachweis an die Ausschüsse überhaupt zu verweigern. Ich glaube allerdings, daß das britische Parlament in der Beziehung die glücklichere Praxis aufgezeigt hat. Dabei verkenne ich keinesfalls, daß sehr vieles nur möglich ist angesichts der überaus starken Stellung einer in Deutschland unbekannten Institution, nämlich des britischen Chief Controller als Hüters der Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft des britischen Staatswesens überhaupt.
Lassen Sie mich nach dieser grundsätzlichen Betrachtung zu der Frage nach der Ausgeglichenheit des Haushalts zurückkehren. Sie wird wohl am besten durch die dem Hohen Hause in der Drucksache 200 vorliegenden Stellungnahme des Bundesrates beim ersten Durchgang selbst beantwortet. Wenn die erfahrenen Leute der Herren Finanzminister der Länder im Bundesrat sogar dazu gelangt sind, Abstriche in Höhe von mehr als 400 Millionen DM an diesem Haushalt für verkraftbar zu halten, dürften die Besorgnisse der Opposition wesentlich gedämpft sein.
Der Bundesrat bejaht ja im Grunde genommen bereits auch die zweite von mir aufgeworfene Frage nach dem Vorhandensein von Reserven in diesem Haushalt. Selbst wenn man in bezug auf die Bereitstellungen für die Zinsleistungen des Bundes einem vielleicht noch fröhlicheren Optimismus huldigen würde, als es der Herr Bundesfinanzminister tut, und auch bei den Zöllen, beim Notopfer Berlin, bei der Tabaksteuer und bei der Mineralölsteuer vielleicht zu einer günstigeren Schätzung als das Bundesfinanzministerium gelangte — obwohl ich hier ausdrücklich anerkennen möchte, daß die Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers sich in der Vergangenheit als erstaunlich exakt erwiesen haben —, ich sage, selbst unter diesen Kautelen wäre immer noch unter keinen Umständen folgendes zu übersehen — das gleiche gilt in ebenso starkem Maße für jene hier auch schon angedeuteten Einsparungsmöglichkeiten im Falle eines — Gott wolle es verhüten! — Nichtinkrafttretens des EVG-Vertrags bis zum 1. Juli 1954 —: Nach dem Haushaltsrecht ist der Bundesfinanzminister gehalten, jede nur erdenkliche Einsparung zunächst zur Tilgung der bis jetzt mitgeschleppten Haushaltsdefizite vergangener Jahre zu verwenden. Der Bundesfinanzminister sollte nach unserer Auffassung unter allen Umständen dafür Sorge tragen, daß die seit 1951 immer wieder übernommenen Schulden in Höhe von 1 Milliarde allein aus diesem Jahre 1951 entweder abgetragen oder langfristig konsolidiert werden.
— Eben! Leider konnte er es nur zu einem kleinen Prozentsatz tun, vor allem im Haushaltsplan 1952 zu 1953. —
Das ist um so notwendiger, als wir uns in den kommenden Haushaltsjahren auf ungewöhnlich hohe neue Belastungen mit Sicherheit einrichten müssen. Nach einer vor mir liegenden Aufstellung werden wir an Mehrausgaben im Bundeshaushaltsplan 1955 gegenüber dem Haushalt 1954/55, der uns hier vorliegt, mit folgenden Beträgen zu rechnen haben: Das Heimkehrergesetz allein wird rund 200 Millionen DM mehr beanspruchen, der Schuldendienst 150 Millionen, das Kriegsschädenschlußgesetz, das uns bereits in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers angekündigt wurde, mehr als 200 Millionen, die Restitutionen etwa 150 Millionen, Bundesgrenzschutz und Luftschutz 50 Millionen, Sonstiges 100 Millionen.
Hier ist der Fehlbetrag aus 1953 voraussichtlich rechnungsmäßig mit 1,3 Milliarden noch nicht drin. Es sind ferner nicht drin die mit Sicherheit auf uns zukommenden Zuschüsse zur Bundesbahn vielleicht mit mindestens 150 Millionen, Straßenbaumehrbelastungen mit mindestens 100 Millionen, außerdem Vorratshaltung, Subventionen und Sozialausgaben, die mit Sicherheit auf uns zukommen.
Wir müssen uns also, meine Damen und Herren, so unangenehm das uns auch sein mag, auf eine Mehrbelastung im übernächsten Haushaltsjahr von mindestens 1 Milliarde zusätzlich gefaßt machen. Der Bundesfinanzminister würde leichtfertig handeln, wenn er jetzt nicht schon sein Auge auf diese auf uns zukommenden Lasten richten würde.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf zwei Punkte eingehen, die nicht nur in der Diskussion bei der Verabschiedung vorangegangener Haushalte im Haushaltsausschuß selbst, sondern auch draußen in der Publizistik und in der Presse einen gewissen Raum eingenommen haben. Ich meine das Bundesvermögen und die Kassenlage der öffentlichen Hand generell.
In den allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushaltsplan 1954/55 — eine ebenso nützliche und, wie das auch bereits von der Opposition anerkannt worden ist, sehr brauchbare Erneuerung früherer guter Handhabungen — hat das Bundesfinanzministerium in Ausführung der Bestimmungen des Grundgesetzes zum ersten Mal eine Vermögensaufstellung des Bundes veröffentlicht. Das ist eine überaus dankenswerte Leistung der zuständigen Abteilung des Bundesfinanzministeriums, die meine Freunde durchaus zu würdigen wissen —dies um so mehr, als erst zwei von den auf eine doppelt so lange Regierungstätigkeit zurückblikkenden Ländern bis jetzt der gleichen Verpflichtung nach Aufdeckung ihrer Vermögensverhältnisse nachgekommen sind. Um wieviel leichter würden sich alle 'diejenigen tun, die sich mit öffentlichen Finanzen zu befassen haben, wenn wir nicht nur vom Bund und den Ländern, sondern auch von allen Gemeinden derartige Einblicke in ihre Vermögensverhältnisse bekämen!
Nun wäre über die Bewertung des ausgewiesenen Bundesvermögens natürlich einiges zu sagen. Ich bin überzeugt, Wirtschaftstreuhänder haben hier ein sehr weites Feld vor sich. Der Herr Bundesfinanzminister hat, wohl im Vorgriff auf die zu erwartende öffentliche Kritik, die in der allgemeinen Vorbemerkung angesetzte Summe von 1,2 Milliarden allein für die Beteiligungen des Bundes inzwischen selber in seiner Rede hier bei der Einbringung seines Haushalts auf 2 Milliarden erhöht. Unser Herr Bundesfinanzminister ist ob seiner lobenswerten Vorsicht bekannt. Wir werden also wohl bei der Einkalkulation selbst noch drohender Belastungen dieses Vermögens mit einem vielleicht noch höheren Betrag allein bei den Beteiligungen rechnen dürfen.
Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht das Entscheidende. Unsere Kritik richtet sich gegen den, in unseren Augen höchst ungenügenden und — ich möchte einmal beinahe sagen: verschwindend kleinen Betrag von nur 9 Millionen an Erträgen aus diesem Milliardenvermögen! So weit sollte das an sich verständliche Bestreben der vom Bund kontrollierten Unternehmen nach Eigenfinanzierung nun nicht gerade gehen!
Oft genug ist nun in der Öffentlichkeit die Veräußerung von Teilen des Bundesvermögens und sogar seine Heranziehung zur Deckung bestimmter Ausgaben des Haushalts gefordert worden. Ganz abgesehen davon, daß zur Durchführung einer solchen Forderung eine Änderung des Haushaltsgesetzes notwendig wäre, müßten zunächst einmal auch zahlungskräftige Käufer gefunden werden. An Anwärtern, die billig zu Bundesvermögenswerten kommen wollen, fehlt es uns sicherlich nicht. Wenn man sich aber in den maßgebenden Kreisen der Wirtschaft ernsthaft mit derartigen Forderungen nach einer Reprivatisierung des Bundesvermögens befaßt, dann sollte man auch zuerst für ein wirklich fundiertes und für den Bund annehmbares Angebot Sorge tragen.
Ich möchte allerdings dem Herrn Bundesfinanzminister zu erwägen geben, ob man nicht in einem großzügigen Verfahren die vielen Tausende durch die Autobahn und die Errichtung von Wehrmachtanlagen in ihrem Eigentum geschädigten Grundbesitzer durch Rückgabe der nicht unbedingt gebrauchten Grundstücke befriedigen könnte. Zu meiner Freude habe ich feststellen können, daß die für die Entschädigung der enteigneten Grundbesitzer im Haushaltsplan bereitgestellten Mittel — wir hatten darüber beim letzten Haushalt hier eine Debatte — von 20 auf 40 Millionen DM erhöht worden sind und damit hoffentlich bereits im nächsten Haushaltsplan dieses ein wenig leidige Kapitel der noch offengebliebenen Forderungen der Autobahnanlieger und der Anlieger von Wehrmachtterrain endgültig abgeschlossen wird.
Ein besonders ernstes Anliegen ist meinen Freunden und mir die dritte von mir aufgeworfene Frage, ob der vor uns liegende Haushaltsplan noch zusätzlich soziale Belastungen verträgt. Wir sind der Auffassung, daß die beste Wirtschaftspolitik zugleich die beste Sozialpolitik ist. Nur aus einer gedeihenden und blühenden Wirtschaft heraus können die von uns gewünschten — durchaus gewünschten! — höheren Leistungen auch für die Sozialpolitik und vor allen Dingen für die Anspruchsberechtigten entnommen werden. Der vor uns liegende Haushaltsplan ist aber in seinen sehr exakten Einnahmeschätzungen auf die Vermehrung des Brutto-Sozialprodukts um mindestens 5 % abgestimmt. Herr Kollege Schoettle, hier gestatten Sie mir schon, darauf hinzuweisen: es kann kein Mensch und es kann kein Volk ohne Hoffnung leben. Wir alle teilen in dieser Beziehung durchaus den Optimismus des Herrn Bundesfinanzministers, zumal er sich ja schließlich nicht auf reine Prophezeiungen, sondern auf sehr gute Argumente und Berechnungen stützt. Meine Damen und Herren, die letzten fünf Jahre haben uns den kaum zu widerlegenden Beweis geliefert, daß unsere Auffassung und damit auch unser Optimismus fundiert und richtig waren. Hätten wir uns von Ihrem Pessimismus, meine Damen und Herren der Opposition, leiten lassen, dann wären die bis jetzt möglichen Steigerungen auch in den Sozialausgaben auf 19,2 Milliarden DM insgesamt überhaupt nicht möglich gewesen.
Dabei sind wir uns zutiefst der Verpflichtung bewußt, daß über diese bereits gesteigerten Renten hinaus noch zusätzlich etwas getan werden muß. Meine Freunde werden deshalb gemeinsam mit dem Herrn Bundesfinanzminister und dem Herrn Bundesarbeitsminister überlegen, wie diese von uns als notwendig erkannte Erhöhung vor allem der Altrenten in dem vorgelegten Haushaltsplan verankert werden kann. Es wird unter Umständen auch noch zu überlegen sein, ob nicht eventuell auch durch Umgruppierungen in den Beiträgen zu den Sozialversicherungen dieses Ziel zunächst einmal erreicht werden kann, bis die auch von uns dringend erwartete Reform der Sozialversicherung eine endgültige Klärung bringt.
Hier allerdings möchte ich auch den besonderen Wunsch meiner Freunde nach einer größeren Aktivität des dem Herrn Bundesarbeitsminister zur Verfügung stehenden Wissenschaftlichen Beirats mit einschließen.
Für ein für die weitere Vermehrung des Sozialprodukts unentbehrliches Stimulans halten wir die vom Bundesfinanzminister angekündigte zweite Steuerreform. Meine Damen und Herren, wir wollen hier nicht mit großen Tönen von „großer Steuerreform", „organischer Steuerreform" sprechen, sondern wollen es schlicht die „zweite Steuerreform" nennen. Das Hohe Haus wird sich mit der entsprechenden Vorlage der Bundesregierung hoffentlich sehr bald zu befassen haben.
Wir fordern von dieser Steuerreform ganz allgemein drei Dinge. Sie sollte erstens so schnell wie möglich eingebracht werden und spätestens am 1. Januar 1955 in Kraft sein, zweitens eine wirkliche Vereinfachung beinhalten, drittens die Familie stärker, als das bisher der Fall war, fördern und viertens einen möglichst großen Kreis vor allem der Lohnempfänger, des Mittelstandes und der Bauernschaft vom Finanzamt freisetzen.
In der Überzeugung von der Unabdingbarkeit einer zweiten Steuerreform scheinen wir uns in weitgehender Übereinstimmung auch mit den Veröffentlichungen der Gewerkschaften zu befinden. Die in den „Mitteilungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften" von Wolkersdorf bereits im Mai 1953 veröffentlichten Untersuchungen über die bedauerlichen Auswirkungen einer überdrehten Steuerschraube sind
auch heute noch ungemein zeitnah. Dabei wollen wir keineswegs übersehen, wie sehr der Wegfall der Steuerbegünstigungen auch die freiwilligen Sozialleistungen der Wirtschaft unter Umständen in Mitleidenschaft ziehen kann, wenn in Zukunft jede Ausgabe weit sorgsamer kalkuliert wird,, als das bis jetzt der Fall war.
Es scheint mir ganz nützlich zu sein, auch einmal auf die Untersuchungen der Handelskammer Hamburg etwas näher einzugehen. Gegenüber den vor dem Kriege aufgebrachten freiwilligen Sozialleistungen von durchschnittlich 8 % der gezahlten Löhne und Gehälter errechnet die Handelskammer Hamburg in einer vor zwei Tagen veröffentlichten Aufstellung eine Steigerung von 8 auf 13 % im Bundesdurchschnitt. Die Zahl schwankt zwischen 11,5 % in Baden-Württemberg und 17,3N in Hamburg.
Oft genug ist der Bundesfinanzminister übrigens auch von sehr seriösen Organen angeregt worden, angesichts der außerordentlichen Liquidität der öffentlichen Hand vielleicht sogar an eine Kampferspritze an die Wirtschaft in Gestalt einer Steuerstundung zu denken. Wir glauben, man sollte sich derartige Gewaltrezepte für andere Zeiten vorbehalten.
Die Bank deutscher Länder hat uns eine Sondererhebung über die Kassenlage der öffentlichen Hand angekündigt. Allein schon in dieser Ankündigung liegt eine gewisse Kritik. Immerhin ergab die repräsentative Erhebung der BdL vom 23. November 1953 einen Einlagenbestand aller öffentlich-rechtlichen Körperschaften — allein bei dem hier kontrollierten Bankensystem von 480 Banken — von 900,2 Millionen DM. Das bedeutet gegenüber dem gleichen Zeitpunkt 1952 mit nur 6,7 Milliarden DM eine um so höhere Steigerung, als sich inzwischen die kleine Steuerreform bereits ausgewirkt hatte und auch die Senkung der Verbrauchsteuern sich auszuwirken begann. Von diesen Einlagen entfielen am 15. November 1953 4,7 Milliarden auf die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und nur 5,4 Milliarden DM — also 4,7 zu 5,4 — auf die Spareinlagen der Wirtschaft. Es ist mir übrigens beim besten Willen nicht gelungen, zu entdecken, wo eigentlich die sagenhaften 5 Milliarden DM geblieben sein sollen, die in manchen Zeitungen über diese Bestände von 9 Milliarden DM hinaus aufgetaucht sind. Ich glaube, hier liegt wohl ein Rechenfehler vor.
Der Herr Bundesfinanzminister kann mit gutem Recht auf die 2,4 Milliarden DM noch nicht abgerufener Besatzungskosten verweisen, die in diesen 9 Milliarden enthalten sind. Zieht man diesen Riesenbetrag von dem Einlagenbestand der Bundesregierung ab, dann verbleiben zwar noch immer einige 100 Millionen; aber übersehen wir doch nicht, in welcher Relation diese Einlagen — sozusagen als das Betriebskapital der Bundesregierung — zu dem Gesamtumfang des Haushalts von 27 Milliarden DM stehen. Auch die Höhe des Bundesvermögens muß nun einmal an der Gesamtsumme des Bundeshaushalts gemessen werden, wenn man eine richtige Einschätzung vornehmen will.
Man ist sich deshalb in der Bank deutscher Länder durchaus dessen bewußt, wie lückenhaft ihre Statistik der öffentlichen Kassenlage ist. Deshalb auch die Ankündigung der Sondererhebung. Dem aufmerksamen Beobachter konnte allerdings keineswegs entgehen, daß allein schon die Ankündigung der BdL, eine solche Erhebung mit dem Stichtag zum 31. Oktober 1953 durchzuführen, den Abzug von rund einer halben Milliarde DM öffentlicher Gelder sofort bewirkt hat. Vermutlich wurden sie in Wertpapieren angelegt, die nachher wieder in die alten Konten zurückkehrten. Auch der Bundesfinanzminister hat nach dem Versuch einer Deutung des Zustandekommens dieser außerordentlich hohen Einlagen im Bulletin vom 4. Dezember 1953 bereits bekannt: „Damit soll nun nicht etwa gesagt sein, daß die hohen Kassenbestände etwas Erstrebenswertes wären." Wir haben dieser Feststellung von unserer Seite aus nichts mehr hinzuzufügen. Das ist ein Problem, das nicht nur den Bundeshaushalt allein betrifft, sondern die Gesamtheit der Haushalte von Ländern, Gemeinden und öffentlichen Körperschaften.
Damit ist für uns aber auch die Frage gestellt, ob das von uns und von meinem werten Vorredner, Herrn Dr. Krone, hier in den Mittelpunkt seiner Erörterungen gestellte Subsidiaritätsprinzip in der Bundesrepublik richtig durchgeführt wurde, d. h. ob die öffentliche Hand aus den Verantwortungsbereichen der kleinsten Gebilde der Gesellschaft nicht zu viel an sich gerissen hat. Wenn wir diese Frage stellen, müssen wir zu gleicher Zeit ehrlicherweise auch eine zweite aufwerfen. Das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft und der Freiheit überhaupt in demokratischen Staatsgebilden fordert eine hinreichend große Zahl und Schicht von Menschen, die zur Vorsorge für ihre Familie und zur Vorsorge für ihren Betrieb und ihr Eigentum entschlossen sind. Auf diese Entschlossenheit und auf diese Vorsorge, damit auch zugleich auf diese Eigeninitiative müssen wir zählen können, wenn unser Eintreten für diese Grundsätze auch legimitiert sein soll.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zum Wohnungsbau. Wir hoffen sehr, daß die erfreuliche Steigerung des Absatzes von Pfandbriefen auch für die für uns sehr schwer tragbare Abschaffung des § 7 c einen gewissen Ausgleich bringen wird. Sollte das nicht ausreichen, wird man gründlich und schnell überlegen müssen, ob nicht über die steigenden Rückflüsse aus den Zuschüssen zum Wohnungsbau in den vergangenen Haushaltsjahren hinaus noch zusätzliche Mittel mobilisiert werden können.
Aus dieser grundsätzlichen Einstellung heraus haben wir noch einen dritten Wunsch zur kommenden Steuerreform herausgestellt: die besondere Förderung der Familie. Hier möchte ich der Opposition ein zweites zu bedenken geben. Ich finde es eigentlich nicht ganz veständlich, warum man auch in manchen Kreisen der Opposition für die Gründung eines Familienministeriums nicht das notwendige Verständnisaufgebracht hat. Das geht uns alle an. Schon jetzt müssen in der Bundesrepublik im Durchschnitt vier Erwerbstätige den Unterhalt von drei Unterhaltsberechtigten mitverdienen. Sie alle kennen den unglücklichen Aufbau der Alterspyramide unseres Volkes. Die bisherigen Berechnungen lassen jetzt schon erkennen, daß im Jahre 1961 11,5 % mehr Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als im Jahre 1951, während nur ein Zugang von 2,3 % erfolgt. Dieser Zustand wird sich fortgesetzt verschlechtern. In absehbarer Zeit werden vier Erwerbstätige vier Unterhaltsberechtigte, vielleicht sogar fünf unterhalten müssen. Die Sorge um den Schutz der Familie und den Nachwuchs ist deshalb ein elementares Anliegen nicht nur der Koalition, sondern der ganzen Nation, wenn sie
eine echte Vorsorge für ein würdiges und sorgenfreies Alter der heute Schaffenden treffen will.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine Reihe von Sonderproblemen ansprechen, denen wir in dem Riesenbereich des Haushalts 1954/55 begegnen. In dem Bereich des Haushalts des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind begreifliche und verständliche Wünsche meiner Freunde aus der Landwirtschaft nicht berücksichtigt worden. Auch der Bundesfinanzminister hat die mangelnde Parität von Erlösen und Anschaffungskosten zwischen Industrie und Landwirtschaft anerkannt. Immerhin stellen wir mit Befriedigung den ersten Posten für Zinsverbilligungen in diesem Haushalt fest, der durch ein sehr vereinfachtes Verfahren der Landwirtschaft ein dringend gebrauchtes neues Kreditvolumen von über einer halben Milliarde D-Mark erschließen könnte. Allerdings, Herr Bundesfinanzminister, will uns eines hier nicht behagen, nämlich daß Sie diese Zinsverbilligung, die unbedingt notwendig ist, mit dem Eingang von mindestens 120 Millionen an Abschöpfungsbeträgen gekoppelt haben. Dieser Punkt wird noch einmal zu überlegen sein.
Wenn dagegen heute schon bei der Frage der Subventionen, die auch die Opposition aufgerollt hat, Einwendungen erhoben werden, so bitte ich doch zu überlegen, daß wir in den vergangenen Haushalten über 2 Milliarden an Verbilligungen und Subventionen stehen hatten. Wir können uns auch hier der Forderung der Opposition, die Mittel in diesem Haushalt zu kürzen, nicht anschließen. Es wäre uns im Gegenteil sehr viel erwünschter, wenn vielleicht auch diese Mittel, auf die Sie anspielten, Herr Kollege Schoettle, etwa für die Trinkmilchversorgung, noch einen etwas breiteren Spielraum hätten, als das jetzt der Fall ist. Wir sind mit dem bekannten Programm des Herrn Ministers Lübke einverstanden, daß nicht nur die wesentliche Beschleunigung der Flurbereinigung, sondern auch die Verstärkung der Rindergesundheitsdienste eine unabdingbare Vorbedingung für den Einbau der deutschen Landwirtschaft in eine europäische Gemeinschaft darstellen.
Weiter haben wir mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß entscheidende Maßnahmen zur Bereinigung des Verhältnisses zwischen Schiene und Straße bevorstehen. Mit der Beseitigung der ebenso überflüssigen wie kostspieligen Konkurrenz zwischen Bundesbahn und Bundespost auf dem Gebiet der Paketbeförderung ist endlich ein Schritt vorwärts getan worden. Wir haben angesichts des Defizits bei Bundesbahn und Bundespost kein Verständnis für die Fortdauer des gleichen Konkurrenzkampfes im Omnibusverkehr und erwarten darüber hinaus eine baldige und sichtbare Reform bei der Bundesbahn und der Bundespost zur Herabdrückung ihrer Unkosten.
Mit großem Interesse haben wir im Bulletin vom 12. Januar 1954 aus der Feder des Haushaltsexperten Dr. Vialon eine Gegenüberstellung des Persanalbestandes des höheren Dienstes von 1932 und desjenigen von 1954 gelesen. Er sagt dazu wörtlich in einer Betrachtung:
Die oft diskutierte Frage, ob die Verwaltung
an Stelle der viele Jahre unzulänglichen Besoldung öffentlicher Dienste in höhere und zahlenmäßig mehr Planstellen ausgewichen ist,
wird aus den dargebotenen Unterlagen mit
einiger Sicherheit beantwortet werden können.
Ich glaube, man darf diese Bemerkungen auch auf
Länder und Gemeinden ausdehnen. Im Wettlauf
um die besten Kräfte der Verwaltung haben häufig genug die in ihren Bewegungen finanziell freieren großen Städte und Kreise das Rennen gemacht.
In dem Zusammenhang auch noch ein kurzes Wort zur Beamtenbesoldung. Die angekündigte Beamtenbesoldungsreform wird sich in dem kommenden Haushaltsplan noch nicht auswirken können. Die Prüfungen und Überlegungen, unter anderem auch über eine Neubewertung der Stellen, sind aber in vollem Gange.
Noch eine Bemerkung zur Bundesverwaltung schlechthin. Wenn sich gerade die für die Gesetzesarbeit dringend notwendigen und seltenen Fachkräfte gewinnen lassen sollen, muß die Leistung auch eine entsprechende Bewertung erfahren. Die bislang nicht nur auf dem Beamtensektor zu beobachtende Tendenz zur Nivellierung der Einkommen entspricht nicht unserer Auffassung.
Wir verfolgen sie nicht nur in der systematischen Verringerung des Einkommenabstandes zwischen dem höheren und dem mittleren Dienst, sondern ebenso sehr zwischen ungelernten und Facharbeitern, zwischen Facharbeitern und Werkmeistern und nicht zuletzt auch zwischen den höchsten Stufen der Unterhaltsberechtigten einerseits und den allzu niedrigen Landarbeiterlöhnen andererseits. Heute umfaßt das Besoldungsgesamtvolumen der öffentlichen Hand 13,2 Milliarden jährlich. Sie werden aus dieser Ziffer unschwer entnehmen, welche haushaltsmäßigen Rückwirkungen auch nur sehr geringfügige prozentuale Erhöhungen für alle Haushalte, auch der Gemeinden und der Länder, bewirken müssen.
Gerade in Deutschland war übrigens die Stellung der Verwaltung — lassen Sie mich auch das sagen — infolge einer langen und stolzen Tradition gewissenhafter Arbeit im Dienst des Staates bedeutender als in anderen westlichen Ländern. Nun hat das Grundgesetz mittelbar dazu beigetragen, diese Rolle noch zu verstärken. Durch das Grundgesetz wurde der Bundeskanzler fast unabsetzbar und die Stellung der Bundesminister gleichfalls wesentlich gefestigter. In dem gleichem Maße aber — darauf hat auch eine Reihe meiner Herren Vorredner bereits abgestellt —, in dem sich dies vollzieht, wird auch die Position der Verwaltung gegenüber dem Parlament gestärkt. Je unabsetzbarer praktisch ein Bundesminister wird, desto machtvoller gestaltet sich zwangsläufig die Stellung der leitenden Beamten, für die der Minister vor dem Parlament die politische Verantwortung trägt. Auch Herr Kollege Dr. Dehler hat dazu sehr Bemerkenswertes gesagt. Ich möchte wünschen und hoffen, daß sich die Herren Bundesminister als Chefs ihrer Ämter dieser zwangsläufigen Folgeerscheinung des Grundgesetzes gegenüber dem Parlament stets bewußt bleiben.
Wir begrüßen dabei z. B. durchaus die Verringerung der Bundesstelle für Warenverkehr, eine der wenigen Stellenverringerungen, die wir im ganzen Bundeshaushaltsplan festzustellen haben neben sehr erheblichen Erweiterungen im Haushalt des Auswärtigen Amts, bei der Dienststelle Blank usw. Die Absicht, damit zugleich, wie das Bundeswirtschaftsministerium das angekündigt hat, Aufgaben des Bundeswirtschaftsministeriums den nachgeordneten Bundesbehörden zu übergeben, wird durchaus von uns begrüßt. Die Regierung soll regieren und nicht verwalten.
Lassen Sie mich zu einem ganz anderen Gegenstand, den auch der Herr Bundesfinanzminister in seiner Rede in der vollen Bedeutung für die kommenden Jahre herausgestellt hat, übergehen. Ich meine die Belastungen aus dem Londoner Schuldenabkommen und den sonstigen Verpflichtungen des Bundes. Wir werden in den nächsten Jahren mit wachsenden Zinsendiensten zu rechnen haben. Der Investitionsbedarf der deutschen Wirtschaft ist außerordentlich hoch. Er wird allein für die wesentlichsten Zweige unserer Wirtschaft zur Zeit auf über 11 Milliarden DM geschätzt; darüber hinaus fordert die Landwirtschaft für ihr absolut notwendiges Programm noch weitere Milliardenbeträge an. Angesichts der von der Bundesrepublik übernommenen sehr hohen Zinslasten hatten wir eigentlich auf das Hereinströmen von ausländischem Kapital gehofft, da wir den enormen Investitionsbedarf infolge Mangels eigener Kapitalansammlung nur in einem allzu langsamen Tempo befriedigen könnten. Wir verkennen dabei keineswegs die wesentlichen Verbilligungen und Entlastungen, die der Finanzierung unseres Im- und Exports als Folge der Anerkennung unserer alten Schuldverpflichtungen und des wachsenden Vertrauens zu unserer D-Mark entstanden sind. Was allerdings bis jetzt an Kapitalangeboten sichtbar geworden ist, bedeutet eine Enttäuschung für uns. Ich denke z. B. an die sich mühselig hinschleppenden Verhandlugen über die angebotene allzu bescheidene 20-Millionen-Dollar-Anleihe der Weltbank. Wir bitten das Ausland, zu begreifen, daß nach den Vorleistungen im Londoner Schuldenabkommen und nach dem heutigen Stand der D-Mark Anleihebedingungen, die unsere Zahlungsfähigkeit in Zweifel ziehen könnten, schwer annehmbar erscheinen.
Noch ein Wort zu den sogenannten Haushaltsresten, jenen Beträgen, die durch Haushalte früherer Jahre bewilligt, aber bis zum Schluß des Rechnungsjahres nicht eingenommen oder ausgegeben worden sind. In dem vorhin bereits zitierten überaus lesenswerten Kommentar über die Feinheiten des Haushalts von Ministerialrat Dr. Vialon heißt es, daß „diese Reste das stille Geheimnis der Haushaltswirtschaft" seien. Wer in der Tat die Höhe dieser Ausgabenreste und ihr Wachstum von 223 Millionen DM im Jahre 1950 auf 509 Millionen DM im Jahre 1951 und auf 681 Millionen DM im Jahre 1952 verfolgt, könnte hier mehr vermuten, als offenbar da ist. Ich habe mir zur Kontrolle dieser Dinge vom Bundesfinanzministerium eine Gegenüberstellung der Ausgabenreste der früheren Haushalte vor 1933 geben lassen. Dabei habe ich zu meinem Trost festgestellt, daß z. B. der hohe Ausgabenrest von 681 Millionen DM im Jahre 1952 nur 3 % der Ist-Ausgaben von rund 20,6 Milliarden DM ausmachte gegenüber 704 Millionen RM, d. h. damals 8,2 %, im Jahre 1926. Mit der Normalisierung der Haushalte nach der Inflation haben sich diese Reste damals übrigens bis zum Jahre 1930 auf 2,2 % vermindert.
Meine Damen und Herren, es gäbe hier noch eine Unmenge von Wünschen vorzutragen. Aber ich sehe immer mit Besorgnis auf den Zeiger der Uhr vor mir, und ich möchte diejenigen, die so brav ausgeharrt und ihr Mittagessen zurückgestellt haben, um mir zu folgen, nicht einer unnützen Belastungsprobe aussetzen. Lassen Sie mich deswegen nur sehr kurz auf einzelne noch übriggebliebene Wünsche eingehen. Es wäre eine Menge auch zu dem Haushalt für Forschung zu sagen.
Hier wird noch in der Beratung des Haushalts des Bundesinnenministeriums, die jetzt bevorsteht, ein von uns schon lange gehegter Wunsch nach einer Zusammenfassung der Beträge und einer Vermeidung von Doppelarbeit bei Forschungsinstituten näher geprüft werden müssen. Auch wir sind der Überzeugung, daß man das, was man durch Streichungen irgendwie zusammenkratzen könnte, vielleicht hier noch einfügen sollte.
Wenn wir alle diese Faktoren des vor uns liegenden Haushaltsplans zusammenfassen und die eingeplante Steuerreform hinzunehmen, dann möchten wir doch im großen und ganzen von diesem Haushalt als einem Haushalt sprechen, der den Zielen der von uns verfolgten Wirtschaftspolitik durchaus angepaßt ist. Was man auch immer an manchmal nur zu berechtigten Klagen gegenüber der Finanzwirtschaft der öffentlichen Hand vorgebracht hat, sollte uns doch letzten Endes nicht den Erfolg dieser Haushaltspolitik in den letzten Jahren aus den Augen verlieren lassen.
Im Mittelpunkt dieser Haushaltspolitik stand der immer noch gelungene Ausgleich von Ausgaben und Einnahmen und die erstaunlich starke Festigung der D-Mark in den letzten fünf Jahren. Nicht ohne Stolz haben wir gerade vor einiger Zeit zum erstenmal den Vorgang beobachten können, daß diese D-Mark in der Schweizer Notierung über den Schweizer Franken zu stehen kam. Ich bitte auch alle, die durch die Schnelligkeit unseres wirtschaftlichen Aufstiegs die notwendige Distanz zu den bitteren Jahren von 1945 bis 1948 allzuschnell erreicht haben, niemals die Augen vor der Existenz von nicht weniger als 11,4 Millionen Unterhalts-und Versorgungsberechtigten in unserer Mitte zu verschließen. Sie müssen sich zwangsläufig bei jedem Versuch zu einer Konsumausweitung — so sehr wir das mit unserer Politik der sozialen Marktwirtschaft auch anstreben möchten — leider ähnlich hemmend auswirken, wie sich auch früher einmal das Millionenheer der Arbeitslosen in den bitteren Jahren von 1930 bis 1933 ausgewirkt hat. Aber wer sich diese Zahl der 11,4 Millionen wirklich Ärmsten der Armen als der Folge der furchtbarsten Katastrophe unserer Geschichte vor Augen hält, dem erwächst aber auch die eminent christliche Verpflichtung zum Maßhalten gegenüber nicht nur politischen, sondern auch wirtschaftlichen Extremen.
— Ich stimme Ihnen durchaus zu, Herr Kollege Albers. Ich glaube, daß dieser Haushalt ein sichtbarer Ausdruck unserer Entschlossenheit zu eben diesem Maßhalten ist. Götz Brief s, der bekannte Sozialrechtler, hat im Jahre 1950 in einem Vortrag die Frage aufgeworfen, wo denn die Instanz läge, die Autorität genug besäße, um zwischen den großen „Condottieri" unserer Zeit auszugleichen. Er hob dabei auf die amerikanischen Verhältnisse ab. Bei unseren wesentlich friedlicheren Verhältnissen wird man ja diesen Ausdruck nicht ganz für angebracht halten. Er fragte, wo denn zwischen diesen beiden großen Polen — lassen Sie mich einmal so sagen — der Ausgleich zu finden sei. Er zitierte dabei sein letztes Gespräch mit Professor Schumpeter, den wir ja keinesfalls zu unseren Sozialtheoretikern rechnen, son-
dern der Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, nahesteht. Herr Schumpeter hat ihm kurz vor seinem Tod — so erzählte er uns damals — bekannt, er sehe die Möglichkeit eines solchen Ausgleichs nur in einer außerordentlichen, nämlich in einer moralischen Instanz: in der christlichen Lehre. Meine Damen und Herren, von dieser Autorität allein empfangen wir die Verpflichtung zu jenem Maßhalten zwischen den Forderungen der großen politischen und wirtschaftlichen Machtgebilde unserer Tage. Lassen Sie uns auch in der Zukunft bei der Beurteilung und Einschätzung der Forderungen, von welcher Seite sie auch an uns herangetragen werden mögen, gemeinsam an diesem christlichen Maß festhalten. Wir werden so am sichersten und besten, glaube ich, alle miteinander der Wohlfahrt unseres Volkes dienen.