Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der Großen Anfrage gehört. Herr Abgeordneter D r. Atzenroth hat mit einem deutlichen Unterton der Kritik seinem Erstaunen darüber Ausdruck gegeben, daß ich diese Große Anfrage erst heute auf die Tagesordnung gesetzt habe. Ich darf den Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth daran erinnern, daß seine Anfrage am 1. Dezember eingegangen ist. Ich habe sie am 2. Dezember an den Herrn Bundeskanzler weitergeleitet. Er hat mir am 4. Dezember bestätigt, daß die Große Anfrage eingegangen ist.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat mir am 18. Dezember mitgeteilt, daß er bereit sei, in einer nach dem 1. Januar anberaumten Sitzung des Deutschen Bundestages zu antworten. Über Weihnachten fanden bekanntlich keine Sitzungen statt. Der Deutsche Bundestag hat, da die Termine vom 14. und 15. Januar besetzt waren — Sie wissen, durch wichtige andere Debatten —, diesen Punkt auf die Tagesordnung vom 22. Januar gesetzt, und zwar im Einvernehmen mit allen Fraktionen. Vor der Sitzung am 22. Januar sind auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung beide Punkte, sowohl die Anfrage der FDP wie die der SPD, abgesetzt und im Einvernehmen mit allen Fraktionen auf die heutige Tagesordnung gesetzt worden. Mir scheint daher die Kritik des Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth fehlzugehen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst die Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Regelung der Anleihen des Deutschen Reiches und des Landes Preußen entgegennehmen und dann die gemeinsame Beantwortung durch den Herrn Bundesfinanzminister. — Herr Abgeordneter Seuffert, bitte!
Seuffert , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage bezieht sich zunächst ebenso wie die Große Anfrage der Freien Demokraten auf die verbrieften Schulden des Reichs, des Landes Preußen und die anderen Schulden, die in diesem Zusammenhang gleichzustellen sind. Die Dringlichkeit der Regelung, nach der hier gefragt ist, brauche ich nach den Ausführungen meines Herrn Vorredners und nach den Erklärungen der Regierung in der vergangenen Zeit nicht näher zu begründen. Sie ergibt sich aus dem Londoner Schuldenabkommen, sie ergibt sich aus der Tatsache, daß diese Posten in den D-Mark-Bilanzen immer noch ungeregelt stehen; wir möchten auch über die Auswirkung dieser Dinge auf die Umstellungsrechnung der Kreditinstitute endgültig Bescheid wissen. Die Dringlichkeit steht, wie gesagt, außer Frage. Sie ist von der Regierung selbst betont worden, und die Verzögerung der Regelung kann deshalb nur Erstaunen hervorrufen. Dem wollten wir mit unserer Anfrage Ausdruck geben.
Ich glaube, es wäre auch gut, wenn der Herr Bundsfinanzminister so bald wie möglich den Satz, den er für die Verbindlichkeiten, die nach Währungsrecht noch nicht umgestellt sind, vorschlagen will, bekanntgeben würde. Erstens einmal beziehen sich auf die Höhe dieses Satzes einige Probleme, auf die sich sowohl die Öffentlichkeit wie die parlamentarischen Instanzen so bald wie möglich vorbereiten sollten. Dann aber sollten von vornherein Spekulationen irgendwelcher Art in dieser Beziehung so bald wie möglich unterbunden werden.
In den letzten Verlautbarungen der Bundesregierung ist angekündigt worden, daß man beabsichtige, die durch die Anfragen hier angesprochenen Probleme in einem großen Kriegsschädenschlußgesetz zusammen mit allerhand allerdings auch noch ausstehenden Fragen wie Entschädigungen für Auslandsvermögen, Demontagen und was in diesem Zusammenhang noch alles genannt wird, zu behandeln. Dem Erstaunen und dem Widerspruch, die mein Herr Vorredner in dieser Beziehung zum Ausdruck gebracht hat, kann ich mich nur voll anschließen. Ich sehe auch nicht ein, warum eine solche Verkettung stattfinden sollte, und ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister sehr bitten, uns zu erklären, warum man denn eigentlich auf eine solche Idee gekommen ist. Entschädigungen und die Bezahlung von Verbindlichkeiten sind doch zwei sehr verschiedene Dinge. Ich möchte nur ganz in Parenthese an die Probleme erinnern, die wir bei der Behandlung des Lastenausgleichs und der ihm verwandten Gebiete in diesem Hause auseinanderzuhalten hatten.
Ich glaube also, daß es nicht richtig wäre, auf ein solches allgemeines Gesetz zu warten, sondern daß das Problem der Regelung und der währungsmäßigen Umstellung dieser Verbindlichkeiten vorweg und dringlich zu behandeln wäre.
Die Anfrage bezieht sich zunächst auf die verbrieften Verbindlichkeiten. Diese Verbindlichkeiten sind bereits in der Aussprache des Bundestages in der vorigen Wahlperiode vom Herrn Bundesfinanzminister selbst unmittelbar im Zusammenhang mit den unverbrieften Verbindlichkeiten des Reichs und der anderen Körperschaften, die hier in Frage kommen, behandelt worden. Ich würde es deswegen begrüßen, wenn man auch hier auf einige Fragen gleich Antwort erteilen würde. Die unverbrieften Verbindlichkeiten insbesondere des Reichs sind natürlich sehr verschiedenen Inhalts, und man kann nicht auf alle eingehen. Es gibt auch eine ganze Reihe, die wohl überhaupt keiner Regelung
mehr bedürfen, weil sie ephemerer Natur sind und einen Bagatellcharakter tragen, so daß sie jetzt ruhig unter den Tisch fallen können.
Aber auf einige besondere Komplexe möchte ich doch kurz eingehen. Der eine dieser Komplexe sind die Verbindlichkeiten aus den Rüstungsaufträgen. Ich will hier nicht auf die Frage eingehen, ob sie etwa in moralischer oder politischer Hinsicht besonders zu bewerten wären. Es ist richtig, daß diese Verbindlichkeiten wenigstens zu einem Teil aus Forderungen auf Auszahlung von Rüstungsgewinnen herrühren. Aber ich glaube, daß diese Frage durchaus als zweitrangig angesehen werden kann. Wichtiger ist die besondere Behandlung, die gerade diese Verbindlichkeiten bereits erfahren haben. § 21 Abs. 4 des Umstellungsgesetzes hat den Gläubigern solcher Verbindlichkeiten ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber ihren Vorlieferanten eingeräumt, durch das sie zum allergrößten Teil den Verlust aus diesen Forderungen, soweit er nach der Währungsumstellung noch übrig blieb, auf ihre Vorlieferanten abwälzen konnten. Auch diese konnten ihn weiterwälzen. Der Umfang dieses Leistungsverweigerungsrechts, die Anwendung dieser Klausel z. B. auf Bankkredite, ist Gegenstand einer Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen. Die Frage darf als mehr oder weniger geklärt betrachtet werden.
Neben diesem Leistungsverweigerungsrecht — das nach der gesetzlichen Regelung allerdings zunächst nur einen zeitweiligen Charakter trug, das aber, weil natürlich ein wirtschaftliches Interesse an endgültigen Regelungen bestand, durch Vereinbarungen zwischen den Beteiligten, Vorlieferanten und Hauptlieferanten, sehr oft einen endgültigen Charakter angenommen hat — stand von Anfang an die Möglichkeit der Vertragshilfe, die durch den § 21 Abs. 2 des Umstellungsgesetzes und sodann durch das Vertragshilfegesetz gerade für diese Fälle eingeräumt worden ist. Die meisten der Fälle dürften eine Regelung gefunden haben. Einige besonders schwierige, man kann aber auch sagen, besonders hartnäckige, widersetzen sich offenbar der Regelung. Immer wieder macht man die Beobachtung, daß die Erwartung einer andersartigen gesetzlichen Behandlung dieses Komplexes, als sie bisher vorliegt, alle diese Verfahren in ihrem Ablauf hemmt. Die Unsicherheit der Gerichte, besonders der Vertragshilfegerichte, in diesen Fragen ist auffallend.
Ich glaube, man sollte zu diesem Komplex ein Wort sagen, um Klarheit zu schaffen. Man könnte wohl volles Verständnis dafür haben, wenn man mit den bisherigen Rechtswohltaten, die die Gläubiger solcher Verbindlichkeiten erfahren haben, die Sache für abgeschlossen betrachtete und diesen Komplex keiner weiteren gesetzlichen Regelung zuführte, sondern es mit den Möglichkeiten der Weiterwälzung und der Behandlung im Vertragshilfeverfahren sein Bewenden haben ließe, zumal ja, wie gesagt, die meisten Fälle zwischen dem Gläubiger und seinen Gläubigern inzwischen so weit geregelt worden sind, so daß es nicht gerade immer die würdigsten, sondern eher gerade die hartnäckigsten Schuldner — ihren Gläubigern gegenüber — sein würden, die von einer solchen nachträglichen Regelung Vorteile hätten. Ich glaube, man kann hier nicht noch nachträglich eingreifen, sondern man sollte diesen Komplex im Vertragshilfeverfahren je nach dem Einzelfall ablaufen lassen. Auf jeden Fall — welcher Meinung man sonst auch sein mag — glauben wir, daß die
Bundesregierung gut daran täte, ihre Absichten in dieser Beziehung klar und unmißverständlich bekanntzugeben, damit der hier herrschenden Unsicherheit ein Ende gemacht wird.
Ein ganz anderer Komplex von Verbindlichkeiten des Reichs, auf den ich auch noch ganz kurz zu sprechen kommen möchte, sind die Verbindlichkeiten aus dem Rückerstattungsgesetz. Ich spreche hier nicht von den Entschädigungsgesetzen, die wir geschaffen haben, sondern ich spreche von den Verbindlichkeiten aus dem Rückerstattungsverfahren, aus Entziehungen, die durch das Deutsche Reich bzw. durch die von ihm beauftragten Stellen oder Stellen, für die es verantwortlich war, vorgenommen worden sind. Diese Verbindlichkeiten sind zwar nicht in Schuldverschreibungen verbrieft, aber sie sind zunehmend in rechtskräftigen Gerichtsurteilen verbrieft. In zunehmendem Maße ergehen Urteile, in denen festgestellt wird, daß das Deutsche Reich die und jene Rückerstattungsverbindlichkeit zu erfüllen, die und jene Zahlung zu leisten habe, falls es einmal dazu käme, seine Schulden zu regeln. Diesem Zustand muß einmal ein Ende gemacht werden. Ich glaube, daß diese Verbindlichkeiten allerdings einer besonderen moralischen Bewertung im positiven Sinne bedürfen. Hier liegen nicht nur rechtliche, sondern auch moralische Verbindlichkeiten vor. Es darf nicht dabei bleiben, daß, wie man hört, neuerdings in einzelnen Härtefällen solche rechtskräftige Urteile gegen das Reich auf irgendeine Weise bedient werden. Wir bitten deshalb den Herrn Bundesfinanzminister, auch zu sagen, ob er dafür Vorsorge treffen will, daß hier möglichst bald die Schulden bereinigt werden.